Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.10.2011


BPatG 13.10.2011 - 30 W (pat) 41/10

Markenbeschwerdeverfahren – "NUCTECH (IR-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
13.10.2011
Aktenzeichen:
30 W (pat) 41/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 Abs 1 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 864 290

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 13. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 IR vom 22. Januar 2008 und vom 3. Februar 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die international registrierte Marke 864 290

2

NUCTECH

3

sucht  nach einem im Beschwerdeverfahren erfolgten Teilverzicht für den deutschen Teil der Marke  noch für folgende Waren um Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach:

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„Alarms; X-ray producing apparatus and equipment, not for medical purposes; Xray tubes not for medical purposes; X-ray apparatus not for medical purposes; protection devices against X-rays, not for medical purposes; electric installations for the remote control of industrial operations; radiology screens for industrial purposes; radiological apparatus for industrial purposes; integrated circuit cards; computer software; computer peripheral devices; data processing apparatus; detectors; recorded computer operating programs; mechanisms for computer-operated apparatus; cosmographic instruments; all aforementioned goods exclusively for security inspections at airports, railway stations and bus stations, docks and ports, customs check points, subway stations, public squares, museums, exhibition halls, stadiums and other buildings, venues of gatherings, events, exhibitions, indoor and outdoor matches, sports meetings and performances as well as other locations but not for the measuring of radioactive rays”.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der IR-Marke  auf der Grundlage des ursprünglichen Warenverzeichnisses  in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 5 Abs 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ). Die aus den Abkürzungen „NUC“ und „TECH“ gebildete IRMarke weise in der Bedeutung „Nukleartechnologie“ einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren auf. Dieser für die angesprochenen Fachverkehrskreise ohne Weiteres verständliche Begriff werde in erster Linie als Sachhinweis aufgefasst, nicht aber als Unterscheidungsmittel.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke schon wegen Mehrdeutigkeit der Abkürzung „NUC“ nicht für beschreibend; zudem seien Röntgenstrahlen keine Nuklearstrahlen. Sie verweist ferner auf den Schutz der IR-Marke in zahlreichen Ländern.

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Die IR-Markeninhaberin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 2010 und vom 22. Januar 2008 aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren für den deutschen Teil eingeschränkten Warenverzeichnisses in der Sache Erfolg. Dem Schutz der IR-Marke 864 290 stehen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG, Art 5 Abs 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ entgegen. Insbesondere kann der IRMarke nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 1. Alt. PVÜ abgesprochen werden.

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Unterscheidungskraft bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit dieses Produkt von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff.  Rn. 66, 67  EUROHYPO; GRUR 2006, 229  Rn. 27 ff.  BioID; GRUR 2004, 674  Rn. 34  POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935  Rn. 8  Die Vision; GRUR 2010, 825, 826  Rn. 13  Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952  Rn. 9  DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854  Rn. 18  FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418  BerlinCard; GRUR 2005, 257  Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050  Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154  anti KALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413  Rn. 24  Matratzen Concord/Hukla).

12

Keine Unterscheidungskraft kommt insbesondere Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152  marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418  BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren hergestellt wird; die Eignung, Waren ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH WRP 2010, 1504, 1506  Rn. 23  TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951  Rn. 20  My World; GRUR 2009, 411  Rn. 9  STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854  Rn. 19  FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10  DeutschlandCard).

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Nach diesen Maßstäben verfügt die IRMarke in Bezug auf die jetzt noch maßgeblichen Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt sich der Marke insoweit ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der Marke jede Unterscheidungskraft abzusprechen. Zwar ist es durchaus naheliegend, im Zusammenhang mit Waren aus dem Bereich der Nukleartechnologie in der IR-Marke NUCTECH einen Sachhinweis in diesem Sinn zu sehen. Auf solche im ursprünglichen Warenverzeichnis enthaltenen Produkte, nämlich „nuclear instruments, particle accelerators; atomic ray instruments“, hat die IRMarkeninhaberin für den deutschen Teil der Marke indessen verzichtet. Darüber hinaus hat die Markeninhaberin mit der Einschränkung durch die konkrete Benennung der Bestimmung der Waren, nämlich „all aforementioned goods exclusively for security inspections at airports, railway stations and bus stations, docks and ports, customs check points, subway stations, public squares, museums, exhibition halls, stadiums and other buildings, venues of gatherings, events, exhibitions, indoor and outdoor matches, sports meetings and performances as well as other locations” und den Ausnahmevermerk „but not for the measuring of radioactive rays” klargestellt, dass ein Bezug zu objektiven Produktmerkmalen, also zur technischen Nutzung von Kernprozessen, nicht mehr in Betracht kommt.

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In diesem Zusammenhang liegt die Annahme fern, dass der Markenbestandteil „NUC“ vom in erster Linie angesprochenen Fachverkehr, dem die technischen Aspekte von Waren zur Sicherheitskontrolle in den ausdrücklich genannten Bereichen bekannt sind, im Sinn von „nuclear“ verstanden und dahin gedeutet wird, dass die mit der Marke gekennzeichneten Waren auf Nukleartechnologie bezogene Merkmale aufweisen.

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Nachdem der IR-Marke für die noch maßgeblichen Waren kein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz der IRMarke in Deutschland auch das Schutzhindernis einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 2. Alt. PVÜ nicht entgegen.

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Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 MMA dem Internationalen Büro der WIPO mitgeteilt worden.