Entscheidungsdatum: 29.01.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Löschungsverfahren der Marke 305 01 870
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Vogel von Falckenstein, der Richterin Hartlieb und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortmarke MyEngines ist - nach vorangegangener Beanstandung wegen bestehender absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG - am 18. Juli 2006 unter der Nr. 305 01 870 für die Waren und Dienstleistungen „Computer-Software (gespeichert), Computer-Programme, Design von Computer-Software“ in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden.
Der Antragsteller hat am 14. September 2006 die Löschung der Marke 305 01 870 wegen Bösgläubigkeit beantragt. Dazu hat er unter anderem ausgeführt, dass er eine Software für Suchmaschinen programmiert und hierfür die Bezeichnung MyEngines schon vor der Anmeldung durch die Markeninhaberin verwendet habe; durch diese Eintragung sei er gehindert, diese Bezeichnung weiterhin einzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 10. Oktober 2006 zugestellten Löschungsantrag am 18. Oktober 2006 widersprochen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 die Löschung „wegen absoluter Schutzhindernisse und Bösgläubigkeit“ beantragt.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 23. Mai 2007 die Marke 305 01 870 gelöscht, weil sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG eingetragen worden sei. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt, dass zur Nutzung des Internets sogenannte „search-engines“ (Suchmaschinen) ein unverzichtbares Hilfsmittel seien, wobei dieser Begriff üblicherweise auf „engines“ verkürzt werde. Die Hinzufügung des Wortes „My“ (mein, meine) sei ein werbeübliches Stilmittel, durch das auf die Möglichkeit einer Personalisierung bzw. einer speziellen Anpassung hingewiesen werde. Die Bezeichnung MyEngines sei im Eintragungszeitpunkt ein beschreibender Hinweis hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen gewesen. Die Schutzhindernisse seien auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch gegeben. Die Frage, ob die Markeninhaberin bei der Anmeldung bösgläubig gewesen sei, könne unter diesen Umständen dahinstehen.
Die Antragsgegnerin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält die angegriffene Marke mit näheren Ausführungen nicht für eine beschreibende Angabe und verweist auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „My“.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller hält die Marke MyEngines mit näheren Ausführungen weiterhin für löschungsreif und verweist darauf, dass das Patentamt Anmeldungen mit dem Bestandteil „My“ zurückgewiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenabteilung sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; insbesondere ist sie - entgegen der Auffassung des Antragstellers - innerhalb der Frist des § 66 Abs. 2 MarkenG eingelegt worden: der Beschluss der Markenabteilung vom 23. Mai 2007 wurde den Vertretern der Antragsgegnerin am 5. Juni 2007 zugestellt; die Beschwerde ging am 29. Juni 2007 beim Patentamt ein.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache indessen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Senats ist die Marke MyEngines jedenfalls entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 MarkenG). Da das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft insoweit noch fortbesteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG), hat die Markenabteilung auf den nach §§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 1 MarkenG zulässigen Löschungsantrag die Marke zu Recht wegen Nichtigkeit gelöscht.
Dieser Löschungsgrund ist vom Antragsteller - wenn nicht schon konkludent mit dem Löschungsantrag - jedenfalls mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 geltend gemacht worden. Eine Erweiterung des mit dem Löschungsantrag eingeführten Löschungsgrundes der Bösgläubigkeit ist gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 263 ZPO als sachdienlich anzusehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 54 Rdn. 4).
Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom maßgeblichen Publikum, d. h. dem normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen, als Unterscheidungsmittel eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2003, 227, 232 f. (Nr. 61, 62) - Orange; GRUR 2004, 428, 429 f. (Nr. 30, 31) - Henkel; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 23, 24) - SAT.2; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 17) - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung insbesondere solche Wortmarken, denen die maßgeblichen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKalk; a. a. O. (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) - Postkantoor). Davon ist bei der Wortmarke MyEngines für die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen - bezogen sowohl auf die Zeit ihrer Eintragung als auch auf den aktuellen Entscheidungszeitpunkt - auszugehen. Ihr fehlte und fehlt jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG, da erhebliche Teile des Verkehrs wegen des beschreibenden Inhalts der Bezeichnung darin eine Sachangabe sehen werden, nicht aber einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Erzeugnisse und Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb.
Das in der Marke enthaltene englische Wort „engine“ (Plural: „engines“) bedeutet im Deutschen ganz allgemein „Maschine“ (vgl. Langenscheidt, Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch, 2001 S. 386; Langenscheidts Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften, 1. Aufl. 2002 S. 664). Maschinen wurden als technische Hilfsmittel ursprünglich mechanisch betrieben; insbesondere mit Einzug der Automatisierung bahnte die Computertechnologie spätestens seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine technologische Entwicklung, die den Maschinen zu sogenannter „künstlicher Intelligenz“ verhalfen, die durch Computerprogramme (Software) gesteuert wird (vgl. online-Lexikon Wikipedia, Stichwort „Maschine“). Bereits in dieser allgemeinen Bedeutung ist das in der Marke enthaltene Wort „Engines“ zum Zeitpunkt der Eintragung im Sinne einer Bestimmungsangabe als beschreibend für die im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis oberbegrifflich enthaltenen Produkte und Dienstleistungen dem Markenschutz nicht zugänglich gewesen.
Im Bereich der Computertechnologie bezeichnet „engine“ ferner einen Teil eines Programms, der für die Verwaltung und Manipulierung der Daten maßgebend ist (vgl. Microsoft Press, Computerlexikon Ausgabe 2001 S. 255, Ausgabe 2005 S. 245). Auch in dieser Bedeutung ist „Engines“ bereits zum Zeitpunkt der Eintragung im Sinne einer Beschaffenheits- bzw. Bestimmungsangabe als beschreibend von der Eintragung als Marke ausgeschlossen gewesen.
Ob darüber hinaus dem Wort „engines“ bereits im Eintragungszeitpunkt die Bedeutung als Abkürzung von „search engines“ (Suchmaschinen) zukam, wie die Markenstelle bereits im Beanstandungsbescheid ausgeführt hatte, bedarf hier keiner Entscheidung, denn auf die von der Markeninhaberin speziell angebotene Suchmaschinen-Software ist das oberbegrifflich gefasste Warenverzeichnis nicht beschränkt.
An den genannten beschreibenden Begriffsgehalten des Wortes „engines“ hat sich nichts geändert. Hinzu kommt, dass „engine“ heute lexikalisch ganz allgemein als Bezeichnung für einen eigenständigen Teil eines Computer-Programms verzeichnet ist (vgl. Winkler, Computer Lexikon 2007, S. 294).
Die Bedeutung des Begriffs „Engines“ als Sachaussage über Bestimmung und Einsatzbereich der Waren und Dienstleistungen wird durch das vorangestellte englische Personalpronomen „my“ („mein, meine“) nicht ausgeräumt, sondern im Gegenteil besonders hervorgehoben. Als Indiz für die Gebräuchlichkeit des Wortes „My“ als beschreibende Angabe schon vor dem maßgeblichen Eintragungszeitpunkt kann die Entscheidungspraxis des Bundespatentgerichts herangezogen werden. Zumindest seit 1996 sind die Senate davon ausgegangen, dass „My“ den Verbraucher als Individuum in den Mittelpunkt stellt und die Ware als speziell für ihn bzw. seine Bedürfnisse bestimmt anpreist, es sich um eine den modernen Zeitgeist widerspiegelnde sprachliche Ausdrucksweise handele, die sich eingebürgert habe und in der Werbung sehr beliebt sei, um auf ein auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnittenes Waren- oder Dienstleistungsangebot hinzuweisen (so bereits BPatG 24 W (pat) 134/95 - My Magic Diary, Beschluss vom 3.12.1996, Zusammenfassung veröffentlicht bei PAVIS PROMA; BPatG 28 W (pat) 313/96 - My favourite music, Beschluss vom 1.10.1997, Zusammenfassung veröffentlicht bei PAVIS PROMA; BPatG 30 W (pat) 138/01 - myMusicScore, Beschluss vom 29.7.2002, veröffentlicht auf der Homepage des Bundespatentgerichts; BPatG 27 W (pat) 107/01 - my diary, Beschluss vom 17.3.2003, veröffentlicht auf der Homepage des Bundespatentgerichts).
An dieser Bewertung hat sich nichts geändert (vgl. BPatG 24 W (pat) 117/06 - MyPanel ; BPatG 29 W (pat) 134/05 - My World, jeweils veröffentlicht auf der Homepage des Bundespatentgerichts; vgl. auch BGH MarkenR 2009, 442 ff. - My World; vgl. auch http:www.definero.de/Lexikon/My).
Diese Begriffe gehörten und gehören zum einfachen englischen Wortschatz und sind deshalb großen Teilen der deutschen Verbraucher mit Schulkenntnissen der englischen Sprache ohne weiteres verständlich; zudem ist Englisch in den Bereichen Computer- und Informationstechnologie gleichsam Fachsprache. Die beteiligten Verkehrskreise bestehen darüber hinaus im Wesentlichen aus Fachleuten oder fachlich interessierten Abnehmern. Das ergibt sich aus der Natur der Waren und Dienstleistungen, die zur Steuerung von Maschinen jeder Art zum Einsatz kommen können; diese bedingen auch unabhängig vom Verbraucherleitbild in der Rechtsprechung (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 735 Tz. 26 - Lloyd; WRP 2000, 289, 292 Tz. 27 - Lifting-Creme; BGH, MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND) einen informierten und sich informierenden Abnehmer. Die Bezeichnung MyEngines insgesamt weist die angesprochenen Verkehrskreise in verkehrsüblicher Sprachform lediglich auf die Art und Bestimmung der betreffenden Waren und Dienstleistungen und ihren Zuschnitt auf die Bedürfnisse des Nutzers hin. MyEngines fehlte und fehlt damit jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da erhebliche Teile des Verkehrs wegen des beschreibenden Inhalts der Bezeichnung darin eine Sachangabe sehen werden, nicht aber einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Erzeugnisse aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb.
An der beschreibenden Bedeutung von MyEngines ändert auch die Zusammenschreibung der beiden Wörter nichts; durch die Binnengroßschreibung des „E“ bleiben die Einzelelemente so erkennbar wie bei Getrenntschreibung, so dass diese Gestaltung nicht von einer beschreibenden Angabe wegführt. Soweit die Markeninhaberin darauf verwiesen hat, dass zahlreiche Marken mit dem Bestandteil „My“ in das Register eingetragen worden seien, begründet dies keinen Markenschutz. In ständiger Rechtsprechung wird seit langem von der Unverbindlichkeit von Voreintragungen ausgegangen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 25 ff. m. w. N.; zuletzt EuGH BlPMZ 2009, 197, 198f - Schwabenpost).
Ob die Marke darüber hinaus auch wegen des Schutzhindernisses einer beschreibenden freihaltebedürftigen Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen war, oder ob sie bösgläubig angemeldet worden ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG). Soweit die Beschwerdeführerin beantragt hat, dem „Beschwerdeführer“ Kosten aufzuerlegen, wertet der Senat dies als Versehen. Aber auch eine Kostenauferlegung an den Beschwerdegegner kommt nicht in Betracht. Billigkeitsgesichtspunkte, die hierfür sprechen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal der Löschungsantrag im Ergebnis erfolgreich ist. Aus diesem Grund verbleibt es auch bei der Kostenentscheidung der Markenabteilung, die keine Kosten auferlegt hat.