Entscheidungsdatum: 19.09.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2010 062 685.2
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Dr. Hoppe und Winter
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2011 und vom 7. Mai 2012 aufgehoben.
I.
Das Zeichen Direktswitch ist als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42 zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden. Das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis lautet nach einer Einschränkung im Beschwerdeverfahren:
"Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen; Feuerlöschgeräte;
Bauwesen".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Eintragung auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Da "Direkt" mit der englischen Entsprechung "direct" im Deutschen "unmittelbar" bedeute, und das englische Wort "switch" im Deutschen mit "Schalter, Schaltgerät, Koppler" übersetzt werde, sei die angemeldete Bezeichnung ein sachbezogener Hinweis darauf, dass es sich um Direktschaltungen oder direkt geschaltete Schalt- bzw. Kopplungselemente handele, die Netzwerksegmente direkt, unmittelbar miteinander verbinden könnten; die Dienstleistungen der Klasse 37 stünden in direktem Zusammenhang mit den so gekennzeichneten Produkten, insbesondere im Bereich der Netzwerktechnik. Für die Dienstleistungen der Klasse 42 sei die Bezeichnung ein Hinweis auf deren Inhalt bzw. Schwerpunkt.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hält die angemeldete Bezeichnung für schutzfähig und hat ausgeführt, dass die Markenstelle nicht erläutert habe, dass das nicht zum deutschen Sprachschatz gehörende Markenwort für alle Waren der Klasse 9 ein sachbezogener Hinweis sei; in der Klasse 9 seien, nur um einige Beispiele zu nennen, auch Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten und Feuerlöschgeräte angeführt, die gewöhnlich keine Schaltung oder Kopplung aufwiesen. Auch einen sachbezogenen Hinweis bezüglich der Dienstleistungen lasse die von der Markenstelle herangezogene Bedeutung nicht erkennen. In der mündlichen Verhandlung hat der Anmelder das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis wie oben wiedergegeben beschränkt.
Der Anmelder beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses begründet. Der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung Direktswitch stehen hinsichtlich der noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
Der angemeldeten Bezeichnung kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BiolD; EuGH a. a. O. - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Hierbei ist auf die Wahrnehmung des Handels sowie des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Wortzeichen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link Economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Nr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung Direktswitch auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren beschränkten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses über die erforderliche Unterscheidungskraft.
Direktswitch ist - worauf der Anmelder zutreffend hinweist - in der Gesamtheit kein Wort des deutschen Sprachschatzes. Die Anmeldung ist allerdings erkennbar gebildet aus "Direkt" und "switch". Dabei ist die Markenstelle zutreffend davon ausgegangen, dass das Wort "direkt" im Sinn von "unmittelbar" oder auch "ohne Vermittlung" verwendet wird (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 424) und das englische Wort "switch" im Deutschen als Verb "schalten, umschalten", als Substantiv "Schalter, Verteiler" bedeutet (vgl. Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik, Band II, S. 1395; LEO Online-Lexikon, Suchwort "switch"). Im Bereich der Computertechnologie ist "switch" im Englischen wie im Deutschen die Bezeichnung für eine Netzwerkkomponente, die Netzwerksegmente miteinander verbindet, und zwar in einer Weise, die eine geringere allgemeine Netzlast gewährleistet, indem der Hauptdatenverkehr - sozusagen durch Direktschaltung - innerhalb der Segmente verbleibt und die übrigen Segmente nicht belastet (vgl. Ch. Prevezanos, Computer Lexikon 2013, S. 670).
Daraus ergibt sich, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung vor allem als Hinweis auf direkte Schalter bzw. Schaltungen oder Verteiler in Computernetzwerken versteht. In Verbindung mit den nunmehr maßgeblichen Waren und Dienstleistungen steht für die angesprochenen Verkehrskreise diese Bedeutung indessen nicht im Vordergrund. Denn es ist nicht nahegelegt, dass derartige direkte Schaltungen oder direkte Verteiler in diesen Bereichen zur näheren Beschreibung dienen könnten. Der angemeldeten Marke kann in Bezug auf die noch maßgeblichen Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt mehr zugeordnet werden, so dass sich damit keine Eignung zur beschreibenden Verwendung als Sachangabe hinsichtlich der Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen ergibt.
Die angemeldete Marke ist damit geeignet, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel für die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden; Direktswitch fehlt damit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen auch kein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; denn es ist aus obengenannten Gründen nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren und Dienstleistungen dienen könnte; es fehlt damit an einem Allgemeininteresse an der freien Verwendung.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.