Entscheidungsdatum: 19.05.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 307 14 039
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Mai 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Dienstleistungen
„Dienstleistungen eines Patentanwalts und Rechtsanwalts, insbesondere Beratung, Vertretung und Recherchen (technische und rechtliche) auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und angrenzender Rechtsgebiete, Verwaltung von Schutzrechten, Anfertigung von Übersetzungen und Zeichnungen, Ausarbeitung von Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster- und Markenanmeldungen, Nachforschung in Rechtsangelegenheiten“
am 11. Juli 2007 unter der Nr. 307 14 039 registrierte Wortmarke
patprotect
ist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftswortmarke EM 2 740 215
PATPRO,
die seit dem 10. September 2003 eingetragen ist für die Waren und Dienstleistungen
„Softwareprogramme (soweit in Klasse 9 enthalten); mit Software-Programmen versehene Datenträger; Ermittlungen in Geschäftsangelegenheiten; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Verwaltung von gewerblichen, urheberrechtlichen und technischen Schutzrechten; Veröffentlichen und Herausgeben von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, Datenbanken, Informationen und von Unterrichtsmaterial in Form von Print- und elektronischen Medien auch im Internet; Anfertigung von Übersetzungen; Erstellung von Computerprogrammen für die Datenverarbeitung; Durchführung von Recherchen (technischen, marktwirtschaftlichen und rechtlichen); naturwissenschaftliche und technische Beratung; Anfertigung von technischen Zeichnungen, Überwachung und Abwicklung der Gebühreneinzahlung bei gewerblichen Schutzrechten für Dritte; Beratung in Fragen gewerblicher Schutzrechte; Erstellung von technischen Gutachten, Dienstleistungen eines Chemikers, Dienstleistungen eines Anwaltes, insbesondere eines Patentanwaltes“.
Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, da bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und teils identischen Dienstleistungen die erhöhten Anforderungen an den Markenabstand eingehalten seien. Wegen der deutlichen Abweichung in Sprechsilbengliederung und Vokalfolge bestehe in klanglicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe wegen der deutlichen Abweichungen in der Buchstabencharakteristik, in der Wortlänge und in den Wortumrissen keine Ähnlichkeit. Kollisionsmindernd seien auch die unterschiedlichen Begriffsanklänge, einerseits der Hinweis auf den Schutz eines Patents, andererseits die Andeutung, dass die Widerspruchsmarke für ein Patent bestimmt bzw. geeignet sei. Gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr spreche, dass dem Bestandteil „PAT“ wegen seines glatt beschreibenden Aussagegehalts kein Hinweischarakter zukomme. Zum anderen trete der Wortbestandteil „pro“ in der angegriffenen Marke nicht mit der erforderlichen Eigenständigkeit hervor, sondern verschmelze mit der weiteren Buchstabenfolge „tect“ zu einem vollständigen Wort.
Der Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Er hat unter Bezugnahme auf das Erinnerungsverfahren im Wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarke sei vollständig in der angegriffenen Marke enthalten, die zusätzlichen Buchstaben „tect“ der angegriffenen Marke träten gegenüber dem mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil „patpro“ - insbesondere in klanglicher Hinsicht - in den Hintergrund. Die stärker beachteten Wortanfänge der gegenüberstehenden Marken seien identisch, der Bestandteil (pro)„tect“ sei beschreibend, so dass sich der Verkehr an dem Bestandteil „patpro“ der angegriffenen Marke orientiere. Die Endsilbe „–tec“ sei als Synonym für Technik verbraucht. Bei der Bezeichnung „patprotect“ handle es sich auch nicht um einen Gesamtbegriff, da die Bestandteile „pat“ und „pro“ abgetrennt würden (z. B. als „Patent Professional“), so dass die angegriffene Marke begrifflich wie „Patent-Professional-Schutz“ erinnert werde. Hinsichtlich der begrifflichen Ähnlichkeit schließe sich „tect“ im Erinnerungsbild des Verbrauchers quasi wie von selbst an „patpro“ an, weil es ihm im Zusammenhang mit den angebotenen Dienstleistungen um die Schutzwirkung und damit um ein „Protect“ für ein Patent gehe. Der Verkehr werde „patpro“ daher zu „patpro-tect“ ergänzen. Es bestehe damit jedenfalls assoziative Verwechslungsgefahr.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er führt unter Bezugnahme auf das Widerspruchs- und Erinnerungsverfahren im Wesentlichen aus, die Widerspruchsmarke verfüge über eine nur schwache Kennzeichnungskraft, da sie in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen zumindest beschreibenden Anklang habe und im Sinne von „für das Patent“ oder „für Patent“ verstanden werde. Eine Zergliederung der angegriffenen Marke in drei Einzelteile sei abwegig, eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. - Sabél/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich im Wesentlichen nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese wesentlichen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2008, 258 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; MarkenR 2009, 399 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 32).
Auszugehen ist von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Trotz beschreibender Anklänge in den Einzelbestandteilen „PAT“ und „PRO“ an „Patent“ und an „Professional“ bzw. „für“, die einen Hinweis auf Inhalt, Zweck und Qualität der beanspruchten Dienstleistungen geben, ist die Widerspruchsmarke in ihrer Kombination zu einem neuen Phantasiewort „PATPRO“ mit ausreichend schutzbegründender Eigenprägung noch normal kennzeichnungskräftig.
Nach der Registerlage können die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teils identischer, teils ähnlicher Dienstleistungen verwendet werden.
Der unter diesen Umständen gebotene sehr deutliche Markenabstand wird von der angegriffenen Marke eingehalten. Die vorhandenen Unterschiede reichen aus, um Verwechslungen der Marken mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können.
Die Ähnlichkeit von Marken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Demzufolge kann auch ein Bestandteil, der einer beschreibenden Angabe entnommen ist, zum Gesamteindruck beitragen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die in ihren beiden ersten Silben „pat“ und „pro“ übereinstimmenden beiden Marken aufgrund der zusätzlichen Wortsilbe „tect“ auf Seiten der dreisilbigen angegriffenen Marke in Buchstaben-, Silben- und Vokalanzahl deutlich, da die zweisilbige Widerspruchsmarke eine entsprechende Silbe nicht enthält, so dass insoweit sowohl klangliche als auch schriftbildliche Verwechslungsgefahr ausscheiden.
Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der mit der Widerspruchsmarke übereinstimmende, in der angegriffenen Marke identisch enthaltene Wortbestandteil „patpro“ die angegriffene Marke „patprotect“ allein kollisionsbegründend prägt oder dort eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt. Das ist nicht der Fall.
Die angegriffene Marke stellt eine gesamtbegriffliche Einheit dar. Sie setzt sich aus den Elementen „pat“ und „protect“ zusammen. Die Einzelelemente sind in ihrem Sinn erkennbar aufeinander bezogen; das vorangestellte Wort „pat“ als Abkürzung für „Patent“ konkretisiert das nachfolgende Wort „protect“ für „Schutz, schützen“ inhaltlich näher. Der Verkehr wird diese Angabe in ihrer Bedeutung „Patentschutz, Patent schützen“ als eine gesamtbegriffliche Einheit sehen und ist nicht geneigt, sie auf den Bestandteil „patpro“ zu verkürzen, da er damit einmal den wiederum für sich einheitlichen Begriff „protect“ sinnentstellend zergliedern würde und zum anderen die Bedeutung der Gesamtbezeichnung sinnentstellend verändern würde. Auch die Ansicht des Widersprechenden, in dem Wort „protect“ den Bestandteil „tec“ zu erkennen und herauszulösen, ist daher fernliegend. Der Verkehr wird demzufolge die Einzelelemente der angegriffenen Marke als zusammengehörig erkennen und ist schon daher nicht veranlasst, „patpro“ als allein prägenden Bestandteil wahrzunehmen oder dem Wort eine selbständig kennzeichnende Stellung beizumessen. Für den Ausnahmefall, dass die übernommene ältere Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung in der jüngeren Marke einnimmt, ist eine Voraussetzung die identische bzw. hochgradig ähnliche Übernahme der älteren Marke. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob der Bestandteil gerade im Gesamtgefüge der jüngeren Marke selbständig hervortritt und wie eine Marke in der Marke erscheint (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 359). Wie die Markenstelle bereits festgestellt hat, ist dagegen der mit der Widerspruchsmarke identische Bestandteil „patpro“ vollständig in die jüngere Marke „patprotect“ integriert und zu einer gesamtbegrifflichen Einheit - mit neuem Sinngehalt - verschmolzen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 362).
Es besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass die Marken mittelbar miteinander in Verbindung gebracht werden können.
Die Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen. Sie werten gleichwohl einen in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke, messen diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion bei und sehen deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke an (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem; GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24).
In solchen Ausnahmefällen sprechen die zu vergleichenden (abweichenden) Markenteile gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn sie sich mit dem gemeinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen verbinden, die von der Vorstellung wegführen, es handele sich um Serienmarken eines Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 934 - MEISTERBRAND; GRUR 1999, 855 - POLYFLAM/MONOFLAM). So liegt es - wie ausgeführt - hier.
Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).