Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.10.2014


BPatG 09.10.2014 - 30 W (pat) 13/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Dorovit/Korovit" – zur Erhebung der Einrede mangelnder Benutzung – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität bzw. -ähnlichkeit - klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
09.10.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 13/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 056 637

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.    

2

Die am 14. Oktober 2011 angemeldete Wortmarke Dorovit ist am 2. November 2011 unter der Nummer 30 2011 056 637 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 5 und 35 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden; die Veröffentlichung erfolgte am 2. Dezember 2011. Das Warenverzeichnis in der Klasse 5 lautet nach Teilverzicht und Teillöschung

3

„Vitamin C und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“.

4

Gegen die Eintragung ist am 28. Februar 2012 von der Inhaberin der am 16. Juli 2002 angemeldeten und am 6. Februar 2003 eingetragenen Wortmarke 302 34 516 Korovit Widerspruch erhoben worden.

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Das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke lautet:

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„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandstoffe, Desinfektionsmittel“.

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Der zunächst unbeschränkt erhobene Widerspruch ist im Verlauf des Verfahrens nur hinsichtlich der oben genannten Waren der Klasse 5 aufrechterhalten worden.

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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, einer davon im Erinnerungsverfahren ergangen, eine Verwechslungsgefahr bejaht und für die oben genannten Waren die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Begründend ist ausgeführt: Im Umfang der Teillöschung bestehe angesichts ähnlicher Waren und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zumindest die Gefahr klanglicher Verwechslungen. Bei Übereinstimmung in Silbenzahl und Vokalfolge werde durch die einzige Abweichung im Anfangsbuchstaben „D“ anstelle „K“ der erforderliche deutliche Abstand zur Widerspruchsmarke nicht eingehalten.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben. Sie ist zunächst der Auffassung, dass angesichts der Abweichung am stärker beachteten Wortanfang Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Weiter meint sie, dass der Widerspruchsmarke, die sich aus „koronar“ und „vital“ ableite und sich damit an beschreibende Begriffe anlehne, nur eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft zukomme. Es sei nicht erkennbar, dass das Publikum glauben könnte, dass die Waren aus demselben Unternehmen stammen könnten. Die Verpackungen und die Produkte seien völlig unterschiedlich gestaltet. Im Hinblick auf die Nichtnutzung der Widerspruchsmarke als Nahrungsergänzungsmittel handele es sich wegen unterschiedlicher Wirkstoffe um zwei völlig verschiedene Waren mit ganz unterschiedlichen Anwendungsgebieten und Zielgruppen. Die Kapseln würden zudem unterschiedlich eingenommen. Im Erinnerungsverfahren hat sie darauf verwiesen, dass die Nutzungseinrede bereits angeführt worden sei mit den Anmerkungen, dass eine Warenähnlichkeit auszuschließen sei; es werde der Einwand der Nichtbenutzung der Marke „Korovit“ als Nahrungsergänzungsmittel erhoben. „Korovit“ sei ein Medikament gegen Kreislaufbeschwerden, das lediglich auf Rezept erhältlich sei. Zudem habe sie im Vorfeld versucht, sich mit der Widersprechenden gütlich zu einigen. Mit der Reduzierung in der Klasse 5 auf „Vitamin C und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“, wie von der Widersprechenden gewünscht, habe der Streit im Grunde beigelegt werden sollen. Aus diesem Grund verbiete sich das Begehren der Widersprechenden.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sie beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben, soweit darin die teilweise Löschung der Marke 30 2011 056 637 angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 302 34 516 zurückzuweisen.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie hält Verwechslungsgefahr für gegeben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum im Umfang der Teillöschung die Gefahr von Verwechslungen (§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

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1. Die Beschwerde ist nicht schon deshalb begründet, weil, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke hinaus will, der Widerspruch als unzulässig anzusehen ist. Der vorgetragene Einigungsversuch, demnach mit der Einschränkung ihres Warenverzeichnisses in der Klasse 5 der Streit habe beigelegt sein sollen, ist nicht geeignet, die Unzulässigkeit des Widerspruchs zu begründen. Ein entsprechender rechtskräftiger Vergleich, der im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen wäre, ist nicht vorgelegt worden (vgl. BGH Mitt. 2003, 70 f. – TACO BELL, in Bestätigung von BPatG 28 W (pat) 255/97, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts). Eine Abrede wie hier vorgetragen kann nur im Wege einer Eintragungsbewilligungsklage (§ 44 MarkenG) geltend gemacht werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 42 Rdn. 61).

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2. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Nr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zu besorgen.

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a) Die Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG ist nicht erhoben worden. Der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen des Benutzungszwangs zu bestreiten, muss eindeutig erklärt werden. Dazu zählen nicht allgemeine Ausführungen zur Benutzung der Widerspruchsmarke in ersichtlich anderem Zusammenhang. Der Erklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke, dass die Widerspruchsmarke nicht für Nahrungsergänzungsmittel benutzt werde, mangelt es schon deshalb an der erforderlichen Eindeutigkeit, weil die Widerspruchsmarke für diese Waren nicht registriert ist und sie deshalb für diese Waren auch keinem Benutzungszwang unterliegt. Darüber hinaus stehen diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem nach Ansicht der Markeninhaberin bestehenden Unterschied zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und - wegen Vertrieb eines Medikaments gegen Herz-Kreislaufbeschwerden - Arzneimitteln, und sind demzufolge im Zusammenhang mit Fragen zur Warenähnlichkeit bzw. zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erfolgt. Diese Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke können damit nicht als Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung bewertet werden.

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b) Die angegriffene Marke beansprucht - soweit für das Verfahren relevant - Schutz für potentiell identische, jedenfalls aber hochgradig ähnliche Waren.

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Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit , ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft , ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart , ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung , ihrer wirtschaftlichen Bedeutung , ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten a us denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen , sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 f., Nr. 22 - 29 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582 ff., Nr. 85 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941 ff., Nr. 13 - TOSCA BLU; 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rdn. 57 m. w. N. ).

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Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich nach diesen Grundsätzen in der Klasse 5 potentiell identische Waren gegenüberstehen. Bei den in der Klasse 5 für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „Vitamin C und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“ geht es im Hinblick auf die Eintragung in der Klasse 5 um Produkte der Gesundheitspflege für medizinische Zwecke, wie sie etwa bei auf Mangelernährung beruhenden krankhaften Zuständen zum Einsatz kommen können; Schwerpunkt ist damit die Heilung oder Linderung krankhafter Zustände; im Register eingetragen sind daher nicht, wie die Markeninhaberin anscheinend meint, den Klassen 29 und 30 zuzuordnende Nahrungsmittel. Zinkmangel zeigt sich in vielen Krankheitsbildern, und Vitamin C - Mangel kann sich im gesamten Körper negativ auswirken. Die auf Seiten der Widerspruchsmarke genannten Waren „Pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege“ können nach ihren Oberbegriffen die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke genannten Waren umfassen. Die Waren können insbesondere in der äußeren Erscheinung - etwa in Form von Kapseln oder Tabletten -, dem Verwendungszweck nach - wie die oben erwähnten auf Mangelernährung beruhenden krankhaften Zustände - sowie bei den verwendeten Inhaltsstoffen erhebliche Übereinstimmungen aufweisen; insbesondere sind auch bei pharmazeutischen Erzeugnissen wie den von der Inhaberin der angegriffenen Marke hervorgehobenen Herz-Kreislauf-Präparaten im Anwendungsbereich Überschneidungen mit Nahrungsergänzungsmitteln der Klasse 5 möglich, da nährstoffarme Ernährung mit zu den Ursachen solcher Erkrankungen zählt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Auflage, S. 201). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Waren „diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke“, so dass auch hier Überschneidungen im Verwendungszweck möglich sind.

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Unter Heranziehung der oben genannten Kriterien für die Warenähnlichkeit ist damit von potentieller Identität, zumindest aber von hochgradiger Warenähnlichkeit auszugehen.

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c) Die Widerspruchsmarke Korovit verfügt entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke von Haus aus über eine normale (durchschnittliche) Kennzeichnungskraft (zu den Graden der Kennzeichnungskraft vgl. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 55 - Culinaria/Villa Culinaria). Zwar kommt nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einen beschreibenden Begriff angelehnt sind, keine normale, sondern nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu (BGH GRUR 2013, 833, Nr. 34 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2013, 631, Nr. 59 - AMARULA/Marulablu; GRUR 2012, 1040, Nr. 29 - pjur/pure; GRUR 2011, 826, Nr. 16 - Enzymax/Enzymix; GRUR 2010, 729, Nr. 27 - MIXI; GRUR 2008, 905 - 909, Nr. 15 - Pantohexal; GRUR 2008, 803 Nr. 22 - HEITEC). Insoweit weist die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hin, dass in „Koro“ eine Verkürzung des Begriffs „koronar“ und damit ein Hinweis auf den Anwendungsbereich „Herzkranzgefäße“ und in „vit“ eine Verkürzung von „Vitamin“ als Inhaltsstoff bzw. von „vital“ als Hinweis auf die Lebenskraft stärkende Wirkung gesehen werden kann. Dies führt aber nicht zur Annahme einer originär geringen (unterdurchschnittlichen) Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft zusammengesetzter Zeichen bestimmt sich nach deren Gesamteindruck. Die Widerspruchsmarke bildet im Gesamteindruck auch in der Zusammenfügung von zwei Verkürzungen von beschreibenden Begriffen ein neues Kunstwort, was ihr normale Kennzeichnungskraft zukommen lässt.

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d) Bei dieser Ausgangslage hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein.

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Auszugehen ist von einem aufmerksamen Publikum, das sich zusammensetzt aus Fachkreisen und Endverbrauchern, denn Allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, pflegt der Verkehr eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal). Soweit bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf Fachkreise abzustellen ist, ist zu bedenken, dass auch Fachleute nicht dagegen gefeit sind, insbesondere klanglich ähnliche Marken zu verwechseln. Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke spielt eine Rezeptpflicht auf Seiten der Widerspruchsmarke, die die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich einschränken würde, keine Rolle; weder ist diese im Warenverzeichnis verankert, noch ergibt sie sich nach der hier maßgeblichen Registerlage aus der Art der Waren, so dass auch nicht auf eine faktische Rezeptpflicht geschlossen werden könnte.

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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Nr. 23 - MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 211).

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Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235, Nr. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 224 m. w. N.).

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Stehen sich die Wörter Dorovit und Korovit gegenüber, besteht unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr. Die Vergleichsmarken stimmen in sechs von sieben Buchstaben bei gleicher Silbenzahl, Silbengliederung und Betonung überein. Bei derart weitgehenden Übereinstimmungen wirkt sich der Unterschied in den Anfangskonsonanten „D“ gegenüber „K“ im Klang nicht ausreichend differenzierend aus, so dass eine hochgradige klangliche Zeichenähnlichkeit festzustellen ist.

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Zwar werden, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend hinweist, Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet als die übrigen Markenteile. Doch gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann eine alleinige Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr nicht ausschließen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 236 m. w. N.). Soweit die Markeninhaberin sich für einen ausreichenden Markenabstand auf das Urteil des Europäischen Gerichts vom 23. Mai 2007 betreffend die Marken COR/Dor bezieht, war beim Markenvergleich entscheidend, dass diese nur aus drei Buchstaben bestanden (EuG GRUR Int. 2007, 842), was hier nicht der Fall ist. Bei den weiter von der Inhaberin der angegriffenen Marke genannten Entscheidungen des EuG ging es schon nicht um Abweichungen in nur einem Buchstaben am Wortanfang (vgl. EuG GRUR Int. 2004, 647, - MUNDICOR/MUNDICOLOR; GRUR Int. 2006, 312 - VARIANT/DERBIVARIANT).

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Dass die jeweiligen Endungen „-vit“ der Markenwörter im Sinn von „Vitamin, vital“ kennzeichnungsschwach bzw. schutzunfähig sind, führt nicht dazu, dass sie bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von vornherein unberücksichtigt bleiben; der maßgebliche Gesamteindruck kann auch durch solche Elemente mitbestimmt werden und im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rdn. 180 m. w. N.).

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Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke offenbar darauf hinaus will, dass die Vergleichsmarken wegen Schwäche des Wortteils „-vit“ nur durch „Doro“ bzw. „Koro“ geprägt würden und damit Kurzwörter zum Vergleich stünden, kann dem nicht beigetreten werden.

34

Allerdings ist allgemein anerkannt, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein können und damit der Prüfung der Verwechslungsgefahr zugrunde zu legen sind (vgl. m. w. N. BGH GRUR 2009, 772, 776, Nr. 57 - Augsburger Puppenkiste). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055, Nr. 23 - airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. EuGH GRUR 2007, 700, 702, Nr. 41, 42 - HABM/Shaker, GRUR Int. 2010, 129, 132, Nr. 62 - Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, 1099, Nr. 56 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2008, 719, 722, Nr. 37 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2010, 828, 832 - DiSC; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 327, 332 m. w. N.).

35

Darüber hinaus ist der Inhaberin der angegriffenen Marke einzuräumen, dass diese Grundsätze nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch auf einteilige Zeichen anzuwenden sein können (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Nr. 26 - Pantohexal; GRUR 2010, 729, Nr. 34 - MIXI; GRUR 2013, 631, Nr. 33 - AMARULA/Marulablu). Dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (BGH GRUR 2010, 729, Nr. 34 - MIXI; GRUR 2013, 631, Nr. 33 - AMARULA/Marulablu). Bei der Feststellung solcher besonderen Umstände handelt es sich um einen eigenständigen Prüfungsschritt, der der eigentlichen Anwendung des Prägungsgrundsatzes vorgelagert ist und mit dieser nicht vermengt werden darf. Denn es geht bei dieser Prüfung darum festzustellen, ob die Anwendung des für kombinierte Zeichen geltenden Prägungsgrundsatzes trotz der formalen Einteiligkeit eines Zeichens ausnahmsweise in Betracht kommt.

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Ein solcher besonderer Umstand wurde z. B. für das Zeichen „Pantohexal“ (für Arzneimittel) bejaht, weil der Verkehr trotz der Zusammenschreibung die ihm bekannte Firmenbezeichnung „-hexal“ erkennt, kombiniert mit der Produktkennzeichnung „Panto-“ (BGH GRUR 2008, 905, Nr. 26, 38 - Pantohexal). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Andere besondere Umstände zeigt die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht auf und können auch seitens des Senats nicht festgestellt werden. Insbesondere reicht es insoweit nicht aus, dass ein Zeichenteil möglicherweise beschreibender Natur ist, wie es vorliegend für „-vit“ in Betracht kommt. So hat auch der Bundesgerichtshof im Fall des Zeichens „KOHLERMIXI“ (für Küchengeräte) keinen Anlass gesehen, von einer zergliedernden Betrachtungsweise des Verkehrs auszugehen, weil „KOHLER-“ keine im Verkehr bekannte Herstellerkennzeichnung war (BGH GRUR 2010, 729, Nr. 35 - MIXI). Dass „-MIXI“ für Küchengeräte deutliche beschreibende Anklänge aufweist, hat insoweit keine Rolle gespielt. Folgerichtig ist auch im Hinblick auf die Marke „VOLKSWAGEN“ noch einmal auf die ausgeprägte Klammerwirkung der einteiligen Zeichenbildung hingewiesen worden. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der glatt beschreibende Charakter des Zeichenteils „-WAGEN“ es nicht rechtfertigt, von einer Überwindung dieser Klammerwirkung auszugehen (BGH GRUR 2013, 1239, Nr. 35 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).

37

Nach diesen Grundsätzen und höchstrichterlich entschiedenen Einzelfällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die Vergleichsmarken ungeachtet ihrer einteiligen Ausbildung als kombinierte Zeichen auffasst. Für eine Vernachlässigung des Wortteils „-vit“ ist daher kein Raum. Vielmehr hat es bei einem Gesamtvergleich der Zeichen zu bleiben, bei dem sich diese - wie ausgeführt – nicht hinreichend unterscheiden.

38

3. In der Gesamtabwägung führt dies vorliegend zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Marke wegen des nur geringfügigen Unterschieds zur Widerspruchsmarke den notwendigen Abstand nicht einhält und jedenfalls in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr besteht, was ausreicht (vgl. BGH GRUR 2008, 714, 717 - Nr. 37 - idw). Ob auch schriftbildliche Verwechslungsgefahr anzunehmen ist, kann deshalb dahingestellt bleiben.

39

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

40

4. Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).