Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.01.2014


BPatG 23.01.2014 - 30 W (pat) 19/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Dorotim-Ophtal/DORZOTIM" – Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung bei Arzneimittelprodukt – Warenidentität und –ähnlichkeit – klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
23.01.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 19/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 019 467

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Februar 2012 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 30 2008 006 791 zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der Marke 30 2008 019 467 wegen des Widerspruchs aus der Marke 30 2008 006 791 wird angeordnet.

Gründe

I.

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Die am 25. März 2008 angemeldete, am 15. August 2008 unter der Nummer 30 2008 019 467 eingetragene und am 19. September 2008 veröffentlichte Wortmarke

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Dorotim-Ophtal

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ist nach Teillöschung mit Wirkung vom 27. November 2008 für die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich ophthalmologische Präparate; Pflaster, Verbandmaterial" bestimmt.

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Gegen die Eintragung ist am 18. Dezember 2008 Widerspruch erhoben worden aus der am 4. Februar 2008 angemeldeten und am 4. Juni 2008 für "pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 30 2008 006 791

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DORZOTIM

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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 13. Februar 2012 eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Dabei ist die Markenstelle von überdurchschnittlicher bis zur Identität reichender Ähnlichkeit der Waren sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Begründend ist unter anderem ausgeführt, dass die angegriffene Marke nicht allein durch den Bestandteil "Dorotim" geprägt werde, dem auch keine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb der angegriffenen Marke zukomme. Zwar könnte der Bestandteil "Ophtal" gewisse beschreibende Anklänge in Bezug auf das mögliche Einsatzgebiet der Ophthalmologie haben, stelle aber keine glatt beschreibende Angabe dar. Auch die fehlerhafte Schreibweise von "Ophtal" werde vom Fachverkehr wahrgenommen. Eine Vernachlässigung von "Ophtal" sei deshalb nicht anzunehmen. Dazu trage auch bei, dass das Wort "Dorotim" einen Hinweis auf den Wirkstoff "Timolol" beinhalte und damit ebenfalls beschreibende Anklänge aufweise, so dass keiner der Bestandteile vordergründig wahrgenommen werde und ferner das jüngere Zeichen optisch eine einheitliche Wirkung vermittle. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Markenserie könne keine Prägung angenommen werden, da ein einheitlicher Gesamtbegriff vorliege. Ebenso würden Firmennamen - wie zunächst bezüglich des Bestandteils "Ophtal" geltend gemacht - den Gesamteindruck eines Kombinationszeichens mitbestimmen. Auch eine selbständig kennzeichnende Stellung komme dem Bestandteil "Dorotim" nicht zu, da es sich um eine einheitliche Gesamtkennzeichnung handele. Insgesamt wichen die Marken so stark voneinander ab, dass keine Gefahr von Verwechslungen bestehe.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält mit näheren Ausführungen Verwechslungsgefahr für gegeben, da die angegriffene Marke durch den Bestandteil "Dorotim" geprägt werde, denn der Bestandteil "Ophtal" sei erkennbar der Wortstamm der medizinischen Fachbezeichnung "Ophthalmologie". Die fehlerhafte Schreibweise dürfte angesichts der komplizierten Schreibweise nicht erkannt werden, zumal diese phonetisch nicht zu Tage trete. Zudem sei "Ophtal" das dem Verkehr bekannte Serienzeichen der Inhaberin der angegriffenen Marke, zum Beispiel in den Produktkennzeichen "Hya-Ophtal", "Lac-Ophtal", "Sic-Ophtal N" und "Sic-Ophtal/-sine", "Visc-Ophtal" und "Visc-Ophtal/sine", "Ophtal Z", "Vit-Ophtal" oder "Pan-Ophtal". Derartige Markenteile würden als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller verstanden und bei der Wahrnehmung vernachlässigt werden. Demgegenüber werde "Dorotim" als Phantasiebezeichnung wahrgenommen, zumal die Assoziation der Silbe "-tim" an den Wirkstoff "Timolol" im Hinblick auf zwölf INN‘s mit dem Wortanfang "Tim" und 21 INN’s mit der Endung "-tim" keineswegs eindeutig sei. Jedenfalls sei "Ophtal" in erheblich stärkerem Maße beschreibend als "Dorotim". Angesichts der überdurchschnittlichen, an Identität heranreichenden Warennähe sei der gebotene Abstand zwischen "Dorotim" und "DORZOTIM" nicht eingehalten. Mit näheren Ausführungen ist die Widersprechende ferner der Meinung, dass auch bei Verneinung der Prägung durch "Dorotim" jedenfalls Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn bestehe.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die angegriffene Marke 30 2008 019 467 zu löschen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014 die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke eine eidesstattliche Versicherung vom 20. Januar 2014 der Leiterin der Abteilung Marken, Urheberrecht und Domainnamen ihrer Tochtergesellschaft, der S… GmbH (Anlage 3), vorgelegt sowie eine Farbkopie einer Verpackung (Anlage 4), Fachinformationen, eine Gebrauchsinformation (Anlagenkonvolut 5), Rechnungskopien (Anlagenkonvolut 6) und einen Auszug aus der "Gelben Liste" (Anlage 7).

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Zu den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke hat sie erklärt, dass sie mit Nichtwissen bestreite, dass es sich bei den Anlagen 4-7 der Glaubhaftmachungsunterlagen um solche handele, auf die in Ziffer 5. der eidesstattlichen Versicherung Bezug genommen sei. Sie ist darüber hinaus der Meinung, dass in jeder Hinsicht Verwechslungsgefahr zu verneinen sei, zumal die aus den Wirkstoffbezeichnungen "Dorzolamid" und "Timolol" gebildete Widerspruchsmarke nur über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge. Bei Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit komme weder klangliche noch bildliche noch konzeptionelle Ähnlichkeit in Betracht; allein schon die beiden jeweiligen ersten Silben "DOR-ZO-" gegenüber "Do-ro-" wiesen eine in vielerlei Hinsicht unterschiedliche Klangstruktur auf. In schriftbildlicher Hinsicht führten die unterschiedlichen Längen der Zeichen nebst Bindestrich in der angegriffenen Marke zur Verneinung der Ähnlichkeit. Dafür, dass dem Bestandteil "Dorotim" der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukomme, seien keine Umstände ersichtlich, wie das Patentamt im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt habe. Weder sei "Ophtal" glatt beschreibend, noch werde der Bestandteil "Dorotim" gesondert wahrgenommen, da er einen gewissen beschreibenden Anklang an die Wirkstoffbezeichnung "Timolol" aufweise. Auch als etwaiger Serienbestandteil werde "Ophtal" nicht vernachlässigt. Das Patentamt sei zutreffend davon ausgegangen, dass die angegriffene Marke als einheitliche Gesamtkennzeichnung wahrgenommen werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen (§§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

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1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014 zulässig nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, dass ihre Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 26 MarkenG im Inland benutzt worden ist, also im Zeitraum Januar 2009 bis Januar 2014.

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Die Widersprechende hat durch die mit Schriftsatz vom 21. Januar 2014 vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 20. Januar 2014 der Leiterin der Abteilung Marken, Urheberrecht und Domainnamen ihrer Tochtergesellschaft, der S… GmbH, mit beigefügten Anlagen, nämlich einer Farbkopie einer Verpackung, Fachinformationen und Rechnungskopien, eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke DORZOTIM durch ihre Tochtergesellschaft ab Februar 2010 in Deutschland für verschreibungspflichtige ophthalmische Arzneimittel für die Behandlung von erhöhtem Augeninnendruck im erforderlichen Umfang in der erforderlichen Dauer glaubhaft gemacht im Sinne von § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 294 ZPO. Die Verpackung, auf die in der eidesstattlichen Versicherung Bezug genommen ist, zeigt die tatsächliche Verwendung der Marke, wobei durch die Wiedergabe mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschrift der kennzeichnende Charakter der eingetragenen Marke DORZOTIM nicht verändert wird (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Die Fachinformationen mit dem Herausgabedatum "April 2010" verwenden die Bezeichnung "Dorzotim" markenmäßig und die Rechnungen an Abnehmer in Deutschland nennen das Produkt "Dorzotim Sandoz Augentropfen".

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Im Rahmen der Integrationsfrage (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 26 Rdnr. 194 ff., insbes. Rdnr. 202) ist weiter zu berücksichtigen, dass die Widersprechende einerseits nicht auf das ganz spezielle mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Produkt festzulegen ist, andererseits aber auch nicht der gesamte mit dem eingetragenen Oberbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" umfasste weite Warenbereich einzubeziehen ist. Anwendung findet vielmehr die sogenannte "erweiterte Minimallösung" (vgl. auch BGH WRP 2001, 1447, 1449 - Ichthyol; BGH GRUR 1990, 39 ff. - Taurus ; BGH GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB; BPatG Mitt. 1979, 223 - Mastu; BPatG GRUR 1995, 488, 489 - APISOL/Aspisol). Danach wird einerseits die Beanspruchung des breiten Oberbegriffs ausgeschlossen, andererseits der Markeninhaber aber auch nicht auf das konkrete Einzelprodukt in seiner speziellen Zusammensetzung, Rezeptpflicht usw. beschränkt. Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend deshalb für den Bereich anzuerkennen, welcher der jeweiligen Arzneimittelhauptgruppe in der "Roten Liste" entspricht (vgl. BGH GRUR 2012, 64, 65 Rn. 10 - Maalox/Melox-GRY; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdnr. 204 m. w. N.); das ist hier die Hauptgruppe 67 "Ophthalmika" der "Roten Liste", nicht jedoch für weitere Waren, die unter den weitergehenden Oberbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" fallen. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr sind damit nur diese Waren zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

19

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung mit Nichtwissen bestritten hat, dass es sich bei den Anlagen zum Schriftsatz vom 21. Januar 2014 um die Unterlagen handele, auf die in der eidesstattlichen Versicherung Bezug genommen sei, greift dies nicht durch. Die eidesstattliche Versicherung bezieht sich ausdrücklich auf die Marke DORZOTIM und schließt in Ziffer 5. das beigefügte Verpackungs- und Informationsmaterial sowie Kopien von Rechnungen ein. Unter diesen Umständen hätte es substantiierter Erklärungen bedurft, um den Beweiswert der Glaubhaftmachungsmittel in Frage zu stellen.

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2. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Rn. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rn. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Rn. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Rn. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren (oder Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Rn. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zu besorgen.

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a) Die angegriffene Marke beansprucht Schutz für identische bis eng ähnliche Waren.

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Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 f., Rn. 22 - 29 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582 ff., Rn. 85 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941 ff., Rn. 13 - TOSCA BLU; 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 58 m. w. N.).

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Die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren "pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Ophthalmika" können hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich ophthalmologische Präparate" der jüngeren Marke identisch sein. Auch die weiteren Waren "Pflaster, Verbandmaterial" können bei Verletzungen und Erkrankungen der Augen in darauf angepasster Form verwendet werden, so dass sich insoweit enge Berührungspunkte ergeben.

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b) Die Widerspruchsmarke DORZOTIM verfügt entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Zwar kommt nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einen beschreibenden Begriff angelehnt sind, keine normale, sondern nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu (BGH GRUR 2013, 833, Rn. 34 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2013, 631, Rn. 59 - AMARULA/Marulablu; GRUR 2012, 1040, Rn. 29 - pjur/pure; GRUR 2011, 826, Rn. 16 - Enzymax/Enzymix; GRUR 2010, 729, Rn. 27 - MIXI; GRUR 2008, 905 - 909, Rn. 15 - Pantohexal; GRUR 2008, 803 Rn. 22 - HEITEC).

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Insoweit weist die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hin, dass in "DORZO" eine Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung "Dorzolamid" und in "TIM" eine Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung "Timolol" gesehen werden kann. Dies führt aber nicht zur Annahme einer originär geringen (unterdurchschnittlichen) Kennzeichnungskraft (zu den Graden der Kennzeichnungskraft vgl. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 55 - Culinaria/Villa Culinaria). Denn die Widerspruchsmarke bildet in der Zusammenfügung der Verkürzungen von zwei Wirkstoffbezeichnungen ein neues Kunstwort, das ihr normale Kennzeichnungskraft zukommen lässt.

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c) Bei dieser Ausgangslage hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein.

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Auszugehen ist von einem aufmerksamen Publikum, das sich zusammensetzt aus Fachkreisen und Endverbrauchern, denn Allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, pflegt der Verkehr eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 - MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 211). Das schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Rn. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055, Rn. 23 – airdsl; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 327, 332 m. w. N.). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Rn. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rn. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Rn. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235, Rn. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 224 m. w. N.).

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In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Kollisionsmarken durch den Bestandteil "-Ophtal" in der angegriffenen Marke, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat, in jeder Hinsicht deutlich.

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Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke Dorotim-Ophtal wird indessen allein durch den Bestandteil "Dorotim" geprägt, weil "-Ophtal" als kennzeichnungsschwacher Bestandteil in den Hintergrund rückt und den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht mitbestimmt. Dies führt zu einer hohen (überdurchschnittlichen) Zeichenähnlichkeit (zu den Graden der Zeichenähnlichkeit vgl. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 55 - Culinaria/Villa Culinaria) in klanglicher Hinsicht.

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"Ophtal" ist im Zusammenhang mit den beanspruchten "ophthalmologischen Präparaten" sowie den Waren "Pflaster und Verbandmaterial", die speziell für diesen Bereich bestimmt sein können, ein erkennbar beschreibender Hinweis auf "Ophthalmologie" (Augenheilkunde). Der angesprochene Fachverkehr erkennt diesen Sachhinweis ohne weiteres; aber auch allgemeine Verkehrskreise werden aufgrund der Kennzeichnungsgepflogenheiten im Arzneimittelsektor in "-Ophtal" einen Sachhinweis vermuten. Wie die Widersprechende beispielsweise dargelegt hat, ist "-Ophtal" Bestandteil zahlreichen Markennamen der Inhaberin der angegriffenen Marke im Bereich der "Ophthalmika". Die geringfügige orthographische Abweichung - "Ophtal" gegenüber "Ophthal" - schafft keine ungewöhnliche Sprachform, die der Erkennbarkeit des Sachhinweises entgegenstehen könnte, denn mit der korrekten Schreibweise von Fremdwörtern sind deutsche Verkehrskreise nicht zwingend sicher vertraut.

33

Entgegen den Erwägungen der Markenstelle und der Inhaberin der angegriffenen Marke stellt der weitere Zeichenbestandteil "Dorotim" der angegriffenen Marke eine normal (durchschnittlich) kennzeichnungskräftige Wortbildung dar, die den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägt. Zwar kann, wie oben schon ausgeführt, in "-tim" eine Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung "Timolol" gesehen werden; selbst wenn in "Doro-" noch ein Hinweis auf den Wirkstoff "Dorzolamid" erkannt wird, ergibt der Markenbestandteil "Dorotim" in seiner Gesamtheit ohne eingehende Analyse, die der Verkehr nicht vornimmt, in der Zusammenfügung der Verkürzung von zwei Wirkstoffbezeichnungen eine phantasievolle Wortbildung mit normaler (durchschnittlicher) Kennzeichnungskraft.

34

Von einem nicht aufspaltbaren Gesamtbegriff der angegriffenen Marke (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 369 ff.) ist ungeachtet des formal für einen Gesamtbegriff sprechenden Bindestrichs (BGH GRUR 2009, 1055, 1057, Rn. 30 - airdsl) zwischen "Dorotim" und "Ophtal" nicht auszugehen, weil die Begriffe nicht durch einen, die einzelnen Elemente verschmelzenden, übergreifenden Sinngehalt aufeinander bezogen sind, was zwingende Voraussetzung für die Annahme einer die Zeichenähnlichkeit hindernden gesamtbegrifflichen Einheit ist (vgl. BPatG 30 W (pat) 58/11 - D-Linksoft).

35

In der Gesamtschau spricht daher alles dafür, dass dem Verkehr der Bestandteil Dorotim als prägender Bestandteil und auch nicht nur als sachbezogener Hinweis auf ein bestimmtes Warenangebot nahe gebracht werden soll, dass er dementsprechend von einem nicht nur unerheblichen Teil des Verkehrs auch so aufgefasst wird und die klangliche Wiedergabe der Marke dahingehend beeinflusst.

36

Stehen sich danach klanglich zum Vergleich die Markenwörter Dorotim und DORZOTIM gegenüber, besteht unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr. Die Vergleichsmarken sind sich hochgradig ähnlich. Sie verfügen jeweils über drei Silben ("Do-ro-tim" bzw. "DOR-ZO-TIM"), über die identische Vokalfolge ("o-o-i") und eine ähnliche Konsonantenfolge ("D-r-t-m" bzw. "D-R-Z-T-M"). Bei derart weitgehenden Übereinstimmungen wirken sich der zusätzliche Konsonant "Z" in der Wortmitte der Widerspruchsmarke und die Unterschiede der Anzahl der Buchstaben der Anfangssilben im Klang nicht ausreichend differenzierend aus.

37

In der Gesamtabwägung führt dies vorliegend zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Marke wegen der nur geringfügigen Unterschiede in den prägenden Elementen der Vergleichsmarken den notwendigen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht einhält und jedenfalls in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr besteht, was ausreicht (vgl. BGH GRUR 2008, 714, 717 - Nr. 37 - idw).

38

Der angefochtene Beschluss konnte daher keinen Bestand haben.

39

3. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen wurden noch ersichtlich sind.