Entscheidungsdatum: 15.03.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
…
betreffend das Patent DE 195 14 034
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 15. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth sowie der Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, Dr. Schuster und Dipl.-Chem. Dr. Münzberg
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 195 14 034 wird für nichtig erklärt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 13. April 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten und am 7. März 1996 erteilten deutschen Patents DE 195 14 034. Das Streitpatent betrifft eine „Brauereianlage“ und umfasst 13 Patentansprüche. Der unabhängige Patentanspruch 1 hat im Beschränkungsverfahren mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2009 folgende Fassung erhalten:
„1. Brauereianlage, insbesondere kleintechnische Anlage, bei der die Wasseraufbereitung, das Sudwerk (24), die Gär- und Lagertanks (22, 20) sowie sonstige für die Bearbeitung erforderlichen Einrichtungen in einem Schwimmkörper (10) angeordnet sind, wobei der Schwimmkörper ein Schiff ist, das mindestens einen Gastraum aufweist zum Ausschank des Bieres.“
Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 13, wegen der auf die geänderte Patentschrift DE 195 14 034 C5 verwiesen wird, betreffen besondere Ausgestaltungen der Brauereianlage nach Patentanspruch 1.
Die Klage richtete sich zunächst gegen das Patent in seiner erteilten Fassung. Nach Kenntnis von der Beschränkung haben die Klägerinnen erklärt, dass sie sich gegen das Patent in der beschränkten Fassung wenden.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, das Streitpatent sei in vollem Umfang für nichtig zu erklären (§ 22 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Sie führen aus, das Patent in der geltenden Fassung sei unzulässig erweitert, da der Begriff "Schwimmkörper" in den ursprünglichen Unterlagen nur für ein „angetriebenes Schiff“ oder einen „nicht angetriebenen Schwimmkörper“ verwendet werde, nicht aber für Schiffe aller Art wie im nunmehr geltenden Patentanspruch 1 vorgesehen. Auch sei das Patent gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die im erteilten Patentanspruch 1 beschriebene Brauereianlage sei nicht neu gegenüber K2 bzw. K4/K5/K6, da die betreffenden Anlagen sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aufwiesen. Insbesondere sei bei diesen Anlagen auch ein Sudwerk vorhanden, da in diesen Anlagen das Kochen von Bierwürze vorgesehen sei. Eine Brauereianlage mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 beruhe außerdem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil der Fachmann ausgehend von K3, der ein vollständiges Sudwerk fehle, sich den Erfordernissen der Erlebnisgastronomie anpasse und durch K7 bzw. K8 dazu angeregt werde, eine Brauerei einschließlich eines kompletten Sudwerks auf einem Schiff einzurichten. Ein Vorurteil gegen eine solche Verwendung habe nicht überwunden werden müssen. Die zusätzlichen Merkmale im Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 stellten lediglich einfache technische Maßnahmen dar.
Zur Begründung beziehen sich die Klägerinnen insbesondere auf folgende Dokumente:
K1 DE 195 14 034 C1
K1a DE 195 14 034 C5 (Streitpatent),
K2 “Fabrikschiffe - Geld vom Senat”, “Der Spiegel” vom 21. Dezember 1970 , S. 50,
K3 DE 2 060 019 A1,
K4 P. Moynihan, Brewery History Society Journal, 1988, No. 52, S. 14 bis 17,
K5 O. Morris, The Brewer, November 1992, S. 497 bis 499,
K6 „Zum Durst auf den Weltmeeren“, Jahrbuch 1970 der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens E.V., S. 100/101,
K7 EP 0 087 139 A2,
K8 Pressetext des Brauhauses Joh. Albrecht in Hamburg anlässlich der Eröffnung des Brauhauses Joh. Albrecht am 21. Februar 1991, S. 28 bis 34,
K9 E-mail von Herrn Jürgen Stegmüller der JBT GmbH (Hersteller kleintechnischer Brauereianlagen wie im Brauhaus Joh. Albrecht verwendet) vom 14. Dezember 2009,
K10 Schreiben des Hauptzollamts Hamburg-St. Annen vom 20. Juni 1991 bzgl. der Anmeldung der Gasthausbrauerei Joh. Albrecht,
K11 Kopie eines Ausdruckes aus „Publikationen des Deutschen Patent- und Markenamtes“ betreffend das Streitpatent DE 195 14 034 C1
K12 Merkmalsanalyse des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen.
K13 Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 3. Band, 1987, F.A. Brockhaus GmbH, Mannheim, S. 630, Stichwort „Brauerei“
K14 Auszug aus Wikipedia zum Stichwort „Kardanische Aufhängung“ vom 26. 01. 2011.
K15 Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 11. Band, 1990, F.A. Brockhaus GmbH Mannheim, Stichwort „kardanische Aufhängung“.
Die Klägerinnen stellen den Antrag,
das deutsche Patent 195 14 034 für nichtig zu erklären.
Der Beklagte verteidigt das Streitpatent im Umfang des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 und beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Hilfsanträge 1 und 2 gemäß Schriftsatz vom 14. Dezember 2010 erhält.
Im Umfang der Beschränkung des Streitpatents erklären die Parteien den Rechtsstreit insoweit vorsorglich teilweise für erledigt, und stellen wechselseitige Kostenanträge.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
"1. Brauereianlage, insbesondere kleintechnische Anlage, bei der die Wasseraufbereitung, das Sudwerk (24), die Gär- und Lagertanks (22, 20) sowie sonstige für die Bearbeitung erforderlichen Einrichtungen in einem Schwimmkörper (10) angeordnet sind, wobei der Schwimmkörper ein Schiff ist, das mindestens einen Gastraum aufweist zum Ausschank des Bieres und wobei die lageempfindlichen Teile der Brauereianlage so gelagert sind, dass sie unabhängig von der Lage des Schwimmkörpers ihre Orientierung weitgehend beibehalten."
An den Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 an.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"1. Brauereianlage, insbesondere kleintechnische Anlage, bei der die Wasseraufbereitung, das Sudwerk (24), die Gär- und Lagertanks (22, 20) sowie sonstige für die Bearbeitung erforderlichen Einrichtungen in einem Schwimmkörper (10) angeordnet sind, wobei der Schwimmkörper ein Schiff ist, das mindestens einen Gastraum aufweist zum Ausschank des Bieres und dass das Sudwerk (24) von einer Wand (26) umgeben ist, die zumindest teilweise durchsichtig ist, und wobei die lageempfindlichen Teile der Brauereianlage so gelagert sind, dass sie unabhängig von der Lage des Schwimmkörpers ihre Orientierung weitgehend beibehalten."
An den Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 an.
Der Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen. Die erfinderische Tätigkeit beruhe auf der Einrichtung einer kompletten Brauerei mit vollständigem Sudwerk auf einem Schiff. Diese Merkmale seien im Stand der Technik nicht verwirklicht und es gebe auch keine Anregungen zu einem solchen Vorgehen. Das Streitpatent überwinde vielmehr das Vorurteil, dass eine Brauerei mit Sudwerk auf einem Schiff nicht realisierbar sei.
Der Beklagte stützt sich auf folgendes, in der mündlichen Verhandlung überreichte Dokument:
„Übersicht Bierbrauprozess“
I.
Die auf die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung sowie mangelnder Patentfähigkeit (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 PatG) gestützte Klage ist zulässig. Insoweit kann dahinstehen, ob der Klageantrag so auszulegen ist, dass er sich gegen das Streitpatent in der geltenden Fassung richtet, eine nach § 264 Nr. 2 ZPO eine weitere statthafte Klageänderung vorliegt oder eine Teilerledigung eingetreten ist, die die Zulässigkeit der Klage insgesamt nicht in Frage stellt. Diesbezüglich haben die Parteien vorsorglich entsprechende Teilerledigungserklärungen abgegeben.
Die Klage erweist sich auch als begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da sich die gemäß Haupt- und Hilfsanträgen verteidigte Fassung mangels erfinderischer Tätigkeit (§ 22 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 PatG) als nicht patentfähig erweist. Das Streitpatent war deshalb für nichtig zu erklären.
1. Das Streitpatent betrifft eine Brauereianlage, die auf einem Schwimmkörper angeordnet ist (vgl. K1, Sp. 1, Z. 35 bis 39 i. V. m. Patentanspruch 1). Kleintechnische Brauereianlagen werden wie großtechnische Anlagen erstellt, in einem Gebäude montiert und verrohrt. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, alle für die Bierherstellung erforderlichen Anlagenteile einer solchen Anlage in einem geschlossenen, begehbaren Container zu installieren. Auf diese Weise kann die gesamte Brauerei an jedem beliebigen Ort aufgestellt werden, wobei die einzelnen Container lediglich aneinander angeschlossen werden müssen, um die Anlage betriebsbereit zu machen. Der Betrieb einer solchen Anlage erfordert allerdings nicht nur langwierige behördliche Genehmigungsprozeduren, sondern auch den kostspieligen und problematischen Erwerb geeigneter Grundstücke sowie die Bereitstellung geschulten Personals am jeweiligen Produktionsstandort (vgl. K1, Sp. 1, Z. 6 bis 29).
2. Vor diesem Hintergrund ist die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive Aufgabe darin zu sehen, eine komplette Brauerei auf einem Schiff zu installieren (vgl. K1, Sp. 1, Z. 30 bis 32 und 44 bis 58).
3. Diese Aufgabe wird gemäß Hauptantrag durch die Bereitstellung einer Brauereianlage nach Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen gelöst:
1. Brauereianlage, insbesondere kleintechnische Anlage, bei der
2. die Wasseraufbereitung,
3. das Sudwerk,
4. die Gär- und Lagertanks sowie
5. sonstige für die Bearbeitung erforderlichen Einrichtungen
6. in einem Schwimmkörper angeordnet sind,
7. wobei der Schwimmkörper ein Schiff ist,
8. das mindestens einen Gastraum zum Ausschank des Bieres aufweist.
4. Für die Beurteilung ist im vorliegenden Fall ein Team aus einem im Brauereiwesen tätigen Ingenieur und einem Schiffsbauingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung maßgeblich (vgl. BGH GRUR 2010, 123, 125 [27] - Escitalopram).
II.
1. Die vom Beklagten gemäß Hauptantrag verteidigten und nach dem Beschränkungsverfahren aufrecht erhaltenen Patentansprüche 1 bis 13, sind aus den ursprünglichen sowie den erteilten Unterlagen ableitbar. Der Patentanspruch 1 geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 3 und 8 sowie die Angaben auf Seite 3, erster und zweiter Absatz der Erstunterlagen bzw. auf die erteilten Patentansprüche 1, 2, 3 und 8 sowie auf die Angaben in Spalte 1, Zeile 39 bis 43 zurück. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 13 bzw. den erteilten Patentansprüchen 2 bis 13. Auch die Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sind aus den ursprünglichen sowie den erteilten Unterlagen ableitbar. Im 1. Hilfsantrag wurden in den Patentanspruch 1 lediglich die Merkmale des Patentanspruchs 13 nach Hauptantrag aufgenommen und in den Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags die Merkmale der Patentansprüche 9 und 13 nach Hauptantrag, wobei die Patentansprüche 9 und 13 nach Hauptantrag den ursprünglichen Ansprüchen 9 und 13 bzw. den erteilten Patentansprüchen 9 und 13 entsprechen.
Das Streitpatent geht auch nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten sowie der erteilten Fassung hinaus. Die im jeweiligen Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen enthaltene Definition des Schwimmkörpers als Schiff findet sich in dieser Form - wie von den Klägerinnen zutreffend festgestellt wurde - zwar weder in den ursprünglichen noch in den erteilten Unterlagen. Allerdings wird der „Schwimmkörper“ darin jeweils nicht nur als ein von einem Schiff oder Schlepper geschleppter Schwimmkörper beschrieben, sondern auch als ein „angetriebenes Schiff“, das vorzugsweise seetüchtig ist (vgl. Erstunterlagen, S. 3, erster Abs.; Streitpatent, Sp. 1, Z. 39 bis 43). Demzufolge steht der in den ursprünglichen bzw. erteilten Unterlagen definierte Begriff „Schwimmkörper“ sowohl für seetüchtige Schiffe, als auch für solche die nicht seetüchtig sind und damit für alle Arten von Schiffen. Die Gleichstellung des im jeweiligen Patentanspruch 1 genannten Schwimmkörpers mit Schiffen aller Art verlässt daher den Sinngehalt der ursprünglichen Offenbarung nicht (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. § 34 Rdn. 333, Nr. 1). Der Gegenstand des Streitpatents geht damit weder über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung noch über den Inhalt der erteilten Fassung hinaus.
2. Die Brauereianlage wie im Patentanspruch 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 und 2 beansprucht erweist sich als nicht patentfähig, weil ihre Bereitstellung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Es kann im Ergebnis daher dahingestellt bleiben, ob es sich - wie von den Klägerinnen vorgetragen wurde - bei einer auf einem Schiff vorgesehenen Kombination von Gastronomie und Brauerei um eine von der Patentierung ausgeschlossene Geschäftsidee für die Erlebnisgastronomie handelt oder um eine technische Lehre im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG.
2.1. Die Neuheit des Gegenstands nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist war gegeben.
Aus den Angaben in der Beschreibung des Streitpatents geht hervor, dass das im Patentanspruch 1 unter Merkmal 3 genannte Sudwerk aus einer Würz- und Maischepfanne besteht (vgl. K1, Sp. 2, Z. 6 bis 12 und 52 bis 55). Eine Schiffsbrauerei mit einem solchen Sudwerk, die zudem die übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 erfüllt, wird von keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbart.
Dies gilt auch für die von den Klägerinnen als neuheitsschädlich erachtete Druckschrift K2 bzw. das Anlagenkonvolut K4/K5/K6. In der K2 wird zwar eine schwimmende Brauerei als „Bierdampfer“ umschrieben und damit auf eine Brauerei an Bord eines Schiffes hingewiesen, auf dem das gebraute Bier in einem Gastraum ausgeschenkt wird (vgl. K2, S. 50, re. Sp., letzter Abs.). Ob die auf dem „Bierdampfer“ der K2 installierte Brauereianlage allerdings über eine Wasseraufbereitung, ein Sudwerk sowie Gär- und Lagertanks entsprechend den Merkmalen 2 bis 4 des geltenden Patentanspruchs 1 verfügt, ist den allgemeinen Angaben in der K2 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Im Anlagenkonvolut K4/K5/K6 wird von der „Menestheus“ berichtet, einem Schiff das die britische Marine gegen Ende des zweiten Weltkrieges zu einer schwimmenden Brauerei umgebaut hat, um die im Pazifik stationierten Truppen mit Bier zu versorgen (vgl. K6, S. 100, erster Abs.). Das Maischen wurde den Angaben in der K4 zufolge allerdings an Bord der „Menestheus“ nicht durchgeführt (vgl. K4, S. 14, dritter Abs., letzter Satz). Dieser Vorgang wurde durch die Verwendung eines an Land gewonnenen Malzextraktes ersetzt, aus dem in einer Würzpfanne zusammen mit Hopfenkonzentrat die Stammwürze erzeugt wurde (vgl. K4, S. 16, letzter Abs.). Der Betrieb eines patentgemäßen Sudwerks mit Würz- und Maischepfanne war auf der „Menestheus“ daher nicht erforderlich (vgl. K5, S. 498, re. Sp., zweiter Abs.). Damit offenbart auch das Anlagenkonvolut K4/K5/K6 keine Schiffsbrauerei mit dem patentgemäßen Merkmal 3.
In der K3 wird zwar eine auf einem Schiff angeordnete Vorrichtung zur Herstellung von Bier beschrieben (vgl. K3, Ansprüche 1 und 3). Die Herstellung des Bieres erfolgt in dieser Brauerei allerdings ohne Sudwerk, da für den Brauvorgang ein flüssiges Bierwürze-Konzentrat verwendet wird (vgl. K3, S. 4/5, seitenübergreifender Abs.). Folglich wird die patentgemäße Schiffsbrauerei mit Sudwerk auch durch die K3 nicht neuheitsschädlich getroffen.
Die Druckschrift K7 sowie das Anlagenkonvolut K8/K9/K10 betreffen jeweils eine Brauereianlage, die sich an Land und nicht an Bord eines Schiffes befinden. Schon aus diesem Grund ist keine dieser Druckschriften in der Lage, die Neuheit der patentgemäßen Brauereianlage in Frage zu stellen.
2.2 Die vorangegangenen Ausführungen gelten für den Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 entsprechend, da die darin beschriebene Brauereianlage nach wie vor die Merkmale 1 bis 8 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag aufweist.
2.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Um zu der im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag genannten Lösung der patentgemäßen Aufgabe zu gelangen, konnte der Fachmann von der K5 ausgehen, in der davon berichtet wird, dass die britische Marine während des zweiten Weltkrieges für ihre Truppen ein sog. „Vergnügungsschiff“ plante, auf dem sich neben einem Kino, einem Restaurant und Geschäften u. a. auch eine Brauerei befinden sollte (vgl. K5, S. 498, li. Sp., vorletzter Abs.). Nachdem Fachleute den Betrieb einer Brauerei an Bord eines Schiffes für technisch realisierbar erachtet hatten, ließ die britische Marine eines ihrer Schiffe - die „Menestheus“ - zu einer voll funktionsfähigen Brauerei umbauen (vgl. K5, S. 498, li. Sp., letzter Abs. und re. Sp., erster bis dritter Abs.). Die für eine Ausstoßmenge von 50 barrels pro Tag konzipierte Brauereianlage wurde in einem Laderaum des Schiffes untergebracht (vgl. K5, S. 498, re. Sp., erster und dritter Abs.). Im Zusammenhang mit der Dimensionierung der Brauereianlage stellt der Autor der K5 allerdings fest, dass das Maischen auf dem Schiff offensichtlich nicht möglich war (vgl. K5, S. 498, re. Sp., zweiter Abs., zweiter und dritter Satz) und daher die Stammwürze aus an Land gewonnenen Malz- und Hopfenextrakten auf der „Menestheus“ in einem einstufigen Sudvorgang hergestellt werden musste (vgl. K5 S. 498, re. Sp., zweiter Abs.). Daraus zieht der Fachmann den Schluss, dass der auf der „Menestheus“ für die Brauereianlage vorgesehene Platz nicht ausreichend war, um ein Sudwerk mit Maisch- und Würzepfanne unterzubringen. Diese Schlussfolgerung zu ziehen war er umso mehr angehalten, als ihm aus der K6, die sich ebenfalls mit dem Brauereischiff „Menestheus“ befasst, zudem bekannt ist, dass auf den im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Kriegsschiffen bereits die Lagerung des Bieres wegen des herrschenden Platzmangels zu ernsthaften Problemen geführt hat (vgl. K6, S. 101, zweiter Abs.). Hinweise dafür, dass - wie vom Beklagten vermutet - technische Probleme der Grund dafür waren, dass an Bord der „Menestheus“ auf das Maischen verzichtet worden ist, fehlen dagegen in diesen Berichten. In der K6 wird vielmehr darauf hingewiesen, dass durch den Umbau der „Menestheus“ für das Brauwesen wichtige technische Entwicklungen ausgelöst worden sind (vgl. K6, S. 101, erster Abs.). Wären jedoch für die Bierherstellung an Bord der „Menestheus“ erst noch technische Probleme zu überwinden gewesen, hätten sich die Fachleute zunächst auf die Lösung dieser Probleme konzentrieren müssen, um das Projekt der britischen Marine zeitnah abschließen zu können. Da derartige Probleme augenscheinlich nicht bestanden, konnten sich die Experten mit der Weiterentwicklung des Brauverfahrens befassen und so letztendlich die Erzeugung von sog. „Keg-Bier“ ermöglichen (vgl. K6, S. 101, erster Abs., letzter Satz). Der Fachmann entnimmt der K5 somit, dass auf der „Menestheus“ zwar ein verfahrenstechnisch autonomer Brauereibetrieb vorgesehen war, dieser aber aufgrund von Platzproblemen nach wie vor von einer an Land durchgeführten Würzeherstellung abhängig war.
Da sich in der Zeit von 1944 bis zu dem für das Streitpatent relevanten Zeitpunkt nicht nur die Dimensionen von Schiffen verändert haben, die wie die „Menestheus“ mit diversen Einrichtungen zur Unterhaltung der Passagiere ausgestattet sind, sondern auch die Dimensionen von Brauereianlagen, wird der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, eine komplette Brauereianlage auf einem Schiff zu installieren (vgl. Abschnitt I., Punkt 2.), bei seiner Suche nach einer Lösung neben der Druckschrift K5/K6 auch aktuelleren Stand der Technik berücksichtigen und dabei auf die mit einer Brauereianlage befasste K7 stoßen. Darin findet sich der Hinweis, dass sämtliche Anlagenteile einer Brauerei wie Wasseraufbereitung, ein aus Maisch- und Würzpfanne bestehendes Sudwerk, Gär- und Lagertanks sowie die sonstigen für die Bierherstellung erforderlichen Einrichtungen als kompakte Einheiten in Containern vorgefertigt werden können (vgl. K7, Anspruch 1 i. V. m. S. 3, zweiter und dritter Abs. i. V. m.). Eine solche Anlage ermöglicht somit eine in ihrem technischen Ablauf autonome Bierproduktion, wie sie auch für die patentgemäße Brauereianlage beabsichtigt ist (vgl. K1, Sp. 1, Z. 22 bis 32).
Angesichts dessen, dass mit der „Menestheus“ bereits eine schwimmende Brauerei verwirklicht worden ist und aus der K7 eine in kompakte Einheiten zerlegbare Brauereianlage mit allen für die Bierherstellung wichtigen Einrichtungen - einschließlich einem Sudwerk mit Würz- und Maischepfanne - bekannt ist, liegt es für den Fachmann nahe, eine vollständige Brauereianlage mit Sudwerk wie in K7 beschrieben auch zur Installation auf einem Schiff in Betracht zu ziehen. Technische Hindernisse - wie sie der Beklagte zwar geltend gemacht, aber nicht belegt hat - musste der Fachmann dabei nicht überwinden. Denn das einzige in der K5 angedeutete Problem, nämlich der fehlende Platz für das Maischen und Läutern an Bord der „Menestheus“, lässt sich durch die in der K7 beschriebene Brauereianlage aus kompakten Einheiten technisch ohne weiteres lösen. Die Bereitstellung einer Brauereianlage mit den patentgemäßen Merkmalen 1 bis 7 beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Der im Patentanspruch 1 unter dem Merkmal 8 genannte Gastraum zum Ausschank des Bieres vermag schon deshalb keine erfinderische Tätigkeit zu begründen, weil es sich bei einem Gastraum um ein nicht-technisches Merkmal handelt, welches zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe nichts beizutragen vermag und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben kann (vgl. BGH GRUR 2001, 730, 2. Ls. - Trigonellin; vgl. auch Benkhard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 4 Rn. 27). Im Übrigen verfügt die „Menestheus“ bereits über eine Bar zum Ausschank des an Bord gebrauten Bieres, so dass die Bereitstellung einer Brauereianlage nach Patentanspruch 1 auch bei Berücksichtigung des darin genannten Merkmals 8 nicht auf eine erfinderische Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. K5, S. 498, re. Sp., dritter Abs.).
2.4. Auch die vom Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 erweisen sich mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht bestandsfähig.
Der Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags entspricht dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags, mit der Ausnahme, dass das Merkmal des Patentanspruchs 13 nach Hauptantrag, wonach die lageempfindlichen Teile der Brauereianlage so gelagert werden, dass sie unabhängig von der Lage des Schwimmkörpers ihre Orientierung beibehalten, in den Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags aufgenommen wurde. In den Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags wurde darüber hinaus noch das Merkmal des Patentanspruchs 9 gemäß Hauptantrag aufgenommen, wonach das Sudwerk der Brauereianlage von einer teilweise durchsichtigen Wand umgeben wird. Durch diese Beschränkungen hat sich gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag allerdings kein anderer Sachverhalt ergeben. Denn zum einen erfordert das Vorsehen einer kardanischen Lagerung von lageempfindlichen Teilen auf einem Schiff von einem Schiffsbauingenieur, der im vorliegenden Fall dem fachmännischen Team zuzurechnen ist (vgl. Abschnitt I, Punkt 4), keinesfalls erfinderisches Zutun. Zum anderen tragen, wie bereits vorstehend unter Abschnitt II., Punkt 2.3 ausgeführt, nicht-technische Merkmale zur Lösung der Aufgabe des Patents nichts bei, so dass sie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben können. Dies gilt folglich auch für die teilweise durchsichtige Wand mit der im Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags das Sudwerk umgeben wird, da sich durch deren Anbringung die technischen Eigenschaften der Brauereianlage nicht verändern (vgl. BGH GRUR 2001, 730, 2. Ls. - Trigonellin). Im Übrigen findet sich in der K7 der Hinweis, die verschiedenen technischen Einheiten einer Brauereianlage räumlich voneinander zu trennen und die einzelnen Räume u. a. mit Fenstern auszustatten (vgl. K7, S. 6, erster Abs.). Überlegungen erfinderischer Art sind folglich auch für die Bereitstellung einer Brauereianlage, wie im jeweiligen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 beschrieben, nicht erforderlich.
3. Entsprechend der Erklärung des Beklagten, er verstehe die Haupt- und Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze, fallen mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 auch die jeweiligen Unteransprüche. Im Übrigen sind die Unteransprüche nach dem 2. Hilfsantrag auch nicht erfinderisch. Bei diesen nachgeordneten Unteransprüchen 2 bis 11, die den erteilten Unteransprüchen 2 bis 8 und 10 bis 12 entsprechen, handelt es sich um für einen Schiffsbauingenieur naheliegende Maßnahmen bei der Installation einer Brauereianlage an Bord eines Schiffes (Ansprüche 2 bis 7 und 9) bzw. um eine für einen im Brauwesen tätigen Ingenieur übliche Ausgestaltung einer Brauereianlage (Ansprüche 8, 10 und 11).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.