Entscheidungsdatum: 29.10.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 001 605
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2013 und vom 10. Februar 2014 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 4 904 876 im Hinblick auf die von der angegriffenen Marke 30 2011 001 605 umfassten Waren „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten“ zurückgewiesen worden ist. In dem genannten Umfang wird die Löschung der Marke 30 2011 001 605 angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wortmarke
ECOFILL
ist am 12. Januar 2011 angemeldet und am 1. März 2011 unter der Registernummer 30 2011 001 605 für folgende Waren in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden:
„Klasse 1:
Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand, und Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten;
Klasse 19:
Quarzsand als Baumaterial“.
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 1. April 2011 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der am 13. Februar 2006 angemeldeten und am 5. März 2007 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 4 904 876
COFILL
die für die Waren der
„Klasse 1:
Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Zusatzmittel zu Gummi- und Kunststoffmischungen zur Verbesserung der Haftung dieser Mischungen auf Textil- und Metallgewebe sowie auf Drähten“
eingetragen ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat unter Vorlage eines Internetauszuges mit einer Produktinformation über die COFILL-Produkte der Widersprechenden eine über „Haftvermittler, sprich Kleber“ hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
Die Widersprechende hat hierauf eine eidesstattliche Versicherung vom 8. Oktober 2012, in der u. a. die Umsätze der Produkte Cofill 11 / Cofill 11 GR im Zeitraum der Kalenderjahre 2006 bis 2011 dargelegt werden, nebst Anlagen vorlegt.
Mit Beschlüssen vom 13. März 2013 und vom 10. Februar 2014, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 1 den Widerspruch zurückgewiesen, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den Kollisionsmarken im betroffenen Warenbereich zu verneinen sei.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarke sei im maßgeblichen Zeitraum zur Produktkennzeichnung in Deutschland umfangreich und somit in der Gemeinschaft ernsthaft benutzt worden. Die angegriffenen Waren der Klasse 1 "Quarzsand (Gießereisand)“ und die Waren der Widerspruchsmarke seien unähnlich, da es sich einerseits um ein Rohmaterial und andererseits um ein Zwischenprodukt handele. Hinsichtlich der angegriffenen Waren "Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten" könne eine Warenähnlichkeit indes nicht vollständig ausgeschlossen werden. Denn ein „Mischerzeugnis auf der Basis von Quarzsand“ könne zugleich auch ein „Zusatzstoff zu Gummi- und Kunststoffmischungen“ sein. Wegen des speziellen Verwendungszwecks der Waren der Widerspruchsmarke („zur Verbesserung der Haftung …“) sei die Ähnlichkeit allerdings gering. Keinen höheren Grad der Warenähnlichkeit könne schließlich die Verwendung von Kieselsäure im Produkt der Widersprechenden begründen. Zwar werde „Kieselsäure“ im deutschen Sprachraum fälschlich auch als Bezeichnung für Quarz/Siliciumdioxid verwendet. Chemisch korrekt seien „Kieselsäuren“ jedoch alleine die Sauerstoffsäuren des Siliziums.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als durchschnittlich einzustufen. Denn die Endsilbe "-FILL" (engl. für "Füllung, (auf)füllen") weise zwar auf die Waren als Füllstoffe hin. Zusammen mit der Anfangssilbe "CO" komme dem Markenwort jedoch kein eindeutig beschreibender Sinngehalt zu. Anhaltspunkte für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft lägen nicht vor.
Der demnach erforderliche Abstand zwischen den Marken werde vorliegend jedoch in jeder Hinsicht eingehalten, denn die Kollisionsmarken seien nicht ähnlich. So seien die schriftbildlichen Unterschiede zwischen dem runden Anfangsbuchstaben "C" der Widerspruchsmarke und dem geraden "E" in der jüngeren Marke auffallend, wenn sie auch bei Kleinschreibung der Marken (ecofill/cofill) geringer ausfielen. Begrifflich unterschieden sich die Marken deutlich, da die angegriffene Marke erkennbar die Abkürzung "eco" (für engl. "ecological" oder auch "economical") enthalte, mit der auf ökologische/ökonomische Eigenschaften der Waren hingewiesen werden könne. Die klanglichen Unterschiede zeigten sich in Silbenzahl und Vokalfolge; zudem liege die Betonung der angegriffenen Marke auf der Anfangssilbe "E", wogegen die Widerspruchsmarke auf der Silbe "CO" betont werde. Der eindeutige Sinngehalt der angegriffenen Marke sei zudem geeignet, Verwechslungen zwischen den Marken entgegenzuwirken. Auch seien als beteiligte Verkehrskreise Fachkreise anzusehen, die üblicherweise über die Marken auf ihrem Fachgebiet gut unterrichtet seien und neuen Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegneten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Die Widersprechende hat die Beschwerde nicht begründet. Im Verfahren vor der Markenstelle hatte sie vorgetragen, es sei von Warenähnlichkeit bzw. sogar Warenidentität auszugehen. Der Produktinformation für „COFILL“ könne entnommen werden, dass es sich um eine Mischung von Resorcin mit Quarz (Kieselsäure) im Gewichtsverhältnis 1:1 handele. Weiterhin gehe aus einem Eintrag des Fachlexikons RÖMPP Online unter dem Stichwort "Quarz" hervor, dass die Bezeichnungen "Siliciumdioxid" bzw. "Kieselsäure" als Synonyme für "Quarz" verwendet würden. Ausgehend hiervon bestehe Warenähnlichkeit bzw. sogar Warenidentität, insbesondere im Verhältnis der Widerspruchswaren zu den "Mischerzeugnissen auf der Basis von Quarzsand (…)". Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände sei von Verwechslungsgefahr auszugehen, zumal die Widerspruchsmarke "COFILL" vollständig in der jüngeren Marke enthalten sei. Insofern sich beide Marken lediglich durch den Anfangsbuchstaben "E" in der angegriffenen Marke unterschieden, könne dies eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen.
Nach der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2015 erklärten teilweisen Rücknahme des Widerspruchs in Bezug auf die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klasse 19 beantragt die Widersprechende,
die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 1 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, es bestehe schon keine Warenähnlichkeit. Dies sei für das Rohmaterial „Quarzsand (Gießereisand)" und die Widerspruchswaren offensichtlich. Bei den „Mischerzeugnissen auf der Basis von Quarzsand (…)“ handele es sich ausweislich des Warenverzeichnisses lediglich um eine beispielhafte Konkretisierung des Warenoberbegriffs „Gießereisand“. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht blieben die „Quarzsandmischungen" ein Rohmaterial und seien somit unähnlich zu den weiterverarbeiteten "chemischen Erzeugnissen (…)“ der Widerspruchsmarke. Außerdem würden die Waren in sehr unterschiedlichen Phasen eines Produktionsprozesses eingesetzt; denn die Waren der angegriffenen Marke würden nie dem Endverbraucher zur Verfügung gestellt, sondern ausschließlich als Rohmaterial an weitere Firmen als "Quarzsand (Gießereisand)" abgeben und erst dort weiter verarbeitet. Dies führe dazu, dass die Vertriebskanäle sehr unterschiedlich seien und kein Durchschnittsverbraucher die Marken nebeneinander im Regal wahrnehmen werde; denn "Kleber" werde an den Endkunden über den Einzelhandel, z. B. in Baumärkten, abgegeben.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei gering. Der Zeichenbestandteil „-FlLL" sei ein für den Durchschnittsverbraucher verständlicher beschreibender Bestandteil für "Füllung“ und habe daher eine wenig ausgeprägte Bedeutung. Damit seien die dominierenden Elemente für den Zeichenvergleich "CO" und "ECO". Diese Elemente würden indes anders geschrieben und ausgesprochen ("KO" zu "E-KO"). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der Verkehr dem Wortanfang seine besondere Aufmerksamkeit widme, sei eine Zeichenähnlichkeit nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Nachdem die Beschwerdeführerin den Widerspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Hinblick auf die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klasse 19 zurückgenommen hat, sind Gegenstand des Verfahrens lediglich noch die von der angegriffenen Marke 30 2011 001 605 beanspruchten Waren der Klasse 1.
Insoweit besteht für die angegriffenen Waren „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten“ zwischen den Vergleichsmarken die Gefahr von Verwechslungen (§ 125 b Nr. 1 i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG), so dass die Löschung der jüngeren Marke in diesem Umfang anzuordnen war.
Im Übrigen, hinsichtlich der weiteren angegriffenen Waren („Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand“), ist jedoch schon mangels Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen und daher die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2013, 923, Nr. 34 - Specsavers-Gruppe/Asda; GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - BARBARA BECKER; BGH GRUR 2015, 176, Nr. 9 - ZOOM/ZOOM; GRUR 2014, 488, Nr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2015, 176, Nr. 9 - ZOOM/ZOOM; GRUR 2014, 488, Nr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2014, 382, Nr. 14 - REAL-Chips).
Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken im tenorierten Umfang die Gefahr von Verwechslungen zu besorgen.
2. Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß §§ 43 Abs. 1, 26 Abs. 1 MarkenG die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme von „Haftvermittlern“ bestritten hat und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung ihrer Marke auch nicht geltend gemacht hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren auszugehen.
Die Markeninhaberin hat zwar die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, diese Nichtbenutzungseinrede bezog sich jedoch von vornherein und ohne Vorbehalt nicht auf "Haftvermittler“. Insoweit hat die Markeninhaberin vielmehr selbst eine Produktbeschreibung der COFILL-Produkte der Widersprechenden vorgelegt (Bl. 70 VA) und vorgetragen, die Widerspruchsmarke werde ausschließlich im Sinne dieser Produktbeschreibung für „Haftvermittler sprich Kleber“ genutzt. Soweit die Nichtbenutzungseinrede somit eingeschränkt erhoben worden ist, ist anzumerken, dass die Widersprechende eine über den Inhalt der Produktbeschreibung hinausgehende Benutzung weder behauptet, noch diesbezügliche Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt hat. Somit ist von diesen Waren auszugehen, wobei es dahinstehen kann, ob der für die Widerspruchsmarke im Register eingetragene Warenbegriff „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Zusatzmittel (…) zur Verbesserung der Haftung“ über „Haftvermittler“ hinausgeht. Für den Begriff des „Haftvermittlers“ ist die von der Markeninhaberin im Amtsverfahren als Anlage A 1 zum Schriftsatz vom 9. März 2012 vorgelegte Produktbeschreibung (Bl. 70-71 VA) maßgebend, welche sich nicht auf „Kleber“ im engeren (herkömmlichen) Sinne beschränkt.
3. Auf Seiten der angegriffenen Marke nehmen an dem Warenvergleich zwei Warenoberbegriffe teil, nämlich einerseits „Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand“ und andererseits „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten“.
Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke, der die Markenstelle in ihrem Erstbeschluss noch gefolgt ist, handelt es sich bei den „Mischerzeugnissen (…)“ nicht um eine beispielhafte Konkretisierung des ersten Warenoberbegriffs „Quarzsand (Gießereisand)“, sondern vielmehr um einen eigenständigen Warenoberbegriff. Die gegenteilige Argumentation der Markeninhaberin übersieht, dass der auf „Quarzsand (Gießereisand)“ bezogene und mit „insbesondere“ eingeleitete Zusatz durch ein Komma abgeschlossen ist, so dass die danach erwähnten „Mischerzeugnisse (…)“ nicht mehr zu der beispielhaften Konkretisierung gehören.
4. Ausgehend hiervon liegen die Widerspruchswaren und die angegriffenen Waren der Klasse 1 „Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand,“ außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs, während sich die Widerspruchswaren und die weiterhin angegriffenen Waren „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten“ als identisch einzustufen sind.
a) Eine Ähnlichkeit von Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 f., Nr. 22 - 29 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582, Nr. 85 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941, Nr. 13 - TOSCA BLU; GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rdn. 59 m. w. N.).
b) In Anwendung der dargelegten Grundsätze liegen die angegriffenen Waren „Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand“ außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs zu den Waren der Widerspruchsmarke.
Die Markenstelle hat hierzu mit Recht ausgeführt, dass sich „Quarzsand (Gießereisand), insbesondere gemahlener Quarzsand“, der insbesondere als Formstoff sowie zur Kernherstellung in Aluminium-, Eisen- und Stahlgießereien zum Einsatz kommt, deutlich von „Haftvermittlern“ im Sinne der Widerspruchswaren unterscheidet. Nach allgemeinen Grundsätzen sind Rohstoffe, Halb- und Fertigfabrikate in der Regel nicht ähnlich, da sie meist in verschiedenen Betrieben hergestellt bzw. vertrieben werden und sich auch nicht an die gleichen Abnehmer wenden (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 108). So liegt der Fall auch hier, da „Gießereisand“ als Rohmaterial und Haftvermittler“ auf unterschiedlichen Fertigungsstufen stehen. Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle Bezug genommen werden, denen die Beschwerde auch nicht mehr entgegengetreten ist.
Wegen des damit festzustellenden Warenabstands ist die Annahme einer Verwechslungsgefahr von vornherein ausgeschlossen ist, so dass die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war. Denn nach der ständigen Rechtsprechung kann eine absolute Warenunähnlichkeit selbst bei (unterstellter) Identität der Zeichen nicht, selbst nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, ausgeglichen werden (st. Rspr.; vgl. EuGH, GRUR Int. 2009, 911 Rdnr. 34 - WATERFORD STELLENBOSCH, BGH, GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1145 Rdnr. 34 - Pelikan; GRUR 2009, 484, Rdnr. 25 - METROBUS).
c) Soweit die angegriffene Marke „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand, soweit in Klasse 1 enthalten“ beansprucht, können sich die Vergleichsmarken hingegen auf identischen Waren begegnen.
aa) Unter den weit gefassten Warenoberbegriff der „Mischerzeugnisse (…)“ fallen sämtliche Erzeugnisse, die zu einem beliebigen Anteil „Quarzsand“ sowie zumindest einen weiteren Zusatzstoff enthalten.
Entgegen der Argumentation der Markeninhaberin ist der Warenoberbegriff somit nicht auf Quarzsand als „Rohstoff“ beschränkt, sondern umfasst vielmehr auch (ggf. chemisch) weiterverarbeitete Quarzsandmischungen auf unterschiedlichen Fertigungsstufen. Der Zusatz "soweit in Klasse 1 enthalten" verweist gerade auf chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche und landwirtschaftliche Zwecke, einschließlich solcher, die zur Herstellung von Erzeugnissen dienen, die in andere Klassen fallen. Eine Einschränkung auf - wie von der Markeninhaberin vorgetragen - „unbearbeiteten Quarzsand in Rein- oder Mischform“ enthält der Warenoberbegriff demgegenüber nicht, wobei auch in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinzuweisen ist, dass nach der Formulierung des Warenverzeichnisses die „Mischerzeugnisse (…)“ gerade keine Unterkategorie von „Quarzsand (Gießereisand)“ darstellen.
Insoweit die Markeninhaberin schließlich vorträgt, die Waren der angegriffenen Marke würden ausschließlich als „Rohmaterial Quarzsand in Rein- und Mischform“ an weitere Firmen abgegeben und erst dort weiterverarbeitet, kann dies dahinstehen. Die Argumentation übersieht, dass es alleine auf die im Register enthaltenen Warenoberbegriffe ankommt; der beabsichtigte oder erfolgte tatsächliche Einsatz der Marke ist dagegen unerheblich (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 71).
bb) Ausgehend von dem nach alledem weit gefassten Warenoberbegriff „Mischerzeugnisse…“ belegen die Ergebnisse einer Internetrecherche des Senats, die den Beteiligten als Anlagen zur Terminsladung zur Verfügung gestellt worden sind, dass „Haftvermittler“ im Sinne der Widerspruchswaren zugleich „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand (…)“ sein können. Hierzu hat die Recherche des Senats eine Reihe von Verwendungsbeispielen für Quarzsand-Kunststoffmischungen zur Verbesserung der Haftung dieser Mischungen, auch auf Textil- und Metallgeweben, ergeben (vgl. etwa: „K-Tech Rutschfest-Beschichtungen“, wobei eine „hochverschleißfeste Quarzsand-Kunststoffmischung“ in eine Nut im Trägermaterial eingebracht wird, „die eine innige Verbindung mit dem Untergrund eingeht“ (Bl. 16 d. A); „von Strate Druck entwickeltes Verfahren vereint den Lack mit Quarzsand, sehr gute Haftung auf dem Bedruckstoff“ (Bl. 20 d. A.); HADAPLAN® TS 12E, transparente Kunststoffmasse auf Epoxidharz-Basis, in Verbindung mit heißluftgetrocknetem Quarzsand als „Kunststoffmörtel“ nutzbar, u. a. auch auf Stahl; „durch Zusatz von heißluftgetrocknetem Quarzsand können Reparatur-, Ausgleichs-, Verguss- und Klebemassen mit hervorragender Chemikalien- und Abriebfestigkeit hergestellt werden“ (Bl. 22 d.A.)).
Somit lassen sich unter den weit gefassten Warenoberbegriff der angegriffenen Marke auch „Haftvermittler“ im Sinne der Widerspruchswaren subsumieren, insofern letztere zu einem beliebigen Anteil Quarzsand enthalten und daher auch „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand (…)“ sein können. Daher ist von Warenidentität auszugehen.
cc) Lediglich ergänzend und zur Klarstellung - und im Hinblick auf die diesbezüglichen Erwägungen im Erinnerungsbeschluss - ist anzumerken, dass auch die COFILL-Produkte der Widersprechenden selbst vom angesprochenen Fachverkehr sowohl als „Haftvermittler“ im Sinne der Widerspruchsmarke als auch als „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand (…)“ wahrgenommen werden können und daher ihrerseits die Warenidentität belegen.
Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit kommt es nach den bereits dargelegten Grundsätzen darauf an, ob die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbunden Unternehmen. Zwar hat die Markenstelle zutreffend ausgeführt, dass sich „Quarzsand“ und „Kieselsäure“, wie sie ausweislich der Produktbeschreibung (Bl. 70 VA) in den Produkten der Widerspruchsmarke enthalten ist, chemisch in der jeweiligen Summenformel unterscheiden. Gleichwohl hat die Widersprechende belegt, dass selbst Fachartikel zur chemischen Beschaffenheit von „Quarz“ daraufhin hinweisen, dass "Kieselsäure" als Synonym für Siliziumdioxid und damit für Quarz(sand) verwendet wird (vgl. Römpp Lexikon Chemie Online, Version 3.19, Stichwort „Quarz“ = Bl. 52 ff. VA). Ausgehend hiervon muss davon ausgegangen werden, dass in den beteiligten Verkehrskreisen, auch in Fachkreisen, eine Gleichsetzung von „Kieselsäure“ und „Quarzsand“ („Siliziumdioxid“) stattfinden kann. In diesem Sinne trägt auch die Widersprechende unwidersprochen vor, bei ihren Produkten handele es sich um „feinvermahlenen Quarzsand („Kieselsäure“) mit Resorcin im Gewichtsverhältnis 1:1“. Legt man dies zugrunde, können die COFILL-Produkte der Widersprechenden, die sich ausweislich der Produktbeschreibung gut in Gummimischungen dispergieren lassen und diesen beigegeben werden, um hohe statische und dynamische Haftwerte an Textilien oder Stahlcord zu erzielen, sowohl als „Mischerzeugnisse auf der Basis von Quarzsand“, als auch als „Haftvermittler“ im Sinne der Widerspruchswaren wahrgenommen werden, so dass auch insoweit Warenidentität belegt ist.
5. Die Widerspruchsmarke „COFILL“ verfügt, wie auch die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, im maßgeblichen Warenbereich von Haus aus über eine normale (durchschnittliche) Kennzeichnungskraft (zu den Graden der Kennzeichnungskraft vgl. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 55 – Culinaria/Villa Culinaria).
Anhaltspunkte für eine originäre Kennzeichnungsschwäche bestehen nicht.
Zwar weist das Markenwort mit dem Zeichenbestandteil „-FILL“ in Bezug auf die beanspruchten Waren beschreibende Anklänge auf, da das Wort als englische Entsprechung von „Füllen, Auffüllen, Auffüllmaterial“ wahrgenommen werden kann. Durch die Verbindung mit der Anfangssilbe „CO-“ kann die Widerspruchsmarke in ihrer für die Beurteilung der Schutzfähigkeit maßgeblichen Gesamtheit indes nicht als kennzeichnungsschwach angesehen werden. Bei dem zusammengesetzten Wort „COFILL“ handelt es sich um ein Kunstwort ohne beschreibenden Charakter im Hinblick auf die beanspruchten Waren.
Andererseits ist auch keine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde zu legen. Die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen (die Eidesstattliche Versicherung vom 8. Oktober 2012 nebst Anlagen) beschränken sich im Wesentlichen auf die Angabe von Umsätzen und die exemplarische Vorlage von Rechnungskopien und lassen keine ausreichenden Rückschlüsse auf die Bekanntheit der Widerspruchsmarke zu.
Die Widerspruchsmarke weist nach alledem von Hause aus eine normale Kennzeichnungskraft auf.
6. Die sich gegenüberstehenden Kollisionszeichen COFILL und ECOFILL sind sich ferner in schriftbildlicher wie auch in klanglicher Hinsicht normal (durchschnittlich) ähnlich.
a) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2014, 382, Nr. 14 - REAL-Chips; GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang,
(Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 - BMW-Emblem; GRUR 2010, 235 Nr. 15 - AIDA/AIDU). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Wahrnehmungsrichtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 - BMW-Emblem; GRUR 2014, 382, Nr. 25 - REAL-Chips; GRUR 2010, 235, Nr. 18 - AIDA/AIDU).
b) Im vorliegenden Fall sind die zu vergleichenden Zeichen die ältere Gemeinschaftsmarke COFILL auf der einen und die angegriffene Marke ECOFILL auf der anderen Seite. Die Widerspruchsmarke, die kein Kurzwort mehr darstellt, ist vollständig in dem jüngeren Wortzeichen enthalten, so dass die Kollisionsmarken in sechs von sieben Buchstaben identisch sind.
c) Bei derart weitgehenden Übereinstimmungen wirkt sich der einzige Unterschied durch den zusätzlichen Anfangsbuchstaben „E“ in der angegriffenen Marke optisch nicht ausreichend differenzierend aus, dies sowohl in den registrierten Markenformen (jeweils Versalien) als auch - erst recht - bei Kleinschreibung (ecofill/cofill), so dass schriftbildlich eine jedenfalls normale (durchschnittliche) Zeichenähnlichkeit festzustellen ist.
d) Ferner sind die Marken auch klanglich jedenfalls durchschnittlich ähnlich.
Zwar werden, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend hinweist, Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet als die übrigen Markenteile. Doch gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann eine alleinige Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr häufig nicht ausschließen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 267). So liegt der Fall auch hier. Wenngleich die jüngere Marke „ECOFILL“ dreisilbig ist und die Betonung auch auf der ersten Silbe liegt, besteht gleichwohl klangliche Identität in den Silben „CO“ und „FILL“. Angesichts der identischen Übernahme dieser beiden Silben ist der vorangestellte Vokal „E“, auch wenn er sich am Wortanfang befindet, alleine nicht geeignet, den Gesamteindruck einer jedenfalls durchschnittlichen klanglichen Ähnlichkeit zu beseitigen, zumal er auch gegenüber der nachfolgenden Lautfolge „CO“ nicht besonders klangstark hervortritt.
7. Ausgehend davon kann in der Gesamtabwägung angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen sowie der festgestellten Warenidentität eine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass sich die hier relevanten Waren der Klasse 1, die für gewerbliche Zwecke bestimmt sind, überwiegend an Fachkreise richten. Auch wenn man davon ausgeht, dass diese Fachkreise den im Identitätsbereich befindlichen Waren mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen, verkleinert sich der für die Vermeidung der Verwechslungsgefahr erforderliche Zeichenabstand nur geringfügig und wird vorliegend, in der Gesamtabwägung der genannten Faktoren, nicht eingehalten.
Der Annahme einer Verwechslungsgefahr steht schließlich auch nicht entgegen, dass die jüngere Marke sich aufgrund ihres vermeintlichen Sinngehaltes von der Widerspruchsmarke entferne. Zwar können Übereinstimmungen im Wort- und Klangbild durch Unterschiede im Sinngehalt so reduziert werden, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Sinngehalt vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und sein Verständnis keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 289, 291 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vielmehr stehen sich Kunstwörter gegenüber, die so weder in der Umgangs- noch in der Fachsprache vorkommen.
Nach alledem war der Beschwerde im tenorierten Umfang stattzugeben.
8. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.