Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.11.2013


BPatG 21.11.2013 - 30 W (pat) 2/12

Markenbeschwerdeverfahren – "EASYCOLLOID" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
21.11.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 2/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 016 456.8

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung

2

EASYCOLLOID

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für folgende Waren und Dienstleistungen:

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„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster; Verbandmaterial; medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“.

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet. „Colloid“ sei die englische Form von „Kolloid“, womit Teilchen oder Tröpfchen bezeichnet würden, die in einem Dispersionsmedium wie einem Feststoff, einer Flüssigkeit oder einem Gas fein verteilt seien. Das englische Wort „easy“ vermittle, dass etwas leicht zu handhaben sei. Mit dem Hinweis, dass es sich bei den angemeldeten Waren und Dienstleistungen um leicht handhabbare Kolloide handle bzw. mittels solcher erbracht würden, erweise sich EASYCOLLOID als beschreibende Angabe.

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Mit Erstbeschluss vom 25. November 2009 hat die Markenstelle die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat dieselbe Markenstelle mit Beschluss vom 14. Oktober 2011 zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Die angemeldete Bezeichnung weise in der Bedeutung „leicht handhabbares Kolloid“ in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt auf. In diesem beschreibenden Sinn werde der angesprochene Verkehr das angemeldete Zeichen auch auffassen, denn die Bezeichnung „Kolloid-Pflaster“ etwa werde bereits beschreibend verwendet. Verbandsmaterialien, Wundauflagen und kosmetische Produkte könnten kolloidales Silber enthalten. Die übrigen beanspruchten Waren könnten mit Kolloiden versehen und leicht handhabbar sein, so dass EASYCOLLOID auf deren Beschaffenheit hinweise. Die Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen könne auf solche Produkte bezogen sein. Die angemeldete Bezeichnung weise keine ungewöhnliche Struktur oder Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnten. Sie treffe vielmehr eine für den Verkehr aus sich heraus verständliche und sofort erfassbare schlagwortartige Sachaussage zum Gegenstand der Dienstleistungen und zur Beschaffenheit der Waren. Über diese Sachinformationen hinaus enthalte die angemeldete Bezeichnung kein Element, das den Eindruck einer betrieblichen Herkunftskennzeichnung, also einer Marke, hervorrufe. Auch die begriffliche Unschärfe der Wortfolge vermöge nicht zur Begründung der erforderlichen Unterscheidungskraft zu führen, denn die Angabe EASYCOLLOID umreiße den thematischen Bereich des Zusammenwirkens einfacher Handhabbarkeit mit Kolloiden präzise. Dass es sich dabei um ein sehr weit gefasstes Themengebiet handele, stehe der Annahme einer beschreibenden Angabe nicht entgegen.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält mit näheren Ausführungen das angemeldete Zeichen für schutzfähig, weil eine eindeutig beschreibende Angabe nicht vorliege. Das in der Bedeutung „behaglich, einfach, leicht, locker“ unspezifische „easy“ ergebe in Verbindung mit „colloid“ keinen Hinweis auf die Waren und Dienstleistungen. Informationen über deren Modalitäten und Einzelheiten könnten weder den Wortbestandteilen „easy“ und „colloid“ noch dem Gesamtbegriff EASYCOLLOID entnommen werden. Bekannte Begriffe wie „EASYRIDER“ und „EASYGOING“ würden nicht mit „einfacher Reiter“ bzw. „einfachem Gehen“ übersetzt. Dem Zeichenbestandteil „EASY“ sei hier in Konnotation eine „emotionale“ Freiheit beizumessen, eine beschreibende Angabe in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen liege nicht vor. Auf die Bedeutung von „einfache Kolloide“ könne die Zurückweisung der Anmeldung nicht gestützt werden, da dies mit „simple“ oder „basic“ übersetzt werde.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BiolD; EuGH a. a. O. - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Hierbei ist auf die Wahrnehmung des Handels sowie des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortzeichen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link Economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - BerlinCard; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Nr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen fehlt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen EASYCOLLOID jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Die Bezeichnung EASYCOLLOID ist gebildet aus den englischen Wörtern „easy“ und „colloid“.

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Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, bedeutet das zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörende Wort „easy“ im Deutschen „leicht, einfach“ im Sinn von „nicht schwierig“ (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., S. 1091; Leo Online Lexikon, Suchwort „easy“). Mit dieser Bedeutung hat „easy“ Eingang in die deutsche Sprache gefunden (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 463). Auf dieser Grundlage geht das Bundespatentgericht in seiner Rechtsprechung von einem Verständnis im Sinne einer einfachen Handhabbarkeit so gekennzeichneter Produkte aus (vgl. BPatG 27 W (pat) 146/00 - Easy Dialog; BPatG 27 W (pat) 28/05 - EasyCard; beide veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; auch EuG T-0346/07 - EASYCOVER; Zusammenfassungen der Beschlüsse hat die Markenstelle mit dem Beanstandungsbescheid übersandt).

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Wie die Markenstelle weiter ausgeführt und unter Übersendung von Nachweisen belegt hat, ist der weitere Markenbestandteil „COLLOID", deutsch „Kolloid“ (vgl. Springer, Großwörterbuch Medizin, 2001, S. 1016 f.), die Bezeichnung für Teilchen oder Tröpfchen, die sich in feinster Verteilung in einem Dispersionsmedium befinden (vgl. den von der Markenstelle mit dem Beanstandungsbescheid übersandten Ausdruck aus dem Online-Lexikon Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Kolloid; Duden, Universalwörterbuch, a. a. O., S. 1018), die beispielsweise im Bereich der Medizin seit langem als Arzneistoffträger oder auch auf dem Gebiet der Kosmetik verwendet werden (vgl. den mit der Ladung übersandten Artikel „Kolloide“, http://www.tu-chemnitz.de/physik/OSMP/Soft/ws0506_V14.pdf). Zutreffend hat die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss unter Verweis auf einen Internet-Artikel der Zeitschrift „MountainBIKE“ (Ausgabe 11/2006) auch darauf hingewiesen, dass es beispielsweise Kolloid-Pflaster gibt, das für den Einsatz bei nässenden Wunden bestimmt ist. Auch gibt es, worauf die Markenstelle ferner hingewiesen hat, „kolloidales Silber“; dies kommt wegen seiner antibakteriellen Wirkung beispielsweise in Kosmetika oder auch bei Wundauflagen zum Einsatz (vgl. die von der Markenstelle angegebene Fundstelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kolloidales_Silber).

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Das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung EASYCOLLOID im Sinn von „einfach handhabbares Kolloid“ bereitet somit sowohl für den Endverbraucher wie für den Fachverkehr und auch ohne Zugrundelegung der auf dem Gesundheitsgebiet erhöhten Aufmerksamkeit des sich informierenden Publikums keinerlei Schwierigkeiten. Wie den der Anmelderin vom Senat übersandten Ausdrucken aus dem Internet zu entnehmen, wird auf die einfache Anwendbarkeit von Kolloiden durchaus hingewiesen. So heißt es darin über „Spenlersan Kolloide“: „…Die Kolloide werden über die Haut aufgenommen, was eine schonende und einfache Anwendung gewährleistet…“ (vgl. http://www.tierheilpraxis-boecker.de/menu/spenglersan_kolloide.html). An anderer Stelle ist für die „Spenglersan Kolloide“ ausgeführt: „…Da die Kolloide einfach zu handhaben sind, werden sie in meiner Praxis sogar für Kleinkinder…eingesetzt…“ (vgl. http://www.sanego.de/45685_Nebenwirkungen_von_Spenglersan-Kolloid-K-und-Spenglersan-Kolloid-T). Auch die Anmelderin weist im Zusammenhang mit Wundversorgung und der Lipidkolloid-Technologie auf deren einfache Anwendbarkeit hin (vgl. http://www.urgo.de/indikationen.html).

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Darauf, dass bei der Übersetzung des Begriffs „einfache Kolloide“ die englischen Wörter „simple“ bzw. „basic“ - ersichtlich in Abgrenzung zu komplex zusammengesetzten Kolloiden - verwendet werden, kommt es hier nicht an. Wie oben ausgeführt, wird mit dem Wort „easy“ darauf hingewiesen, dass etwas leicht gehandhabt werden kann; es lässt sich nicht feststellen, dass hier diese Bedeutung von „easy“ angesichts eines in andere Richtung weisenden Begriffs ohne analysierende Betrachtung für den Verkehr verlorengeht. Auch der von der Anmelderin angeführte Begriff „Easy Rider“, mit dem eine Motorradart oder sein lässiger Fahrer bezeichnet werden (vgl. Duden, Universalwörterbuch, a. a. O., S. 463) oder die Zusammenfügung „easy-going“, die mit „ungezwungen“ ins Deutsche übersetzt wird (vgl. Duden Oxford, a. a. O., S. 1091) führen im hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich nicht von dem genannten Verständnis des Wortes „easy“ weg.

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In ihrer Gesamtheit ist die angemeldete Marke mit der vorgenannten Bedeutung eine sachbezogene Information einerseits über die Beschaffenheit der betreffenden Waren, andererseits über die Verwendung solcher Produkte bei Inanspruchnahme der Dienstleistungen. Hieraus folgt, dass die Bezeichnung EASYCOLLOID im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als beschreibender Sachhinweis verstanden wird, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis und die Marke daher ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen kann. Die angemeldete Bezeichnung ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch das Eintragungshindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt.