Entscheidungsdatum: 22.07.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 306 17 159.7
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2009 und vom 21. März 2007 aufgehoben.
I.
Zur Eintragung als Kollektivmarke in das Markenregister angemeldet worden ist
Castillo Morales
für die Waren und Dienstleistungen:
„Kieferorthopädische Hilfsmittel, Instrumente und Apparate, insbesondere Gaumenplatten; orthopädische Hilfsmittel, Instrumente und Apparate, insbesondere Lagerungskissen; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Organisation und Durchführung von Seminaren und Lehrgängen; Veranstaltung von Kongressen und Symposien; Dienstleistungen der ärztlichen Versorgung und Gesundheitspflege; Dienstleistungen der medizinischen Therapeuten und Ärzte“.
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die angemeldete Wortmarke „Castillo Morales“ gehe auf den argentinischen Rehabilitationsarzt Dr. med. Rodolfo Castillo Morales zurück und stehe für ein von diesem entwickeltes neurophysiologisches Therapiekonzept. Die angemeldete Bezeichnung „Castillo Morales“ werde von den beteiligten Verkehrskreisen als beschreibender Hinweis dahingehend verstanden, dass so bezeichnete Artikel dem von Dr. med. Rodolfo Castillo Morales entwickelten therapeutischen Konzept entsprechen bzw. diesem dienen, bzw. sich thematisch mit diesem Konzept befassen oder bei der Umsetzung dieses Konzepts bestimmungsgemäß zum Einsatz kommen können. Die beanspruchten Dienstleistungen könnten dem von Dr. med. Rodolfo Castillo Morales entwickelten therapeutischen Konzept entsprechen bzw. dieses umsetzen bzw. sich mit diesem Konzept beschäftigen und dieses zum Gegenstand haben. Die angemeldete Bezeichnung „Castillo Morales“ besitze auch keine kollektive Unterscheidungskraft, die auf eine Gruppe von Unternehmen hinweise, da „Castillo Morales“ von den angesprochenen Verkehrskreisen allgemein als ein Hinweis auf das von Dr. Castillo Morales entwickelte Therapiekonzept verstanden und auch in diesem Sinne bereits allgemein verwendet werde, ohne dass hierin ein Hinweis auf eine bestimmte Unternehmensgruppe gesehen werde.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, die Markenstelle habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Wortfolge „Castillo Morales“ als Kollektivmarke angemeldet sei. Für die Eintragung reiche das Vorliegen kollektiver Unterscheidungskraft in dem Sinne aus, dass auf eine Gruppe oder einen Verband von Unternehmen hingewiesen und dieser Zusammenschluss von anderen Geschäftsbetrieben unterschieden werde. Bei der Kollektivmarke stehe die Werbe- und Garantiefunktion hinsichtlich der Produkte im Vordergrund, wobei es sich auch um eine personengebundene Herkunftsangabe handeln könne, die auf einen bestimmten Herstellerkreis hinweise. Auch im Zusammenhang mit medizinischen Dienstleistungen seien Eigennamen grundsätzlich unterscheidungskräftig. Es gebe zudem keinen Erfahrungssatz, dass ein Arztname nur für die Bezeichnung einer Therapieform verwendet werde. Die als Kollektivmarke angemeldete Wortfolge „Castillo Morales“ sei dazu geeignet, Waren und Dienstleistungen der Benutzungsberechtigten laut Markensatzung der Anmelderin nach der Herkunft, Art und Qualität zu unterscheiden. Der Eigenname „Castillo Morales“ werde nicht als Synonym für eine bestimmte Behandlungsmethode verwendet und verstanden, sondern als Hinweis auf einen abgeschlossenen Kreis der Mitglieder der Vereinigung „Castillo Morales“, um sich von anderen abzugrenzen, die die von der Vereinigung geforderten Voraussetzungen nicht erfüllten. „Castillo Morales“ bezeichne daher keine Therapieform, sondern gebe ausschließlich einen Herkunftshinweis auf den Arzt Dr. Castillo Morales, seine Vereinigung und deren Mitglieder sowie die Therapeuten, die sich der Vereinigung gegenüber vertraglich verpflichtet hätten und über eine besondere Ausbildung verfügten. Durch die Satzung der Vereinigung sei der Kreis der möglichen Verwender hinreichend sicher geregelt. Die Behandlung und Therapie auf der Grundlage des Konzepts von Dr. Castillo Morales werde weiter entwickelt, die Vereinigung erteile Lizenzen, die Therapiemaßnahmen würden unter der Kontrolle der Vereinigung erbracht, ausführende Therapeuten würden ständig überwacht. Die angemeldete Kollektivmarke diene damit auch der Qualitätssicherung. Das Ergebnis der vorliegenden Internetrecherchen betreffe ausschließlich Werbeangebote solcher vertraglich gebundener Therapeuten, der Verkehr verstehe folglich „Castillo Morales“ darin als Hinweis auf den Ausbilder Dr. Castillo Morales, sein Konzept und die Vereinigung, die das Konzept in Deutschland wahrnehme. Es gebe auch keine Castillo Morales Therapie, so dass „Castillo Morales“ nicht beschreibend für eine bestimmte Therapieform sein könne und daher kein Freihaltebedürfnis bestehe.
Der Anmelder beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG der Eintragung als Kollektivmarke (§ 97, 103 MarkenG) entgegenstehen.
1. Gemäß § 103 MarkenG sind Kollektivmarken wie Individualmarken auf die von Amts wegen gemäß § 37 MarkenG zu berücksichtigenden allgemeinen Schutzhindernisse zu prüfen, wobei die für Kollektivmarken geltenden Besonderheiten zu beachten sind. Für das zu prüfende Freihaltebedürfnis ergibt sich allerdings eine Besonderheit lediglich hinsichtlich der Eintragungsmöglichkeiten geografischer Herkunftsangaben als Kollektivmarke (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 103 Rdn. 1), was hier nicht der Fall ist.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Freihaltebedürfnis dann eine geringere Bedeutung zukommt, wenn allen Unternehmen, die ein schutzwürdiges Interesse an der Verwendung der betreffenden (Eigenschafts-)Bezeichnung haben könnten, die Mitgliedschaft im Verband offen steht (vgl. BGH, GRUR 1993, 832, 833 - Piesporter Goldtröpfchen; OLG Frankfurt, WRP 2007, 671 - Volksbank). Nach der Satzung des Anmelders ist bei Vorliegen entsprechender Qualifikation eine uneingeschränkte Mitgliedschaft und Nutzung der Bezeichnung „Castillo Morales“ möglich.
Die Wortfolge „Castillo Morales“ enthält hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine im Vordergrund stehende unmittelbar beschreibende, freihaltebedürftige Aussage im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 222, 251 m. w. N.).
Nach § 8 Absatz 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.
Der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht entgegen, wenn der beschreibende Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriff erfüllen kann. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 326, 327 m. w. N.).
Hinsichtlich der Bezeichnung von Therapiemöglichkeiten mit dem Namen des Begründers der Behandlungsmethode hat der BGH dann eine beschreibende Bedeutung dieser Angabe für entsprechende Dienstleistungen angenommen, wenn sich dieser ursprüngliche nicht beschreibende Name dahingehend entwickelt hat, dass er vom Verkehr als Synonym für diese bestimmte Behandlungsmethode benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2003, 436 (Nr. 70) - Feldenkrais).
Diese Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegen bei der angemeldeten Bezeichnung „Castillo Morales“ nicht vor. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, handelt es sich dabei um den Namen eines argentinischen Arztes, der ein bestimmtes Behandlungskonzept entwickelt hat, das Grundlage bestimmter Therapiemaßnahmen ist.
Nach Auffassung des Senats handelt es sich dabei ausschließlich um den Vor- und Nachnamen des bekannten Arztes Dr. Castillo Morales, nicht aber um die Bezeichnung eines bestimmten Behandlungskonzepts selbst oder spezieller darauf beruhender Therapiemaßnahmen. Es konnte nämlich nicht festgestellt werden, dass sich der Eigenname „Castillo Morales“ in Alleinstellung zu einem Synonym für eine ganz bestimmte Behandlungsmethode entwickelt hätte und der Verkehr diesen Eigennamen stets als Hinweis auf eine Castillo Morales Therapie verstehen würde. Eine vergleichbare Situation und langjährige Entwicklung wie bei der sog. Feldenkrais-Methode lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die Feldenkrais-Methode gründet auf den Theorien des im Jahre 1904 geborenen Physikers Moshe Feldenkrais und bezeichnet seit langem auch unter dem Wort „Feldenkrais“ in Alleinstellung ein spezielles Lern- und Behandlungskonzept, ohne dass der Verkehr mit dem Wort „Feldenkrais“ in diesem Zusammenhang noch den Namen des Gründers der Therapie „Moshe Feldenkrais“ gleichsetzt. Vielmehr konnte der Anmelder in der Verhandlung glaubhaft darlegen, dass die Ergebnisse der Internetrecherche zum Namen „Castillo Morales“ stets auf ihn als „Vereinigung Castillo Morales e.V.“ und die dort ausgebildeten Therapeuten zurückzuführen sind. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich neben der Verwendung des Eigennamens „Castillo Morales“ durch die gleichlautende Vereinigung eine beschreibende Bedeutung entwickelt hätte.
In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die dem Bereich der ärztlichen Versorgung und Gesundheitspflege sowie damit in Zusammenhang stehender Hilfsmittel angehören, lässt sich hieraus kein beschreibender Aussagegehalt feststellen. Ein Freihaltebedürfnis an der Wortfolge „Castillo Morales“ besteht daher insoweit nicht.
2. Die angemeldete Bezeichnung besitzt auch die erforderliche Unterschei-dungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE m. w. N.).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Kollektivmarken geringere Anforderungen an die (kollektive) Unterscheidungskraft zu stellen sind (§ 97 Abs. 1, 103 MarkenG). Diese Unterscheidungskraft ist nicht nur auf die Kennzeichnungs- und Herkunftsfunktion der Marke hinsichtlich der Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem individuellen Unternehmen beschränkt. Vielmehr genügt eine „kollektive“ Unterscheidungskraft, die auf eine Gruppe von Unternehmen hinweisen und diese Gruppe von anderen Geschäftsbetrieben unterscheiden soll. Außerdem kommt nicht nur eine Unterscheidung hinsichtlich des betrieblichen Ursprungs, sondern auch der geografischen Herkunft, der Art, der Qualität oder sonstiger Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in Betracht (vgl. BGH GRUR 1996, 270, 271 - MADEIRA; Ströbele/Hacker a. a. O. § 103 Rdn. 2 m. w. N.).
Diese Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht abgesprochen werden. „Castillo Morales“ vermittelt - wie oben dargelegt - keine unmittelbar beschreibende Gesamtaussage, so dass der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
3. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Eintragung weitere nur für Kollektivmarken geltende Schutzhindernisse entgegenstehen (§ 103 MarkenG).
Die Beschwerde hat daher Erfolg.