Entscheidungsdatum: 29.11.2011
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 344 850
(DE 599 14 011)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Schell sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 344 850 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Alkalisches Galvanikbad (1) zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen mit einer Anode (2), einer Kathode (3), dadurch gekennzeichnet, dass die Anode von dem alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten durch eine lonenaustauschermembran (6) getrennt ist und das Bad Schwefelsäure, Phosphorsäure, Methansulfonsäure, Amidosulfonsäure und/oder Phosphonsäure als Anolyt (5) aufweist.
2. Galvanikbad nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Anode (2) durch eine perfluorierte Kationenaustauschermembran (6) von dem alkalischen Katholyten (4) getrennt ist.
3. Galvanikbad nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine platinierte Titananode.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 29. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 198 34 353 vom 30. Juli 1998 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 344 850 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft ein alkalisches Zink-Nickelbad und umfasst in seiner erteilten Fassung vier Patentansprüche, die in der B1-Schrift folgenden Wortlaut haben:
1. Alkalisches Galvanikbad (1) zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen mit einer Anode (2) und einer Kathode (3), dadurch gekennzeichnet, daß die Anode von dem alkalischen Elektrolyten durch eine lonenaustauschermembran (6) getrennt ist.
2. Galvanikbad nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Anode (2) durch eine perfluorierte Kationenaustauschermembran (6) von dem alkalischen Elektrolyten (4) getrennt ist.
3. Galvanikbad nach Anspruch 1 oder 2, gekennzeichnet durch Schwefelsäure, Phosphorsäure, Methansulfonsäure, Amidosulfonsäure und/oder Phosphonsäure als Anolyt (5).
4. Galvanikbad nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine platinierte Titananode.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage greift die Klägerin das Streitpatent in vollem Umfang an und macht geltend, die mit dem Streitpatent geschützte Lehre sei nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie im beanspruchten Umfang ausführen könne. Zudem sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neu bzw. beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung ihres Vorbringens bezieht sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:
N1 US 4 469 564
N2 DE 29 12 351 A1
N3 DE 33 10 730 A1
N4 DE 40 35 316 C2
N5 US 5 403 460 A
N6 DE 37 12 511 A1
N7 Tagungsband der 14. AESF-Konferenz, 26. bis 28. Januar 1993, 1 S. Inhaltsverzeichnis, S. 101 bis 112
N8 Tagungsband der 18. AESF-Konferenz, 27. bis 29. Januar 1997, S. 4 und 98 bis 114
N9 Bescheid der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA in der Gebrauchsmusterlöschungssache betreffend das Gebrauchsmuster 299 24 530 vom 8. September 2009
N10 Blasberg - Mitteilungen vom 1. August 1983, Produkt Electroclear S. 27 bis 29.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 1 344 850 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags gemäß Schriftsatz vom 29. Juni 2009 erhält, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge I bis IV gemäß Schriftsatz vom 2. Dezember 2010 erhält.
Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
1. Alkalisches Galvanikbad (1) zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen mit einer Anode (2) und einer Kathode (3), dadurch gekennzeichnet, dass die Anode von dem alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten durch eine lonenaustauschermembran (6) getrennt ist.
Die Ansprüche 2 bis 4 des Hauptantrags entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 4.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I weist gegenüber dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags im kennzeichnenden Teil das zusätzliche Merkmal „und als Anolyt ein nicht alkalischer Anolyt eingesetzt wird“ auf.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags II enthält gegenüber dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal im kennzeichnenden Teil „und Anoden eingesetzt werden, die im Basischen, nicht jedoch im Sauren löslich sind“.
Im Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags III ist gegenüber dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal „und als Anolyt eine Säure, beispielsweise Schwefel- oder Phosphorsäure eingesetzt wird“ hinzugefügt.
Die jeweils gleichlautenden Patentansprüche 2 bis 4 in der Fassung der Hilfsanträge I bis III entsprechen den erteilten Ansprüchen.
Der Hilfsantrag IV entspricht Ziffer I des Urteilstenors.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und ist der Auffassung, dass die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht gegeben seien. Zur Begründung ihres Vorbringens verweist sie u. a. auf folgende Druckschriften:
KSVR 2 Messung der Nickel-Konzentration in einem industriellen alkalischen Zink-Nickel-Bad (Mai 1997 bis August 2004)
KSVR 3 Beschluss der Patentabteilung 45 des DPMA vom 10.12.2002
KSVR 4a Anlagenkonvolut aus T.W. Jelinek, Galvanisches Verzinken, Leuze Verlag, 1982, S. 6 bis 10 (KSVR 4a), S. 13 bis 21 (KSVR 4b), S. 22 bis 72 (KSVR 4c), S. 246 bis 272 (KSTV 4d)
KSVR 9 Prof. Strobl, Gutachten zu WHW ./. Enthone vom 27.10.2011 mit Nachtrag vom 27.11.2011.
Weiterhin regt die Beklagte an, Sachverständigenbeweis zu den Fragen zu erheben, ob für den Fachmann überhaupt ein alkalisches Kupferbad als gedanklicher Ausgangspunkt für ein alkalisches Zink-Nickelbad in Betracht komme, sowie ob die Lehren zur Verwendung einer Membran zwischen den verschiedenen Beschichtungstechnologien übertragbar seien.
Die Klage, mit der die in Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a und b EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit geltend gemacht werden, ist zulässig und teilweise begründet.
I.
Soweit das Streitpatent über die Fassung der mit dem Hauptantrag zulässigerweise vorgenommenen Beschränkung hinausgeht, ist es ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II). Die Klage ist auch im Hinblick auf die Fassungen gemäß Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen I bis III begründet, da der Gegenstand des Streitpatents gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und der einzige selbstständige Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen I, II und III unzulässig erweitert ist, so dass es sich insoweit um unzulässige Anspruchsfassungen handelt. Dagegen erweist sich das Streitpatent in der Fassung des zulässigen Hilfsantrags IV als bestandskräftig, da sein Gegenstand neu ist, auf erfinderischer Tätigkeit beruht und weder unzulässig erweitert noch unzureichend offenbart ist.
1. Das Streitpatent betrifft ein Galvanikbad zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen mit einer Anode, einer Kathode und einem alkalischen Elektrolyten.
Es ist bekannt, elektrisch leitende Werkstoffe zur Verbesserung deren Korrosionsbeständigkeit mit Zink-Nickel-Legierungen zu überziehen. Dazu wird in herkömmlicher Weise ein saures Elektrolytbad, beispielsweise mit Sulfat-, Chlorid-, Fluorochromat- oder Sulfamat-Elektrolyten eingesetzt. Bei diesen Verfahren ist die Erzielung einer gleichmäßigen Dicke des Zink-Nickel-Überzuges auf dem zu beschichtenden Werkstoff regelungstechnisch sehr aufwändig und in der Praxis meistens unmöglich.
Aus diesem Grund werden in jüngster Zeit alkalische Zink-Nickel-Galvanikbäder eingesetzt, die beispielsweise folgende Zusammensetzung aufweisen: 11,3 g/l ZnO, 4,1 g/l NiSO4 . 6H2O, 120 g/l NaOH, 5,1 g/l Polyethylenimin.
Die in dem Galvanikbad enthaltenen Amine dienen als Komplexbildner für die Nickelionen, welche im alkalischen Medium ansonsten unlöslich sind. Die Zusammensetzung der Bäder variiert je nach Hersteller.
Betrieben werden die Galvanikbäder gewöhnlich mit unlöslichen Nickelanoden. Die Zinkkonzentration wird durch Zugabe von Zink und die Nickelkonzentration durch Addition einer Nickellösung, zum Beispiel einer Nickelsulfat-Lösung, konstant gehalten.
Diese Bäder zeigen jedoch nach einigen Stunden Betrieb eine Farbänderung von ursprünglich blau-violett nach braun. Nach mehreren Tagen bzw. Wochen verstärkt sich diese Färbung und es ist eine Trennung des Bades in zwei Phasen feststellbar, wobei die obere Phase dunkelbraun ist. Diese Phase bewirkt erhebliche Störungen der Beschichtung der Werkstücke, wie beispielsweise ungleichmäßige Schichtdicken oder Bläschenbildung. Eine kontinuierliche Reinigung des Bades, d. h. ein kontinuierliches Abschöpfen dieser Schicht, ist somit unumgänglich. Diese ist aber Zeit- und kostenaufwändig.
Des Weiteren kann nach einigen Wochen des Betriebs Cyanid in den Bädern nachgewiesen werden. Die Cyanidbelastung erfordert ein regelmäßiges Erneuern des Bades und eine spezielle Abwasserbehandlung, die sich erheblich auf die Betriebskosten des Bades auswirkt. Dies gilt umso mehr, als die Abwässer eine sehr hohe Organikkonzentration aufweisen und mit einem CSB-Wert von ca. 15.000 bis 20.000 mg/l die Cyanidentgiftung erschweren. Das Einhalten der vom Gesetzgeber vorgegebenen Abwasserwerte (Nickel 0,5 ppm und Zink 2 ppm) ist dann nur noch durch umfangreichen Zusatz von Chemikalien möglich.
Die Ausbildung der zweiten Phase ist auf eine Reaktion der Amine zurückzuführen, die in alkalischer Lösung an Nickelanoden zu Nitrilen (unter anderen auch zu Cyanid) umgesetzt werden. Auf Grund der Zersetzung der Amine muss dem Bad zudem kontinuierlich neuer Komplexbildner zugegeben werden, was die Kosten des Prozesses in die Höhe treibt (Streitpatentschrift Abs. [0001] bis [0008]).
Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die technische Aufgabe zugrunde, ein alkalisches Zink-Nickel-Galvanikbad zu schaffen, welches kostengünstig unter Vermeidung der geschilderten Probleme Zink-Nickel-Beschichtungen von hoher Qualität liefert (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0010]).
Die Aufgabe wird durch das Glavanikbad nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags mit folgenden Merkmalen gelöst:
1.1 Alkalisches Galvanikbad (1) zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen
1.2 mit einer Anode (2) und
1.3 einer Kathode (3),
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4 die Anode von dem alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten durch eine Ionenaustauschermembran (6) getrennt ist.
2. Als zuständigen Fachmann zur Beurteilung der Patentfähigkeit ist abzustellen auf einen Dipl.-Chemiker oder Dipl.-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Galvanotechnik.
3. Die Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag ist zulässig.
Bezüglich der ursprünglichen Offenbarung der geltenden Patentansprüche 1 bis 4 bestehen keine Bedenken. Der Anspruch 1 geht auf den erteilten Anspruch 1 i. V. m. Abs. [0015] und [0017] der Patentschrift zurück und basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 1 und S 3 Abs. 6 sowie S 4 Abs. 3 der Erstunterlagen. Dies ist im vorliegenden Fall auch nicht beanstandet worden.
Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 4 sind auch so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Es genügt hierzu die Angabe eines ausführbaren Weges, welchen das Streitpatent auch in Form eines Beispiels unwidersprochen angibt. Eine Erfindung kann auch dann allgemein beansprucht werden, was die Klägerin im Hinblick auf bestimmte Anolyte oder Ionenaustauschermembranen in Abrede stellt. Es ist nämlich unerheblich, ob unter den Wortlaut des Anspruchs fallende Möglichkeiten, die Vorrichtung bereitzustellen, versagen. Die Ausführbarkeit einer Erfindung wird nicht durch Unvollkommenheiten, wie gelegentliche Fehlschläge, Ausreißer bei der Nacharbeitung oder die Notwendigkeit von Versuchen oder die Erforderlichkeit taugliche von untauglichen Varianten zu unterscheiden, beeinträchtigt (vgl Streitpatentschrift Abs. [0017] i. V. m. Fig.; BGH GRUR 2001, 813 - Taxol; Schulte PatG, 8. Aufl., § 34 Rn. 369). Im Übrigen ist der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit über die Breite des Anspruchs nicht ausreichend substantiiert (Schulte PatG, 8. Aufl., § 81 Rn. 158), nachdem die Klägerin zur Substantiierung keine Versuche zur mangelnden Nacharbeitbarkeit über die gesamte Anspruchsbreite vorgelegt hat.
4. Dem Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags fehlt aber die Patentfähigkeit.
a) Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist allerdings neu, denn sie wird in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften vorbeschrieben.
Dies gilt auch im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin gegenüber der Druckschrift N1, aus der zwar eine Vorrichtung bekannt ist, die ein alkalisches Galvanikbad mit einer Anode und einer Kathode aufweist, deren Anode durch eine Ionenaustauschermembran von dem alkalischen Elektrolyten getrennt ist. Im Unterschied zu Merkmal 1.4 des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags ist aber der Elektrolyt kein alkalischer Zink-Nickel-Elektrolyt sondern ein Kupfer-Elektrolyt (Sp. 3, Z. 43 bis 48 i. V. m. Sp. 1 Z. 65 bis Sp. 2 Z. 9 und Sp. 6 Z. 41 bis 54 i. V. m. Fig. 1).
Auch die weiteren Druckschriften können die Neuheit nicht in Frage stellen. Aus N6 sind Galvanikbäder mit alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten ohne einer Ionenaustauschermembran bekannt (Anspruch 1 i. V. m. S. 3 Z. 26 bis 33). Die Druckschriften N2 bis N5 offenbaren zwar Galvanikbäder mit einer Anode und einer Kathode, deren Anode durch eine Ionenaustauschermembran abtrennt ist. Diese Galvanikbäder weisen aber keinen alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten, sondern einen saueren Elektrolyten auf (N2 Ansprüche 1 und 12 i. V. m. den Beispielen; N3 Anspruch 1; N4 Anspruch 1 i. V. m. den Beispielen; N5 Anspruch 1 i. V. m. Sp. 4 Z. 7 bis 11). Das Gleiche gilt für die Druckschriften N7 und N8. N7 befasst sich mit der Elektrolyse von Chromsäurebädern (S. 102 Abs. 3) und N8 mit der Abscheidung von Zink aus sauren Zinkchloridbädern (S. 98 Abs. 1 und S. 99 Experimental). N10 liegt noch weiter vom Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hauptantrag entfernt. Denn dort wird kein Galvanikbad, sondern eine kataphoretische Klarlackierung beschrieben.
b) Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags ergab sich für den Fachmann allerdings in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Wie einleitend im Streitpatent beschrieben, werden zur Abscheidung von Zink-Nickel-Überzügen gleichmäßiger Dicke nunmehr anstelle saurer Elektrolytbäder alkalische Zink-Nickel-Galvanikbäder eingesetzt. Solche alkalischen Zink-Nickel-Galvanikbäder sind aus der DE 37 12 511 A1 (N6) bekannt. Diese Bäder enthalten zwingend einen Zusatz von Aminen zur Komplexierung der ansonsten im alkalischen Medium unlöslichen Nickelionen und keinen Zusatz von aus Umweltschutzgründen unerwünschtem Cyanid (Streitpatent Abs. [0002, 0003, 0004] i. V. m. N6 Anspruch 1 und S. 3 Z. 15 bis 25). Der Betrieb solcher Bäder führt aber zu verschiedenen Problemen, die insbesondere mit dem Zusatz von Aminen auftreten. Sie zeigen nach einigen Stunden eine Farbänderung, die sich verstärkt und zur Ausbildung einer zweiten Phase führt. Dies ist auf eine Reaktion der Amine zurückzuführen, die in alkalischer Lösung an Nickelanoden zu Nitrilen umgesetzt werden (Streitpatent Abs. [0006, 0008]). Ausgehend von den in N6 beschriebenen alkalischen Zink-Nickel-Galvanikbäder mit dem Aminzusatz sucht der Fachmann diese Probleme zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist der Beklagten zwar zuzustimmen, dass es ausgehend von N6 zur Lösung dieser in der Streitpatentschrift geschilderten Probleme verschiedene Lösungswege gibt (vgl BGH GRUR 2010, 123 Tz. 50, 51 - Escitalopram). Der Fachmann wird aber, wie im Streitpatent eingangs geschildert, nicht in erster Linie an eine Verbesserung der Abwasserreinigung oder eine kontinuierliche Badreinigung oder häufigen Badaustausch denken (Abs. [0006, 0007]), sondern im Hinblick auf sein Fachwissen versuchen, die durch eine Reaktion von Zusatzstoffen, insbesondere hier der Amine, die an der Anode gebildete, den Galvanikprozess störende zweite Phase zu verhindern (Abs. [0008]). Der Fachmann wird sich darüber informieren, ob dieses Problem auch bei anderen alkalischen Galvanikbädern auftritt. Der Fachmann ist sich zwar bewusst, wie die Beklagte auch durch Vorlage des Parteigutachtens (KSVR 9) vorträgt, dass die Verhältnisse von Galvanikbädern zur Abscheidung anderer Metalle als Zink und Nickel nicht ohne weiteres auf alkalische Zink-Nickel-Galvanikbäder übertragbar sind. Er wird aber nicht außer Acht lassen, dass aus der die Abscheidung von Kupferionen betreffenden Druckschrift N1 bekannt ist, dass das dort beschriebene Verfahren zur Abscheidung von Kupfer auch bei einem alkalischen Bad erfolgen kann und nur sinnvoll ist, wenn dem Bad Additive zugefügt werden, insbesondere wenn diese durch eine anodische Oxidation zerstört werden (Abstract, Sp. 3 Z. 43 bis 47). Genau dies ist bei dem als Ausgangspunkt für die Lösung des Problems zugrunde zulegenden in N6 beschriebenen alkalischen Zink-Nickel-Bad der Fall. Bei N1 wird das Problem dadurch gelöst, dass die Anode vom Elektrolysebad durch eine Ionenaustauschermembran abgetrennt wird, die den Durchtritt von organischen Additiven aus der alkalischen Badlösung zum Anodenraum und damit deren Reaktion an der Anode verhindert (Anspruch 1, Sp. 1 Z. 65 bis Sp. 2 Z. 9). Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten wird in N1 auch nicht beiläufig ein alkalisches Galvanikbad erwähnt, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Verfahren gemäß N1 bei verschiedenen Kupferbädern einschließlich sauren und alkalischen Bädern durchgeführt werden kann (Sp. 3 Z. 43 bis 47). Der Fachmann wird daher trotz der zugegebenen Problematik durch eventuelles Zusetzen der Membran mit Hydroxidablagerungen in einem alkalischen Bad, den in N1 gelehrten Lösungsweg nicht von vorneherein außer Acht lassen, sondern er erhält damit ausgehend von N6 von N1 die Anregung auch bei einem alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten ein alkalisches Galvanikbad bereitzustellen, bei dem die Anode von dem alkalischen Elektrolyten durch eine Ionenaustauschermembran getrennt ist. Der Fachmann braucht dann nichts weiter tun, als zu klären, ob diese Problemlösung - das Vorsehen einer Ionenaustauschermembran - auch im Fall eines alkalischen Galvanikbades zum Aufbringen von Zink-Nickel-Überzügen verwendbar ist.
6. Auch die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 der Fassung der Hilfsanträge I bis III sind nicht bestandsfähig.
Die jeweiligen Ansprüche 1 dieser Anträge sind nämlich unzulässig erweitert.
a) Im Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist das zusätzliche Merkmal, dass als Anolyt ein nicht alkalischer Anolyt eingesetzt wird, eingefügt. Dies soll nach den Angaben der Beklagten aus Abs. [0009] i. V. m. [0015] des Streitpatents abzuleiten sein. In diesen Absätzen wird aber lediglich beschrieben, aus welchem Material Anoden bestehen können. Dass aber der Anolyt nicht alkalisch sein soll, ist in der gesamten Streitpatentschrift nicht beschrieben, zumal in [0009] auf die Verwendung von Nickelanoden im alkalischen Elektrolyten hingewiesen wird. Als bevorzugte Ausgestaltung wird in Abs. [0015] als Anolyt beispielsweise Schwefel- und Phosphorsäure eingesetzt. Gerade auch im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung wird der fachkundige Leser diesen Hinweis nicht dahingehend mitlesen oder deuten oder ohne weiteres Nachdenken verallgemeinern, dass ein nichtalkalischer Anolyt eingesetzt wird. Dieses Merkmal ist damit in den dem Streitpatent zugrunde liegenden Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig offenbart (vgl BGH GRUR 2009, 382 Tz. 25, 29 - Olanzapin, GRUR 2010, 123 Tz. 31, 32 - Escitalopram).
b) Der Anspruch 1 des Hilfsantrags II ist gegenüber dem Hauptantrag durch das Merkmal, dass Anoden eingesetzt werden, die im Basischen, nicht jedoch im Sauren löslich sind, eingeschränkt. Diese Formulierung findet sich nicht im Streitpatent und auch nicht im Abs. [0015], wie die Beklagte geltend macht. Aus diesem Absatz lässt sich lediglich ableiten, dass als Anodenmaterial übliche Anoden, wie z. B. platinierte Titan-Anoden in Frage kommen, da diese nicht mehr dem basischen Zink-Nickelbad ausgesetzt sind. Im Streitpatent wird lediglich über die Löslichkeit von Nickelanoden ausgeführt, dass diese im Basischen nicht löslich sind und durch die Trennung der Anode durch eine Ionenaustauschermembran die Reaktion der Amine an der Nickelanode vermieden wird (Abs. [0009, 0011 und 0012]). Ob nun Anoden eingesetzt werden sollen, die im Basischen, nicht jedoch im Sauren löslich sind, lässt sich daher der Streitpatentschrift nicht entnehmen.
c) Im Hilfsantrag III wurde der Hauptanspruch durch das zusätzliche Merkmal, dass als Anolyt eine Säure, beispielsweise Schwefel- oder Phosphorsäure eingesetzt wird, unzulässig erweitert. Im Absatz [0015] findet sich lediglich die Formulierung, dass als Anolyt beispielsweise Schwefel- oder Phosphorsäure eingesetzt werden können. Eine Verallgemeinerung dieser Formulierung, d. h. dass eine Säure eingesetzt wird, ist der gesamten Streitpatentschrift nicht entnehmbar und kann auch nicht mitgelesen werden.
Basis für eine von der Beklagten so bezeichnete „Zwischenoffenbarung“ der zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge I, II und III, wie die Beklagte unter Verweis auf BGH GRUR 2009, 835 - Crimpwerkzeug II und BGH GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II geltend macht, können die Angaben in der Streitpatentschrift nicht bilden, nachdem eine allgemeine Offenbarung für eine bestimmte Ausführungsform - den Anolyten oder die Anode - im Sinne dieser BGH-Rechtsprechung dem Streitpatent nicht zu entnehmen ist.
7. Die von der Beklagten hilfsweise gemäß Hilfsantrag IV verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 bis 3 erweist sich dagegen als bestandsfähig.
a) Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags IV ist durch das Merkmal, dass das Bad Schwefelsäure, Phosphorsäure, Methansulfonsäure, Amidosulfonsäure und/oder Phosphonsäure als Anolyt aufweist, beschränkt. Dieses Merkmal lässt sich aus dem Anspruch 3 des Streitpatents ableiten. Der Patentanspruch 1 basiert damit auf den Patentansprüchen 1 und 3 i. V. m. Absatz [0015] und [0017] der Streitpatentschrift, die auf die Patentansprüche 1 und 3 sowie S. 3 Abs. 6 und S. 4 Abs. 2 der Erstunterlagen zurückgehen.
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV ist auch so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.
Die Klägerin hat bemängelt, dass ein Fachmann ein alkalisches Galvanikbad, das eine der im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags IV genannten Säuren als Anolyt aufweist, nicht ausführen könne, da ein solches Galvanikbad nicht alkalisch sei. Dem ist zu widersprechen. Denn in der Beschreibung des Streitpatents wird eindeutig beschrieben, dass das beanspruchte alkalische Galvanikbad ein alkalisches Zink-Nickel-Bad als die Kathode umgebenden Katholyt aufweist, wogegen der Anolyt eine dieser Säuren sein kann (vgl Streitpatent Abs. [0015, 0017] i. V. m. Anspruch 3). Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist damit ausführbar offenbart.
8. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV ist auch patentfähig.
a) Der Gegenstand in der Fassung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags IV ist neu, denn er wird in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften vorbeschrieben.
Wie bereits vorstehend erläutert, ist bereits ein Galvanikbad gemäß den Merkmalen 1.1 bis 1.4 in der Fassung des Hauptantrags in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften vorbeschrieben. Dies ist dann selbstverständlich auch bei dem Galvanikbad in der Fassung des Hilfsantrags IV mit dem zusätzlichen Merkmal
1.5 und das Bad Schwefelsäure, Phosphorsäure, Methansulfonsäure, Amidosulfonsäure und/oder Phosphonsäure als Anolyt aufweist,
der Fall.
b) Der Gegenstand in der Fassung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags IV beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zur Lösung der technischen Aufgabe, ein alkalisches Zink-Nickel-Galvanikbad zu schaffen, welches kostengünstig unter Vermeidung der im Streitpatent geschilderten Probleme Zink-Nickel-Beschichtungen von hoher Qualität liefert, konnte der Fachmann, wie vorstehend für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags dargelegt, von einer Zusammenschau der Druckschriften N6 mit N1 ausgehen, die ein alkalisches Zink-Nickel-Galvanikbad mit den Merkmalen 1.1 bis 1.4 nahelegt. In diesen Druckschriften findet sich aber kein Hinweis, wie bei einem alkalischen Galvanikbad, bei dem die Anode durch eine Ionenaustauschermembran gemäß Merkmal 1.4 getrennt ist, der Anolyt ausgestaltet werden soll. Auch der weitere Stand der Technik liefert keinen Hinweis auf eine besondere Ausgestaltung des von einem alkalischen Katholyten durch eine Ionenaustauschermembran abgetrennten Anolyten. Denn die Druckschriften N2 bis N5, N7 und N8 beschreiben Galvanikbäder mit sauren Katholyten, deren Anode durch eine Ionenaustauschermembran abgetrennt ist. Sie können daher bereits deshalb keine Anregung für die Ausgestaltung eines von einem alkalischen Katholyten durch eine Ionenaustauschermembran abgetrennten Anolyten liefern. Die durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV aufgefundene Lösung der eingangs geschilderten Aufgabe wird daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
9. Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV hat daher Bestand. Mit ihm haben die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 in der Fassung des Hilfsantrags IV, die vorteilhafte Ausführungsformen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen, ebenfalls Bestand.
II.
Der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht, da die von den Parteien für beweiserheblich gehaltenen Fragen in erster Linie rechtliche Bewertungen betreffen und der Senat zudem selbst über die erforderliche Sachkunde für die Beurteilung der betreffenden Fragen verfügt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.