Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.05.2010


BPatG 11.05.2010 - 30 W (pat) 3/10

Markenbeschwerdeverfahren - "RGFLEX (IR-Marke)" - beschreibende Angabe - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
11.05.2010
Aktenzeichen:
30 W (pat) 3/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 883 963

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 11. Mai 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte Marke

2

RGFLEX

3

nach; das Warenverzeichnis lautet:

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"Câbles électriques ou à fibres optiques pour les télécommunications, notamment câbles électriques ou à fibres optiques pour appareils et équipements audio et câbles électriques ou à fibres optiques pour applications dans le domaine radio fréquence."

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Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Marke in zwei Beschlüssen, einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert. Die IR-Marke bestehe erkennbar aus der Buchstabenfolge "RG" und dem Kürzel "FLEX". "RG" sei auf dem hier verfahrensgegenständlichen Gebiet die Abkürzung für "Radio Guide" und bezeichne damit Koaxialkabel, die auf dem Gebiet der Elektronik- und Hochfrequenztechnik, der Sende- und Empfangstechnik und der Videoübertragung eingesetzt werden können. "RG" sei im Elektronikbereich eine gängige Bezeichnung fast in der Art eines Gattungsbegriffs, andere Bedeutungen stünden nicht im Vordergrund. "FLEX" sei die lexikalisch nachweisbare Abkürzung von "flexibel" und stelle eine allgemeine Beschaffenheitsangabe dar. In Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren werde der Verkehr in der Buchstabenfolge "RGFLEX" lediglich einen allgemein beschreibenden Hinweis auf flexible RG-Kabel,  flexible Koaxialkabel sehen. Die beschreibende Verwendung beider Bestandteile sei im einschlägigen Warengebiet feststellbar.

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Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und ausgeführt,  zumindest für die Endabnehmer der in Frage stehenden Kabel sei "RGFLEX" keine eindeutig beschreibende Sachangabe. Auch wenn die Händler möglicherweise darin eine beschreibende Sachangabe sähen, habe die Buchstabenfolge für die Endabnehmer keine Bedeutung. Wegen der Mehrdeutigkeit der Bestandteile handle es sich nicht um ein eindeutig beschreibendes Zeichen, so dass Unterscheidungskraft gegeben sei.  Das Zeichen sei auch nicht freihaltebedürftig; der Endabnehmer kenne die Abkürzung für "Radio Guide" nicht, er werde nur diffuse Vorstellungen dazu haben, was "RG" beschreiben könnte. Zudem habe das Amt eine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise vorgenommen. Die Markeninhaberin beruft sich auf vergleichbare Voreintragungen.

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Die IR-Markeninhaberin beantragt,

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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. April 2008 und vom 14. Oktober 2009 aufzuheben und der Marke den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.

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Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten und die der Markeninhaberin in einem Zwischenbescheid übersandten Hinweise Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin ist in der Sache ohne Erfolg. Bei der schutzsuchenden IR-Marke "RGFLEX" handelt es sich um eine für den Wettbewerb freizuhaltende, beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, weshalb ihr der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht von der Markenstelle verweigert worden ist (§§ 107, 113, 37 Abs. 1 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 MMA).

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1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

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Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums vor allem durch den gemeinsamen europäischen Markt nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it). Dabei nimmt der Verkehr Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen regelmäßig in der Form auf, wie sie ihm entgegentreten und ist erfahrungsgemäß wenig geneigt, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können, so dass die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 162 - 164 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort oder einer Wortfolge mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von deren Inhalt jeder Merkmale der beanspruchten Waren beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wortinhalt und der bloßen Summe des Inhalts seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 - KPN-Postkantoor).

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Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG regelmäßig nicht an. Ein Wortzeichen ist nämlich auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR, 2003, 450 - DOUBLEMINT). Dabei spielt es keine Rolle, ob es Bezeichnungsalternativen, nämlich Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl. EuGH a. a. O. S. 410, 412 - BIOMILD; EuGH a. a. O. S. 500, 507 - Postkantoor).

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Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können".

16

Es ist auch unerheblich, wie groß die Zahl der Mitbewerber ist, für die eine beschreibende Verwendung in Betracht kommt, weil beschreibende Angaben und Zeichen jedermann zur freien Benutzung verfügbar bleiben müssen (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 - KPN-Postkantoor).

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2. In diesem Sinn ist die Marke "RGFLEX" eine beschreibende, freihaltebedürftige Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der von der Marke erfassten Waren dienen kann.

18

Die Wortmarke "RGFLEX" stellt eine Zusammensetzung aus einer Fachabkürzung für eine englische Wortfolge und einer weiteren Abkürzung für ein im Deutschen gebräuchliches Wort dar. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, soweit die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 - BioID).

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Die Buchstabenfolge "RG" ist die Abkürzung für den Fachbegriff  "Radio Guide" und im Zusammenhang mit Kabeln Bestandteil der Normbezeichnung für Koaxialkabel (vgl. "RG" unter www. wikipedia.org; "Koaxialkabel-Kabelbezeichnungen" unter www. wikipedia.org; "RG" unter www. abkuerzungen.org). Wie aus den der Markeninhaberin mit entsprechendem Hinweis des Senats übersandten Belegen einer Internetrecherche ersichtlich, wird der Bestandteil "RG" in diesem Sinne in der Zusammensetzung "RG-Kabel" als Fachbegriff verwendet, um einen bestimmten Typ von Koaxialkabel zu bezeichnen, der einer bestimmten Norm entspricht. Mehrere Hersteller bzw. Lieferanten für Kabelkonfektionierung bieten Koaxialkabel unter der Bezeichnung "RG-Kabel" bzw. "RG-Kabel gemäß MIL(Military Norm)–C-17F und MIL-C-17G" an (vgl. z. B. "RG213 FRNC-B…RG-Kabel werden im gesamten Bereich der kommerziellen Elektronik- und Hochfrequenztechnik überall dort eingesetzt, wo entsprechend hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden" unter www. elspec.de; "RG 213U MIL C17 F" unter www. kabel-kusch.de; "RG-Kabel nach Mil-Norm" unter www. interkabel.de; "RG-Kabel gemäß MIL-C-17F, MIL-C-17G" unter www. draka.com; "bedea RG-Kabel… Optimiert hinsichtlich elektrischer oder mechanischer Toleranzen, besonderen Umgebungsbedingungen und Robustheit, stellen diese – ursprünglich für den militärischen Einsatz genormten – RG-Kabel heute international verwendete Standards dar." unter www. bedea.com/downloads/bedeaRG-Kabeld_e6SLR.pdf).

20

Entgegen der Ansicht der IR-Markeninhaberin kann hinsichtlich dieses Bestandteils "RG" nicht von Bedeutungsvielfalt gesprochen werden, da diese nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen ist, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu sehen ist (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt). Außerdem ist auch eine Angabe, die jedenfalls mit einer Bedeutung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen kann, vom Markenschutz ausgenommen, unabhängig davon, ob ihr noch andere (nicht beschreibende) Bedeutungen zukommen können (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. (Nr. 32) – DOUBLEMINT).

21

Der Bestandteil "FLEX" ist die Abkürzung für das Wort "flexibel, Flexibilität" (vgl. Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Aufl. 1999). Wie aus der Internetrecherche weiter ersichtlich, kann ein gewisser Grad von Flexibilität eine Eigenschaft von Koaxialkabeln sein (vgl. "Koaxialkabel – Aufbau: Flexible Koaxialkabel besitzen meist Innenleiter aus …Kupferdrähten…" unter www. wikipedia.org; "Flexible PTFE-Koaxialkabel als Meterware: …Standardgemäß lieferbar sind Kabel nach MIL-C-17 Spezifikation…Die Kabel sind sehr geschmeidig und flexibel…Typ RG…" unter www. telemeter.info).

22

Die aus beschreibenden Bestandteilen sprachüblich zusammengesetzte Buchstabenfolge "RGFLEX" in ihrer Gesamtheit enthält damit keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgeht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 29 - BioID).

23

In Bezug auf die beanspruchten Waren, die Kabel für den Bereich der Telekommunikation betreffen, ergibt die schutzsuchende Marke "RGFLEX" die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um flexible RG-Kabel oder flexible Koaxialkabel handelt.

24

Entgegen der Ansicht der IR-Markeninhaberin lässt sich damit ein eindeutig beschreibender Begriffsgehalt für alle beanspruchten Waren feststellen. Einer beschreibenden Eignung der sprachüblich verwendeten und ohne weiteres verständlichen Kombination "RGFLEX" steht nicht entgegen, dass Teilen der Endabnehmer der Fachbegriff "RG" nicht bekannt sein könnte. Maßgeblich ist der objektiv beschreibende Charakter und das darauf beruhende Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit als Sachangabe. Insoweit können bereits die Bedürfnisse eines relativ kleinen Teils des Gesamtverkehrs der Markeneintragung unter dem Gesichtspunkt des Allgemeininteresses entgegenstehen (vgl. EuGH a. a. O. - KPN-Postkantoor; BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS).

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3. Wegen des in Bezug auf die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden Begriffsgehalts sowohl der Einzelelemente als auch der daraus gebildeten Kombination, die über den Sinngehalt der Einzelelemente nicht hinaus geht, handelt es sich um eine deutlich und unmissverständlich beschreibende Angabe ohne jegliche begriffliche Ungenauigkeit. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Anmeldung daher auch nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel auffassen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Die IR-Markeninhaberin kann sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Denn selbst aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken erwächst unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt; einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 - Autofelge; BGH BlPMZ 1998, 248, 249 - Today; GRUR 2005, 578 - LOKMAUS; GRUR 2008, 1093, 1095 - Marlene-Dietrich-Bildnis; EuGH a. a. O. - BioID; EuGH MarkenR 2009, 478, 484 [Nr. 57] - American Clothing/HABM; BPatG PMZ 2007, 160 - Papaya; 25 W (pat) 65/08 - Linuxwerkstatt; 24 W (pat) 142/05 - Volksflat; auf der Internetseite des Gerichts).

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Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.