Entscheidungsdatum: 13.12.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 1 025 337
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Markenregistrierung - vom 19. Dezember 2011 aufgehoben.
I.
Die für die Waren „Appareils et instruments de mesure de longueurs“ international registrierte Marke 1 025 337
MICROMASTER
sucht um Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach.
Die Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Markenregistrierung - des Deutschen Patent- und Markenamts hat der IR-Marke mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt, die aus den Bestandteilen „micro“ (= „klein, fein, gering“ oder auch Maßeinheit der Größe 0,000001) und „master“ (= „Herr, Magister, Meister, Könner“) gebildete IR-Marke weise auf eine besonders gute Qualität der registrierten Waren im Bereich sehr kleiner Maßeinheiten hin. Die Apparate und Instrumente verfügten also über eine meisterhafte Qualität für die Messung kleinster Längen. Dieser für den überwiegenden Teil des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres erkennbare Sinngehalt schließe die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung aus.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke nicht für beschreibend. So werde das Präfix „Micro“ jenseits seiner originären Bedeutung als Bestandteil unzähliger Marken als nicht-beschreibender Phantasiebegriff verwendet; die angesprochenen Verkehrskreise würden durch diese Gewöhnung dem Begriff „Micro“ keinerlei produktbeschreibenden Inhalt zumessen. Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung der Eignung der Waren zur Messung kleinster Längeneinheiten erschließe sich - wenn überhaupt - erst nach einer Abfolge mehrerer gedanklicher Schritte. So fehle es bereits an einem unmittelbaren Bezug von „Micro“ zu den Messgegenständen. Auch das Wort „MASTER“ sei nicht beschreibend, insbesondere komme ihm weder in der englischen noch in der deutschen Sprache die Bedeutung „eine besondere Qualität“ zu. Vielmehr sei „Master“ ein akademischer Grad und weder in diesem Sinn noch in lexikalischen Übersetzungen wie „Meister, Gebieter, Herr, Eigentümer, Arbeitgeber, Kapitän“ beschreibend. Das Bundespatentgericht habe vielfach die Eintragungsfähigkeit von Kombinationsmarken bejaht, die den Begriff „Master“ enthielten. Insbesondere der 27. Senat habe in der Entscheidung 27 W (pat) 89/99 „Global-Master“ bereits ausgeführt, dass „Master“ nicht einfach mit Begriffen wie „Meister, meisterlich“ gleichgesetzt werden könne und auch nicht so verwendet werde. Auch in der Kombination „MICROMASTER“ würden die angesprochenen deutschen Verkehrskreise keinen beschreibenden Begriff erkennen. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage bei intensivem Nachdenken in mehreren Gedankenschritten durch die Marke vermittelt werden könne, reiche zur Verneinung der Unterscheidungskraft nicht aus. Die von der Markenstelle vorgenommene, analysierende Betrachtungsweise sei unzulässig, da sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung der Waren ergebe. Weder sei das Wort „MICROMASTER“ lexikalisch vermerkt, noch handele es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache. Auch eine merkmalsbeschreibende Angabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liege nicht vor. Die Anmelderin verweist ferner zahlreiche eingetragene Marken „MICROMASTER“ sowie auf den Schutz der IR-Marke in zahlreichen Ländern.
Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Registrierung - des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2011 aufzuheben.
Hilfsweise hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat in der Sache Erfolg. Dem Schutz der IR-Marke 1 025 337 MICROMASTER stehen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ entgegen. Insbesondere kann der IR-Marke nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 1. Alt. PVÜ abgesprochen werden.
1. Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren (und Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (bzw. Dienstleistungen) zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Waren (oder Dienstleistungen) abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143, 1144 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Gemessen an diesen Maßstäben verfügt die IR-Marke MICROMASTER über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt sich der Marke in Bezug auf die registrierten Waren ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der IR-Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die IR-Marke aus den Elementen „MICRO“ und „MASTER“ zusammengesetzt ist, das aus dem Griechischen stammende Wortbildungselement „Mik(c)ro“ im Deutschen „klein, fein, gering“ bedeutet (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, S. 1186, 1188) und der aus der englischen Sprache stammende Bestandteil „Master“ mit „Herr, Magister, Meister“ in die deutsche Sprache übersetzt wird (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., S. 1313).
Dies reicht indessen nicht aus, um der Gesamtbezeichnung MICROMASTER den nachgesuchten Schutz zu versagen. Denn es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der IR-Marke ein konkreter, beschreibender Sinngehalt zukommt. In der unmittelbaren Bedeutung der Gesamtbezeichnung MICROMASTER von „kleiner/feiner Herr/Meister“ ergeben sich keine beschreibenden Bezüge hinsichtlich der beanspruchten Waren zur Längenmessung. Diese Bedeutung hat auch die Markenstelle nicht zur Begründung der Entscheidung herangezogen. Unter Hinweis auf die Bedeutung von „micro“ als Benennung einer Maßeinheit mit der Größe 0,000001 meint sie vielmehr, dass die IR-Marke auf eine besonders gute Qualität der registrierten Waren im Bereich kleiner Maßeinheiten Hinweise, die benannten Apparate und Instrumente also über eine meisterhafte Qualität für die Messung kleinster Längeneinheiten verfügten.
Der Annahme einer solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbaren beschreibenden Bedeutung im Sinn eines Qualitätshinweises steht bereits entgegen, dass „micro/mikro“ nicht die gebräuchliche Kurzform entsprechender Maßbezeichnungen wie Mikrosekunde, Mikrogramm oder Mikrometer ist, sondern nur als Wortteil der jeweiligen Gesamtbezeichnung die Bedeutung „ein millionstel…“ hat (vgl. Duden Universalwörterbuch, a. a. O., S. 1188). Zum Verständnis von „MICRO“ als Verkürzung einer Maßeinheit (hier Mikrometer) in der Gesamtbezeichnung MICROMASTER bedarf es näherer Überlegungen, was der Annahme entgegensteht, dass der Verkehr Marken so aufnimmt, wie sie ihm entgegentreten. Entsprechendes gilt bezüglich des Begriffs „Mikrometer“ im Sinn einer Schraublehre/Messschraube.
Weiterhin kann aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Verkehr in dem Bestandteil „MASTER“ im Rahmen der Gesamtmarke MICROMASTER lediglich eine werbliche Qualitätsangabe für ein meisterhaftes Produkt sieht. Dazu weist die IR-Markeninhaberin zutreffend darauf hin, dass für das Adjektiv „meisterhaft“ das englische Wort „masterful/masterly“ lautet (vgl. Duden Oxford, a. a. O., S. 1313). Weiter zutreffend hat die IR-Markeninhaberin darauf hingewiesen, dass das Wort „master“ in der IR-Marke als Substantiv steht und im Englischen in erster Linie im Sinn einer Anrede (Herr, Gebieter) verwendet wird, nicht aber zur Bezeichnung eines Handwerksmeisters (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O., S. 1166). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Wort „Master“ heute vor allem im Sinn eines akademischen Grades im Gebrauch ist (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O., S. 1166). Dafür, dass diese personenbezogene Angabe als Qualitätshinweis verstanden wird, fehlen damit ebenfalls sichere Anhaltspunkte.
Zum von der Markenstelle angenommenen Verständnis einer werblichen Qualitätsbeschreibung gelangt der Verkehr demnach nur, indem er „MICRO“ und „MASTER“ in „klein“ und „Meister“ übersetzt, im Gesamtbegriff „Kleiner Meister“ über seine Wortbedeutung hinaus den Bestandteil „MICRO“ als eine Kurzform der Längenangabe oder auch der Bezeichnung für eine Messschraube, nämlich „Mikrometer“, einordnet und die personenbezogene Angabe „MASTER“ als Qualitätshinweis für ein Produkt bewertet. Ein sich daraus ergebender beschreibender Gehalt im Sinn einer besonders guten Qualität der Waren im Bereich sehr kleiner Messeinheiten erschließt sich damit allenfalls im Rahmen einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise. Das steht der Annahme einer in den Vordergrund drängenden, für den angesprochenen Verkehr ohne weiteres ersichtlichen Beschreibung der registrierten Waren entgegen.
3. Nachdem der IR-Marke für die registrierten Waren kein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz der IR-Marke in Deutschland auch das Schutzhindernis einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 2. Alt. PVÜ nicht entgegen.
4. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 MMA dem Internationalen Büro der WIPO mitgeteilt worden.
5. Die Beschwerde hat daher Erfolg.