Entscheidungsdatum: 09.06.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 047 821.2
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 9. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des Richters Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. April 2014 insoweit aufgehoben, als darin die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 5:
diätetische Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke;
Klasse 44:
Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere“
zurückgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Keine Tränchen beim ersten Zähnchen
ist am 7. September 2012 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 41 und 44, u. a. für
„diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke“
angemeldet worden.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 5 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 16. April 2014 teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 5:
Pharmazeutische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; homöopathische Präparate; Vitaminpräparate;
Klasse 41:
Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Workshops (Ausbildung) und Kolloquien, insbesondere für Eltern zum Thema Kindergesundheit; Organisation und Veranstaltung von Kongressen, Konferenzen und Vortragsveranstaltungen (Aus/Weiterbildung), insbesondere für Eltern zum Thema Kindergesundheit; Herausgabe von Texten, soweit in Klasse 41 enthalten; Herausgabe von Verlagsdruck- und Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), jeweils soweit in Klasse 41 enthalten, auch in elektronischer Form; Aus- und Weiterbildung in Form von Seminaren, Konferenzen und Kongressen, auch über das Internet (e-learning), insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit von Kindern;
Klasse 44:
Medizinische Dienstleistungen; Dienstleistungen eines Zahnarztes; Beratung in der Pharmazie, nämlich durch einen Apotheker oder Drogeristen; Dienstleistungen eines Apothekers; Zubereitung von pharmazeutischen Zubereitungen sowie Arzneimitteln für Dritte aufgrund von ärztlichen Rezepten; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Gesundheitsberatung, Dienstleistungen im Gesundheitsbereich, insbesondere Durchführen medizinischer Tests, medizinischer Laboruntersuchungen“
zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Die angemeldete Wortfolge „Keine Tränchen beim ersten Zähnchen“ werde vom Verkehr in Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen dahingehend verstanden, dass diese dazu beitragen können, Schmerzen beim Durchbruch der ersten Zähnchen zu vermeiden. Die Wortkombination sei sprachüblich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache zusammengesetzt und werde daher von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar im oben genannten Sinne verstanden.
Dabei müsse nicht genau definiert werden, wie Schmerzen beim Durchbruch der ersten Zähne vermieden würden. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Eine Mehrdeutigkeit sei nicht ersichtlich, da fern liegende Bedeutungen außer Betracht bleiben könnten und es ausreiche, wenn eine der denkbaren Bedeutungen beschreibend sei. Der Gesamtbegriff ergebe keinen über die Bedeutung der einzelnen Bestandteile hinausgehenden schutzfähigen Aussagegehalt, woran auch die Verwendung der Verniedlichungsformen „Tränchen“ und „Zähnchen“ nichts ändere. Darauf, dass die Anmelderin den Slogan bereits seit langem verwende, komme es nicht an, wenn er - wie vorliegend - beschreibend sei und der angesprochene Verkehr ihn nicht mit der Anmelderin in Verbindung bringe. Zudem werde er von der Anmelderin zusammen mit der Bezeichnung „Osanit“ verwendet.
Folglich gebe die angemeldete Wortfolge keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise direkt, in glatt beschreibender und sloganartiger Form, auf Art, Thema und Zweckbestimmung der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hin.. Eine Analyse des Begriffes sei dazu nicht notwendig. Ob die Wortzusammensetzung lexikalisch nachweisbar sei oder bereits häufig verwendet werde, sei unmaßgeblich, wenn sie, wie vorliegend, ohne weiteres verständlich sei.
Ob darüber hinaus auch ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe, könne dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung hat sie sinngemäß ausgeführt, dass der angemeldeten Wortfolge unter Beachtung der in der Entscheidung des EuGH vom 21. Januar 2010 (C-398/08 P - Vorsprung durch Technik) aufgestellten Grundsätze eine Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden könne. So weise der Slogan auf Grund der Verniedlichung der Begriffe „Tränchen“ und „Zähnchen“ und des sich daraus ergebenden Reimeffekts ein Spannungsverhältnis auf, wodurch er sich von dem dahinter stehenden Sinngehalt löse. Den angesprochenen Verkehrskreisen werde dieses Spannungsverhältnis und die damit verbundene sprachliche Besonderheit nicht verborgen bleiben, was aber zu einem Verständnis der Wortfolge als Herkunftshinweis führe, zumal der Slogan aufgrund der sich reimenden Begriffe „Tränchen“ und „Zähnchen“ leicht erinnerbar sei.
Von Bedeutung sei ferner, dass die Anmelderin die Wortfolge bereits seit langem verwende, da dies nach der vorgenannten EuGH-Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ für ein Verständnis eines Slogans als betrieblicher Herkunftshinweis spreche.
Es fehle auch an einem Freihaltebedürfnis für die Mitbewerber, da der Slogan über urheberrechtliche Qualität verfüge und auch wettbewerbsrechtlichen Schutz beanspruchen könne, so dass es bereits aus diesen Gründen ausgeschlossen sei, dass ein Mitbewerber diesen Slogan verwenden könne. Warum aber ein Slogan, der über urheberrechtlichen Schutz verfüge, nicht als Marke eingetragen werden kann, erschließe sich nicht.
Der angefochtene Beschluss verkenne zudem, dass der aufmerksame Verbraucher wisse, dass Slogans häufig als Herkunftshinweis verwendet würden. Dementsprechend verfügten viele Unternehmen über entsprechende Werbeslogans, die vom Verkehr auch ohne weiteres als Herkunftshinweis erkannt würden.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. April 2014 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG insoweit nicht bestehen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, da es der angemeldeten Marke in Bezug auf die weiteren Waren und Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
a. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von sloganartigen Wortfolgen wie die hier vorliegende Bezeichnung Keine Tränchen beim ersten Zähnchen sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH; GRUR 2010, 228, Nr. 36 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 32, 44 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949, Nr. 12 - My World; BGH GRUR 2009, 778, Nr. 12 - Willkommen im Leben). Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 35, 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 39 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 31, 32 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Auch wenn Werbeslogans keinen strengeren Schutzvoraussetzungen unterliegen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die angesprochenen Kreise aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen. Bei nach Art eines Slogans gebildeten Wortfolgen wird der Verkehr diese daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft; EuG GRUR Int. 2003, 834, 835 f. - Best buy; GRUR Int. 2004, 944, 946 - Mehr für Ihr Geld). Nicht unterscheidungskräftig sind demzufolge spruchartige Wortfolgen, die lediglich in sprach- oder werbeüblicher Weise eine beschreibende Aussage über die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen enthalten oder sich in Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, Nr. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it.).
b. Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke Keine Tränchen beim ersten Zähnchen in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die angemeldete sloganartige Wortfolge ist sprachüblich unter Verwendung der Diminutive „Tränchen“ und „Zähnchen“ gebildet. Diese beiden Begriffe weisen dabei innerhalb der Wortfolge insoweit einen Bezug zueinander auf, als Kleinkinder bei Durchbruch der ersten Zähne aufgrund der damit verbundenen Missempfindungen und Schmerzen häufig weinen, was regelmäßig mit Tränenfluss einhergeht. Bei der angemeldeten Wortfolge handelt es sich daher um eine in sprachlicher Hinsicht leicht verständliche Wortverbindung, deren Bestandteile sich begrifflich sinnvoll und passend ergänzen und die ihrem Aussagegehalt nach in allgemeiner verständlicher Weise einen schmerzfreien Durchbruch der (ersten) Zähne beim Kleinkind beschreibt bzw. verspricht. In dieser Bedeutung werden auch die vorliegend angesprochenen Endverbraucher die angemeldete Wortfolge ohne weiteres und ohne jede analysierende Zwischenschritte verstehen.
Ausgehend davon wird der Endverbraucher in der angemeldeten Wortfolge in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren der Klasse 5 „Pharmazeutische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel; homöopathische Präparate; Vitaminpräparate“ eine werbewirksame Anpreisung zu Bestimmung und Wirkungsweise dieser Waren erkennen und ihr das (anpreisende) Versprechen entnehmen, dass die so bezeichneten Waren geeignet sind, Missempfindungen und Schmerzen eines Kleinkindes bei Durchbruch der ersten Zähne zu lindern oder zu vermeiden. Dies gilt auch in Bezug auf „Desinfektionsmittel“ der Klasse 5. Denn solche schmerzlindernden Präparate und Erzeugnisse müssen grundsätzlich auch über eine desinfizierende Wirkung verfügen, da der Durchbruch der ersten Zähne beim Kleinkind mit Entzündungen, Blutungen o.ä. verbunden sein kann.
Ebenso können sich sämtliche zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 41 und 44 - mit Ausnahme von „Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere“ - ihrem Inhalt/ihrer Thematik bzw. ihrem Gegenstand nach mit der Verhinderung oder zumindest der Linderung von Schmerzen beim Zahnen eine Kleinkindes beschäftigen, z. B. im Rahmen der Beratung und Prävention oder auch der Forschung und Entwicklung entsprechender Produkte, so dass der Verkehr der Wortfolge auch insoweit lediglich einen werblich anpreisenden Hinweis zu Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen entnimmt.
Diesen beschreibenden Aussagegehalt vermittelt die angemeldete Wortfolge nicht in einer suggestiv-andeutenden Form, sondern klar und unmissverständlich; sie erfordert insoweit weder ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand noch ist sie in irgendeiner Weise mehrdeutig. Der Verkehr wird die angemeldete Wortfolge in Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen nur entsprechend ihrem Sinn- und Bedeutungsgehalt als werbewirksame, die Aufmerksamkeit weckende Anpreisung verstehen. Das Zeichen weist keine ungewöhnliche Struktur oder Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die geeignet wären, das Zeichen zu etwas anderem werden zu lassen als eine bloße Werbebotschaft, mit der die Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen gerühmt werden.
Eine solche Besonderheit kann entgegen der Auffassung der Anmelderin insbesondere nicht in der Verwendung der Diminutive „Tränchen“ und „Zähnchen“ und dem dadurch innerhalb der Wortfolge hervorgerufenen Reimeffekt gesehen werden. Bei den beiden Begriffen handelt es sich um die lexikalisch nachweisbaren Verkleinerungsformen der Substantive „Träne“ bzw. „Zahn/Zähne“ (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl., S. 1779 und 2054). Solche Verkleinerungsformen werden im allgemeinen Sprachgebrauch insbesondere auch gegenüber oder in Zusammenhang mit Kindern verwendet. Die Wortfolge bedient sich daher insoweit lediglich in werbeüblicher Art und Weise einer insbesondere gegenüber Kindern durchaus verbreiteten Sprachform, welche zudem einen Hinweis auf die Zielgruppe der Waren und Dienstleistungen (Kleinkinder) enthält. Auch wenn der durch die Verkleinerungsformen hervorgerufene Reimeffekt innerhalb der Wortfolge deren Erinnerung erleichtert, liegt darin entgegen der Auffassung der Anmelderin weder ein Wortspiel noch ein Element begrifflicher Spannung, welches geeignet wäre, die angemeldete Wortfolge von dem dahinter stehenden Sinngehalt zu lösen und dem Zeichen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise Unterscheidungskraft zu verleihen. Eine erhöhte Merkfähigkeit ist Grundlage eines jeden (werblich-anpreisenden) Werbeslogans, besagt für sich gesehen aber nichts darüber, ob der Verkehr damit auch einen über die Werbefunktion hinausreichenden Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren/Dienstleistungen verbindet. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Wortfolge wie vorliegend ohne jeden Interpretationsaufwand als einfaches, ihrem Inhalt nach eindeutiges und unmissverständliches anpreisendes Versprechen zu zur Wirkungsweise der Waren bzw. zu Inhalt und Gegenstand und Ziel der beanspruchten Waren und Dienstleistungen wahrgenommen wird, nämlich dass diese dazu bestimmt und vor allem geeignet sind, Missempfindungen und Schmerzen eines Kleinkindes bei Durchbruch der ersten Zähne zu lindern oder zu vermeiden.
Die dem Beanstandungsbescheid vom 19. November 2012 als Anlage A2 und A3 beigefügten Rechercheauszüge belegen zudem eine nicht auf die Anmelderin zurückzuführende Verwendung vergleichbarer Slogans zum Zeitpunkt der Anmeldung als werblich-anpresendes Versprechen in Zusammenhang mit der Verhinderung/Linderung von Beschwerden beim Durchbruch der ersten Zähne (vgl. Anlage A2, Bl. 11 VA „Es gab keine Tränchen beim ersten Zähnchen“; Anlage A3, Bl. 12 VA „Milchzähne: Erste Zähnchen ohne Tränchen“). Dies gilt entgegen der Auffassung der Anmelderin auch für die in dem der Anmelderin auszugsweise als Anlage A 4 (Bl. 13 VA) übersandten Artikel enthaltene Formulierung „Keine Tränchen beim ersten Zähnchen“ verspricht die homöopathische Globulimischung Osanit®.“ Damit wird zwar auf das entsprechende Produkt der Anmelderin Bezug genommen; jedoch wird die hier angemeldete Wortfolge auch dabei ausdrücklich als (werbliches) „Versprechen“ und eben nicht als Herkunftshinweis bezeichnet.
Die angesprochenen Endverbraucher werden daher die Marke ohne jede weitergehende Überlegung als bloßen werblich anpreisenden Hinweis für die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen verstehen. Die seitens der Anmelderin geltend gemachte langjährige Benutzung hat darauf keinen Einfluss, da auch ein bekannter Slogan nur als Werbung, nicht jedoch als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden kann. Benutzungstatbestände können grundsätzlich nur im Rahmen einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG berücksichtigt werden. Ebenfalls ohne Bedeutung für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist, ob der Slogan möglicherweise urheberrechtlich oder unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gegenüber Nachahmungen geschützt sein könnte, da die Voraussetzungen eines solchen Schutzes sich nicht mit den Anforderungen an die markenrechtliche Unterscheidungskraft decken (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 230).
c. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
d. In Bezug auf die von der Zurückweisung betroffenen Waren „Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke“ können Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG indessen nicht festgestellt werden.
„Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke“ sind nicht dazu bestimmt und geeignet, Beschwerden eines Kleinkindes beim „Zahnen“ zu lindern, so dass insoweit auch ein Verständnis der angemeldeten Wortfolge als werblich-anpreisendes Versprechen auf die Wirkungsweise der Produkte fernliegt.
Dies gilt auch für die zurückgewiesenen „Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke“. Beansprucht werden insoweit – was in dem angefochtenen Beschluss nicht zum Ausdruck kommt – nur Produkte, die für diätetische Zwecke geeignet sind, da die sich aus dem (vollständigen) Warenoberbegriff „diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke“ ergebende Beschränkung auf diätetische Produkte nicht nur die „Lebensmittel“ umfasst, sondern auch die „Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke“. Ein Zusammenhang zwischen Beschwerden beim „Zahnen“ und dem Erfordernis einer diätetischen Ernährungsform besteht jedoch nicht, wovon die Markenstelle bei den „diätetischen Lebensmitteln“ zutreffend ausgegangen ist.
An einem solchen Zusammenhang fehlt es ferner auch in Bezug auf „Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere“, für welche die Markenstelle zwar in der Begründung eine Eintragung in Aussicht gestellt hat, die Anmeldung dann aber ausweislich des Beschlusstenors (offenbar versehentlich) auch in Bezug auf diese Dienstleistung zurückgewiesen hat.
Da somit ein Verständnis der angemeldeten Wortfolge als werblich anpreisender Hinweis in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen fernliegt, besteht auch keine Grundlage für die Annahme, dass das Zeichen für diese beanspruchten Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist. Der angefochtene Beschluss ist daher insoweit auszuheben.