Entscheidungsdatum: 15.11.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 837 771
(DE 696 26 284)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richter Guth, Dipl.-Chem. Dr. Egerer der Richterin Dipl.-Chem. Zettler und des Richters Dipl.-Chem. Dr. Lange
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 837 771 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 18. Juni 1996 unter Inanspruchnahme der schwedischen Priorität SE 9502218 vom 19. Juni 1995 beim Europäischen Patentamt in der Amtssprache Englisch angemeldeten europäischen Patentes 0 837 771 (Streitpatent) mit der Bezeichnung
„Process for the manufacturing of a decorative thermo-setting plastic laminate”,
dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland am 19. Februar 2003 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 696 26 284.3 geführt wird. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise mit drei eingeschränkten Anspruchsfassungen verteidigt wird, umfasst in der erteilten Fassung zwölf Patentansprüche. Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„1. Process for manufacturing a decorative thermosetting laminate with an abrasion resistant and a scratch resistant surface layer, which laminate comprises paper sheets impregnated with a thermosetting resin, characterized in that a continuous paper web is impregnated with melamine-formaldehyde resin, that one side of the web is coated with 2 to 20 g/m2 of hard particles with an average particle size of 30 to 90 µm evenly distributed over the whole wet resin surface of the paper web, whereafter the resin is dried, that the other side of the paper web, or a second paper web is coated with a melamine-formaldehyde resin, where the resin contains hard particles having an average particle size of 1 to 15 µm, in such an amount that the web will have a surface coating of 1 to 15 g/m2 of these hard particles, that the resin is dried, that the particle-coated impregnated paper web is optionally cut into sheets, that at least one such sheet or web is placed as a surface layer on a base layer and is bonded thereto whereby the surface coated with the smallest particles is placed so that it is directed towards the upper side of the laminate and the surface with the bigger particles is directed downwards, alternatively that the first sheet or web with the smallest particles is placed as the uppermost layer in the laminate with the particle-coated side directed towards the upper side of the laminate and that the second sheet or web with the bigger particles is placed under the uppermost layer with the particle-coated surface directed outwards.”
Wegen des Wortlauts der mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 wird auf die Patentschrift EP 0 837 771 B1 verwiesen.
Die Klägerin greift das Patent in vollem Umfang an und macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:
NIK1 EP 0 837 771 B1NIK1a DE 696 26 284 T2NIK1M MerkmalsanalyseNIK2 DE 689 10 548 T2NIK3 US 4 971 855 ANIK4 EP 0 555 993 B1NIK5 DE 691 07 370 T2NIK6 US 5 456 949 A
NIK6a EP 0519 242 A1
NIK7 US 3 798 111 ANIK8 DE 2 225 301 ANIK9 EP 0 186 257 A2
NIK9a Klageschrift der Patentinhaberin vom 19. Oktober 2010 an das Landgericht Düsseldorf wegen Patentverletzung, Az.: 4b O 221/10
NIK9b Schriftsatz der Patentinhaberin vom 14. September 2010 an das Landgericht Düsseldorf im selbständigen Beweisverfahren, Az.: 4b O 144/10
NIK10 EP 0 122 396 A2
sowie
Seite 15 eines Gutachtens von Dipl.-Ing. Ulrich Christophersen LL.M. aus dem Verfahren vor dem LG Düsseldorf, Az.: 4b O 144/10.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei durch den Stand der Technik gemäß NIK2 unter Berücksichtigung des durch NIK3 und NIK4 belegten allgemeinen Fachwissens sowie durch NIK6a neuheitsschädlich getroffen. Darüber hinaus ergäben sich die Merkmale der beanspruchten Erfindung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik gemäß NIK2 in Kombination mit NIK5 oder NIK2 in Kombination mit NIK3 sowie NIK6a in Kombination mit NIK2. Dies gelte auch für die Gegenstände der Hilfsanträge 1 und 2. Dagegen sei Hilfsantrag 3 unzulässig, da der veränderte Bereich der Partikelgrößen nicht ursprünglich offenbart sei.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 837 771 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 3 erhält.
In Patentanspruch 1 der gemäß Hilfsantrag 1 eingeschränkt verteidigten Fassung wird die Alternative, wonach zwei Papierbahnen jeweils einseitig mit Hartpartikeln unterschiedlicher Teilchengröße überzogen werden, gestrichen. Die Patentansprüche 4 und 5 werden entsprechend angepasst. Dementsprechend lautet der neue Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wie folgt:
„1. Process for manufacturing a decorative thermosetting laminate with an abrasion resistant and a scratch resistant surface layer, which laminate comprises paper sheets impregnated with a thermosetting resin, characterized in that a continuous paper web is impregnated with melamine-formaldehyde resin, that one side of the web is coated with 2 to 20 g/m2 of hard particles with an average particle size of 30 to 90 µm evenly distributed over the whole wet resin surface of the paper web, whereafter the resin is dried, that the other side of the paper web is coated with a melamine-formaldehyde resin, where the resin contains hard particles having an average particle size of 1 to 15 µm, in such an amount that the web will have a surface coating of 1 to 15 g/m2 of these hard particles, that the resin is dried, that the particle-coated impregnated paper web is optionally cut into sheets, that at least one such sheet or web is placed as a surface layer on a base layer and is bonded thereto whereby the surface coated with the smallest particles is placed so that it is directed towards the upper side of the laminate and the surface with the bigger particles is directed downwards.”
In Patentanspruch 1 der gemäß Hilfsantrag 2 eingeschränkt verteidigten Fassung wird zusätzlich zur Einschränkung gemäß Hilfsantrag 1 das Merkmal
„wherein the particle coated paper web or paper sheet consists of a so-called overlay paper.“
angefügt. Patentanspruch 8 wird gestrichen. Die erteilten Ansprüche 9 bis 12 werden umnummeriert und in ihren Bezügen angepasst.
In Patentanspruch 1 der gemäß Hilfsantrag 3 eingeschränkt verteidigten Fassung werden zusätzlich zu den Änderungen gemäß Hilfsantrag 2 in Patentanspruch 1 die Größen der Partikel dahingehend geändert, dass der Größenbereich der Grobpartikel zwischen 40 und 90 µm und der Größenbereich der Feinpartikel zwischen 1 und 9 µm liegt. Die Patentansprüche 3 und 4 werden gestrichen, die weiteren Patentansprüche werden in ihrer Nummerierung und in ihren Rückbezügen angepasst. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet somit wie folgt:
„1. Process for manufacturing a decorative thermosetting laminate with an abrasion resistant and a scratch resistant surface layer, which laminate comprises paper sheets impregnated with a thermosetting resin, characterized in that a continuous paper web is impregnated with melamine-formaldehyde resin, that one side of the web is coated with 2 to 20 g/m2 of hard particles with an average particle size of 40 to 90 µm evenly distributed over the whole wet resin surface of the paper web, whereafter the resin is dried, that the other side of the paper web is coated with a melamine-formaldehyde resin, where the resin contains hard particles having an average particle size of 1 to 9 µm, in such an amount that the web will have a surface coating of 1 to 15 g/m2 of these hard particles, that the resin is dried, that the particle-coated impregnated paper web is optionally cut into sheets, that at least one such sheet or web is placed as a surface layer on a base layer and is bonded thereto whereby the surface coated with the smallest particles is placed so that it is directed towards the upper side of the laminate and the surface with the bigger particles is directed downwards, wherein the particle coated paper web or paper sheet consists of a so-called overlay paper.”
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf das Dokument
EP 2 090 696 B1.
Sie ist der Ansicht, NIK2 nehme nicht sämtliche Merkmale des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 vorweg, denn die Differenzierung zwischen Feinkorund und Grobkorund, die besondere Ausrichtung des mit Feinkorund und Grobkorund beschichteten Papiergewebes im Laminat sowie das „nasse“ Auftragen des Feinkorunds stellten Merkmale dar, die in der NIK2 in Kombination mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 nicht offenbart seien. Der Fachmann lese dies auch unter Berücksichtigung des in NIK2 zum Ausdruck kommenden Fachwissens nicht als zur Erfindung gehörig mit. Dies gelte ebenfalls in Bezug auf NIK6a, da deren Lehre sich auf ein Dekorpapier ohne Overlay beziehe und die groben Partikel sich in der oberen Schicht befänden. Ebenso führten Kombinationen der NIK2 mit NIK5, NIK2 mit NIK3 oder NIK6a mit NIK2 bzw. mit NIK5 nicht in naheliegender Weise zu Anspruch 1 des Streitpatents, weil kein Anlass für den Fachmann ersichtlich sei, den Gegenstand der NIK2, der eine abgeschlossene Lehre darstelle oder die Lehre der NIK5, die eine Mischung verschieden großer Partikel betreffe, zur Lösung der Aufgabe des Streitpatents heranzuziehen.
Die auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet, da sich der Gegenstand des Streitpatents in den gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen verteidigten Fassungen mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erweist.
I.
Die in der mündlichen Verhandlungen von der Beklagten vorgelegten Hilfsanträge waren trotz der Rüge der Klägerin nicht als verspätet zurückzuweisen.
Die durch das 2009 in Kraft getretene Patentrechtsmodernisierungsgesetz (PatRModG) erfolgte Neufassung des § 83 PatG und die damit in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Präklusionsregeln sehen zwar grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen. Hierfür ist es aber stets erforderlich, dass dieser Vortrag tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu klären sind (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 315). Kann das an sich verspätete Vorbringen dagegen noch ohne Weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden, ohne dass es zu einer Verfahrensverzögerung kommt, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 PatG nicht vor (vgl. hierzu auch Schülke, in 50 Jahre Bundespatentgericht, Seiten 435, 445). So liegt der Fall hier, weil das Streitpatent auch in den beschränkt verteidigten Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen für nichtig zu erklären ist und die Berücksichtigung dieser Hilfsanträge, zu denen die Parteien verhandelt haben, auch zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits geführt hat.
II.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines dekorativen, wärmehärtbaren Laminats mit abrieb- und kratzfester Oberflächenschicht (vgl. NIK1, Absatz [0001]).
Nach den Angaben in der Streitpatentschrift sind dekorative, wärmehärtbare Laminate gut bekannt und werden beispielsweise als Oberflächenmaterial für Wände, Schranktüren, Schreibtisch- und Tischplatten, für andere Möbel und als Fußbodenmaterial verwendet (vgl. NIK1, Absatz [0002]). Derartige Laminate seien oft aus zwei bis sieben, mit Phenol-Formaldehyd-Harz imprägnierten Kraftpapierbögen, einem einfarbigen oder gemusterten, mit Melamin-Formaldehyd-Harz imprägnierten Dekorpapierbogen und aus einem feinen, mit Melamin-Formaldehyd-Harz imprägnierten sog. Deckbogen (overlay sheet) aus α-Cellulose hergestellt (vgl. NIK1, Absatz [0003]). Hierbei schütze der Deckbogen den Dekorpapierbogen vor Abrieb. In bestimmten Fällen könne der Deckbogen auch weggelassen werden (vgl. NIK1, Absatz [0004]).
Die bekannten Laminate wiesen durchaus viele gute Eigenschaften, aber auch Nachteile auf. So bestehe eine große Notwendigkeit zur Verbesserung der Abriebbeständigkeit und der Kratzfestigkeit einer Laminatoberfläche, die einem besonders hohem Abrieb ausgesetzt sei. Dies gelte besonders für Fußbodenlaminate und zu einem gewissen Grad auch für Schreibtisch- und Tischplattenlaminate (vgl. NIK1, Absatz [0006]).
Weiter nennt das Streitpatent zum druckschriftlichen Stand der Technik die US 4 940 503, US 5 362 557 sowie EP 0 519 242 A1 und gibt an, die hieraus bekannten Laminate zeichneten sich durch eine verbesserte Abriebbeständigkeit aus. Diese verbesserte Abriebbeständigkeit werde gemäß US 4 940 503 dadurch erreicht, dass zumindest eine Seite einer mit Melamin-Formaldehyd-Harz imprägnierten Papierbahn mit harten Partikeln im Durchschnittsgrößenbereich von 1 bis 80 µm überzogen werde. Die mit den Partikeln überzogene Bahn, ein sog. Prepreg, werde danach ggf. zu Bögen geschnitten, und zumindest ein solcher Bogen werde als Oberflächenschicht auf eine Basisschicht gelegt und damit verbunden (vgl. NIK1, Absatz [0007]). Als Nachteil wird angesehen, dass die Kratzfestigkeit solcher bekannten Laminate nicht immer gut genug sei. Zudem würden durch die relativ großen Partikel in der Oberfläche des Laminats die bei der Laminierstufe eingesetzten Pressplatten verkratzt werden. Die Pressplatten seien jedoch aus einem Stahl sehr hoher Qualität hergestellt und daher teuer. Zum Schutz der Pressplatten setze man deshalb oft Zwischenschichten aus Wegwerf-Aluminiumfolie ein, was sich aber auf die Produktionskosten auswirke (vgl. NIK1, Absatz [0008]).
Des Weiteren führt das Streitpatent zur US 5 362 557 aus, diese offenbare ein dekoratives Laminat mit mindestens einem Trägerbogen (backing layer sheet) und einem damit verbundenen, Melamin-Formaldehyd-Harz imprägnierten Dekorpapierbogen, der einen Überzug mit Mineralpartikel in zwei unterschiedlichen Teilchengrößen von ca. 3 µm und von ca. 25 µm aufweise und wobei das Verhältnis der größeren Partikel zu den kleineren Partikeln 2 : 1 betrage. Um den Dekorpapierbogen gleichzeitig zu imprägnieren und zu überziehen, enthalte das Melamin-Formaldehyd-Harz die Mineralpartikel, ein Kupplungsmittel, ein Verdickungsmittel und ein Schmiermittel (vgl. NIK1, Absatz [0009]). Ferner erwähnt das Streitpatent die EP 0 519 242 A1, die ein dekoratives Laminat mit verbesserter Kratz- (scratch), Markier- (mark), Schab- (scrape) und Abriebbeständigkeit (abrasion resistance) beschreibe. Es umfasse mindestens einen Trägerbogen (backing layer sheet) und einen mit einem wärmehärtbaren Harz imprägnierten Dekorpapierbogen, auf dem ein abriebfester Überzug angeordnet sei, der eine Mischung aus beschichteten, abriebbeständigen Mineralpartikeln mit einer Teilchengröße von ca. 15 bis 45 µm, ein Verdickungsmittel und ein Schmiermittel enthalte (vgl. NIK1, Absatz [0010]). Bei diesen bekannten Laminaten wird als Nachteil angesehen, dass sie nicht hinreichend kratzbeständig seien (vgl. NIK1, Absatz [0011]).
2. Vor diesem technischen Hintergrund bezeichnet es das Streitpatent als zu lösendes technisches Problem, ein Verfahren zur Herstellung von dekorativen Laminaten zu schaffen, wobei sich der Laminataufbau durch besonders hohe Abriebbeständigkeit und Kratzfestigkeit auszeichnet. Des Weiteren sollen die in der Streitpatentschrift zum Stand der Technik geschilderten Probleme bzw. Nachteile vermieden werden (vgl. NIK1, Absatz [0012]). Das hiermit zusammenhängende Ziel ist also ein verbesserter Schutz der Pressbleche der Laminierstufe (vgl. NIK1, Absatz [0008]).
3. Nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wird die Aufgabe durch eine Kombination folgender Merkmale gelöst:
M1 Process for manufacturing a decorative thermosetting laminate
M1.1 with an abrasion resistant and a scratch resistant surface layer,
M1.2 which laminate comprises paper sheets
M1.3 impregnated with a thermosetting resin,
characterized in
M2 that a continuous paper web is impregnated with melamine-formaldehyde resin,
M3 that one side of the web is coated
M3.1 with 2 to 20 g/m2 of hard particles
M3.1.1 with an average particle size of 30 to 90 µm
M3.2 evenly distributed over the whole wet resin surface of the paper web,
M4 whereafter the resin is dried,
M5 that the other side of the paper web, or a second paper web is coated with a melamine-formaldehyde resin,
M5.1 where the resin contains hard particles
M5.1.1 having an average particle size of 1 to 15 µm,
M5.2 in such an amount that the web will have a surface coating of 1 to 15 g/m2 of these hard particles,
M6 that the resin is dried,
M7 that the particle-coated impregnated paper web is optionally cut into sheets,
M8 that at least one such sheet or web is placed as a surface layer on a base layer and is bonded thereto
M8.1 whereby the surface coated with the smallest particles is placed so that it is directed towards the upper side of the laminate
M8.2 and the surface with the bigger particles is directed downwards,
alternatively
M9 that the first sheet or web with the smallest particles is placed as the uppermost layer in the laminate
M9.1 with the particle-coated side directed towards the upper side of the laminate
M10 and that the second sheet or web with the bigger particles is placed under the uppermost layer
M10.1 with the particle-coated surface directed outwards.
Weiter wird die Aufgabe nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch eine Kombination der Merkmale M1 bis M8.2 gelöst, wobei Merkmal M5 folgende Fassung erhält:
M5’ that the other side of the paper web is coated with a melamine-formaldehyde resin.
Die gemäß Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 enthält gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ein weiteres Merkmal, das wie folgt lautet:
M11 wherein the particle coated paper web or paper sheet consists of a so-called overlay paper.
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 sind die Merkmale M3.1.1 und M5.1.1 gegenüber der gemäß Hilfsantrag 2 verteidigten Fassung wie folgt geändert:
M3.1.1’ with an average particle size of 40 to 90 µm
M5.1.1’ having an average particle size of 1 to 9 µm.
4. Für das richtige Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre, wie sie im Patentanspruch 1 erteilter Fassung (Hauptantrag) beansprucht ist, ist wesentlich, dass diese gerichtet ist auf zwei unterschiedliche Laminataufbauten:
a) Eine imprägnierte Papierbahn (Merkmal M2) wird auf beiden Oberflächenseiten (Merkmale M3, M5) mit harten Partikeln unterschiedlicher Teilchengröße (Merkmale M3.1.1, M5.1.1) versehen, wobei der Einfachheit halber, wie von der Klägerin vorgeschlagen, im Folgenden die Gruppe der harten Partikel im Größenbereich von 30 bis 90 µm als „Grobkorund“ (Merkmal M3.1.1) und die Gruppe der harten Partikel im Größenbereich von 1 bis 15 µm als „Feinkorund“ (Merkmal M5.1.1) bezeichnet werden. Hierbei wird der Grobkorund auf die noch feuchte Harz-Oberfläche der imprägnierten Papierbahn aufgestreut (Merkmal M3.2), während der Feinkorund in einem Melamin-Formaldehyd-Harz dispergiert ist (Merkmal M5.1) und hiermit die andere Seite der Papierbahn beschichtet wird (Merkmal M5). Zur Laminierung mit einer Basisschicht (Merkmal M8) wird die mit Hartpartikeln beidseitig versehene Papierbahn so ausgerichtet, dass die Feinkorund-enthaltende Harzschicht nach außen zeigt (Merkmal M8.1), während die Grobkorundschicht nach innen, also zur Basisschicht, zeigt (Merkmal M8.2). Es ergibt sich somit folgender Schichtaufbau:
Basisschicht –
Grobkorundschicht / imprägnierte Papierbahn / Feinkorund-Harzschicht.
b) Alternativ können auch zwei Papierbahnen (Merkmale M3, M5) jeweils einseitig mit Hartpartikeln unterschiedlicher Teilchengröße (Merkmale M3.1.1, M5.1.1) überzogen werden, wobei eine Papierbahn zunächst mit Harz imprägniert und dann der Grobkorund auf der noch feuchten Harz-Oberfläche gleichmäßig verteilt wird (Merkmal M3.2). Die zweite Papierbahn wird dagegen mit einer Harz/Feinkorund-Mischung beschichtet (Merkmal M5.1). Zur Laminierung mit einer Basisschicht (Merkmal M8) wird die mit Harz/Feinkorund beschichtete Papierbahn als oberste Schicht des Laminats angeordnet (Merkmal M9), und zwar mit der Feinkorund-Seite nach außen (Merkmal M9.1). Die mit dem Grobkorund versehene zweite Papierbahn wird unter der Feinkorund aufweisenden Papierbahn angeordnet (Merkmal M10), und zwar mit der Grobkorund-Seite nach außen (Merkmal M10.1), d. h. der Grobkorund zeigt nicht zur Basisschicht, sondern zur darüber liegenden Papierbahn. Somit ergibt sich folgender Schichtaufbau:
Basisschicht -
imprägnierte Papierbahn / Grobkorund -
Papierbahn / Feinkorund-Harzschicht.
Hierbei versteht die Streitpatentschrift unter „Basisschicht“ (Merkmal M8) ein „fibre-board“ oder ein „particle-board“ (in NIK1a, Seite 5, Absatz 3, als „Faser- oder Partikelkarton“ übersetzt), die Basisschicht kann aber auch aus einer Anzahl konventioneller, nicht mit Partikeln überzogener Prepreg-Bahnen oder -Bögen bestehen (vgl. NIK1, Absatz [0015]). Die Hartpartikel (Merkmale M3.1 und M5.1) können aus vielen unterschiedlichen Materialien bestehen, besonders geeignete Materialien sind Siliciumdioxid, Aluminiumoxid (Korund) und/oder Siliciumcarbid, wobei eine Mischung aus zwei oder mehreren Materialien möglich ist (vgl. NIK1, Absatz [0014]). Die Grobhartpartikel weisen eine durchschnittliche Teilchengröße von 30 bis 90 µm (Merkmal M3.1.1), vorzugsweise 40 bis 70 µm, auf und dienen der Verbesserung der Abrieb- und Scheuerfestigkeit (vgl. NIK1, Absatz [0013] i. V. m. Absatz [0023]). Die Feinhartpartikel weisen eine durchschnittliche Größe von 1 bis 15 µm (Merkmal M5.1.1), vorzugsweise 1 bis 9 µm, auf und dienen der Verbesserung der Kratzfestigkeit (vgl. NIK1, Absatz [0013] i. V. m. Absatz [0023]). Es wird weiter beansprucht, die Grobhartpartikel mit einem Flächengewicht von 2 bis 20 g/m2 (Merkmal M3.1), vorzugsweise 6 bis 12 g/m2, und die Feinhartpartikel mit einem Flächengewicht von 1 bis 15 g/m2 (Merkmal M5.2), vorzugsweise 2 bis 10 g/m2, vorzusehen (vgl. NIK1, Absatz [0013]).
Der Patentanspruch 1 lässt die Art der fortlaufenden Papierbahn (Merkmale M2, M5) oder des Papierbogens (Merkmale M9, M10) offen. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift können für die Beschichtung mit harten Partikeln sowohl Overlay- als auch Dekorpapier verwendet werden. So ist in der Streitpatentschrift ausgeführt, dass die mit Partikeln beschichtete Papierbahn oder der beschichtete Papierbogen oft aus einem sog. Overlaypapier, vorzugsweise aus α-Cellulose, bestehe (vgl. NIK1, Absatz [0016]), allerdings sei es auch möglich, den sog. Dekorbogen mit harten Partikeln zu beschichten (vgl. NIK1, Absatz [0017]). In einigen Fällen sei es auch möglich, das Overlaypapier sowie den Dekorbogen mit Partikeln zu überziehen oder zwei oder mehr mit Partikeln beschichtete Overlaypapierbögen oder Dekorpapierbögen zu verwenden. Ebenfalls sei es möglich, einen herkömmlichen, nicht mit Partikeln beschichteten Overlaypapierbogen oben auf den oder die mit Partikeln beschichteten Bogen bzw. Bögen anzuordnen (vgl. NIK1, Absatz [0018]).
Der Fachmann wird also den Gegenstand des Patentanspruchs 1 dahingehend verstehen, dass er entweder Overlaypapier oder Dekorpapier, aber auch Overlay- und Dekorpapier mit Partikeln beschichten kann, so dass die Art der fortlaufenden Papierbahn unkritisch ist. Wesentlich ist vielmehr, dass die Partikel in den Melamin-Formaldehyd-Harzbeschichtungen aus den Bereichen von 30 bis 90 µm und 1 bis 15 µm durchschnittlicher Teilchengröße ausgewählt werden, und im Laminat die Feinkorund-haltige Schicht nach außen weisend angeordnet ist, während die Grobkorund-haltige Schicht entweder auf der anderen Seite derselben Papierbahn oder auf einer zweiten Papierbahn angeordnet ist, wobei entsprechend der Lehre des Streitpatents die Grobkorundpartikel der Verbesserung der Abrieb- und Scheuerfestigkeit und die Feinkorundpartikel der Verbesserung der Kratzfestigkeit dienen (vgl. NIK1, Absatz [0013] i. V. m. Absatz [0023]).
5. Als Fachmann auf dem vorliegenden technischen Gebiet der Verbundwerkstoffe ist ein berufserfahrener Diplom-Ingenieur anzusehen, der mit der Entwicklung und Verbesserung von Laminaten betraut ist. Der hier maßgebliche Durchschnittsfachmann verfügt aufgrund seiner Ausbildung und mehrjährigen Berufspraxis über die notwendigen Kenntnisse auf dem Gebiet der Werkstoffkunde, d. h. über anwendungsorientierte Aspekte von Materialien, weshalb dieses Fachwissen spezielle Kenntnisse über Ausgangsmaterialien, wie unterschiedliche Papiersorten, Kunststoffe bzw. Polymere, Beschichtungs- und Imprägnierungsstoffe organischer und anorganischer Natur einschließt. Infolgedessen ist ihm auch die Verwendung von Hartstoffpartikel für Laminate vertraut, und er besitzt das erforderliche Wissen über die hiermit erzielbaren Eigenschaften von Laminaten.
III.
Das Verfahren zur Herstellung eines dekorativen wärmehärtbaren Laminats mit einer abrieb- und kratzfesten Oberflächenschicht gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten und damit gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung des Streitpatents erweist sich ausgehend von der Lehre der vorveröffentlichten Druckschrift EP 0 519 242 A1 (NIK6a) mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig.
1. Wie beim Streitpatent wird auch gemäß der Lehre der NIK6a ein wärme- und druckhärtbares Dekorlaminat aus mit wärmehärtbarem Harz imprägnierten Papierblättern hergestellt, das eine ausgezeichnete Beständigkeit gegenüber sämtlichen bekannten Arten körperlicher Beschädigung der Oberfläche aufweist, die ein Verkratzen, Ritzen, Abschaben, Abrieb oder eine Verunstaltung hervorrufen (vgl. NIK6a, Seite 3, letzte Zeile bis Seite 4, Zeile 7 i. V. m. Seite 5, Zeilen 34 bis 37 sowie Seite 2, Zeilen 3 bis 17 - Merkmale M 1 und M1.1 bis M1.3). Um ein solches Dekorlaminat zu erhalten, schlägt die NIK6a vor, dass abriebfeste Korundpartikel mit einer Teilchengröße von 15 µm bis 45 µm, die in einer Melamin-Formaldehyd-Überzugszusammensetzung suspendiert sind, direkt auf die Oberseite eines Dekorpapiers aufgebracht werden, so dass das fertige Laminat 8 bis 12 g/m2 an abriebfesten Korundpartikeln enthält (vgl. NIK6a, Seite 5, Zeilen 13 bis 22 - Merkmale M3, M3.1, M3.1.1, M3.2). Danach wird die mit Harz imprägnierte Dekorlage weiter beschichtet, entweder mit reinem Melamin-Formaldehyd-Harz oder mit einer Harzzusammensetzung, die 5 % abriebfeste Korundteilchen mit einer mittleren Teilchengröße von 3 µm enthält (vgl. NIK6a, Seite 5, Zeilen 23 bis 26 - Merkmale M5, M5.1.1, M5.2), wobei ein Schritt zur Trocknung des Harzes zwischen die beiden Beschichtungsvorgänge geschaltet werden kann (vgl. NIK6a, Seite 5, Zeilen 30 bis 33 - Merkmal M4). Die zweite Schicht wird durch Eintauchen der mit Harz imprägnierten Dekorlage in ein Gemisch aus hitzehärtbarem Harz und abriebfesten Teilchen einer Größe von 3 µm aufgebracht und anschließend wird die harzimprägnierte Dekorlage getrocknet (vgl. NIK6a, Anspruch 8 i. V. m. Anspruch 21 - Merkmale M2, M5, M5.1, M5.1.1, M6). Durch die Tauchbehandlung werden beide Seiten der Dekorpapierlage mit Korundteilchen beschichtet, eine Seite nur mit 3 µm-Korundpartikeln, die andere Seite sowohl mit Korundpartikeln einer Größe von 15 bis 45 µm, als auch mit 3 µm-Korundpartikeln. Weil für die Applikation immer Melamin-Formaldehyd-Imprägnierharz verwendet wird, sind die beiden Schichten auf der einen Oberfläche des Dekorpapiers nicht mehr voneinander unterscheidbar. Vielmehr resultiert eine einzige Harzmatrix für die Korundteilchen, in der die größeren und kleinen Teilchen derart verteilt sind, dass außen feine Partikel, dann ein Mischungsbereich mit groben und feinen Partikeln und zur Papieroberfläche hin grobe Partikel angeordnet sind. Diese Ausbildung einer durchgehenden Matrix des Imprägnierharzes ergibt sich im Übrigen aus Seite 2, Zeilen 30 bis 34, der NIK6a, wo ausgeführt ist, dass Kernschicht, Dekorschicht und ggf. Overlay-Schicht übereinandergelegt werden und zwischen Stahl-Pressplatten eine Zeit lang Druck und Wärme ausgesetzt werden, die lang genug ist, um die Laminierharze auszuhärten, mit denen die jeweiligen Schichten imprägniert sind. Die erhöhte Temperatur und der erhöhte Druck bringen die Imprägnierharze innerhalb der Lagen zum Fließen, wodurch das Ganze zu einer einheitlichen Masse verfestigt wird, die man als Laminat bezeichnet.
Demnach lehrt die NIK6a nach dem Verständnis des Fachmanns (vgl. auch vorstehend II.4) die Herstellung eines mit einem wärmehärtbaren Harz imprägnierten Laminats aus mehreren Papierlagen umfassend eine auf einer wie auch immer gearteten Basisschicht gebundene Oberflächenbeschichtung (Merkmal M8) folgenden Aufbaus
Harzschicht mit 3 µm Al2O3-Partikeln
imprägniertes Dekorpapier
Harzschicht mit 15-45 µm Al2O3- und 3 µm Al2O3-Partikeln,
so dass das Dekorpapier beidseitig mit Korundpartikeln unterschiedlicher Teilchengrößen beschichtet ist und damit die Merkmale M1 bis M5.1.1, M6 und M8 erfüllt sind. Das ohnehin triviale Merkmal M7 ist lediglich optional und kann deshalb bei der Bewertung der Lehre der NIK6a unberücksichtigt bleiben.
Was die Merkmale M8.1 und M8.2 anbelangt, so schließt die Lehre der NIK6a die Orientierung der Oberfläche der Dekorpapierschicht mit den kleinsten Partikeln an der Oberseite des Laminats im Hinblick darauf, dass bei einem Laminat die Oberseite des Dekorpapiers in der Regel auch die Oberseite des gesamten Laminats darstellt, nicht aus (vgl. NIK6a, Seite 5, Zeilen 16 bis 20, die Textstellen „…directly to the top side of the decorative paper“, „…uniformly across the top side of the decorative paper“). Entsprechendes gilt für die Beschichtungsdichte mit dem Feinkorn und damit für das Merkmal M5.2 in Relation zur Beschichtungsdichte mit dem Grobkorn und damit in Relation zum Merkmal M3.1 im Hinblick auf die Anteilsangaben in Beispiel 1 (2) der NIK6a (vgl. a. a. O. Seite 5, Zeilen 51 bis 54).
Ob das streitpatentgemäße Verfahren nicht auf den einseitigen Feinkornauftrag beschränkt ist, sondern wie - nach den Angaben der Klägerin - seitens der Patentinhaberin und Beklagten im Verletzungsverfahren geltend gemacht den beidseitigen Feinkornauftrag entsprechend der Lehre der NIK6a umfasst, und ob eine solche Auslegung dann auch im Nichtigkeitsverfahren geboten ist (vgl. BGH GRUR 2010, 858 - Crimpwerkzeug III), und damit bereits dessen Neuheit zu verneinen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, weil das streitpatentgemäße Verfahren unter weiterer Berücksichtigung der Lehren der NIK5 und der NIK2 jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2. Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert ist, was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (vgl. BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern. Es ist deshalb grundsätzlich nicht von einem bestimmten, nächstliegenden Stand der Technik als Beurteilungsgrundlage auszugehen, da bereits die Wahl dieses Ausgangspunktes der Rechtfertigung bedarf, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmannes liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt (vgl. BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin; GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BPatG GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilung).
Für die Frage der Veranlassung zur Problemlösung - hier ein Verfahren zur Herstellung von dekorativen Laminaten zu schaffen, die sich durch besonders hohe Abriebbeständigkeit und Kratzfestigkeit auszeichnen, sowie für einen verbesserten Schutz der Pressbleche der Laminierstufe zu sorgen (vgl. NIK1, Absätze [0008] und [0012]) - ist zu beachten, dass erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungsweges - hier die Verwendung von sowohl Grobkorund- als auch Feinkorundpartikeln in verschiedenen Schichten (Merkmale M3.1.1, M5.1.1) - nicht nur als möglich, sondern als dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (vgl. BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
Zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe wird der Fachmann sich an den bekannten Dekorlaminaten der NIK6a orientieren, mit denen bereits sowohl verbesserte Kratz- als auch verbesserte Abriebfestigkeiten ermöglicht werden. Die aus der NIK6a bekannten Dekorlaminate umfassen eine auf einer wie auch immer gearteten Basisschicht gebundene Oberflächenbeschichtung folgenden Aufbaus
Harzschicht mit 3 µm Al2O3-Partikeln
imprägniertes Dekorpapier
Harzschicht mit 15-45 µm Al2O3- und 3 µm Al2O3-Partikeln,
so dass das Dekorpapier beidseitig mit Korundpartikeln unterschiedlicher Teilchengrößen beschichtet ist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Überzug mit den 15 bis 45 µm großen Korundpartikeln auch noch kleinere 3 µm-Korundpartikel enthält, wesentlich ist vielmehr, dass auf beiden Seiten des Dekorpapiers Korundpartikel mit der betreffenden, unterschiedlichen Teilchengröße der Merkmale M3.1.1 und M5.1.1 angeordnet sind.
Nach der Lehre der NIK6a wird durch das Aufbringen der Harzschicht mit 3 µm Partikeln ein gegen Beschädigungen widerstandsfähiges Laminat erzielt, das ein sehr gleichförmiges Erscheinungsbild und einen attraktiven Glanz aufweist, sich glatt anfühlt und einfach zu reinigen ist (vgl. NIK6a, Seite 2, Zeilen 57 bis 58), im Gegensatz zu bekannten Laminaten, die zwar sehr haltbare Oberflächen besitzen, die sich aber rau anfühlen, Schmutz aufnehmen und schwierig zu reinigen sind (vgl. NIK6a, Seite 2, Zeilen 49 bis 51). Es ist also Erfindungsgedanke der NIK6a, zwar zur Erzielung einer gegen Beschädigungen widerstandsfähigen Dekorlaminatoberfläche, wie bekannt, gröbere Korundpartikel zu verwenden, diese aber durch eine darauf und auf der anderen Seite des Dekorpapiers angeordnete Harzschichten mit kleineren Korundpartikeln derart auszugestalten, dass nicht nur abriebfeste Oberflächen, sondern auch kratzfeste, glatte, glänzende und deshalb einfach zu reinigende Oberflächen resultieren (vgl. NIK6a Seite 4, Zeilen 8 bis 10).
Dem Einwand der Beklagten, dass die NIK6a keinen Zusammenhang zwischen der Kratzfestigkeit und den 3 µm-Mineralteilchen aufzeige, weshalb der konkrete Anlass fehle, zur Erhöhung der Kratzfestigkeit eine Beschichtung mit 3 µm-Mineralteilchen vorzunehmen, kann nicht gefolgt werden. Denn der Fachmann bekommt aus der NIK5 den konkreten Grund für die Verwendung von zwei unterschiedlich großen Mineralteilchen vermittelt, so dass er Anlass hat, Grobkorund- und Feinkorundpartikel zur Verbesserung der Kratz- und Abriebfestigkeit in den bekannten Papierimprägnierschichten zu verwenden.
Im Einzelnen beschreibt die DE 691 07 370 T2 (NIK5) einen Dekorschichtstoff mit verbesserter Ritz-, Kratz-, Schab- und Abriebfestigkeit umfassend mindestens eine Trägerschichtlage und eine darauf auflaminierte, mit Hitze gehärtetem Harz imprägnierte Dekorpapierlage, wobei die Dekorpapierlage einen abriebfesten Harzüberzug aufweist. Dieser Harzüberzug umfasst abriebfeste Mineralteilchen mit einer Teilchengröße von etwa 3 µm und von etwa 25 µm in einem Mengenverhältnis von größeren zu kleineren Teilchen von 2 : 1 (vgl. NIK5, Anspruch 1 i. V. m. Seite 7, Zeile 7 bis Seite 8, Zeile 7). Die verbesserte Ritz-, Kratz-, Schab- und Abriebfestigkeit geht dabei einher mit einem Verschleißschutz der Pressbleche in der Laminierstufe (vgl. NIK5, Seite 8, Zeilen 1 bis 7 i. V. m. 15 bis 18), und führt damit den Fachmann zwangsläufig und unmittelbar zur Lösung der diesbezüglichen Teilaufgabe des Streitpatents. Als Harz kommt Melamin-Formaldehyd-Harz zum Einsatz, als Mineralteilchen werden Aluminiumoxidpartikel verwendet (vgl. NIK5, Seite 9, Zeilen 13 bis 19). Weiter offenbart die Druckschrift, dass der sich ergebende Dekorschichtstoff unter Verwendung der Melamin-Formaldehyd-Harzformulierung hervorragende Ritzbeständigkeit besitzt, hervorgerufen durch die Korundpartikel einer Teilchengröße von 25 µm, und zugleich auch eine hervorragende Kratzbeständigkeit aufweist, verliehen durch die Korundpartikel einer Teilchengröße von 3 µm, weil die kleinen Teilchen aufgrund der größeren Oberfläche zu einer vollständigeren Abdeckung der Laminatoberfläche führen. Die größeren Korundpartikel sind notwendig, um dem Schichtstoff Ritzbeständigkeit zu verleihen (vgl. NIK5, Seite 10, Zeilen 25 bis 34 i.V.m. Seite 19, Zeile 4 bis 19). Weiter ist ausgeführt, dass jegliche Zugabe von 3-µm-Korundpartikeln die Kratzfestigkeit wesentlich verbessert, die Abriebfestigkeit aber nur im Gemisch mit 25-µm-Korundpartikeln vorhanden ist (vgl. NIK5, Seite 22, Zeilen 13/14 und 24 bis 26 i.V.m. Tabelle II auf Seite 21).
Deshalb konnte der Fachmann nicht umhin, auf die Eigenschaften einer mit Korundpartikeln beschichteten Dekorpapierlage gezielt Einfluss zu nehmen durch kleine Partikel zur Erhöhung der Kratzfestigkeit und durch größere Partikel zur Verbesserung der Ritz- und Abriebbeständigkeit.
Zwar werden gemäß der Lehre der NIK5 die unterschiedlich großen Korundpartikel ausschließlich als Mischung in einem Überzug des Dekorpapierbogens verwendet. Stellt der Fachmann aber fest, dass ein solcher Überzug den Anforderungen der Praxis in Bezug auf besonders hohe Abriebbeständigkeit und Kratzfestigkeit bei gleichzeitigem Schutz der Pressbleche nicht genügt, dann bestand für ihn Anlass auszuprobieren, ob anstelle einer Mischung aus zwei Partikelgrößen in einem Überzug mit getrennten Partikelgrößen in zwei Überzügen bessere Ergebnisse zu erzielen sind. Anregungen hierzu erhielt der Fachmann aus der NIK6a, die den Vorteil der Applikation zweier Partikelgrößen in getrennten Schichten aufzeigt.
War der Fachmann mit dem nach der Lehre der NIK6a erreichten Ergebnis noch nicht zufrieden, lag es für ihn auf der Hand, die Eigenschaften der Überzüge durch Variation der Partikelgrößen und der Applikationsweise weiter zu optimieren. Eine solche Vorgehensweise liegt im Erprobungsermessen des Fachmannes, wobei ihm aufgrund seines Fachwissens, belegt durch NIK2 (vgl. a. a. O. Anspruch 9 i. V. m. Seite 4, Absatz 4 bis Seite 5, Absatz 1), bekannt ist, dass ggf. auch verschiedene Papierlagen ein- oder beidseitig mit Korundpartikel-enthaltenden Überzügen, die zur Oberseite des Laminats gerichtet sind, versehen werden können.
Damit war dem Fachmann der Weg vorgezeichnet, die eine Seite einer Papierlage mit kleinen Partikeln zwecks Erhöhung der Kratzfestigkeit und Schutz der Pressbleche, die andere Seite der Papierlage mit größeren Partikeln zur Verbesserung der Ritz- und Abriebbeständigkeit zu überziehen. Die seitens der Patentinhaberin und Beklagten vorgebrachten vorteilhaften Eigenschaften und Effekte waren deshalb auf für den Fachmann vorhersehbare und naheliegende Weise zu erzielen und vermögen deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages ergab sich für den Fachmann daher ausgehend von der Lehre der NIK6a in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
IV.
Das Streitpatent hat auch keinen Bestand in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 3, da der demnach hilfsweise verteidigte Gegenstand ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 1, der sich von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages nur dadurch unterscheidet, dass auf die Alternative mit zwei einseitig beschichteten Papierlagen gemäß den Merkmalen M9 bis M10.1 verzichtet wird und Merkmal M5 dementsprechend angepasst werden soll, ist zulässig, aber nicht patentfähig. Insoweit wird auf obige Ausführungen zu Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag verwiesen.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 2, der sich von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 1 durch das zusätzliche Merkmal M11, „wherein the particle coated paper web or paper sheet consists of a so-called overlay paper“, unterscheidet, ist zulässig, aber nicht patentfähig.
War es für den Fachmann entsprechend den obigen Ausführungen zu Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag naheliegend, eine Papierlage beidseitig mit Korundpartikel unterschiedlicher Teilchengröße zu versehen, so stellte sich ihm bei der Applikation die Frage, welche Papierlage im Dekorlaminat hiermit beschichtet werden soll. Im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist eine Differenzierung zwischen Dekor- oder Overlay-Papier nicht erfolgt, da es laut den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents unkritisch ist, ob Dekor- und/oder Overlay-Papier mit den Korundpartikel-enthaltenden Überzügen versehen werden (vgl. NIK1, Absätze [0016] bis [0018]). Wenn nun die Beschichtung auf das Overlay-Papier beschränkt ist, kann darin keine erfinderische Papierauswahl gesehen werden, da aus der NIK2 bereits bekannt war, solche Überzüge nicht nur auf Dekorpapier, sondern auch auf Overlay-Papier aufzubringen (vgl. NIK2, Seite 4, Absatz 4 bis Seite 5, Absatz 1). Eine besonders vorteilhafte, unerwartete Wirkung der Beschichtung des Overlay-Papiers ist aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents nicht ersichtlich, denn hierzu hätte es der Dokumentation der verbesserten Eigenschaften des Dekorlaminats bei Überzügen des Overlay-Papiers gegenüber Überzügen auf Dekorpapier bedurft. Da es also nur im Ermessen des Fachmannes liegt, welche Papierlage, d. h. Dekorpapier oder Overlay-Papier, mit den Korundpartikeln beschichtet werden soll, ist auch dieser Patentanspruch mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 3 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 2 durch eine Änderung der Untergrenze der Grobkorund-Partikelgröße und der Obergrenze der Feinkorund-Partikelgröße:
M3.1.1’ with an average particle size of 40 to 90 µm
M5.1.1’ having an average particle size of 1 to 9 µm.
Es kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob diese Bemessungsänderungen zulässig sind, da es für den Fachmann jedenfalls keines erfinderischen Zutuns bedurfte, zu den nun beanspruchten Partikelgrößenbereichen zu gelangen. Denn schon in der NIK2 findet sich der Hinweis, dass die Korundpartikel aus dem Teichengrößenbereich von 1 bis 80 µm ausgewählt werden sollen (vgl. NIK2, Anspruch 1). In der NIK6a werden Korundpartikel im Größenbereich von 3 µm und 15 bis 45 µm verwendet (vgl. NIK6a, z. B. Anspruch 21), in der NIK5 kommen Korundpartikel mit Teilchengrößen von etwa 3 µm und etwa 25 µm zum Einsatz (vgl. NIK5, z. B. Anspruch 1). Da der Fachmann weiß, dass - wie zum Hauptantrag ausgeführt - die kleinen Korundpartikel die Kratzfestigkeit wesentlich erhöhen und die größeren Partikel zu einer verbesserten Ritz- und Abriebbeständigkeit des Laminats führen, liegt es lediglich in der handwerklichen Routine des Fachmannes, die für seine Zwecke passenden Größenbereiche anhand der Bestimmung der Bereichsgrenzen zu untersuchen.
4. Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrages sowie der Hilfsanträge 1 und 2 bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und auch die Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862, 864 - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).
Was die Patentansprüche 2 bis 9 in der Fassung des im Zweifel auch hinsichtlich der Unteransprüche zu prüfenden Hilfsantrages 3 anbelangt, so ist das streitpatentgemäße Verfahren auch in diesen Ausgestaltungen nicht erfinderisch. Bei diesen nachgeordneten Unteransprüchen 2 bis 9, die den erteilten Unteransprüchen 2, 5 bis 7 und 9 bis 12 entsprechen, handelt es sich für den angesprochenen Fachmann ersichtlich um naheliegende Maßnahmen bei der Herstellung eines dekorativen wärmehärtbaren Laminats (vgl. zu Anspruch 2 die NIK6a, Anspruch 11 oder NIK2, Anspruch 1; vgl. zu Anspruch 3, NIK3, Spalte 8, Zeilen 37 ff.; vgl. zu Anspruch 7 die NIK2, Seite 1, letzter Absatz; vgl. zu Anspruch 8 die NIK2, Anspruch 6; vgl. zu Anspruch 9 die NIK2, Seite 4, Absätze 3 und 4) bzw. um fachübliche Ausgestaltungen solcher Dekorlaminate (Ansprüche 4, 5 und 6: vgl. z. B. NIK2, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Absatz 3).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.