Entscheidungsdatum: 07.07.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 882 709
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die für die Waren
"Integrated circuit cards; computer software (recorded); notebook computers; laptop computers; floppy disks for computers; compact disk drives for computers; magnetic disk drives for computers; disks for computers; computers; integrated circuits"
international registrierte Marke 882 709
sucht um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der IR-Marke den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, das englischsprachige Wort "colorful" sei in der Bedeutung "bunt, farbenfroh" ein werbesprachlicher Ausdruck einer Beschaffenheits- und Ausstattungsangabe; seit Jahren seien in dieser Branche farbige Designs üblich. Dieses Wort sei für inländische Verkehrskreise ohne Weiteres verständlich, zumal in den Bereichen Computer und Technik englische Begriffe branchenüblich seien. Die grafische Gestaltung führe als gängiges Hervorhebungsmittel nicht zum Schutz. Voreintragungen seien ebenfalls nicht geeignet, den Schutz zu begründen.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke nicht für beschreibend und meint weiter, dass die grafische Gestaltung den Schutz begründe. Ferner hat sie sich auf die Registrierung der Marke in Ländern, in denen englisch (bzw. französisch) Amtssprache sei, nämlich in den USA, Großbritannien und Frankreich, sowie die Eintragung des Zeichens "BUNTE" in Deutschland bezogen.
Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2007 und vom 6. Oktober 2009 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Nach Auffassung des Senats entbehrt die IR-Marke 882 709 der Unterscheidungskraft; die Markenstelle hat deshalb zu Recht den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ).
Unterscheidungskraft bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit dieses Produkt von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff. - Rn. 66, 67 - EUROHYPO; GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 - Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 - Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 - Rn. 9 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - anti KALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).
Keine Unterscheidungskraft kommt insbesondere Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren hergestellt wird; die Eignung, Waren ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH WRP 2010, 1504, 1506 - Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 - Rn. 20 - My World; GRUR 2009, 411 - Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10 - DeutschlandCard).
Umfasst eine Marke - wie im vorliegenden Fall - einen fremdsprachigen Begriff, ist zusätzlich darauf abzustellen, ob die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise, nämlich die Händler und die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der angemeldeten Waren im Stande sind, deren beschreibende oder werbliche Bedeutung zu erkennen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).
Gemessen an diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die maßgeblichen allgemeinen Verkehrskreise und Fachverkehrskreise die IR-Marke bezogen auf die hier maßgeblichen Waren lediglich als eine werblich-beschreibende Sachangabe auffassen und die IR-Marke daher ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren zu garantieren, nicht erfüllen kann.
Das angloamerikanische Adjektiv "colorful" bedeutet im Deutschen "bunt, farbig" (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005, S. 1008; Eichborn, Die Sprache unserer Zeit, Band I, Englisch-Deutsch, S. 317; Langenscheidt, Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch, Teil 1, S. 196). Das Adjektiv "colorful" ist abgeleitet von dem angloamerikanischen Substantiv "color", welches in der Bedeutung "Farbe" auch im deutschen Sprachschatz enthalten ist (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 378, zu "Color", z. B. "Colorfilm").
Die Markenstelle ist damit zutreffend davon ausgegangen, dass das Wort "colorful" von den angesprochenen Verkehrskreisen in seiner Bedeutung "farbig, bunt" ohne weiteres verstanden wird, zumal im Bereich der Waren der Klasse 9 Englisch Fachsprache ist. In dieser Bedeutung eignet sich die Marke als unmittelbar beschreibende Angabe im Hinblick auf die registrierten Waren, sei es als Angabe über die Beschaffenheit der Produkte selbst (nämlich Ausführung in verschiedenen Farbtönen), sei es als Angabe über die Bestimmung der Produkte (so etwa im Bereich der "computer software (recorded)" bei Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen zur Erzeugung und Bearbeitung von farbigen Darstellungen).
Sowohl die von der Markenstelle als auch die vom Senat im Internet durchgeführten Recherchen, deren Ergebnisse der IR-Markeninhaberin jeweils übersandt wurden, haben zudem eine ganze Reihe von Nachweisen geliefert, dass z. B. Laptops, Disketten, VGA-Cards, CD´s und Computer tatsächlich auch in farbiger Gestaltung angeboten werden.
Da die Bezeichnung die Waren nach ihrer Beschaffenheit und Bestimmung aus den vorgenannten Gründen in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise beschreiben kann, wird der Verkehr in dieser Bezeichnung keinen betrieblichen Herkunftshinweis für diese Waren erkennen.
Zwar kann eine Wort-/Bildmarke, deren Wortbestandteil nicht unterscheidungskräftig ist, auf Grund der Gesamtgestaltung über Unterscheidungskraft verfügen, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Einfache grafische Gestaltungselemente oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, reichen jedoch nicht aus, um in Kombination mit einem nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteil dem Gesamtzeichen Unterscheidungskraft zu verschaffen (BGH, GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 2008, 710 - Nr. 20 - VISAGE).Angesichts des glatt beschreibenden Charakters des Wortbestandteils bedarf es erheblicher gestalterischer Elemente bei der Marke , um sich dem Verkehr von Haus aus als Herkunftshinweis einzuprägen (vgl. BGH GRUR 2009, 954, 955 - Rn. 17 - kinder III). Die Gestaltung der IR-Marke in Großbuchstaben in etwas unscharfen Konturen der Schriftart "Expressa" bzw. "Bauhaus leicht" (vgl. Anl. 8, 9 zum Erstbeschluss) genügt diesen Anforderungen nicht. Es handelt sich lediglich um einfache und übliche graphische Gestaltungselemente, die dem Verkehr als in bloß dekorativer Form auftretende Stilmittel bekannt sind (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 127; vgl. z. B. auch EuG T-122/01, GRUR Int. 2010, 527 - BEST BUY, bestätigt durch EuGH GRUR Int. 2011, 255).Die Schutzfähigkeit des Zeichens ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Markeninhaberin angeführten Eintragung des Zeichens "BUNTE" in Deutschland oder der Registrierung der Marke in Ländern, in denen Englisch (Französisch) Amtssprache ist. Abgesehen davon, dass das Zeichen "BUNTE" als verkehrsdurchgesetzte Marke in Deutschland registriert ist, geht die höchstrichterliche Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofes als auch des Europäischen Gerichtshofes davon aus, dass die Schutzfähigkeit einer Marke bezogen auf den konkreten Einzelfall und ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen ist, die insoweit keinen Ermessensspielraum vorsehen; einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu (BGH GRUR 2008, 1093, 1095 - Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis; EuGH MarkenR 2009, 478, 484 - Rn. 57 - American Clothing/HABM, jeweils m. w. N.; BGH GRUR 2011, 230 - Nr. 10, 12 - SUPERgirl).
Auch wenn der IR-Marke in den USA, in Großbritannien und in Frankreich der Schutz nicht verweigert wurde, ändert dies nichts daran, dass es sich dabei um eine einfache Sachaussage in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren handelt, die der inländische Verkehr als Angabe über die Beschaffenheit und Bestimmung dieser Waren sofort und ohne jede analysierende Betrachtungsweise erkennt. Ausländische Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben im Übrigen hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdn. 30 und 34 m. w. N.; in diesem Sinn auch BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS).
Da die schutzsuchende IR-Marke wegen beschreibenden Produktbezugs geeignet ist, als beschreibende Sachangabe für die fraglichen Waren dienen zu können, steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen. Das - auch bei Prüfung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigende - Allgemeininteresse, den Verkehr vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 43 m. w. Nachw.), verbietet daher im vorliegenden Fall die Gewährung des nachgesuchten Schutzes zu Gunsten eines einzigen Unternehmens.