Entscheidungsdatum: 22.11.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 152 755
(DE 600 00 133)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richterin Dipl. Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Schell sowie der Richterin
Dipl.-Chem. Dr. Münzberg
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 152 755 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend eine Mischung aus Eicosapentaensäureethylester (EPA) und Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der Gehalt an EPA + DHA in solch einer Mischung von 85 Gew.% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich dient.
2. Verwendung von Anspruch 1, worin das Medikament nützlich ist zur Verhinderung der Sterblichkeit aufgrund plötzlichen Todes bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat.
3. Verwendung gemäß Anspruch 1, worin das EPA/DHA-Verhältnis in der EPA + DHA-Mischung 0,9/1,5 ist.
4. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend Eicosapentaensäureethylester (EPA) oder Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der EPA- oder DHA-Gehalt 85 Gew.% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich dient.
5. Verwendung gemäß Anspruch 5, worin das Medikament nützlich ist zur Verhinderung der Sterblichkeit aufgrund plötzlichen Todes bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 3 Millionen € festgesetzt.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 152 755 (Streitpatent), das unter Inanspruchnahme einer italienischen Priorität vom 17. Februar 1999 (MI990313) am 7. Februar 2000 angemeldet wurde. Das in der Verfahrenssprache Englisch erteilte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 600 00 133 geführt wird, trägt die Bezeichnung "Essential Fatty Acids in the Prevention of Cardiovascular Events" und umfasst in der erteilten Fassung 9 Patentansprüche. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 haben in der Amtssprache Deutsch folgenden Wortlaut:
„1. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend eine Mischung aus Eicosapentaensäureethylester (EPA) und Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments, das nützlich ist zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten,
der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der Gehalt an EPA + DHA in solch einer Mischung größer als 25 Gew.-% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung dient.“
„7. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend Eicosapentaensäureethylester (EPA) oder Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments, das nützlich ist zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der EPA- oder DHA-Gehalt größer als 25 Gew.-% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung dient.“
Hinsichtlich des Wortlauts der auf die Patentansprüche 1 und 7 direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 9 in der erteilten Fassung wird auf die Patentschrift EP 1 152 755 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an und macht hierzu geltend, der Gegenstand des Streitpatents in den verteidigten Fassungen gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei zudem so unklar formuliert, dass nicht erkennbar sei, wann ein Medikament von der Lehre des Streitpatents erfasst werde bzw. wann nicht. In jedem Fall sei der Gegenstand des Streitpatents infolge mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Zur Begründung verweist die Klägerin auf folgende Druckschriften:
BM 1 EP 1 152 755 B1 (Streitpatent)
BM 1A WO 00/48592 A1
BM 1T DE 600 00 133 T2
BM 2 US 5 698 594 A
BM 3 Swahn, E. et al., Clin. Drug. Invest., 1998, 15, S. 473 bis 482
BM 4 Sirtori, C. R. et al., Atherosclerosis, 1998, 137, S. 419 bis 427
BM 5 WO 87/03899 A1
BM 6 WO 89/11521 A1
BM 7 Smith, P. et al., Thrombosis Research, 1989, 53, S. 467 bis 474
BM 8 Burr, M. L. et al., The Lancet, 1989, S. 757 bis 761
BM 9 US 5 760 081 A
BM 10 Charnock, J. S. et al., Molecular and Cellular Biochemistry, 1992, 116, S. 19 bis 25
BM 11 Repertorio Farmaceutico Italiano (REFI), 1998, Farmindustria - Associazione Nazionale dell'Industria Farmaceutica, CEDOF EDITORE - MILANO: „SEACOR“
BM 12 Guide pratique des Médicaments (Ed: Ph. Dorosz), 1998, Maloine Paris, S. 876 - „MAXEPA“
BM 13 Merkmalsanalyse
BM 14 Burr, M. L. et al., European Heart Journal, 1989, 10, S. 558 bis 567
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 152 755 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags gemäß Schriftsatz vom 29. Juli 2011 erhält, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des im Termin der mündlichen Verhandlung übergebenen neuen Hilfsantrags 1,
weiter hilfsweise des Hilfsantrags 2 gemäß Schriftsatz vom 29. Juli 2011 erhält.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 des Hauptantrags lauten:
„1. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend eine Mischung aus Eicosapentaensäureethylester (EPA) und Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der Gehalt an EPA + DHA in solch einer Mischung 80-100 Gew.% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich basierend auf einem Titer von 85 Gew.% dient.“
„5. Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend Eicosapentaensäureethylester (EPA) oder Docosahexaensäureethylester (DHA), zur Herstellung eines Medikaments, zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat, worin der EPA- oder DHA-Gehalt 80-100 Gew.-% ist; und das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich basierend auf einem Titer von 85 Gew.% dient.“
Die Patentansprüche 2 bis 4 und 6 gemäß Hauptantrag entsprechen den Patentansprüchen 2, 4, 6 und 8 der erteilten Fassung
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 des 1. Hilfsantrages unterscheiden sich von den entsprechenden Patentansprüchen 1 und 5 gemäß Hauptantrag jeweils darin, dass
„das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 1 g täglich basierend auf einem Titer von 85 Gew.% EPA + DHA dient“
Im Übrigen entsprechen die weiteren Patentansprüche jenen des Hauptantrages.
Der 2. Hilfsantrag entspricht Ziffer I des Urteilstenors.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie ist der Ansicht, das Streitpatent weise in den verteidigten Fassungen keine unzulässige Erweiterungen auf und sei gegenüber dem Stand der Technik patentfähig.
Zur Begründung ihres Vorbringens verweist die Beklagte auf folgende Druckschriften:
WW1 „n-3 Fatty Acids: Prevention and Treatement in Vascular Disease“ Ed.: S. D. Kristensen, E. B. Schmidt, R. De Caterina, S. Endres, Bi & Gi Publishers, Verona - Springer Verlag, London, 1995, S. 217 bis 226
WW2 Lawson, L. D. und Hughes, B. G., Biochem. Biophys. Res. Commun., 1988, S. 328 bis 335
WW3 GISSI-Prevenzione Investigators (Correspondance to: Dr. Roberto Marchioli), The Lancet, 1999 (August 7), 354, S. 447 bis 455
WW4 Macchia, A. et al., The European Journal of Heart Failure, 2005, 7, S. 904 bis 909
WW5 Zusammenfassung der Produktcharakteristika von „Omacor 1000 mg, capsule, soft“ vom 7. November 2007
WW6 EP 0 228 314 A2
WW7 Pfeffer, M. A. et al., JACC, 1999 (January), 33, S. 125 bis 130
WW8 Morns, M. C. et al., American Journal of Epidemiology,1995, 142, S. 166 bis 175
WW9 Nilsen, D. W. T. et al., Am. J. Clin. Nutr., 2001, 74, S. 50 bis 56
WW10 Den Ruijter, H. M. et al., Cardiovascular Research, 2007, 73, S. 316 bis 325
WW11 Rupp, H., Adv. Ther., 2009, 26, S 675 bis 690
Die Klage, mit der die in Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a und c EPÜ i. V. m. Artikel 54 Abs. 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung geltend gemacht werden, ist zulässig und teilweise begründet.
Soweit die Beklagte das Streitpatent nur noch in beschränkter Fassung verteidigt, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 131). Die weitergehende Klage hat lediglich insoweit Erfolg, als sie zur Nichtigerklärung des Streitpatents in den verteidigten Fassungen nach Hauptantrag und 1. Hilfsantrag führt. Als erfolglos erweist sich die Klage dagegen im Hinblick auf die Fassung nach dem 2. Hilfsantrag, da der Gegenstand des Streitpatents in dieser Fassung neu ist, auf erfinderischer Tätigkeit beruht und keine unzulässige Erweiterung enthält.
1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung essentieller Fettsäureester, die (20:5?-3) Eicosapentaensäureethylester (EPA) und/oder (22:6?-3) Docosahexaensäureethylester (DHA) enthalten, zur Verhinderung der Sterblichkeit von Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben (vgl. Streitpatent BM 1 S. 2 Abs. [0001] i. V. m. Patentansprüchen 1 und 5 gemäß Hauptantrag).
Bestimmte essentielle, in Fischölen enthaltene Fettsäuren, und unter diesen insbesondere die zur ?-3-Familie gehörenden (20:5?-3) Eicosapentaensäure (EPA) und (22:6?-3) Docosahexaensäure (DHA), seien - wie im Streitpatent unter Hinweis auf den Stand der Technik einleitend ausgeführt wird - bei der Verhinderung und Behandlung kardiovaskulärer Störungen, wie Thrombosen, Hypercholesterinämie, Arteriosklerose, Hirninfarkt und Hyperlipämien, therapeutisch wirksam. Dabei weise die Eicosapentaensäure (EPA) eine plättchenaggregationshemmende und antithrombotische Wirkung auf. Zugeschrieben werde diese Wirkung einer Inhibierung der Cyclooxygenase und/oder der Konkurrenz mit Arachidonsäure um dieses Enzym. Hierbei handle es sich um Reaktionen, die eine verringerte Produktion der zu einer vermehrten Plättchenaggregation führenden Faktoren Prostaglandin E2 (PGE2) und Thromboxan A2 (TxA2) zur Folge hätten. Die Docosahexaensäure DHA dagegen greife, als strukturelle Komponente der Plättchenzellen, direkt in die ansteigende Plättchenfluidität ein, womit es eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der antithrombotischen Wirkung solcher Fettsäuremischungen spiele. Bekannt sei in diesem Zusammenhang ferner die orale Verabreichung einer Mischung der Fettsäuren EPA und DHA an Post-Myokardinfarkt-Patienten. Darüber hinaus wird in diesem Abschnitt der Streitpatenschrift ausgeführt, dass sich die zum Prioritätstag üblichen therapeutischen Maßnahmen als ungenügend bei der Verhinderung kardiovaskulärerer Erkrankungen, insbesondere der Sterblichkeit aufgrund des plötzlichen Todes, bei Patienten erwiesen hätten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben (vgl. BM 1 S. 2 Abs. [0002] bis [0011]).
2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, unter Verwendung von essentiellen Fettsäuren ein Arzneimittel bereit zu stellen, mit dessen Verabreichung das Wiederauftreten eines Herzinfarktes verhindert werden kann und dessen Gabe zu einer Verringerung der Sterblichkeit bei Herzinfarktpatienten, bedingt durch das erneute Auftreten eines Herzinfarktes, führt (vgl. BM 1 S. 2 Abs. [0012] und [0013]).
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch die
(1.1) Verwendung essentieller Fettsäuren, enthaltend
(1.2) eine Mischung aus Eicosapentaensäureethylester (EPA) und Docosahexaensäureethylester (DHA),
(1.3) zur Herstellung eines Medikaments,
(1.4) zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat,
(1.5) worin der Gehalt an EPA + DHA in solch einer Mischung 80 - 100 Gew.-% ist; und
(1.6) das Medikament zur oralen Verabreichung dient,
(1.7) bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich
(1.8) basierend auf einem Titer von 85 Gew.%.
Die Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 5 nach Hauptantrag ferner gelöst durch die Verwendung essentieller Fettsäuren, die 80 bis 100 Gew.% Eicosapentaensäureethylester oder Docosahexaensäureethylester enthalten und das zur Verhinderung der Sterblichkeit bei einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hat.
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team aus jedenfalls einem Kardiologen und einem Pharmakologen, mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie insbesondere von Herzinfarkten.
II.
Die Klage hat insoweit Erfolg, als die mit Hauptantrag und 1. Hilfsantrag verteidigte Fassungen jeweils in Bezug auf die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 jedenfalls aufgrund fehlender Klarheit unzulässig sind i. S. v. Art. 84 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 III IntPatÜG.
Geltender Rechtsprechung folgend müssen Patentansprüche, mit denen ein Streitpatent im Nichtigkeitsverfahren beschränkt verteidigt wird, dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) Anspruchsfassung genügen. Das in Art. 84 EPÜ niedergelegte Gebot der Deutlichkeit (Klarheit) ist somit auch bei der Formulierung neuer Patentansprüche im Nichtigkeitsverfahren zu beachten (vgl. BGH GRUR 2010, 709 Ls., 712 Tz. [53] bis [55] - Proxyserversystem). Dieser für die formale Zulässigkeit einer Anspruchsfassung erforderlichen Voraussetzung entsprechen die mit Hauptantrag und 1. Hilfsantrag jeweils verteidigten, nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 nicht. Die Formulierung dieser Patentansprüche genügt nämlich insofern nicht dem Erfordernis der Klarheit, als nicht erkennbar ist, welchen Gehalt an Eicosapentaensäureethylester (EPA) und/oder Docosahexaensäureethylester (DHA) das unter Verwendung der dort genannten essentiellen Fettsäuremischung hergestellte Medikament aufweisen soll.
Mit den jeweiligen nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 5 nach Hauptantrag und 1. Hilfsantrag wird einerseits die Verwendung einer Mischung essentieller Fettsäuren zur Herstellung eines Medikamentes beansprucht, die einen Gehalt an Eicosapentaensäureethylester und/oder Docosahexaensäureethylester von 80 bis 100 Gew.% aufweist. Andererseits dient das in diesen Patentansprüchen jeweils genannte Medikament aber dazu, in einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g bzw. 1 g täglich basierend auf einem Titer von 85 Gew.% verabreicht zu werden. Somit aber werden in diesen Patentansprüchen jeweils zwei unterschiedliche Angaben zur vorliegenden Wirkstoff-Konzentration gemacht. Denn in Verbindung mit der zur Herstellung eines Medikamentes zu verwendenden Fettsäuremischung enthalten diese Patentansprüche eine Bereichsangabe, in Verbindung mit dem durch eine definierte Dosierung charakterisierten Medikament wird dagegen ein exakter Gehalt an EPA und DHA von 85 Gew.% genannt. Daher ist nicht ohne weiteres ersichtlich, in welcher Konzentration die Ethylester der Eicosapentaensäure und der Docosahexaensäure in der zur Verwendung zur Herstellung eines Medikamentes vorgesehenen Fettsäuremischung gemäß diesen Patentansprüchen nach Hauptantrag und 1. Hilfsantrag tatsächlich vorliegen.
Weder die erteilten Patentansprüche noch die Beschreibung können zu einer eindeutigen Lesart dieser zwei sich entgegenstehenden Merkmale führen. Wie anhand des erteilten Patentanspruches 3 sowie der erteilten Patentansprüche 4 und 5 und deren jeweiligem Rückbezug auf die erteilten Patentansprüche 1 und 2 zu ersehen ist, betreffen diese konzentrationsbezogenen Merkmale gemäß der erteilten Anspruchsfassung jeweils zwei unterschiedliche Ausführungsformen. Während der Patentanspruch 3 zu einem Medikament führt, das eine Fettsäuremischung enthält, die durch einen Gehaltsbereich für EPA und DHA charakterisiert ist, führen die Patentansprüche 4 und 5 zu einem Medikament, das eine Mischung essentieller Fettsäuren enthält, die einen definierten Gehalt von 85 Gew.% an EPA und DHA aufweist, wobei das Medikament in dieser Zusammensetzung zu einer Verabreichung mit der im Patentanspruch 5 angegebenen Dosierung dient. Nichts anderes ist der Beschreibung der Streitpatentschrift zu entnehmen, in der ebenfalls zwischen diesen beiden Ausführungsformen unterschieden wird (vgl. BM 1 S. 3 Abs. [0028] und [0029]).
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 nach Hauptantrag und 1. Hilfsantrag erfüllen somit nicht das Erfordernis der Klarheit, denn es ist nicht ohne weiteres erkennbar, was tatsächlich unter Schutz gestellt werden soll. Die Patentansprüche gemäß Hauptantrag und 1. Hilfsantrag erweisen sich daher insgesamt bereits aus formalen Gründen als nicht zulässig.
III.
Die von der Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung gemäß 2. Hilfsantrag erweist sich als bestandsfähig.
1. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß 2. Hilfsantrag halten sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung und der erteilten Fassung. Der Patentanspruch 1 leitet sich von den Patentansprüchen 1, 4, 5 und 6 der Offenlegungsschrift BM 1A i. V. m. Beschreibung S. 2 Z. 18 bis 27, S. 5 Z. 7 bis 10 und S. 6 „Formulation 2“ sowie Streitpatentschrift BM 1 Patentansprüche 1, 4 und 5 sowie Beschreibung S. 2 Abs. [0001] und S. 3 Abs. [0029] ab. Der nebengeordnete Patentanspruch 4 geht auf die Patentansprüche 8 und 11 gemäß der Offenlegungsschrift BM 1A i. V. m. Beschreibung S. 2, Z. 18 bis 27, Z. 30 bis S. 3 Z. 3 sowie S. 5 Z. 7 bis 14 sowie Streitpatentschrift BM 1 Patentansprüche 7 i. V. m. Beschreibung S. 2 Abs.[0013], [0014] und [0016] und S. 3 Abs. [0029] und [0030] zurück. Die rückbezogenen Patentansprüche 2, 3 und 5 leiten sich von den Patentansprüchen 2, 7 und 9 gemäß der Offenlegungsschrift BM 1A und den erteilten Patentansprüchen 2, 4, 6 und 8 ab. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich sind erweitert worden.
2. Die nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 4 sind ferner so deutlich formuliert, dass mit deren Gegenstand eindeutig angegeben wird, was als patentfähig unter Schutz gestellt ist. Die nunmehr beanspruchte Verwendung von essentiellen Fettsäuren führt ausschließlich zu solchen Medikamenten, die eine Fettsäure-Mischung mit einem Gehalt an Eicosapentaensäureethylester und/oder Docosahexaensäureethylester von 85 Gew.% enthalten und in der dort genannten Dosierung zur Verabreichung dienen.
Der Rüge der Klägerin, es sei nicht klar, worauf sich die Dosierung beziehe, kann nicht greifen. Nachdem die Verwendung einer Fettsäuremischung Gegenstand der in Rede stehenden nebengeordneten Patentansprüche ist, die mit der Angabe des Gehaltes an EPA und/oder DHA weiter charakterisiert wird, bezieht sich auch die in den Patentansprüchen genannte Dosierung auf diese Fettsäuremischung. Dieser Sachverhalt ergibt sich auch aus der Beschreibung des Streitpatentes, in deren Zusammenhang Merkmale eines Patentanspruches zu lesen sind. Demnach wird in dem die Dosierung betreffenden Abschnitt einzig die essentielle Fettsäuremischung in Verbindung mit dem streitpatentgemäß zur Erlangung einer Wirkung als erforderlich angegebenen Mengenbereich genannt. Denn den Ausführungen dort folgend bewegt sich die Dosis der essentiellen Fettsäure, die eine Mischung von EPA und DHA mit einem Titer von 85 Gew.% enthält, in einem Bereich von 0,7 bis 1,5 g täglich (vgl. BM 1 S. 3 Abs. [0029]; vgl. dazu auch BGH GRUR 2001, 232 Ls. - Brieflocher; BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube, BGH Mitt. 2000, 105 - Extrusionskopf).
3. Zulässig ist auch die in den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 4 angegebene Dosierung.
Mit dem Merkmal „und das Medikament zur oralen Verabreichung bei einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich dient“ wird kein unter das Verbot der Patentierung fallendes Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers angegeben. Denn bei diesem Merkmal handelt es sich nicht um ein Therapieschema, das dazu dient, dem behandelnden Arzt vorzugeben, in welcher Dosierung die essentiellen Fettsäuren zu welchen Zeiten an Patienten verabreicht werden sollen. Mit diesem Merkmal wird vielmehr die Verwendung essentieller Fettsäuren beansprucht, die zur Behandlung von Patienten in einer zweckmäßigen Konfektionierung hergerichtet sind und in dieser Formulierung zur Behandlung von Patienten dienen. Ständiger Rechtsprechung folgend, ist eine solche Verwendungen von Wirkstoffen nicht vom Patentschutz ausgenommen (vgl. BGH GRUR 2007 404, 409 Tz. [51] - Carvedilol II).
4. Die Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 1 und 4 in ihrer mit dem 2. Hilfsantrag verteidigten Fassung sind neu; dies wurde von Seiten der Klägerin auch nicht bestritten.
4.1. In keiner der im Verfahren genannten Druckschriften wird die Verwendung essentieller Fettsäuren gemäß Patentanspruch 1 zur Senkung der kardiovaskulären Mortalität bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, offenbart, bei der die Fettsäuren eine Mischung aus Eicosapentaensäureethylester (EPA) und Docosahexaensäureethyester (DHA) in einem Anteil von 85 Gew.% enthalten und in einem Medikament formuliert sind, das dazu dient, die Fettsäuren in einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich zu verabreichen.
Die wissenschaftlichen Publikationen BM 3 sowie BM 7 haben die Wirksamkeit der Ethylester der omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure im Zusammenhang mit der Behandlung von Risikofaktoren, die zu einem erneuten Herzinfarkt bei Post-Myokardinfarkt-Patienten führen, zum Thema. Im Rahmen der dort beschriebenen Untersuchungen wird den Patienten eine 85 Gew.% Eicosapentaensäureethylester und Docosahexaensäureethylester enthaltende Fettsäure-Zubereitung in Form von vier Kapseln, entsprechend einer Dosierung von 4 g täglich, verabreicht (vgl. BM 3: S. 473, „Summary“, S. 474 li./re. Sp. übergreifender Absatz, re. Sp. Abs. 2, 5 und 6 i. V. m. S. 475 li. Sp. Tabelle 1; BM 7: S. 467 „Abstract“, S. 468 Abs. 2 und 3). Angaben dahingehend jedoch, die dort genannten Fettsäurezubereitungen seien in der im Patentanspruch 1 angegebenen Dosierung zur Verhinderung der Sterblichkeit bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, hergerichtet bzw. sie hätten sich als dafür geeignet erwiesen, enthält diese Publikation nicht (vgl. BM 3: S. 481 li./re. Sp. „Conclusions“; BM 7: S. 468 Abs. 1 und S. 472 Abs. 4). Auch die Angaben zum Medikament „SEACOR“ im „Repertorio Farmaceutico Italiano“ des Jahres 1998 (= BM 11) gehen über den Offenbarungsgehalt dieser Druckschriften nicht hinaus.
Die Patentdokumente BM 2, BM 5 und BM 6 befassen sich ebenfalls mit der Wirksamkeit der Ethylester von EPA und DHA. Keine dieser Druckschriften nennt jedoch Post-Myokardinfarkt-Patienten als Zielgruppe der ins Auge gefassten Anwendung. Von den im Dokument BM 2 beschriebenen Versuchen ist diese Patientengruppe sogar ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Sp. 6 Z. 20 bis 33). In der Offenlegungsschrift BM 5 wird lediglich in allgemeinem Kontext ausgeführt, dass Fischöle zur Behandlung von ischämischen Herzerkrankungen verwendet werden; die Ethylester von EPA und DHA bzw. eine bestimmte Patientengruppe werden auch hier in diesem Zusammenhang nicht genannt (vgl. S. 1 Abs. 3 und 4). Eine entsprechende Offenbarung findet sich auch in der PCT-Anmeldung BM 6 nicht, in der lediglich in allgemeiner Form ohne Hinweis auf eine definierten Patientengruppe die Verwendbarkeit der in Rede stehenden Fettsäureester zur Behandlung von Herzinfarkten beschrieben wird (S. 8/9 übergreifender Absatz).
Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen BM 8 und BM 14 sowie BM 10 betreffen sämtlich Untersuchungen zur Gabe von Fischöl bzw. zu einer an fettem Seefisch reichen Ernährung bei Post-Myokardinfarkt-Patienten und deren Auswirkungen auf die Reinfarkt-Rate bzw. das Auftreten eines plötzlichen Herztodes (vgl. BM 8: S. 757 li. Sp. „Summary“ und S. 757/758 re./li. Sp. übergreifender Absatz; BM 10: S. 19 „Abstract“ und S. 20 re. Sp. Abs. 2; BM 14: S. 558 Zusammenfassung und S. 559 li. Sp. Abs. 6 bis re. Sp. Z. 9 nach Tabelle I). Ester der in Rede stehenden omega-3-Fettsäuren werden in diesen wissenschaftlichen Berichten an keiner Stelle erwähnt. Dies trifft ebenso auf das im „Guide pratique des MEDICAMENTS“ des Jahres 1998 (= BM 12) beschriebene Arzneimittel „MAXEPA“ zu, für das auf der Seite 876 Fischöl als Grundlage der Wirkstoff-Komponenten Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure genannt wird.
Die US-Patentschrift BM 9 betrifft die intravenöse Gabe u. a. der Ester der in Rede stehenden omega-3-Fettsäuren und kann bereits aus diesem Grunde die Neuheit der Verwendung der zur oralen Verabreichung vorgesehenen Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 nicht in Frage stellen.
4.2. Auch die Neuheit der mit dem nebengeordneten Patentanspruch 4 angegebenen Verwendung von essentiellen Fettsäuren, die entweder 85 Gew.% Eicosapentaensäureethylester oder Docosapentaensäureethylester enthalten, ist gegeben. Von den vorstehend diskutierten Dokumenten nennt nur die PCT-Anmeldung BM 6 u. a. Zubereitungen, die den Ethylester der Docosahexaensäure in hoher Konzentration alleine enthalten können. Wie vorstehend bereits ausgeführt, wird in dieser Druckschrift jedoch keine definierte Zielgruppe für die dort beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten benannt (vgl. Patentansprüche 13 bis 15 und 17 i. V. m. Beschreibung S. 6 Z. 13 bis 15 und Beschreibung S. 12 Z. 1 bis S. 13 Z.3).
5. Die Bereitstellung der Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 1 und 4 in ihrer mit dem 2. Hilfsantrag verteidigten Fassung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.1. Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst entscheidend, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger) und ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern. Dabei besteht bei der Wahl des Ausgangspunktes jedoch kein Vorrang eines „nächstkommenden Standes der Technik“ (BGH GRUR 2009 382, 387 [51] - Olanzapin; BPatG GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilung). Vielmehr bedarf es bei der Auswahl des Ausgangspunktes der Rechtfertigung, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmannes liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt. Um die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, bedarf es dafür daher über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 Ls. - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Insbesondere kann das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln nicht schon deshalb als nahegelegt bewertet werden, weil lediglich keine Hinderungsgründe erkennbar sind, von dem aus dem Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Vielmehr setzt diese Wertung voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH GRUR 2010, 487 - einteilige Öse).
Diesen Grundsätzen folgend, bedurfte es eines erfinderischen Zutuns, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe, die Verwendung von essentiellen Fettsäuren zur Herstellung eines Arzneimittels mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Dosierung vorzuschlagen, dessen Verabreichung zu einer Senkung der kardiovaskulären Mortalität bei Post-Myokardinfarkt-Patienten führt. Denn keine der vorliegenden Entgegenhaltungen gibt dem Fachmann eine Anregung dahingehend, essentielle Fettsäuren mit einem Anteil von 85 Gew.% Eicosapentaensäureethylester und Docosahexaensäureethylester in der im Patentanspruch 1 genannten Dosierung zur Lösung dieser Aufgabe in Betracht zu ziehen.
Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit stellt der wissenschaftliche Beitrag BM 8 dar. Dieser betrifft Studien zur Wirkung einer ernährungsbasierten Intervention im Rahmen der Sekundärprävention bei Herzinfarktpatienten. Grundlage für die in diesem Dokument beschriebenen Versuche waren Überlegungen, inwiefern Ernährungsumstellungen in Richtung einer an gesättigten Fettsäuren ärmeren, faser- und/oder fischreicheren Diät die Gefahr eines Reinfarktes bzw. das Risiko eines durch die bestehende kardiovasculäre Erkrankung bedingten Todes zu reduzieren vermag. Im Ergebnis zeigte sich sodann, dass eine fischreiche Ernährung, d.h. der zwei- bis dreimalige Verzehr von fettem Fisch pro Woche, bzw. eine Gabe von Fischöl in Form des Arzneimittels „MAXEPA“ bei Patienten mit dem vorstehend genannten Risiko zu einer Reduzierung der Sterblichkeit um 29 % gegenüber einer Vergleichsgruppe führte, die nicht zu einem vermehrten Verzehr von fettem Fisch angehalten worden war (vgl. S. 757 li. Sp. „Summary“, S. 757/758 re./li. Sp. übergreifender Absatz, S. 759 li. Sp. Abs. 2 i. V. m. S. 758 Tabelle III, S. 759 li. Sp. Abs. 3 i. V. m. Fig. 2, re. Sp. Abs. 1 4. vollst. Satz und Abs. 2 i. V. m. Tabelle IV und V sowie S. 760 re. Sp. Abs. 4 Satz 1 bis 3). Die Menge des zum Erreichen dieses Ergebnisses erforderlichen Fischverzehrs bewegte sich, den Angaben der Autoren folgend, in einem moderaten Bereich von durchschnittlich 300 g pro Woche, entsprechend ca. 2.5 g pro Woche bzw. ca. 0,35 g pro Tag Eicosapentaensäure (vgl. S. 757 li. Sp. „Summary“ le. Satz, S. 757/758 übergreifender Satz und S. 761 li. Sp. Abs. 1 3. vollständiger Satz). Bei den Mitgliedern jener Gruppe, die das Arzneimittel „MAXEPA“ einnahmen, belief sich die Dosis auf 0,5 g Eicosapentaensäure pro Tag (vgl. S. 758 li. Sp. Abs. 1 3. vollst. Satz i. V. m. Fußnote 13 = BM 14, S. 559 re. Sp. 1. vollst. Satz nach Tabelle 1). Diese Fettsäure wurde zum Publikationstag von BM 8 als möglicherweise verantwortlich für die i. V. m. dem Verzehr von fettem Fisch beobachtete protektiven Wirkung erachtet (vgl. S. 757 re. Sp. Abs. 1 4. Satz). Damit wird die zur Erlangung der beobachteten Wirkung erforderliche, zu verzehrende Menge an fettem Fisch bzw. Fischöl zwar anhand des darin enthaltenen Gehaltes an Eicosapentaensäure charakterisiert, die Druckschrift BM 8 selbst indessen enthält keine weiteren Angaben dahingehend, in welchem Ausmaß diese omega-3-Fettsäure im Vergleich zu den weiteren in fettem Fisch bzw. in Fischölen enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren zur Wirkung beiträgt. Folgerichtig wird in diesem Artikel auch nicht zwischen den beiden an der Studie beteiligten Patientengruppen unterschieden, von denen die eine fetten Fisch aß und die andere statt dessen auf Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure standardisiertes Fischöl in Form des Medikamentes „MAXEPA“ (vgl. dazu auch BM 12 S. 876 ) zu sich nahm. Daher sind auch nicht einzelne Komponenten, aus denen sich Fischöl im wesentlichen zusammensetzt, Gegenstand der in der Publikation BM 8 beschriebenen Studie. Vielmehr beschäftigt sich dieser wissenschaftliche Artikel - wie insbesondere anhand der Schlussfolgerungen der Autoren zu ersehen ist - ausschließlich damit, ob der regelmäßige Verzehr von fettem Fisch dazu beigetragen kann, die Sterblichkeit von Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, zu reduzieren (vgl. S. 757 li. Sp. „Summary“, S. 760 re. Sp. Abs. 4 bis S. 761 li. Sp. Abs. 2). Im Rahmen dessen erweist es sich sodann, dass bereits eine verhältnismäßig geringe Menge fetten Fisches bzw. eines Fischöles auf der Basis einer täglichen Gabe von ca. 0,35 g bzw. 0,5 g Eicosapentaensäure dazu beitragen kann, die kardiovaskuläre Mortalität von Post-Myokardinfarkt-Patienten zu senken. Dem Dokument BM 8 sind aber an keiner Stelle Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass mit der Verabreichung der Ethylester der in Fisch bzw. nativen Fischölen in Form von Triglyceriden vorliegenden Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure in einer Dosierung von 0,7 bis 1,5 g täglich an Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, die Sterblichkeit aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen bzw. eines plötzlichen Herztodes verhindert werden kann.
Anregungen zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe, die im Patentanspruch 1 genannten Maßnahmen zu ergreifen, werden dem Fachmann auch nicht in einer Zusammenschau mit den weiteren, dem Senat vorliegenden, zum maßgeblichen Zeitpunkt veröffentlichten Druckschriften vermittelt.
Der wissenschaftliche Beitrag BM 3 betrifft Studien an Post-Myokardinfarkt-Patienten zur Wirkung eines omega-3-Fettsäureethylester-Konzentrats auf der Basis von Fischöl, das die Ethylester der Eicosapentaensäure und der Docosahexaensäure in einem Anteil von 85 Gew.% enthält, auf die für das Auftreten eines erneuten Herzinfarktes verantwortlichen Risikofaktoren. Untersucht wurde in diesem Zusammenhang, inwiefern sich nach der Gabe dieser Fischöl-Zubereitung in einer Dosierung von 4 g täglich die Plasmakonzentrationen der Triglyceride, von Apolipoprotein C III, von HDL- und LDL-Cholesterol sowie von Antithrombin III verändern (vgl. S. 473 „Summary“, S. 474 li./re. Sp. übergreifender Absatz, S. 474 re. Sp. Abs. 2 und 5 sowie S. 481 li./re. Sp. „Conclusions“). Im Rahmen dessen zeigte sich, dass sowohl die Werte der Triglyceride als auch des Apolipoproteins C III, einem Trägerprotein für Lipoproteine und Marker für Hypertriglyceridämie, deutlich gesenkt werden konnten (vgl. S. 477 re. Sp. Abs. 5 bis S. 478 re. Sp. Abs. 1 sowie S. 480 li. Sp. Abs. 4 2. Satz und re. Sp. Abs. 3 sowie S. 479 li. Sp. Abs. 3 1. Satz), während gleichzeitig ein Anstieg der Plasmakonzentration des Antithrombins III sowie des anti-atherogen wirkenden HDL-Cholesterols beobachtet wurde (vgl. S. 478 re. Sp. Abs. 3 und S. 479 re. Sp. Abs. 3 1. Satz). Die in der Veröffentlichung BM 3 diskutierten Versuchs-Ergebnisse weisen somit darauf hin, dass bei Post-Myokardinfarkt-Patienten Risikofaktoren, die zu einem erneuten Herzinfarkt führen können, mit der täglichen Verabreichung von 4 g einer Fischöl-Zubereitung, die die Ethylester der Eicosapentaensäure und der Docosahexaensäure in hoher Konzentration enthält, positiv beeinflusst werden können. Aussagen dahingehend jedoch, inwiefern mit dieser Medikation auch die kardiovaskuläre Mortalität gesenkt werden kann, werden in diesem Artikel nicht gemacht. Vielmehr weisen die Autoren in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dazu weitere Studien erforderlich seien (vgl. S. 481 re. Sp. Abs. 1 le. Satz). Zur Durchführung solcher Studien wird der Fachmann in Anbetracht des in der Veröffentlichung BM 3 beschriebenen Sachverhaltes sodann von den dort angegebenen Studienbedingungen ausgehen. Denn unter deren Einhaltung hatte sich bereits gezeigt, dass von der Fachwelt für das Entstehen und Fortschreiten kardiovaskulärer Erkrankungen als verantwortlich erachtete Risikofaktoren positiv beeinflusst werden können. Aufgrund dieser Erkenntnisse hatte der Fachmann daher keine Veranlassung, zur Durchführung der in diesem Artikel vorgeschlagenen weiterführenden Untersuchungen an Post-Myokardinfarkt-Patienten von den in BM 3 genannten Dosierungen abzuweichen und niedrigere Dosierungen des Wirkstoffes in Erwägung zu ziehen. Musste er im Zuge dessen doch damit rechnen, dass in einem solchen Fall die Wirkung der Fischöl-Zubereitung gemäß BM 3 auf die Risikofaktoren für das Auftreten eines erneuten Herzinfarktes nicht mehr im gewünschten Maße zur Geltung kommt.
Die Lehre des Streitpatentes erschließt sich dem Fachmann auch nicht ohne weiteres in einer Zusammenschau des Dokumentes BM 8 mit den ebenfalls die Verwendung der Ethylester der Eicosapentaensäure und der Docosahexaensäure zur Behandlung von Risikofaktoren kardiovasculärer Erkrankungen betreffenden Dokumenten BM 2, BM 4 und BM 11. Zwar ist die Verabreichung der in Rede stehenden Fettsäureethylester zur Behandlung von Risikofaktoren, die zu ateriosklerotischen Erkrankungen führen können, aus diesen Druckschriften in im Vergleich zu den in der Veröffentlichung BM 3 niedrigeren Dosierungen bekannt. Dabei sind aber im Fall der Dokumente BM 2 und BM 4 solche Patienten von der Teilnahme an den dort beschriebenen Studien von vornherein ausgeschlossen, die bereits an einer Erkrankung des Herzens bzw. des Gefäßsystems leiden (vgl. BM 2: Patentansprüche 13 und 20 i. V. m. Beschreibung Sp. 6 Z. 19 bis 32; BM 4: S. 420 li. Sp. Abs. 4 bis re. Sp. Abs. 4). Bereits aufgrund dieser Versuchsanordnung können diese Schriften dem Fachmann keine Anregung dahingehend vermitteln, die streitpatentgemäßen essentiellen Fettsäuren, formuliert in den im Patentanspruch 1 angegebenen Dosierungen, an Post-Myokardinfarkt-Patienten zu verabreichen, um so die kardiovaskuläre Mortalität zu senken. Auch die Angaben zu dem Medikament „SEACOR“ im „Repertorio Farmaceutico Italiano“ aus dem Jahr 1998 (= BM 11) enthalten keine Anhaltspunkte, dieses Arzneimittel in der dort u. a. ebenfalls genannten niedrigen Dosierung für die im Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung in Betracht zu ziehen. Diese Produktbeschreibung enthält nämlich keinerlei Hinweise, inwiefern mit der Gabe der in Rede stehenden omega-3-Fettsäuren überhaupt die Mortalität in einer Gruppe von Patienten, die Risikofaktoren für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen aufweisen, gesenkt werden könnte. Daher können die Angaben zu dem Medikament „SEACOR“ im Dokument BM 11 dem Fachmann auch keine Anregung vermitteln, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe die im Patentanspruch 1 genannten Maßnahmen zu ergreifen. Dies trifft um so mehr zu, als auf der Grundlage des im Jahre 1998 zur Verfügung stehenden Datenmaterials auch von der Fachwelt gerade hinsichtlich der vorliegend zur Diskussion stehenden Patientengruppe noch keine Aussagen getroffen werden konnten, inwiefern mit einer Verabreichung der in Rede stehenden essentiellen Fettsäuren überhaupt ein Reinfarkt oder ein plötzlicher Herztod verhindert werden könnte (vgl. BM 3 S. 481 li./re. Sp. „Conclusions“).
Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen können dem Fachmann ebenfalls keine Anregungen dahingehend vermitteln, die Ethylester der Eicosapentaensäure und der Docosahexaensäure formuliert in den im Patentanspruch 1 angegebenen Dosierungen zur Behandlung der dort genannten Indikation zu verwenden. Gehen diese doch nicht über den Inhalt der bereits diskutierten Dokumente hinaus.
Somit stellt die Bereitstellung der im Patentanspruch 1 beanspruchten Verwendung essentieller Fettsäuren zur Herstellung eines Medikamentes mit der Indikation, die Sterblichkeit bei Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben, zu verhindern eine erfinderische Leistung dar. Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag wird daher vom Stand der Technik nicht nahe gelegt.
5.2. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruches 4 betrifft die Verwendung essentieller Fettsäuren, die Eicosapentaensäureethylester oder Docosahexaensäureethylester in einem Anteil von 85 Gew.-% enthalten, formuliert in der in diesem Patentanspruch angegebenen Dosierung zur Verhinderung der Sterblichkeit bei Post-Myokardinfarkt-Patienten. Diese Verwendung wird ebenfalls aus den vorstehend genannten Gründen nicht nahegelegt. Insbesondere kann auch die PCT-Anmeldung BM 6 zu keiner anderen Beurteilung führen. Diese nennt zwar die Verwendung von Zubereitungen, die einen Gehalt von mindestens 90 Gew.% Docosahexaensäureethylester aufweisen, zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen bzw. von Risikofaktoren, die diese begründen können, und belegt diese Wirkungen auch durch experimentelle Ergebnisse (vgl. Patentansprüche 13 und 17 i. V. m. Beschreibung S. 12 Z. 1 bis S. 13 Z. 3 sowie S. 38 Z. 9 bis S. 55 Z. 19). Anhaltspunkte, es könnte vorteilhaft sein, diesen Fettsäureester in den im Patentanspruch 4 genannten Dosierungen einzusetzen, um bei Post-Myokardinfarkt-Patienten einen plötzlichen Herztod zu verhindern, enthält dieses Dokument nicht. Die mit dem Patentanspruch 4 beanspruchte Verwendung erfüllt daher ebenfalls alle Patentierungsvoraussetzungen.
5.3. Auch die mittelbar oder unmittelbar auf die Patentansprüche 1 und 4 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 3 und 5, die auf besondere Ausführungsformen der mit den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 4 beanspruchten Verwendungen gerichtet sind, haben mit diesen Bestand.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, ergibt sich aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.