Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.03.2013


BPatG 07.03.2013 - 30 W (pat) 506/11

Markenbeschwerdeverfahren – "AQUA RINSE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
07.03.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 506/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 025 894.5

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. März 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. November 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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AQUA RINSE

3

ist für die Waren

4

„chemische und biologische Zusatzstoffe für die Reinigung von Toiletten“

5

zur Eintragung angemeldet.

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Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Der Zeichenbestandteil „AQUA“ bedeute „Wasser“. Das englische Wort „RINSE“ stehe für „Spülung“ oder „Spülmittel“. In ihrer Gesamtheit erschöpfe sich die angemeldete Marke daher in dem beschreibenden Hinweis, dass die beanspruchten Produkte bei der Spülung von Toiletten mit Wasser zu verwenden seien.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem sinngemäßen Antrag,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 22. November 2010 aufzuheben.

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Die angemeldete Marke sei sprachunüblich aus dem lateinischen Wort „aqua“ für Wasser und dem englischen Wort „rinse“ für Spülung / spülen gebildet. Letzteres gehöre jedenfalls in Deutschland nicht zum Grundwortschatz. Zudem bestehe aufgrund des Bekanntheitsgrades der seit 1986 in Deutschland wie im übrigen Europa genutzten Marke inzwischen Verkehrsdurchsetzung des Zeichens. Sie verweist insoweit auf von ihr vorgelegte Anlagen.

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Die parallele Anmeldung des Zeichens als Gemeinschaftsmarke ist durch die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 5. September 2008 (Az. R 225/2008-4) zurückgewiesen worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Es lässt sich weder ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG feststellen, noch kann der angemeldeten Marke jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 265). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Rdn. 56 - Postkantoor).

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Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren bzw. durchschnittlichen Auftraggebers der Dienstleistungen als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und z. B. für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Zeichen nicht notwendig die teilweise sehr beschränkten Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher entscheidungserheblich sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rdn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).

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Nach diesen Grundsätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine vom markenrechtlichen Schutz ausgeschlossene beschreibende Angabe handelt. Die beanspruchte Bezeichnung ist aus den Wörtern „AQUA“ und „RINSE“ zusammengesetzt. Das Wort „AQUA“ ist im maßgeblichen inländischen Verkehr – wie die Anmelderin zu Recht vorträgt – in erster Linie als lateinisches Wort für „Wasser“ bekannt. Im Englischen wird dieses Wort vorwiegend in geschlossenen Wortverbindungen wie z. B. „aquacade (Wasserballett), aquafarm (im Zusammenhang mit Fisch- und Muschelzucht etc.), aquamarine (Farbbezeichnung)“ verwendet, dagegen eher selten als alleinstehendes Wort. Als solches ist es, soweit ersichtlich, nur im Langenscheidt Großwörterbuch Englisch, 2010, verzeichnet. Insbesondere im Zusammenhang mit Toiletten ist allein das Wort „water“ (z. B. „toilet water“) üblich. „RINSE“ bedeutet im Deutschen zwar, wie von der Markenstelle angenommen und von der Anmelderin nicht in Frage gestellt, „spülen, Spülung“, dies aber in erster Linie im Zusammenhang mit Körperpflege (z. B. das Ausspülen der Haare) oder dem Reinigen von Gegenständen wie Wäsche oder Geschirr, nicht im Sinne von „Toilettenspülung“. Das hierfür gebräuchliche Wort ist „flush“. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Marke im Hinblick auf die beanspruchten Toilettenreinigungsmittel eine sprachübliche Wortverbindung und Bestimmungsangabe darstellt.

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Gegen diese Sichtweise spricht auch, dass die Vierte Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes in der im Tatbestand zitierten Entscheidung vom 5. September 2008 den auch von ihr bejahten beschreibenden Sinngehalt des Zeichens „AQUA RINSE“ anders begründet hat. Demnach soll „AQUA“ eine Farbangabe sein, die darauf hinweise, dass die für eine Toilettenspülung bestimmten Zusatzstoffe von grünblauer Farbe seien. Dabei kann auch diese Auffassung nicht überzeugen. Die (eventuelle) Farbgebung der beanspruchten Zusatzstoffe zur Toilettenreinigung stellt eine gänzlich unerhebliche Eigenschaft dar, deren wörtliche Benennung nicht ohne Weiteres einem Freihaltebedürfnis unterliegt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 420 m. w. N.). Hinzu kommt, dass die Bedeutung von „AQUA“ im Sinne von „grünblau“ nicht belegt ist.

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Im Ergebnis kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Bezeichnung „AQUA RINSE“ um eine sprachlich korrekte Wortverbindung handelt, die einen bestimmten Sinngehalt vermittelt und in dieser Bedeutung zur Beschreibung der Bestimmung oder eines anderen Merkmals der beanspruchten Waren geeignet ist.

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2. Der angemeldeten Marke kann auch nicht jede Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Dagegen spricht bereits, dass das Wort „RINSE“ nicht zum gängigen englischen Wortschatz zählt. Allenfalls mögen Assoziationen an das Wort „Rinnsal“ ausgelöst werden. Für den inländischen Verkehr erscheint die angemeldete Marke somit als Verbindung des lateinischen Wortes für „Wasser“ mit einem unbekannten Wort, das an „Rinnsal“ erinnert. Daraus mögen sich zwar diffuse warenbezogene Vorstellungen ergeben. Dies reicht indessen nicht aus, um der angemeldeten Marke jede Unterscheidungskraft abzusprechen.

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3. Auf die geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung kommt es nach alledem nicht an.