Entscheidungsdatum: 28.01.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 004 008.2
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatengerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Professor Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. November 2013 aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
Leberfasten
ist am 12. Juni 2013 zur Eintragung als Marke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 35, 41 und 44 in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 20. November 2013 hat die Markenstelle für Klasse 44 die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Wortmarke bestehe aus einer sprachüblichen Zusammensetzung der allgemein geläufigen Begriffe „Leber“ und „Fasten“. Das Anmeldezeichen „Leberfasten“ sage daher lediglich aus, dass die so bezeichneten Dienstleistungen mit der Durchführung von Fastenkuren zur Behandlung einer Fettleber oder chronisch erkrankten Leber im Zusammenhang stünden bzw. hierfür erbracht würden. Gleiches gelte für die beanspruchten Waren, die im Rahmen solcher Behandlungen oder Fastenkuren zum Einsatz gelangten. Beschreibende Angaben unterlägen aber einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Darüber hinaus fehle der Marke auch jegliche Unterscheidungskraft, so dass ihr gemäß §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG die Eintragung in das Register zu versagen sei.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, „Leberfasten“ sei ein von der Anmelderin geprägter Kunstbegriff, dem in seiner Gesamtheit keine beschreibende Bedeutung zugemessen werden könne. Während Wortkombinationen wie „Früchtefasten“, „Blitzfasten“ oder auch „Heilfasten“ noch relativ wenig Kontextwissen erforderten, um ihren beschreibenden Inhalt zweifelsfrei zu erfassen, ändere sich dies, sobald der naheliegende Kontext verlassen werde oder ungewöhnliche semantische Kombinationen gebildet würden. In diesem Sinne entferne sich z. B. ein Begriff wie „Autofasten“ weit von der ursprünglichen Bedeutung des „Fastens“ und erschließe sich erst aus dem nachhaltig publizierten Kontext. Dies gelte auch für das Anmeldezeichen „Leberfasten“. Die Verkehrskreise ordneten der Wortkombination jedenfalls keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt zu.
Die Methode und der Begriff „Leberfasten“ seien im Übrigen alleine von dem Ernährungswissenschaftler W… entwickelt und durch entsprechende Veröffentlichungen zugeordnet worden. Insoweit bestehe auch keine Notwendigkeit, den Kunstbegriff gegen eine Monopolisierung zu schützen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt eingeschränkt:
„Klasse 5:
Aseptische Baumwolle; Klebebänder für medizinische Zwecke; Verbandmaterial;
Klasse 35:
Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Layoutgestaltung für Werbezwecke; Marketing; Produktion von Werbefilmen; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Verfassen von Werbetexten“.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie nach der seitens der Anmelderin vorgenommen Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht festgestellt werden können.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270, 271 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard).
Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006).
2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds steht der angemeldeten Wortkombination „Leberfasten“ nach erfolgter Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht mehr entgegen.
a) Allerdings ist der Markenstelle darin zu folgen, dass das lexikalisch nicht nachweisbare Anmeldezeichen „Leberfasten“ in sprachüblicher Weise aus zwei im deutschen Sprachgebrauch allgemein geläufigen Substantiven gebildet ist. Das Wort „Leber“ bezeichnet dabei ein Körperorgan, das der Regelung des Stoffwechsels sowie der Entgiftung des Blutes dient. „Fasten“ bedeutet lexikalisch nachvollziehbar „sich für eine bestimmte Zeit ganz oder teilweise der Nahrung enthalten oder auf den Genuss bestimmter Speisen verzichten“ (www.duden.de/rechtschreibung/fasten).
Durchaus häufig verwendet werden dabei auch Wortkombinationen aus dem Begriff „Fasten“ und einem vorangestellten Bezugswort, welches die Art der gewählten Fastenmethode und/oder deren Zielsetzung beschreibt. Beispiele für Wortkombinationen mit dem Bestandteil „–fasten“, wobei das Bezugswort hier jeweils Hinweise auf den Ernährungsplan gibt, sind etwa das „Saftfasten“, das „Früchtefasten“, das „Molke-Fasten“ sowie das „Teefasten“. Demgegenüber beschreibt das sog. „Heilfasten“ ein nicht religiös motiviertes, ggf. medizinisch verordnetes Fasten, das eine Heilung bewirken bzw. der „Entschlackung“ oder „Regeneration“ des Körpers dienen soll (https://de.wikipedia.org/wiki/Heilfasten). Als „Ernährungstherapie“ erwähnt wird ferner auch das sog. „Organ-Fasten“ (vgl. http://www.animata.info/de/interdisziplinaere-behandlungen-und-therapien.html).
In diese Begriffsbildungen reiht sich auch das Anmeldezeichen ein. Ausgehend hiervon und unter weiterer Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den Indikationen „Fettleber“ und „chronische Lebererkrankung“ um bewährte Indikationen für eine Fastentherapie handelt (vgl. hierzu Ziffer 2.1. der „Leitlinien zur Fastentherapie“ der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung), was nicht alleine dem angesprochenen Fachverkehr im Bereich Gesundheit, sondern auch interessierten Verkehrskreisen bekannt sein dürfte, wird sich die Wortkombination „Leberfasten“ dem Verkehr ohne weiteres und nächstliegend im Sinne einer Fastenkur erschließen, welche der Heilung einer erkrankten Leber dient oder generell der Gesundheit des Organs Leber zugutekommen soll.
b) Wenngleich somit das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung „Leberfasten“ im Sinne von „Fasten(therapie) zur Regeneration bzw. Heilung der Leber“ dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten bereitet, drängt sich gleichwohl vorliegend ein Sachbezug zu den hier alleine noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht auf.
aa) Die nach Einschränkung des Warenverzeichnisses verbliebenen Waren der Klasse 5 weisen ihrer Beschaffenheit nach keine speziellen Eigenschaften und Merkmale in Bezug auf eine Verwendung im Rahmen eines „Leberfastens“ auf. Es ist weder nachweisbar noch sonst ersichtlich, dass „Aseptische Baumwolle; Klebebänder für medizinische Zwecke“ bzw. „Verbandmaterial“ im Rahmen einer Fastenkur zur Regeneration bzw. Heilung der Leber eine Rolle spielen können.
bb) Sofern die Bezeichnung „Leberfasten“ im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 35 zur Unternehmensberatung („Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben“ ) verwendet wird, besteht kein Anhaltspunkt, dass der Verkehr das Zeichen allein als Hinweis auf die Art oder die Bestimmung der Dienstleistungen versteht. Es kann insoweit nicht von einer engen Verbindung dieser Dienstleistungen zu einem „Heilfasten für die Leber“ ausgegangen werden. Der Verkehr hat deshalb keinen Anlass, das angemeldete Zeichen bei diesen Dienstleistungen nicht als Unterscheidungsmittel aufzufassen.
cc) Auch für die im Einzelnen in Klasse 35 beanspruchten Werbedienstleistungen sind entgegen der Auffassung der Markenstelle keine Schutzhindernisse festzustellen. Wird die Dienstleistung „Werbung“ mit „Leberfasten“ gekennzeichnet, stellt das Anmeldezeichen keinen ausschließlich werbeüblichen Sachhinweis dar; auch ein enger sachlicher beschreibender Bezug von „Werbung“ zu einer bestimmten Fastenmethode zur Heilung der Leber fehlt. Üblich ist zur Beschreibung von Werbedienstleistungen nur eine Bezeichnung nach der Art des Mediums oder der Branchen, auf die die Leistungen bezogen sind (BGH GRUR 2009, 949, 952, Rdn. 24 - My World), wobei Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Bezeichnungsgewohnheit nicht erkennbar sind. Dem Senat sind im Rahmen seiner Recherchen auch keinerlei Werbedienstleistungen bekannt geworden, die speziell für „Leberfasten“-Produkte und/oder hiermit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen konzipiert würden und sich hierdurch von anderen Werbedienstleistungen unterschieden. Für die Annahme, dass Werbedienstleistungen speziell auf das „Leberfasten“ zugeschnitten sein könnten, fehlen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der durch Werbedienstleistungen vorwiegend angesprochene Geschäftsverkehr sowie der durchschnittliche allgemeine Endverbraucher „Leberfasten“ zumindest auch als Hinweis auf den Erbringer von Werbedienstleistungen auffassen werden, wenn diese im Verkehr mit dem Markenwort gekennzeichnet werden.
3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des angemeldeten Markenwortes für die nach Einschränkung des Verzeichnisses noch verbliebenen Waren und Dienstleistungen nicht entgegen, denn „Leberfasten“ beschreibt diese weder unmittelbar noch ist die Anmeldung für diese Waren und Dienstleistungen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.
4. Da der Anmeldemarke somit nach der erfolgten Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht mehr versagt werden kann, war der Beschluss auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.