Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.02.2014


BPatG 06.02.2014 - 30 W (pat) 14/12

Markenbeschwerdeverfahren – "David und Venus (Wort-Bild-Marke)" - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
06.02.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 14/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 10 966.6

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 6. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 44, vom 24. November 2008 und vom 11. Januar 2012 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das in schwarz/weiß gestaltete Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 15. Februar 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 16, 41 und 44 angemeldet worden. Nach einer Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren beansprucht der Anmelder noch Schutz für die Waren und Dienstleistungen der

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"Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; ätherische Öle; Kosmetika; Parfümeriewaren;

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Klasse 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Arzneimittel; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;

5

Klasse 41: Erziehung;

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Klasse 44: medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; plastische und Schönheitschirurgie; Dienstleistungen von Ärzten und Kliniken".

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 24. November 2008 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen und offengelassen, ob darüber hinaus auch ein Freihaltebedürfnis anzunehmen sei. Zur Begründung hat sie - soweit nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch relevant - ausgeführt, die originalgetreuen Wiedergaben der Gesichter der weltberühmten Statue "David" von Michelangelo und des weltbekannten Gemäldes "Geburt der Venus" von Sandro Botticelli würden auf einer Vielzahl von Warengebieten, jedenfalls im Bereich der Produkte und Dienstleistungen der Gesundheits- und Schönheitspflege, in verschiedener Art intensiv verwendet werden. Die beiden Kunstwerke drückten die menschliche Vorstellung von Anmut, Schönheit und Ästhetik aus und würden vom Verkehr mit derartigen Empfindungen verknüpft werden. Der Verkehr fasse diese nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen auf, sondern nur als blickfangartige Hervorhebungsmittel. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten bringe das Anmeldezeichen lediglich werbemäßig zum Ausdruck, dass es sich um kosmetische und pharmazeutische Artikel sowie um medizinische Dienstleitungen im Bereich der plastischen Chirurgie handele, die der Herstellung oder dem Erhalt eines ästhetischen, anmutigen und gesunden Körpers dienten.

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Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat dieselbe Markenstelle durch Beschluss vom 11. Januar 2012 zurückgewiesen und zur Begründung ergänzend ausgeführt, die Abbildungen beider Kunstwerke würden sehr häufig als Ganzes oder in Ausschnitten als bloßes Werbemotiv eingesetzt werden, besonders in Verbindung mit den hier betroffenen Waren- und Dienstleistungsangeboten der Körper- und Schönheitspflege, Gesundheit, (ästhetischen) Medizin und Schönheitschirurgie. Dies sei auch nahe liegend, da sowohl die Darstellung des "David" als auch der "Venus" seit jeher als Ikone und Ideal für die klassische männliche bzw. weibliche Schönheit gelten würden. Durch die Verbindung der Abbildung des "David"-Kopfes mit der Abbildung des "Venus"-Kopfes entstehe kein über die bloße Zusammenfügung hinausgehender Eindruck. Die Verbindung gerade dieser beiden Kunstwerke sei naheliegend. Auch die Blickrichtung der einander zugewandten Gesichter sei nicht ungewöhnlich, da damit lediglich die Kunstwerke unverändert wiedergegeben werden würden. Dem Anmeldezeichen sei die Unterscheidungskraft nicht nur aufgrund der häufigen Verwendung als bloßes Werbemotiv abzusprechen, sondern auch deshalb, weil es einen sachlichen Bezug zu den beanspruchten Produkten der Körper- und Schönheitspflege, Medizin und der Schönheitschirurgie herstelle.

9

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, von Bedeutung sei hier, dass die beiden Bildelemente in eine ganz besondere, einen Blickkontakt aufnehmende, Position gerückt seien. Die Möglichkeiten der Interpretation dieser "stummen Kommunikation" seien mannigfaltig. Ein erster Prozess des Nachdenkens setze bereits bei den Einzelkomponenten der Bildelemente an, da insbesondere bei dem linken Kopf nicht selbstverständlich der "David" Michelangelos erkannt werde und dieser im Übrigen auch nicht Sinnbild körperlicher Perfektion sei. Gleiches gelte für die weibliche Kopfdarstellung. Auch insoweit müsse zunächst analytisch überlegt werden, um welchen Ausschnitt, um welches Wesen es sich hierbei handeln könnte. Die Ausführungen der angefochtenen Beschlüsse bezögen ihre Angaben zu einer beschreibenden Bedeutung aus den hier nicht relevanten Gesamtfiguren des "David" und der "Venus". Entscheidend sei hier aber die Verknüpfung zweier Köpfe zu einer Gesamtkomposition, die hier nicht reine Schönheit, sondern eine Verbindung von Freiheit und Schönheit verkörpere.

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Er beantragt sinngemäß,

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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren beschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG insoweit nicht bestehen.

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1. Dem Anmeldezeichen kann insoweit zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren (oder Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR Int. 2012, 914, 916, Rn. 23 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH; GRUR 2012, 610 Rn. 42 - Freixenet; GRUR 2010, 228, 229, Rn. 33 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2013, 731, 732, Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045 Rn. 9 - Neuschwanstein). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Rn. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rn. 8 - Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken bzw. die Wortelemente von Wort- /Bildmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Entsprechendes gilt für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Bildmarken (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 8 Rn. 208 ff.). Soweit die Elemente eines Bildzeichens nur die typischen Merkmale der beanspruchten Produkte darstellen oder sich in einfachen dekorativen Gestaltungsmitteln erschöpfen, an die sich der Verkehr etwa durch häufige Verwendung gewöhnt hat, wird einem Zeichen im Allgemeinen wegen seines bloß beschreibenden Inhalts die konkrete Eignung fehlen, die mit ihm gekennzeichneten Produkte von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hier ist auch die wachsende Übung zu berücksichtigen, sachliche Informationen und Hinweise bildhaft, auch durch sog. "Piktogramme", zu vermitteln. Einfachen, in ihrer beschreibenden Aussage unzweideutig erkennbaren, versinnbildlichten Darstellungen fehlt in der Regel die Unterscheidungskraft (BPatG 30 W (pat) 47/10 - Äskulapstab mit Waage). Weist das in Rede stehende Zeichen darüber hinausgehende charakteristische Merkmale auf, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht, kann die Unterscheidungskraft jedoch nicht verneint werden (BGH GRUR 2011, 158, Rn. 8 - Hefteinband; GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; GRUR 2004, 683 - Farbige Arzneimittelkapsel; GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche; GRUR 2001, 239 f. - Zahnpastastrang).

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b) Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle dem Anmeldezeichen die Unterscheidungskraft hinsichtlich der noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu Unrecht abgesprochen.

20

Das Anmeldezeichen ist eine Kombination der Abbildungen von Teilen zweier Werke der Renaissance-Kunst:

Abbildung

21

Die linke Hälfte des Zeichens ist die fotografische Abbildung eines Teils der Monumentalstatue "David" des italienischen Malers, Bildhauers, Architekten und Dichters Michelangelo (1475 - 1564), die sich im Original in der Galleria dell’Accademia in Florenz (Italien) befindet:

Abbildung

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Die rechte Hälfte des Zeichens enthält einen Bildausschnitt aus dem Gemälde des italienischen Malers und Zeichners Sandro Botticelli (1445 - 1510) "La nascita di Venere" ("Die Geburt der Venus"), das die Göttin "Venus" darstellt und dessen Original sich in den Uffizien in Florenz befindet:

Abbildung

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Zutreffend ist die Markenstelle zunächst davon ausgegangen, dass beide Kunstwerke vielfach in der Werbung verwendet werden, um "Schönheit" oder "Gesundheit" zu symbolisieren und auch in Kunstkreisen als Symbole für menschliche Schönheit gelten.

24

Ob der Durchschnittsverbraucher und auch der angesprochene Fachverkehr in der Lage sind, beide Darstellungen (kunst-) geschichtlich zutreffend einzuordnen (zweifelnd hinsichtlich einer Abbildung der "Nofretete": KG GRUR-RR 2002, 325 - Nofretete in Abgrenzung zu BPatG GRUR 1998, 1021 - Mona Lisa) und wissen, dass beide Figuren/Gesichter in der Kunst als Symbol für Schönheit gelten (vgl. die Untersuchung "P. Deuflhard: "Was ist ein schönes Gesicht? Auf der Suche nach Kriterien!", in der sowohl Botticellis "Venus" als auch Michelangelos "David" als "schöne Gesichter der Kunst" vorgestellt werden, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi), Jahrgang 38, Heft 152, S. 42 - 71 [2008]), kann dahinstehen. Zutreffend hat die Markenstelle insoweit jedenfalls festgestellt, dass beide Figuren den angesprochenen Verkehrskreisen - allerdings jede für sich - aus der Verwendung in der Werbung und in den Medien zur Illustration von "Schönheit" und "Gesundheit" bekannt sind. Ob aus dieser Feststellung allerdings ohne analysierende Zwischenschritte der Schluss gezogen werden kann, die Darstellungen seien - jeweils für sich - geeignet, die in den Klassen 3 und 5 beanspruchten Waren der Körper- und Schönheitspflege und Medizinprodukte zu beschreiben oder auf das Objekt bzw. das Ziel der in Klasse 44 beanspruchten "medizinischen Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; plastische und Schönheitschirurgie; Dienstleistungen von Ärzten und Kliniken" hinzuweisen, ist zumindest fraglich. Im Raum steht insoweit jedenfalls die Annahme, dass den Einzelelementen als lediglich dekorative Gestaltung bzw. Hervorhebungsmittel die Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 210).

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Auch diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Klärung. Denn ein beschreibendes oder sonst die Unterscheidungskraft ausschließendes Verständnis der Einzelelemente wäre hier durch die in ihrer Gesamtheit ungewöhnliche grafische Ausgestaltung so weit überlagert, dass dem Zeichen jedenfalls ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann.

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Vorliegend ist die in dem Anmeldezeichen gewählte konkrete Komposition, zu der neben der Auswahl des Bildausschnitts und der Aufnahmeperspektive auch die Anordnung der Gesichter zueinander gehört, nämlich geeignet, dem Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft zu verleihen.

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Dass beide Figuren, zumal in der gewählten Art und Weise, bereits kombiniert verwendet werden, hat der Senat nicht feststellen können. Die Art und Weise, wie "David" in die Richtung der "Venus" und zu ihr hinauf schaut, ist jedenfalls nicht ohne Prägnanz und schafft einen unverwechselbaren, charakteristischen Gesamteindruck, der geeignet ist, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen.

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Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente ankommt, werden die angesprochenen Verkehrskreise die mit dem angemeldeten Bildzeichen versehenen oder beworbenen Produkte als Herkunftszeichen wahrnehmen.

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2. Wegen dieser besonderen Komposition steht dem Anmeldezeichen auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.