Entscheidungsdatum: 24.01.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 1 063 662
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Markenregistrierung - vom 9. Februar 2012 aufgehoben, soweit darin der international registrierten Marke IR 1 063 662 der Schutz verweigert worden ist.
I.
Für die für die Waren und Dienstleistungen
„9: Logiciels
41: Divertissement
42:
Mise à disposition de moteurs de recherche
44: Services de conseils et d'informations en matière de soins de beauté et de parfumerie“
international registrierte Marke 1 063 662
IPERFUMER
wird für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland um Schutz nachgesucht.
Die Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Markenregistrierung - des Deutschen Patent- und Markenamts hat der IR-Marke mit Beschluss vom 9. Februar 2012 den nachgesuchten Schutz - abgesehen von den Dienstleistungen der Klasse 41 - wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise verweigert. Die Marke sei eine Kombination aus der Abkürzung „I“ für „Internet“ und dem englischsprachigen Wort „PERFUMER“ (deutsch „Parfümeur, Parfümhändler“) und weise in der Bedeutung „Internetparfümeur, Internetparfümhändler“ nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 42 und 44 auf. Dieser ohne weiteres verständliche Begriff werde in erster Linie als Sachhinweis aufgefasst, nicht aber als Unterscheidungsmittel.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke schon deswegen für schutzfähig, weil IPERFUMER von den angesprochenen Verkehrskreisen im Hinblick auf die Verwendung von Großbuchstaben nicht in die Elemente „I“ und „PERFUMER“ zergliedert werde. Abgesehen davon lasse der Buchstabe „I“ gemäß der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts nicht per se auf die Abkürzung des Wortes „Internet“ schließen, vielmehr setze dies seine Verwendung als Kleinbuchstabe „i“ voraus (BPatG 25 W (pat) 28/07 - iFinder; 33 W (pat) 130/09 - iFINANCE; 26 W (pat) 23/10 - iNanny; HABM R 01494/06-1 - iDesigner). Zudem ergäbe sich bei solchem Verständnis aber auch keinerlei Sachhinweis bezüglich der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen.
Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Markenregistrierung - vom 9. Februar 2012 aufzuheben, soweit darin der international registrierten Marke IR 1 063 662 der Schutz verweigert worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat in der Sache Erfolg. Dem Schutz der IR-Marke 1 063 662 IPERFUMER stehen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der von der Schutzverweigerung umfassten Waren und Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG, Art 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ entgegen. Insbesondere kann der IR-Marke nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 1. Alt. PVÜ abgesprochen werden.
1. Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143, 1144 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Gemessen an diesen Maßstäben verfügt die IR-Marke IPERFUMER über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt sich der Marke in Bezug auf die für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der IR-Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die IR-Marke rein formal betrachtet aus den Elementen „I“ und „PERFUMER“ zusammengesetzt ist, der Buchstabe „i“ - neben weiteren Bedeutungen - auch die Abkürzung für „Internet“ sein kann (vgl. BPatG 25 W (pat) 249/02 - i-finance.de, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts) und das englischsprachige Wort „Perfumer“ mit „Parfümeur, Parfümhändler“ in die deutsche Sprache übersetzt wird (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., S. 1399).
Es mag daher sein, dass IFERFUMER vielleicht als Hinweis auf einen Parfümhändler im Internet verstanden werden könnte.
Eine derartige Betrachtung wird hier aber der Marke in ihrer Gesamtheit nicht gerecht. Abgesehen davon, dass Abkürzungen als bloßen sprachlichen Hilfsmitteln nicht dieselbe Bedeutung wie der korrekten Wiedergabe der vollständigen Bezeichnung zukommt, sind jedenfalls nur solche Abkürzungen schutzunfähig, die aus sich heraus verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 164; 324 ff. m. w. N.). Eine analysierende Betrachtungsweise findet dabei allerdings nicht statt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 298). Unter diesen Umständen fehlen hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür, dass die angemeldete Marke ohne analysierende Betrachtung überhaupt in die Bestandteile „I“ und „PERFUMER“ zergliedert wird und diese Elemente unschwer erkannt werden. Denn IPERFUMER erscheint vor allem als einheitliches Gesamtwort. Dies beruht darauf, dass die geschlossene Schreibweise in Großbuchstaben eine Verschmelzung der Einzelbestandteile bewirkt, die einer Zergliederung in „I“ und „PERFUMER“ entgegensteht (vgl. BPatG 30 W (pat) 22/09 - Inavigation).
Die von der Markenstelle angenommene beschreibende Bedeutung der Bestandteile „I“ und „PERFUMER“ vermag hier damit die fehlende Unterscheidungskraft der Gesamtmarke nicht zu begründen. Soweit die IR-Markeninhaberin auf ihrer Homepage die Schreibweise „iPerfumer“ verwendet, werden jedenfalls erst durch die Verwendung der Binnengroßschrift des Buchstabens „P“ mit vorangestelltem „i“ als Kleinbuchstabe die Einzelbestandteile des Wortes erkennbar, was, wie ausgeführt, bei der schutzsuchenden Marke nicht der Fall ist.
Der schutzsuchenden IR-Marke IPERFUMER in der Gesamtheit ist kein eindeutiger Bedeutungsgehalt entnehmbar. Zum Verständnis von „I“ als Abkürzung für „Internet“ in der Gesamtbezeichnung IPERFUMER bedarf es näherer Überlegungen, was der Annahme entgegensteht, dass der Verkehr Marken so aufnimmt, wie sie ihm entgegentreten. Dies steht auch der Annahme einer in den Vordergrund drängenden, für den angesprochenen Verkehr ohne weiteres ersichtlichen Beschreibung der von der Teilschutzverweigerung umfassten Waren und Dienstleistungen entgegen.
3. Nachdem der IR-Marke für die registrierten Waren kein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz der IR-Marke in Deutschland auch das Schutzhindernis einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 2. Alt. PVÜ nicht entgegen.
4. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 MMA dem Internationalen Büro der WIPO mitgeteilt worden.
5. Die Beschwerde hat daher Erfolg.