Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.01.2017


BPatG 12.01.2017 - 30 W (pat) 11/15

Markenbeschwerdeverfahren – "XL-protein" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
12.01.2017
Aktenzeichen:
30 W (pat) 11/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 008 563.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des Richters Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

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XL-protein

3

ist am 26. Oktober 2012 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register u. a. für die Waren und Dienstleistungen

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„Klasse 1: Chemische und biochemische Erzeugnisse für Forschungs- und Laborzwecke (ausgenommen medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke) sowie für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; chemische und biologische Erzeugnisse für die medizinische Forschung sowie für wissenschaftliche Zwecke;

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Klasse 5: Pharmazeutische, humanmedizinische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; pharmazeutische und Diagnosemittel für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labormedizinische und forensische Zwecke; Testreagenzien in Kitform für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labormedizinische und forensische Zwecke; chemische, biochemische und biotechnologische Erzeugnisse für medizinische und diagnostische Zwecke, nämlich Reagenzien und Lösungsmittel zur Probenvorbereitung, Modifikation und Manipulation von Zellen sowie zur Durchführung von Markierungs-, Trennungs-, Isolierungs-, Reinigungs-, Vervielfältigungs- und/oder Analysenmethoden für Biopolymere, insbesondere Nukleinsäuren, Proteine, Makromoleküle und biologisch wirksame Substanzen für diagnostische Zwecke soweit in dieser Klasse enthalten; Medikamente für präventive, kurative und palliative Zwecke; medizinische Wirkstoff-Zielverbindungen für präventive, kurative und palliative Zwecke; medizinische Biomarker, insbesondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädiktive Zwecke; medizinische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, nämlich Kits für die Labormedizin, insbesondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädiktive Zwecke; Biomoleküle (Targets) für medizinische Zwecke, nämlich zur Bindung von Wirkstoffen; medizinische Erzeugnisse für die medizinische Analytik; chemische und biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;

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Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, insbesondere auf dem Gebiet Chemie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; technische, nämlich diagnostische Dienstleistungen auf dem Gebiet DNA, RNA sowie Protein-Expression, Nachweis und Analyse und diesbezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet Chemie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Dienstleistungen eines chemischen und biochemischen Labors; Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen; Erstellung wissenschaftlicher Gutachten; Qualitätsprüfung; Erstellen und Weiterentwicklung von Programmen für die Datenverarbeitung; Beratung für wissenschaftliche, labortechnische und Forschungszwecke; Dienstleistungen eines technischen Mess- und Prüflabors; technologische Dienstleistungen, nämlich Gewinnung, technische Bearbeitung und technische Analysen von Biomaterialien und medizinisch relevanten Daten insbesondere zum Zweck der wissenschaftlichen und industriellen Forschung“

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angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 5 hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 11. Februar 2014 und 12. Januar 2015, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teilweise, nämlich für die obengenannten Waren und Dienstleistungen, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Das angemeldete Zeichen setze sich aus den durch einen Bindestrich verbundenen Bestandteilen „XL“ und „protein“ zusammen. Der Bestandteil „protein“ als englische Entsprechung des bedeutungsgleichen deutschen Begriffs „Protein“ bezeichne ein biologisches Makromolekül, das aus Aminosäuren aufgebaut sei und welches umgangssprachlich mit „Eiweiß“ benannt werde. Die Buchstabenkombination „XL“ sei eine aus der englischen Sprache übernommene Abkürzung für „extra large“ mit der Bedeutung „sehr groß“, welche sich auch im Inland als eine allgemein bekannte Größenangabe durchgesetzt habe.

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Die angemeldete Kombinationsmarke weise daher in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Bedeutung „sehr großes Protein“ auf. Zwar handele es sich bei der Bezeichnung „XL-protein“ nicht um einen Fachbegriff aus dem Bereich der medizinischen Wissenschaft und Forschung. Dort würden Proteingrößen üblicherweise auf Basis molekularer Größen wie atomare Masseneinheit „u“ oder kilo-Dalton „kDa“ bezeichnet. Allerdings werde auch in Fachkreisen der Zusatz „XL“ für die Bezeichnung besonders großer Moleküle verwendet. So seien beispielsweise aus der Literatur die Proteine „Bcl-XL“ und „XLG2“ bekannt. Dementsprechend werde jedenfalls der im Vordergrund stehende Fachverkehr die Kombination XL-protein als Bezeichnung für ein „sehr großes Protein“ verstehen.

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Das angesprochene Fachpublikum werde dem angemeldeten Zeichen dann aber in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren nur die Sachinformation entnehmen, dass es sich um sehr große Proteine handele, die Produkte sehr große Proteine enthielten oder unter Einsatz dieser Produkte sehr große Proteine entwickelt bzw. hergestellt würden. In Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen komme lediglich zum Ausdruck, dass sich diese inhaltlich mit der Entwicklung und/oder Erforschung sowie dem Einsatz großer Proteine beschäftigten. In diesem Sinne sei die angemeldete Bezeichnung auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung verwendet worden. So sei in der Fachzeitschrift Faszination Forschung, Ausgabe 5/09, ein Artikel mit „Proteine in XL“ überschrieben, in dem es um Methoden zur Vergrößerung des Volumens eines Moleküls (Proteins) gehe.

12

In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen stelle sich das angemeldete Zeichen XL-protein damit aber lediglich als sachbezogener Hinweis dar, der die Beschaffenheit der Waren bzw. den Gegenstand der Dienstleistungen beschreibe. Die Bezeichnung XL-protein sei sprachüblich gebildet und weise keine Struktur auf, die von dem sachbezogenen Hinweis „sehr großes Protein“ ablenke. Der sachgezogene Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung sei weder unbestimmt noch stelle sich die Verwendung der Abkürzung „XL" für „extra large“ als ungewöhnlich, phantasievoll oder interpretationsbedürftig dar.

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Im Hinblick auf die Waren „pharmazeutische, humanmedizinische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; chemische und biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“, die sich auch an Endverbraucher richten könnten, werde die angemeldete Angabe zudem als werbende Anpreisung für Produkte wahrgenommen, die besonders viel Protein (Eiweiß) enthalten könnten.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, dass das vorliegend allein maßgebliche Fachpublikum die Bezeichnung „XL“ in Zusammenhang mit Proteinen nicht - wie z. B. bei Waren des täglichen Gebrauchs - als werbemäßige Abkürzung für „extra large“ bzw. „sehr groß“ verstehe, da sich der Begriff „XL“ nicht zur Charakterisierung des Aufbaus oder der Eigenschaften von Proteinen, welche als komplexe Makromoleküle typischerweise durch die Art und Anzahl ihrer Bausteine (Aminosäuren) und/oder ihrer Masse (Einheit: Kilo-Dalton, kDa) beschrieben würden, eigne und dementsprechend auch nicht als Größenbezeichnung von Proteinen verwendet werde.

15

Die seitens der Markenstelle recherchierten Bezeichnungen „Bcl-XL“ und „XLG2“ seien kein Beleg für die Verwendung des Begriffs „XL“ in Fachkreisen, da „Bcl-XL“ in der korrekten Schreibweise „Bcl-xL“ die große Spliceform des bcl-x-Genprodukts bezeichne, so dass „XL“ in dieser Bezeichnung gar nicht verwendet werde bzw. die Abkürzung „XL“ in den von der Markenstelle benannten Bezeichnungen „XLG1, XLG2, XLG3“ der G-Proteinfamilie nicht eigenständig hervortrete.

16

Soweit die Begriffskombination XL-Protein von der Anmelderin im Vorfeld der Anmeldung zur schlagwortartigen Beschreibung ihrer Produkte benutzt worden sei, habe sich dieser Begriff im wissenschaftlichen Umfeld nicht zu einem wie auch immer beschreibenden Begriff entwickelt.

17

Der Fachverkehr könne dem Begriff XL-Protein i. S. v. „sehr großes Protein" keinerlei unmittelbar beschreibenden oder gar werbenden Aussagegehalt entnehmen. XL-Protein sei für das Fachpublikum letztlich ein vager Begriff, der mit seinem lapidaren Hinweis „sehr großes Protein“ keine genaue, wissenschaftlich korrekte Identifizierung der entsprechenden Erzeugnisse erlaube.

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Im Ergebnis könne der Begriff XL-protein daher beim Verkehr zwar Assoziationen im Sinne eines „sprechenden Zeichens“ erwecken, sofern man sich mit der Technologie und dem Angebot der Anmelderin zuvor im Detail auseinandergesetzt habe; jedoch könne aus diesem Umstand allein keine mangelnde Unterscheidungskraft abgeleitet werden. Vielmehr sei XL-protein ein unscharfer Begriff ohne einen sich aufdrängenden Sinngehalt. Durch die für den angesprochenen Verkehr keinen Sinn ergebende Kombination von „XL“ und „Protein“ entstehe vielmehr ein interpretationsbedürftiger und zum Nachdenken anregender Mehrgehalt. Damit besitze die angemeldete Marke das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 vom 11. Februar 2014 und 12. Januar 2015 aufzuheben, soweit darin die Anmeldung für die obengenannten Waren zurückgewiesen worden ist,

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hilfsweise beantragt sie,

22

die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen auf Grundlage des wie folgt eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses einzutragen (unter Herausnahme der Waren und Dienstleistungen, für die die Markenstelle keine Schutzhindernisse angenommen hat):

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„Klasse 1:

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Chemische und biochemische Erzeugnisse für Forschungs- und Laborzwecke (ausgenommen medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke) sowie für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; Kunstharze im Rohzustand; Kunststoffe im Rohzustand; chemische und biologische Erzeugnisse für die medizinische Forschung sowie für wissenschaftliche Zwecke

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Klasse 5:

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Pharmazeutische, humanmedizinische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; pharmazeutische und Diagnosemittel für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labormedizinische und forensische Zwecke, nämlich Mittel enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; Testreagenzien in Kitform für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labormedizinische und forensische Zwecke; chemische, biochemische und biotechnologische Erzeugnisse für medizinische und diagnostische Zwecke, nämlich Reagenzien und Lösungsmittel zur Probenvorbereitung, Modifikation und Manipulation von Zellen sowie zur Durchführung von Markierungs-, Trennungs-, Isolierungs-, Reinigungs-, Vervielfältigungs- und/oder Analysenmethoden für Biopolymere, insbesondere Nukleinsäuren, Proteine, Makromoleküle und biologisch wirksame Substanzen für diagnostische Zwecke soweit in dieser Klasse enthalten; Medikamente für präventive, kurative und palliative Zwecke, nämlich Medikamente enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; medizinische Wirkstoff-Zielverbindungen für präventive, kurative und palliative Zwecke, nämlich Wirkstoff-Zielverbindungen enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; medizinische Biomarker, insbesondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädiktive Zwecke, nämlich medizinische Biomarker enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; medizinische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, nämlich Kits für die Labormedizin, insbesondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädiktive Zwecke; Biomoleküle (Targets) für medizinische Zwecke, nämlich zur Bindung von Wirkstoffen, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; medizinische Erzeugnisse für die medizinische Analytik; chemische und biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine

27

Klasse 42:

28

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, insbesondere auf dem Gebiet Chemie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; technische, nämlich diagnostische Dienstleistungen auf dem Gebiet DNA, RNA sowie Protein-Expression, Nachweis und Analyse und diesbezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet Chemie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -Software; Dienstleistungen eines chemischen und biochemischen Labors; Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen; Erstellung wissenschaftlicher Gutachten; Qualitätsprüfung; Erstellen und Weiterentwicklung von Programmen für die Datenverarbeitung; Beratung für wissenschaftliche, labortechnische und Forschungszwecke; Dienstleistungen eines technischen Mess- und Prüflabors; technologische Dienstleistungen, nämlich Gewinnung, technische Bearbeitung und technische Analysen von Biomaterialien und medizinisch relevanten Daten insbesondere zum Zweck der wissenschaftlichen und industriellen Forschung“.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

30

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist in Bezug auf die die von der Zurückweisung betroffenen Waren und Dienstleistungen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb insoweit zu Recht zurückgewiesen.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z.B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla). Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei - worauf die Anmelderin zutreffend hinweist - in erster Linie um Fachpublikum, insbesondere um Fachleute aus den Bereichen Medizin und (Bio)Chemie.

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Hiervon ausgehend besitzen Marken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

34

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen XL-Protein jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

35

Die angemeldete Marke setzt sich aus den Bestandteilen „XL“ und „protein“ zusammen, welche durch einen Bindestrich miteinander verknüpft sind. Der Begriff „protein“ bezeichnet - worauf die Markenstelle bereits zutreffend hingewiesen hat - ein Makromolekül, das aus Aminosäuren aufgebaut ist und umgangssprachlich mit „Eiweiß“ benannt wird. Bei der Buchstabenkombination „XL“ handelt es sich um die aus der englischen Sprache übernommene Abkürzung für „extra large“ („sehr groß“), welche auch im inländischen Sprachgebrauch als ein werbeüblicher Hinweis auf „extra groß, eine besonders große Ausführung“ allgemein gebräuchlich ist. Als Größenangabe ist „XL“ dabei nicht auf die Textilbranche beschränkt, sondern auf vielen anderen Gebieten anzutreffen, bei denen auf eine Übergröße oder ein besonderes räumliches Ausmaß der Objekte hingewiesen wird (vgl. BPatG 33 W (pat) 72/02 v. 25. Mai 2004 - workXL).

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Auch in Zusammenhang mit dem Begriff „Protein“ in seiner o.g. Bedeutung liegt für den hier vorrangig, wenn nicht sogar - wie die Anmelderin geltend macht - ausschließlich zu berücksichtigenden Fachverkehr ein Verständnis von „XL“ in diesem Sinne und ein sich daraus ergebendes Verständnis der angemeldeten Bezeichnung XL-protein i. S. von „sehr großes Protein nahe.

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Der Anmelderin ist zwar zuzugeben, dass die Bezeichnung „XL“ im Zusammenhang mit Proteinen keine fachbegrifflich korrekte Bezeichnung darstellt, weil Proteine im Bereich Pharmazie, Biochemie und Biologie in aller Regel auf Basis molekularer Größen wie atomare Masseneinheit und kilo-Dalton bezeichnet werden. Dementsprechend handelt es sich bei XL-protein um keinen lexikalisch nachweisbaren wissenschaftlichen Fachbegriff.

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Jedoch belegen der als Anlage G zur Beschwerdebegründung vorgelegte Beitrag aus der Fachzeitschrift „Faszination Forschung, Ausgabe 5/09“ mit der Überschrift „Proteine in XL“, sowie der auf die Anmelderin zurückzuführende, dem Erstprüferbeschluss vom 11. Februar 2014 als Anlage A1 beigefügte Artikel in der Zeitschrift „BIOSpektrum“, Heft 6/09 mit der Überschrift „XL-Proteine: Große Proteine-große Potenziale“, welche sich inhaltlich mit der Verlängerung der Wirkdauer therapeutischer Proteine im Körper durch Verbindung der kleinen Proteine mit einer Art molekularem, einen Vergrößerungseffekt bewirkenden Ballon befassen, dass die Kombination der Buchstabenfolge „XL“ als Abkürzung für „sehr groß“ mit dem Begriff „Protein“ auch bereits zum Zeitpunkt dazu diente, derartige Proteine schlagwortartig als „besonders groß“ zu kennzeichnen.

39

Dies stellt letztlich auch die Anmelderin nicht in Abrede, meint aber, dass mangels genauer, fachspezifischer Angaben zu Eigenschaften und Struktur solcher Proteine bzw. einer fehlenden fachbegrifflichen Definition, was genau unter „sehr großen Proteinen“ zu verstehen ist, der vorliegend relevante Fachverkehr diesem Begriff keinen informativen, beschreibenden und /oder sachbezogenen Aussagegehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnehmen könne.

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Diese Auffassung der Anmelderin geht fehl. Denn auch wenn es sich bei XL-protein nicht um einen Fachbegriff aus dem Bereich der medizinischen Wissenschaft und Forschung handelt und diese Bezeichnung ihrem Bedeutungs- und Sinngehalt auch keinen wissenschaftlichen Aussage- und Informationsgehalt aufweist, so wird er dennoch aufgrund der dargelegten Verwendung der Größenangabe „XL“ in Zusammenhang mit dem Begriff „Protein“ sofort erkennen, was mit der Begriffsbildung XL-protein gemeint ist, nämlich eine schlagwortartige sachbezogene Umschreibung der in den vorgenannten Fachartikeln thematisierten Methode zur Vergrößerung der Masse bzw. Vergrößerung des Volumens eines Moleküls (Proteins).

41

Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die angemeldete Bezeichnung XL-Protein in Bezug auf die beanspruchten Waren auf den für den Fachverkehr sofort und ohne weiteres erkennbaren schlagwortartigen Hinweis, dass diese „sehr große Proteine“ im vorgenannten Sinne zum Gegenstand haben bzw. - was die Dienstleistungen der Klasse 42 betrifft - sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach damit beschäftigen. So können - wie die Markenstelle im Erstbeschluss vom 11. Februar 2014 zutreffend festgestellt hat - die zurückgewiesenen Waren entweder selbst solche „vergrößerten“ Proteine“ sein oder solche „sehr großen Proteine“ enthalten bzw. können mittels Einsatz dieser Waren solche in ihrem Volumen vergrößertem „XL-Proteine“ entwickelt bzw. hergestellt werden. In Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen beschränkt sich die angemeldete Bezeichnung auf den Hinweis, dass sich diese inhaltlich/thematisch mit der (medizinischen, biologischen, chemischen) Entwicklung und/oder Erforschung sowie dem Einsatz derartig bearbeiteter Proteine beschäftigten. Auch in Bezug auf IT-Leistungen wie z. B. den zu Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; …. Erstellen und Weiterentwicklung von Programmen für die Datenverarbeitung“ beschränkt sich XL-protein auf einen thematischen Hinweis, dass diese in Zusammenhang mit der Erforschung und Entwicklung eines so bezeichneten Proteins stehen.

42

Soweit mit dieser Begriffskombination dem Fachverkehr keine spezifische Informationen zu Inhalt, Aufbau, Struktur o.ä. der entsprechenden Proteine vermittelt werden, steht eine solche vorhandene begriffliche Unschärfe der als Marke angemeldeten Bezeichnung einem Verständnis als Sachangabe und damit der Feststellung eines Eintragungshindernisses nicht entgegen (vgl. GRUR 2004, 192 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 222 - BIOMILD; GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Der sachbezogene Sinn- und Bedeutungsgehalt der angemeldeten Bezeichnung bleibt für den Verkehr angesichts der verbreiteten Übung, Sachaussagen in verkürzenden und schlagwortartigen Wortfolgen zu vermitteln, eindeutig verständlich. Der Verkehr wird darin aber im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.

43

Was die seitens der Anmelderin im Beschwerdeverfahren „hilfsweise“ vorgenommene Einschränkung des Warenverzeichnisses (Bl. 67, 68 d. A) betrifft, bestehen bereits Bedenken gegen deren Zulässigkeit. Diese ergeben sich daraus, dass mit einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses regelmäßig ein (Teil)Verzicht nach § 48 Abs. 1 MarkenG verbunden ist, welcher ohne weiteres zum teilweisen Erlöschen der Marke führt und daher grundsätzlich nicht bedingt erklärt werden kann, (BGH GRUR 2011, 654 Nr. 14 - Yoghurt-Gums). Ungeachtet dessen vermag die Einschränkung an dem dargelegten Verständnis der angemeldeten Bezeichnung nichts zu ändern; Denn die beanspruchten Waren werden lediglich dahingehend eingeschränkt, dass sie bestimmte „Proteine“ enthalten. Diese werden jedoch mit der angemeldeten Marke in einer aus den vorgenannten Gründen ohne weiteres verständlichen Weise als „besonders groß“ beschrieben.

44

3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

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4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.