Entscheidungsdatum: 12.04.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 051 873.2
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2018 unter Mitwirkung des Richters Merzbach als Vorsitzendem und der Richter Dr. Meiser und Dr. von Hartz
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. September 2015 und vom 18. Februar 2016 aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
rheuma-online.de
ist am 4. Juli 2014 für eine Vielzahl von Dienstleistungen der Klassen 38, 41, 42 und 44 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
Mit Beschlüssen vom 23. September 2015 und vom 18. Februar 2016, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 44 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen stelle eine auf den ersten Blick erkennbar im Stile einer Internetadresse und als solche sprachüblich gebildete Kombination der Begriffe „rheuma“, „online“ und „de“ dar. In seiner Gesamtheit werde das Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar als beschreibende Sachangabe dahingehend aufgefasst, dass die beanspruchten Dienstleistungen umfassende Informationen, Hilfestellungen, Ratschläge, Chatrooms usw. zum Thema „Rheuma“ im Internet vermittelten.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wie folgt eingeschränkt:
„Online-Unterhaltungsdienstleistungen; online angebotene Spieldienstleistungen über ein Computernetzwerk; Beratung zu Erziehungsfragen; pädagogische Beratung“.
Die Anmelderin hat die Beschwerde nicht begründet. Im Amtsverfahren hat sie geltend gemacht, die Verbindung der Wörter rheuma-online sei ungewöhnlich, was die Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens begründe. Eine Krankheit wie „Rheuma“ könne nicht „online“ sein, so dass die Zusammensetzung beider Wörter widersprüchlich erscheine. Die gegenteilige Feststellung der Markenstelle, wonach medizinische Beratung und Behandlung heutzutage auch „online“ möglich seien, könne so nicht nachvollzogen werden, zumal den in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzten jegliche Online-Beratung schon nach ihrer Berufsordnung nicht gestattet sei. Für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen trete hinzu, dass diese schon keinen Bezug zum Gesundheitssektor aufwiesen. Der Verkehr werde das Gesamtzeichen daher als Herkunftshinweis auf die Markenanmelderin werten.
Die Anmelderin beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. September 2015 und vom 18. Februar 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nach der seitens der Anmelderin vorgenommen Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen nicht festgestellt werden können.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) - KORNSPITZ; GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) - OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) - Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) - TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).
2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds steht der angemeldeten Wortkombination rheuma-online.de nach erfolgter Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht mehr entgegen.
a) Allerdings ist der Markenstelle darin zu folgen, dass sich das Anmeldezeichen aus den mit einem Bindestrich verbundenen Wortelementen „rheuma“ und „online“ sowie der Zeichen-/Buchstabenfolge „.de“ zusammensetzt.
Das Wort „rheuma“ ist die Kurzform für Rheumatismus. Rheumatismus ist eine schmerzhafte Erkrankung der Gelenke, Muskeln, Nerven, Sehnen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Auflage, Mannheim 2001). Man unterscheidet zwischen entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, degenerativen rheumatischen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungssystems durch Stoffwechselstörungen und rheumatischen Schmerzkrankheiten (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V., Was ist Rheuma?). Rheuma ist bis heute nicht heilbar, kann aber durch Behandlung zum Stillstand oder verlangsamten Verlauf gebracht werden. Die Erkrankungen gehen mit großen Beschwerden und Einschränkungen der Lebensqualität einher und bedürfen intensiver Behandlung, Betreuung und Pflege (vgl. schon BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 518/13 - rheuma-liga-nds).
Das zweite Wortelement „online“ ist seit langem in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und bezeichnet eine aktive Verbindung mit einer Datenverarbeitungsanlage bzw. dem Internet. Es werden damit ferner auch unterschiedliche Aspekte eines „Online-Betriebes“ bezeichnet (vgl. so schon BPatG PAVIS PROMA 33 W (pat) 381/02 - my-business-online.de; 32 W (pat) 258/03 - Schule Online; 32 W (pat) 156/03 - People Online; 26 W (pat) 534/11 - FairGasOnline; 26 W (pat) 535/11 - FairStromOnline; 27 W (pat) 216/00, 1stBavarian Onlineshop.com; vgl. auch EUIPO PAVIS PROMA, R 2220/2011-1 - CULTURES ONLINE).
Die Zeichenfolge „.de“ ist den inländischen Internetnutzern - und damit breitesten Verkehrskreisen - als länderspezifische Top-Level-Domain (ccTLD) der Bundesrepublik Deutschland bekannt, wie auch das Gesamtzeichen „rheuma-online.de“ ohne weiteres als Entlehnung der üblichen Bildung von Internet-Adressen erkennbar ist (vgl. BGH GRUR 2016, 939, Nr. 37 - wetter.de; BPatG PAVIS PROMA, 33 W (pat) 381/02 - my-business-online.de; 27 W (pat) 216/00 - 1st BavarianOnlineshop.com; BPatG BlPMZ 2000, 294 - „http://www.cyberlaw.de“). Der Verkehr misst dabei den Top-Level-Domains (hier: „de“) ausschließlich eine technisch funktionale Bedeutung und keine individualisierende Wirkung bei, so dass der kennzeichnende Gesamteindruck nur durch die jeweilige Second-Level-Domain bestimmt wird (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 (Nr. 43) - pjur/pure; GRUR 2016, 939, Nr. 37 - wetter.de; vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 8 Rn. 193 m. w. N.). Beschränkt sich diese - wie hier („rheuma-online“) - auf unmittelbar beschreibende Begriffe, ist die als Domainname ausgestaltete Gesamtmarke grundsätzlich als nicht unterscheidungskräftig zu bewerten, da der Verkehr hierin keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen erkennt. sondern nur weitere sachbezogene Informationen zu der beschreibenden Aussage erwartet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 193 mit ausf. Nachw. a. d. Rspr.).
Ausgehend hiervon werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wort- und Zeichenfolge rheuma-online.de als Ganzes ohne weiteres als Sachhinweis auf ein Internetangebot zum Thema „rheumatische Erkrankungen“ und hierauf bezogene Dienstleistungen verstehen. Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen belegen die Rechercheergebnisse der Markenstelle sowie die Ergebnisse einer ergänzenden Internetrecherche des Senats, die der Anmelderin zur Verfügung gestellt worden sind, dabei auch, dass es bereits vor dem Anmeldezeitpunkt eine Vielzahl von (medizinischen) Online-Beratungsangeboten zum Thema Rheuma gab. Ferner spielen in der modernen Medizin nachweislich gerade die (ursprünglich auch von der Anmelderin beanspruchten) „Telemedizin-Dienste“ zunehmend eine Rolle bei der Rheumaversorgung, insbesondere zur Frühdiagnostik und Behandlung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, wobei bspw. auch „Online-Videosprechstunden“ unterstützend eingesetzt werden (vgl. etwa die Anlage www.landeszeitung-rlp.de/2017/05/08...“, „Telemedizin in der Rheumaversorgung pfälzische Innovation“).
b) Wenngleich somit das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung rheuma-online.de dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten bereitet, ist gleichwohl die Beurteilung eines Zeichens stets in Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, für die eine Eintragung begehrt wird (EuGH, GRUR 2004, 674 (Nr. 33) - Postkantoor).
Im Hinblick auf die vorliegend nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses alleine noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen („Online-Unterhaltungsdienstleistungen; online angebotene Spieldienstleistungen über ein Computernetzwerk; Beratung zu Erziehungsfragen; pädagogische Beratung“) lässt sich jedoch nicht feststellen, dass das Anmeldezeichen deren Merkmale beschreibt oder zumindest einen engen beschreibenden Bezug hierzu aufweist. Für Unterhaltungs- und Spieldienstleistungen liegt ein Sachbezug zu rheuma-online.de fern. Wenngleich im Rahmen der pädiatrischen Rheumatologie (zur Therapie von Kinder- und Jugendrheuma) auch über den engeren medizinischen Bereich hinausgehende Hilfestellungen für betroffene Patienten und Eltern angeboten werden (wobei bspw. im Rahmen stationärer Therapien Pflegekräfte auch pädagogische Aufgaben übernehmen können), hat die Senatsrecherche jedenfalls keine hinreichenden Belege dafür ergeben, dass „Erziehungsfragen“ bzw. „pädagogische Beratung“ Bestandteil eines Online-Angebots zum Thema Rheuma sein können, so dass es an Nachweisen für einen Sachbezug bzw. jedenfalls einen die Unterscheidungskraft ausschließenden engen beschreibenden Bezug fehlte.
3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des angemeldeten Markenwortes für die nach Einschränkung des Verzeichnisses noch verbliebenen Dienstleistungen nicht entgegen, denn rheuma-online.de beschreibt diese weder unmittelbar, noch ist die Anmeldung für diese Dienstleistungen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.
4. Da der Anmeldemarke somit nach der erfolgten Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht mehr versagt werden kann, war der Beschluss auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.
5. Soweit das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 5. April 2016 den „23. Februar 2016“ als Datum des Erinnerungsbeschlusses der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts ausweist, ist dies unzutreffend, da der Erinnerungsbeschluss am „18. Februar 2016“ erlassen wurde, dieses Datum dementsprechend auch in den Tenor des vorliegenden Beschlusses aufgenommen wurde. Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. April 2018 verkündete Beschlusstenor ist insoweit offensichtlich unrichtig und nach § 80 Abs. 1 MarkenG zu berichtigen.