Entscheidungsdatum: 03.07.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 021 298.0 |
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Uhlmann |
beschlossen: |
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. |
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung
ONLINE-ULTRAFILTRATION
für die Waren und Dienstleistungen der
„Klasse 10: Apparate für medizinische Zwecke und deren Teile, insbesondere Blut- und Plasmatherapiegeräte zur kontinuierlichen und extrakorporalen Nierenersatztherapie sowie Filter und Adsorber zur Blut- und Plasmatherapie, insbesondere für die kontinuierliche extrakorporale Nierenersatztherapie, insbesondere Schlauchsysteme zur Überführung extrakorporaler Flüssigkeiten in geeignete Behälter oder Abflüsse;
Klasse 44: Dienstleistung eines Arztes und eines Krankenhauses, insbesondere kontinuierliche, extrakorporale Nierenersatztherapie, insbesondere kontinuierliche Hämofiltration mit einem Kammer-Bilanzierungssystem“.
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung vom 21. März 2012 nach Beanstandung durch Beschluss vom 10. Dezember 2012 wegen Freihaltebedürftigkeit und fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen sei terminologieüblich gebildet und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, die sich in erster Linie aus Fachleuten aus dem Gesundheitssektor und daneben aus Durchschnittsverbrauchern mit besonderer Aufmerksamkeit für Gesundheitsfragen zusammensetzten, als Sachhinweis wahrgenommen, dass die beanspruchten Waren der Klasse 10 eine sog. „Ultrafiltration“ ermöglichten, die über eine Datenleitung überwacht oder gesteuert werden könne. Mit diesen Waren könnten die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44 erbracht werden. Die Ultrafiltration sei ein Verfahren aus der Membrantechnik, mit dem sich makromolekulare Substanzen und kleine Partikel aus einem Medium abtrennen und aufkonzentrieren ließen. Es komme in Form der Diafiltration auch in der Medizin (Hämodialyse) zur Anwendung. Der Bestandteil „ONLINE“ weise sprachüblich auf eine Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeit über eine Datenleitung hin. Eine Online-Überwachung werde im Bereich der Nierenersatztherapien bereits angewendet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2012 aufzuheben.
Zur Begründung beruft sie sich auf ihren Vortrag im Amtsverfahren. Dort hat sie ausgeführt, durch die Zusammenführung der Elemente „Online“ und „Ultrafiltration“ werde ein neuer Begriff gebildet, der über die Bedeutung seiner einzelnen Bestandteile hinausgehe und keine unmittelbar beschreibende Angabe sei. Eine reine Online-Überwachung von Patienten im Rahmen einer medizinischen Behandlung sei weder rechtlich noch technisch realisierbar. Deshalb sei das Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine naheliegende Wortbildung für einen Sachhinweis auf eine Online-Überwachung.Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet; das angemeldete Zeichen ist wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 265). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Rdn. 56 - Postkantoor). Hierbei schließt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG alle Beschaffenheitsangaben vom Schutz aus und betrifft nicht nur solche, die wichtige Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen beschreiben (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 323 m.w.N.).
Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren bzw. durchschnittlichen Auftraggebers der Dienstleistungen als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rdn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).
Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146 Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 Nr. 98 - Postkantoor).
Das angemeldete Zeichen ONLINE-ULTRAFILTRATION besteht nach diesen Maßstäben ausschließlich aus Angaben, die die Beschaffenheit, die Bestimmung und den Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreiben. Die Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes Interesse an der freien ungehinderten Verwendung dieser Angabe.
Wie sich bereits aus der zutreffenden Recherche der Markenstelle sowie den weiteren, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Recherchebelegen des Senats ergibt, stellt der Begriff „Ultrafiltration“ im Bereich des hier relevanten Fachbereichs der medizinischen Nierenersatztherapie einen Fachbegriff dar (Wikipedia, Ultrafiltration, Bl. 17 VA), der den angesprochenen Fachverkehrskreisen, nämlich Ärzten und Betreibern von Dialysestationen geläufig ist. Er bezeichnet einen Vorgang bei der Hämodialyse, durch den dem Patienten im Körper angesammelte Flüssigkeit durch hydrostatische Druckdifferenz zwischen Dialysatseite und Blutseite entzogen wird. Durch ein Druckgefälle zwischen Blutseite und Dialysatseite entsteht ein Transmembramdruck, wodurch Plasmawasser und lösliche Bestandteile in das Dialysat wandern und dem Körper dadurch entzogen werden. Eine Abwandlung des Hämodialyseverfahrens ist die sogenannte Hämodiafiltration. Auch hier findet der Vorgang der Ultrafiltration statt.
Die entzogene Flüssigkeit muss dem Körper wieder zugeführt werden. Dies kann entweder durch Zuführung einer Substitutionslösung von außen oder durch Aufbereitung des bei der Hämodiafiltration gewonnenen Substrates im Dialysegerät selbst erfolgen. Im letzteren Fall spricht man von Online-Hämodiafiltration oder verkürzt von ONLINE-HDF (www.fresenius.de: ONLINE-HDF kann die Sterblichkeitsrate reduzieren helfen). Dabei werden die Zudosierung des Substituats und die Ultrafiltrationsmenge über einen integrierten Rechner gesteuert (Christoph Schweiger, Einfluss von Bluttemperatur und Blutvolumenänderungen auf die Nebenwirkungshäufigkeit von Dialyse-Behandlungen. Vergleich von online-Hämodiafiltration und Hämodialyse, Freiburg, 2003, Bl. 16 VA).Die in Klasse 10 beanspruchten Apparate für medizinische Zwecke können der Ultrafiltration dienen und Vorrichtungen zur Online-Aufbereitung des Dialysats in eine Substitutionslösung und deren Rückführung in den Körper des Patienten enthalten. Die Dienstleistungen eines Arztes und eines Krankenhauses in Klasse 44 können dieses Verfahren zum Gegenstand haben.
Mithin ist die angemeldete Wortkombination gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftig. Ob ihr daneben auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, kann für die Entscheidung dahinstehen.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.