Entscheidungsdatum: 03.03.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 028 617.5
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 3. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2010 aufgehoben.
I.
Das Zeichen BEAUTY AIR ist als Wortmarke für „Dienstleistungen von Schönheitssalons, Dienstleistungen von Visagisten, Maniküre, Durchführung von Massagen“ zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet. Die Marke sei in der Bedeutung „Schönheit und Aussehen“ ein Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistungen. Mit Beschluss vom 15. Januar 2010 hat die Markenstelle die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil BEAUTY AIR im Sinn von „Schönheit und Aussehen“ lediglich werbemäßig auf Einsatzgebiet oder Gegenstand der angebotenen Dienstleistungen hinweise, nicht aber auf die betriebliche Herkunft. Dass das Wort „air“ auch „Luft“ bedeute, sei nicht entscheidend, weil es nur auf die Bedeutung im Zusammenhang mit den maßgeblichen Dienstleistungen ankomme.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, die Marke werde nicht im von der Markenstelle genannten Sinn verstanden. Das englische Wort „air“ bedeute im Deutschen „Luft“. Die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit ergebe im Deutschen „Schönheits-Luft“ und sei nicht beschreibend und damit schutzfähig. Die von der Markenstelle herangezogene Bedeutung „Aussehen“ enthalte im Lexikon den Zusatz „selten“; angeführt sei außerdem, dass „Air“ eine alte Form der Vokal- oder Instrumentalmusik sei; dann sei aber die angemeldete Bezeichnung im Sinn von „Schönheits-Musikstück“ mehrdeutig und deshalb unterscheidungskräftig.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent und Markenamts vom 15. Januar 2010 aufzuheben.
Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung BEAUTY AIR stehen hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Dienstleistungen (oder Waren), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Dienstleistungen bzw. Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Produkten bzw. Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2008, 608 ff. - Rn. 66, 67 - EUROHYPO; GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 - Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 - Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 - Rn. 9 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - anti KALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).
Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen hergestellt wird (BGH WRP 2010, 1504, 1506 - Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 - Rn. 20 - My World; GRUR 2009, 411 - Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen kommt dem Zeichen BEAUTY AIR die erforderliche Unterscheidungskraft zu.
Das englische Wort „beauty“ bedeutet im Deutschen „Schönheit“, als Bestandteil in Wortzusammensetzungen „Schönheits-“ (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005, S. 935); im Bereich Schönheit/Kosmetik hat „beauty“ - wie von der Markenstelle bereits ausgeführt - als Fremdwort Eingang in die deutsche Sprache gefunden (vgl. Duden Fremdwörterbuch, 4. Aufl. S. 191). Dieses ohne Weiteres verständliche Wort ist für die beanspruchten Dienstleistungen im Sinn eines Hinweises auf Gegenstand und Zweck zweifelsfrei beschreibend.
Das englische Wort „air“ bedeutet im Deutschen „Luft“ (vgl. Duden Oxford, a. a. O., S. 895; Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch, Der große Muret-Sanders, Englisch-Deutsch, 12. Aufl., S. 31; Collins, English Dictionary, 7. Aufl., S. 33). Als Fremdwort ist „air“ in dieser Bedeutung in die deutsche Sprache eingegangen, zum Beispiel in Wortverbindungen wie Airbag, Airline, Airport (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O., S. 60). Deutsche Publikumskreise werden somit keine Mühe haben, das Wort „air“ im Sinne von „Luft“ zu verstehen. In der Bedeutung von „Luft“ vermag das Wort „Air“ für sich betrachtet hinsichtlich der hier maßgeblichen Dienstleistungen in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise weder eine beschreibende Angabe noch einen engen beschreibenden Bezug zu vermitteln.
Soweit die Markenstelle ihrer Beurteilung Bedeutung und Verständnis des Wortes „air“ mit „Aussehen“ zugrunde gelegt hat, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, dass „air“ in Wörterbüchern auch mit „Aussehen, Auftreten“ ins Deutsche übersetzt ist (vgl. Duden Oxford, a. a. O., S. 895; Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch, a. a. O., S. 31; Collins, a. a. O., S. 33). Grundsätzlich sind aber nur dem inländischen Verbraucher naheliegende Übersetzungen zu berücksichtigen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 110; auch BGH GRUR 89, 666, 667 - Sleepover; BPatG GRUR 1996, 408, 409 f. - COSA NOSTRA; GRUR 1998, 399, 400 - Rack-Wall). Gegen eine naheliegende Übersetzung mit „Aussehen“ spricht zunächst, dass sie nachrangig angeführt ist; insbesondere ergibt die Gegenprobe in Wörterbüchern Deutsch-Englisch für das Wort „Aussehen“ das englische Wort „appearance“ (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, Deutsch-Englisch, 3. Aufl., S. 81; Langenscheidt, Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch, Teil 2, Deutsch- Englisch, S. 108); zudem ist nicht feststellbar, dass „air“ in Alleinstellung oder in Wortverbindungen - etwa in der Werbung - im Sinn von „Aussehen“ tatsächlich verwendet wird.
Angesichts dessen werden die angesprochenen Verkehrskreise das Wort „air“ ohne weiteres und naheliegend nur in der Bedeutung „Luft“ verstehen, nicht aber in der von der Markenstelle herangezogenen, eine betriebliche Herkunftsunterscheidung ausschließenden Bedeutung von „Aussehen“ erkennen. Unabhängig davon, ob sich deutschen Publikumskreisen dieser Bedeutungsgehalt ohne weiteres erschließt, ist es nicht geboten, auf sonstige - eher fernliegende - Verständnismöglichkeiten abzustellen. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt einer Bezeichnung muss so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 87, 118 m. w. N.). Das ist hier, wie oben ausgeführt, nicht der Fall.
Deshalb geht der Senat davon aus, dass deutsche Publikumskreise die angemeldete Bezeichnung BEAUTY AIR in der Gesamtheit im Sinn von „Schönheit Luft“, „Schönheitsluft“ verstehen. Dies ist für die beanspruchten Dienstleistungen weder eine beschreibende Angabe noch ergibt sich hieraus ein enger beschreibender Bezug zu den Dienstleistungen. Für die Gesamtbezeichnung kann damit nicht festgestellt werden, dass ihr die Eignung fehlt, die Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Soweit die Verwendung des Wortes „air“ in Verbindung mit Namen von Fluggesellschaften im Gebrauch ist, und die Anmeldung deshalb im Sinn von „Schönheits-Fluggesellschaft“ verstanden werden könnte, ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn die Anmelderin beansprucht die Bezeichnung BEAUTY AIR nicht für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Fluggesellschaft, sondern für Dienstleistungen, die die Schönheit zum Gegenstand haben.
Aus den dargelegten Gründen kann in BEAUTY AIR auch keine Bezeichnung erblickt werden, die ausschließlich aus beschreibenden Angaben im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die angemeldete Wortkombination BEAUTY AIR in der insoweit maßgeblichen Gesamtheit bezogen auf die beanspruchten Dienstleistungen keine Angabe darstellt, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen dienen kann. Da, wie oben ausgeführt, das Wort „air“ nicht im Sinn von „Aussehen“ verständlich ist, fehlt es an der Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen und damit an einem Allgemeininteresse an der freien Verwendung.
Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben.