Entscheidungsdatum: 09.12.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 947 268
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2009 aufgehoben.
I.
Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte Marke
nach; das Warenverzeichnis lautet:
"Computer programs; computer software; CD-ROMs and other programmed data carriers; electronic trading systems; computer software and hardware systems for the provision of financial services, all relating to financial services, trading services, broking services, money and securities broking in the foreign exchange, money and capital markets, cash management and ancillary activities of corporate treasurers.
Financial services; brokerage services; cash management services; financial trading services; monetary affairs; financial database services; provision of information, advisory and consultancy services relating to the aforesaid; provision of the aforesaid services by electronic means and via the Internet."
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Marke den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Die IR-Marke sei zu übersetzen mit „mein Vermögen“, „meine Einkünfte“ sowie mit „meine Schatzkammer“ im übertragenen Sinn für Vermögen, das auf Konten, in Fonds, in Aktien usw. angelegt sei. Auch die Bedeutung „Finanzmanagement“ sei nachweisbar. In Bezug auf die beanspruchten Waren gebe die Wortfolge den Hinweis, dass diese Produkte speziell für finanzielle Transaktionen, den Handel mit Wertpapieren, Finanzmarktinformationen etc. geeignet seien bzw. inhaltlich dazu in Bezug stünden und von Banken für das Geschäfts- oder Privatvermögen ihrer Kunden, evt. auch von Privatkunden oder Firmen selbst eingesetzt werden könnten. Das vorangestellte „mY“ schaffe eine individuelle Note für den potentiellen Kunden. Im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen bezeichne „mY treasury“ den Gegenstand, für den die Dienstleistungen gedacht seien, nämlich Geldmittel, Kapital und Vermögen. Die grafische Gestaltung bestehe auch in ihrer Kombination aus einfachsten Gestaltungsmitteln, die werbeüblich seien und keine Unterscheidungskraft begründen könnten. Hinsichtlich der angegebenen Voreintragungen bestehe keine Bindungswirkung.
Die IR-Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, es reiche bereits ein geringes Maß an Unterscheidungskraft, um die Schutzfähigkeit zu bejahen. Es sei auf den inländischen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der englische Werbesprüche nicht verstehe. Das Wort „treasury“ sei mehrdeutig und interpretationsbedürftig, die möglichen Bedeutungen ließen keinen unmittelbaren Bezug zum Thema Privatvermögen erkennen. Es bestehe allenfalls ein vager Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Die Verwendung des Wortes „my“ zur Kennzeichnung eines speziell auf Kundenwünsche ausgerichteten Angebots sei bei Geschäftskunden nicht so üblich. Jedenfalls sei die gewählte Buchstabenanordnung - großes „Y“ hinter kleinem „m“ - nicht werbeüblich und lasse das Wort „my“ nicht mehr erkennen, so dass die grafische Gestaltung schutzbegründend sei. Ein Freihaltebedürfnis lasse sich ebenfalls nicht feststellen.
Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der IR-Marke kann nach § 107, § 113, § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. MMA Art. 5, PVÜ Art. 6 quinquies B Nr. 2 der Schutz nicht versagt werden.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 - Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 - Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 - Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 - Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um beschreibende Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 - Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 - Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus). Weiter fehlt solchen Angaben die erforderliche Unterscheidungskraft, bei denen es sich um ein geläufiges und alltägliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 - Rn. 38 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 735 - Test it; a. a. O. - City Service).
2. Die Wortbestandteile „my“ und „treasury“ erfüllen entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nach den obengenannten Grundsätzen selbst diese geringen Anforderungen nicht, da es sich in werbemäßig anpreisender Form auf eine rein sachbezogene Angabe ohne erkennbaren herkunftshinweisenden Gehalt beschränkt (vgl. BGH - GRUR 2001, 1151 - marktfrisch).
Das aus der englischen Sprache stammende Wort „treasury" für „Schatzkammer, Sammlung von Schätzen, Schatzamt, Fiskus“ (vgl. Duden-Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 (CD-ROM); PONS Großwörterbuch Englisch, 1. Aufl. 2001, S. 899; LEO-Online Lexikon der TU München unter dict.leo.org) ist - wie aus dem der Markeninhaberin übersandten Ergebnis einer Internetrecherche ersichtlich - ein Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre, der sich aus dem amerikanischen Unternehmensrecht kommend, auch in Deutschland als Fachbegriff eingebürgert hat (vgl. hierzu unter dem Begriff „Finanzen“ in Wikipedia.org). Im Bankenwesen ist Treasury - wahrgenommen vom treasury-management - im Rahmen der Gesamtbanksteuerung ein sehr wichtiges Element, das u. a. die Liquiditäts- und Finanzplanung umfasst. Treasury bezeichnet auf ein Unternehmen bezogen auch die Bereiche oder Abteilungen, die mit dem Disponieren und Anlegen der vorhandenen oder zufließenden Mittel befasst sind. Zugleich sind diese Abteilungen mit der Sicherung finanzieller Risiken betraut und haben mit dem Finanz- und dem Finanzrisikomanagement zu tun (vgl. hierzu unter den Begriffen „Treasury“, „Handel (Finanzmanagement) in Wikipedia.org). In großen Unternehmen übernimmt dieser Bereich die Aufgabe einer hausinternen Bank (vgl. hierzu „Die Treasury ist also so etwas wie eine hausinterne Bank“ in „autogramm - Ideen, die bewegen“ vom 7. Oktober 2004 unter autogramm.volkswagen.de). Treasury liefert zudem Informationen zum Finanzstatus des Unternehmens. Man spricht auch von Unternehmenstreasury (vgl. hierzu „Der Verband Deutscher Treasurer e.V. ist der führende nationale Fachverband für Unternehmenstreasury“ unter „www. vdtev.de. mission…). Im Rahmen des sog. Treasury-managements werden von Fachberatern u. a. spezielle Treasury-Strategien entwickelt und individuelle Treasury Management-Systeme eingerichtet (vgl. hierzu unter den Begriffen „Treasury Management“ und „Treasury Strategien“ in Wikipedia.org).
Das englische Pronomen „my“ (mein) wird als werbeüblicher Zusatz verwendet, um - wie die Markenstelle festgestellt hat - lediglich eine persönliche Ansprache und das Gefühl der individuellen Behandlung zu bewirken.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin handelt es sich bei Englisch um eine Welthandelssprache und die internationale Bankensprache, so dass insoweit auch englischen Fachbegriffen im Inland Verwendung finden.
Sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen betreffen den Bereich des Finanzmanagements und der Finanzdienstleistungen im weiteren Sinne. Es ist daher zumindest ein enger beschreibender Bezug der Wortbestandteile der IR-Marke festzustellen, da Waren und Dienstleistungen im Rahmen des Treasury-managements Verwendung finden, hierfür bestimmt sein bzw. sich inhaltlich-thematisch damit beschäftigen können.
Auch in der Zusammenstellung der Wortbestandteile „my“ und „treasury“ entsteht kein neuer, sich nicht in der Kombination als solcher erschöpfender Sinn (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1015 - Nr. 47 - BioID). Die genannten Wortbestandteile werden daher auch in ihrer Kombination nicht als Marke verstanden werden.
3. Jedoch lassen sich fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wie auch ein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die Marke in ihrer Gesamtheit aufgrund der besonderen bildlichen Ausgestaltung nicht feststellen. Bei der IR-Marke steht - auch aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise - in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht mehr allein der Eindruck einer sachbezogenen Information im Vordergrund (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG 9. Aufl., § 8 Rn. 126, 127). Die IR-Marke unterscheidet sich durch ihre grafische Ausgestaltung deutlich von einer reinen Sachangabe.
Denn die konkrete Gestaltung der IR-Marke verhindert, dass sie lediglich als die Angabe „my treasury“ verstanden wird. Vielmehr fallen die auf dem schwarzen Quadrat mittig angeordneten Einzelbuchstaben „m“ und „Y“ durch ihre Größe deutlich auf. Demgegenüber nimmt der Wortbestandteil „treasury“ - in Kleinschreibweise im unteren Teil des Quadrats angesiedelt - größenmäßig lediglich eine nachrangige Stellung ein. Dabei erscheinen die beiden Buchstaben „m“ und „Y“ durch ihre besondere grafische Ausgestaltung nicht als ein geschlossenes Wort „my“ und demzufolge auch nicht als zusammengehörig mit dem untergeordnet wirkenden weiteren Wortbestandteil „treasury“. Der rechts neben dem in dunklerer Schattierung gehaltenen und dadurch weniger auffälligen Kleinbuchstaben „m“ gestaltete Großbuchstabe „Y“ steht durch seine weiße Farbe in deutlichem Kontrast zum schwarzen Hintergrund und tritt durch seine Größe auffallend hervor. Da es - im Gegensatz zur werbeüblichen Binnengroßschreibung bei einem aus mehreren Buchstaben bestehenden Wort - hier besonders ungewöhnlich ist, in einem lediglich aus zwei Buchstaben bestehenden Wort den zweiten Buchstaben groß zu schreiben, wirkt die Buchstabenfolge vorliegend nicht wie ein Wort, sondern lediglich wie zwei einzelne Buchstaben. Durch diese konkrete Gestaltung ist ein Zusammenziehen der beiden Einzelbuchstaben zu einem Wort „my“ daher nicht nahegelegt. Der Verkehr wird die IR-Marke daher nicht mit der Angabe „my treasury“ gleichsetzen. Insgesamt ist die schutzsuchende IR-Marke durch die besondere Gestaltung und die dadurch auffallend eigentümliche Bildwirkung in ihrem Gesamteindruck noch so stark verfremdet, dass ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rn. 126 ff. m. w. N.).
Auch steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung nicht entgegen, denn die schutzsuchende IR-Marke besteht nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben, da jedenfalls die besondere grafische Gestaltung von einer reinen Sachangabe wegführt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rn. 338, 339).
Zu beachten ist allerdings, dass sich der Schutzbereich der Marke nach der konkreten besonderen Ausgestaltung bestimmt und auch beschränkt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 337 m. w. N.; BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN).
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.