Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.11.2012


BPatG 29.11.2012 - 30 W (pat) 522/11

Markenbeschwerdeverfahren - "Gesunde Brotdose" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
29.11.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 522/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 052 385.1

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. November 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung

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Gesunde Brotdose

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für die Dienstleistung

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„Ernährungsberatung“.

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung unter Übersendung von Recherchematerial wegen bestehender absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet. Die angemeldete Bezeichnung könne wegen ihres beschreibenden Sinngehalts nicht als Marke eingetragen werden. Das Wort „Brotdose“ sei die geläufige Bezeichnung für Behälter zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln, z. B. von Pausenbroten für Schulkinder. Angesichts häufiger Fehler bei der Ernährung von Kindern würden - wie dem Recherchematerial zu entnehmen sei - von Ernährungsexperten und Gesundheitsgremien mit schlagwortartigen Bezeichnungen wie „fitte Brotdose“ oder „gesunde Brotdose“ häufig Kampagnen gestartet, um Eltern darauf hinzuweisen, was für eine gesunde Ernährung in die Brotdose für Pausenverpflegung zu packen sei. Deshalb würden die Abnehmer in der angemeldeten Bezeichnung keinen Herkunftshinweis erkennen. Auch müsse es Mitbewerbern unbenommen bleiben, mit dem Begriff auf ihr Angebot in diesem Marktsegment hinweisen zu können.

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Dieselbe Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschluss vom 10. Februar 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die aus dem Wort „Brotdose“, der gebräuchlichen Bezeichnung für Behälter zur Nahrungsmittelaufbewahrung, und dem vorangestellten Adjektiv „gesunde“ gebildete Anmeldung ergebe unmittelbar und ohne analytische Denkprozesse die Gesamtaussage, dass sich die Ernährungsberatung, z. B. für Schulkinder, auf gesunde Nahrungsmittel beziehe, die in einer Brotdose mitgenommen werden könnten. Die angemeldete schlagwortartige Zusammensetzung Gesunde Brotdose stelle einen engen beschreibenden Bezug zu der angemeldeten Dienstleistung „Ernährungsberatung“ her. Der Verkehr erfasse diese Sachaussage ohne weiteres und ohne Unklarheiten und sehe in der Bezeichnung daher kein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Dienstleistung.

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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, die Wortfolge Gesunde Brotdose werde weder in Bezug auf Ernährungsberatung verwendet, noch komme ihr diesbezüglich ein beschreibender Begriffsgehalt zu, der ohne weiteres erfasst werde. Es gebe keine „gesunde Brotdose“. Die Wortkombination beschreibe die Dienstleistung „Ernährungsberatung“ weder unmittelbar noch bestehe hierzu ein enger Bezug. Ein möglicher beschreibender Sinngehalt erschließe sich daher, wenn überhaupt, nur mittelbar, weshalb der Wortfolge das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an Unterscheidungskraft zukomme.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet; die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die  etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien  stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten  Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Grundsätzen fehlt der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Wortfolge Gesunde Brotdose jegliche Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sie erschöpft sich in einer sachbezogenen Aussage über den thematischen Inhalt der beanspruchten Dienstleistung (vgl. BGH a. a. O. - marktfrisch).

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Wie die Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die zur Eintragung angemeldete Wortfolge gebildet aus dem ohne weiteres verständlichen Wort „Brotdose“ (auch „Butterbrotdose“ oder „Brotbüchse“), der geläufigen Bezeichnung für ein Behältnis zum Aufbewahren und Frischhalten des Brotes oder Pausenbrotes und anderer Mahlzeiten (vgl. Ausdruck aus Wikipedia, von der Markenstelle mit dem Beanstandungsbescheid übersandt; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 350, Stichwort „Brotbüchse“). Dem vorangestellt ist das Adjektiv „gesund“ in seiner weiblichen Form, das allgemein „die Gesundheit fördernd, richtig, vernünftig“ bedeutet (vgl. Duden, a. a. O., S. 716). Im Sinn eines Behältnisses zur Aufbewahrung gesunder Mahlzeiten weist Gesunde Brotdose einen engen beschreibenden Bezug zur beanspruchten Dienstleistung „Ernährungsberatung“ auf. Wie aus der von der Markenstelle übersandten Internetrecherche ersichtlich, wird diese Wortfolge in dem von der Markenstelle angenommenen Sinn gebraucht und verstanden, dass Gegenstand einer Ernährungsberatung die Befüllung von Brotdosen mit gesunden Nahrungsmitteln ist. So heißt es im Internetausdruck zu „www.kreiszeitung.de“ unter der Überschrift „Frühstückswoche im Neerstedter Kindergarten animiert zu gesunder Ernährung“ unter anderem: „Wir thematisieren das aber auch mit den Eltern und geben Ihnen das Merkblatt „Was gehört in die gesunde Brotdose?“ mit…“. Im Internetausdruck zu „www.essen-mit-stil.de“ heißt es: „…Ökolöwe verteilt gesunde Brotdosen an 3.800 Erstklässler…Die Eltern der Schulanfänger erhielten...ein Faltblatt mit wichtigen Informationen zum gesunden Schulfrühstück und zum vollwertigen Essen und Trinken...“. Der Ausdruck der Internetseite zu „www.kibu-elmshorn.de“ lautet: „Gesunde Brotdose für Grundschüler. Am 15. September 2009 verteilt der Kinderschutzbund an alle neu eingeschulten Erstklässler…Brotdosen. Diese sind…unter Anleitung einer…Hauswirtschaftsleiterin gefüllt worden. Wir möchten mit dieser Aktion erreichen, dass die Eltern ihren Kindern jeden Tag ein gesundes Frühstück in diese Brotdosen packen…Die Brotdose sollte immer eine geschmierte Vollkornbrotschnitte mit magerem Belag, etwas Gemüse und Obst enthalten…“.

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Aus den übersandten Verwendungsbeispielen ergibt sich, dass Gesunde Brotdose als gebräuchliche Bezeichnung im Rahmen der Ernährungsberatung zum Inhalt einer Brotdose mit gesundem Inhalt bereits umfangreich verwendet wird. Auch die Anmelderin verwendet die Bezeichnung zur Empfehlung von Lebensmitteln für ein gesundes Schulfrühstück.

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Vor dem Hintergrund dieser gebräuchlichen Verwendung weist die Bezeichnung Gesunde Brotdose einen so engen Zusammenhang zu „Ernährungsberatung“ auf, dass der Verkehr darin keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennt.

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Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

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Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.