Entscheidungsdatum: 13.03.2018
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 349 456
(DE 601 16 379)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Schramm, den Richter Kätker, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 349 456 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. November 2001 beim Europäischen Patentamt in englischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents 1 349 456, das die Priorität der amerikanischen Anmeldung US 727117 vom 30. November 2000 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 601 16 379 geführt wird. Das Patent trägt die Bezeichnung „Use of Compositions for Enhanced Acaricidal Activity“ ("Verwendung von Zusammensetzungen zur Verbesserung der akariziden Wirksamkeit"). Es ist im Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhalten und in einem Beschränkungsverfahren weiter beschränkt worden. Das Streitpatent, das mit Hauptantrag und hilfsweise mit sechs Hilfsanträgen verteidigt wird, umfasst gemäß der Fassung nach dem Beschränkungsverfahren vier Patentansprüche, die wie folgt lauten:
In deutscher Sprache lauten sie:
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Zuletzt bestreitet sie außerdem die Klarheit der Anspruchsfassung gemäß Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 4. Sie stützt ihr Vorbringen insbesondere auf folgende Dokumente:
K8 Richardson, J. A., The Journal of Veterinary Emergency and Critical Care, Ausgabe April-Juni 2000, 3 Seiten
K10 JP 2000-198706 A
K10a Beglaubigte Übersetzung der K10 ins Deutsche, 18 Seiten
K12 US 5,236,954
K13 EP 0 976 327 A1
K14 EP 0 682 869 A1
K16 Bescheinigung des Ministerio de Economia y Producción, Argentinien, betreffend die Eintragung des Produkts "POWER PLUS SPOT ON" vom 27. September 2006, 1 Seite
K16a Englische Übersetzung der K16
K16b Screenshot der Internetseite "Brouwer – The company", Ausdruck vom 28. September 2006, 1 Seite, http://www.lab-brouwer.com.ar/eng.htm
K16c Screenshot der Internetseite "Brouwer – Companion Animal Products", Ausdruck vom 28. September 2006, 1 Seite, http://www.lab-brouwer.com.ar/ eng.htm
K21 Veterinaria argentina, Vol. XVI, Nr. 152, April 1999, S. 81, 83, 84, 150
K21a deutsche Übersetzung der K21
K23 Revista de Medicina Veterinaria, Band 80, Nr. 2, 1999, Impressum, Sumario, 3 Seiten und S. 90, 92 und Titelblatt "Animales de Compañia"
K23a deutsche Übersetzung der K23
K24 Hardee, G. E. und Baggot J. D. (Eds.), "Development and Formulation of Veterinary Dosage Forms", Marcel Dekker, Inc., New York u. a., 2. Aufl., 1998, S. 209 bis 212 und 328
K25 Bough, M., Veterinary Technician, September 2000, S. 506 bis 507
Die Klägerin rügt zunächst die fehlende Klarheit der Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 4 im Hinblick auf die Bedeutung der Begriffe "Zusammensetzung" und "Formulierung", von denen nicht klar sei, ob sie die gleiche oder unterschiedliche Bedeutung haben.
Weiterhin ist sie der Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Er sei durch eine Kombination des Produkts "Power plus® spot on" oder einer der Druckschriften K10 und K13 mit einer der Druckschriften K8, K12, K24, K25 oder mit dem Produkt Kiltix® nahe gelegt. Als Ausgangspunkt komme das in K16 bis K16c, K21 und K23 beschriebene Produkt "Power plus® spot on" in Betracht, bei dem es sich um ein Imidacloprid und Permethrin enthaltendes Mittel zur dermalen Applikation an Hunden zur Bekämpfung von Flöhen und Zecken handele. Ebenso könne der Fachmann von einer der Druckschriften K10 oder K13 ausgehen, die beide die Verwendung von Nicotinylverbindungen in Kombination mit einem Pyrethroid, insbesondere Permethrin, zur Bekämpfung von Ektoparasiten wie Acari durch dermale Anwendung beschrieben. Weiter hätte der Fachmann insbesondere aus einer der Druckschriften K8, K12, K24, K25 oder dem Produkt Kiltix® eine Veranlassung gehabt, die Konzentration des Pyrethroids Permethrin auf die beanspruchte Konzentration von 40 bis 60 Gew.-% zu erhöhen. Denn die patentgemäße Wirkstoffkonzentration von Pyrethroid sei zum Prioritätszeitpunkt allgemein bekannt und üblich gewesen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sei der Fachmann nicht durch angebliche Sicherheitserwägungen oder Bedenken bezüglich der Verträglichkeit davon abgehalten worden, die Konzentration von Permethrin, einem Pyrethroid mit geringerer Toxizität, in einem Kombinationsprodukt wie "Power plus® spot on" in streitpatentgemäßer Weise zu erhöhen. Aus dem Stand der Technik gehe auch keine grundsätzliche Tendenz zur Minimierung der Wirkstoffkonzentration hervor sondern vielmehr eine Tendenz zur Erhöhung der Wirkstoffkonzentration, insbesondere bei Pyrethroiden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordere eine Erhöhung der Wirkstoffkonzentration auch kein komplett neues Formulierungssystem bzw. keine neue Produktentwicklung, zumal die streitpatentgemäßen Produkte nicht auf Wirkstofflösungen beschränkt seien sondern auch Suspensionen und Halsbänder umfassten, wie sie beispielsweise in den Druckschriften K12 und K14 offenbart seien.
Entsprechendes gelte für die Gegenstände der Hilfsanträge. Die in die Hilfsanträge aufgenommenen Merkmale hinsichtlich der Konzentration der Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid sowie der Wahl eines bestimmten Lösungsmittels seien ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannt gewesen oder stellten allenfalls das Ergebnis von Routineuntersuchungen dar. Teilweise handele es sich auch um redundante Merkmale (Hilfsantrag 3) oder um solche, die als therapeutische Behandlungsverfahren (Hilfsantrag 4) oder bloße Entdeckungen von Wirkungsmechanismen (Hilfsanträge 5 und 6) nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zur Beurteilung der Patentfähigkeit heranzuziehen seien bzw. die Patentfähigkeit nicht begründen könnten. Im Übrigen seien auch diese Merkmale aus dem Stand der Technik bekannt.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 349 456 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrags,
hilfsweise die Fassung eines der in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 1 bis 4,
weiter hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 5 und 6, beide gemäß Schriftsatz vom 7. Dezember 2017, erhält.
Die Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag entspricht der Fassung nach der Beschränkung des Streitpatents mit den Abweichungen, dass vor den Wörtern "mit Ausnahme ..." folgendes Merkmal eingeschoben wird:
"..., wobei die Pyrethroid- und Nicotinylverbindung in einer einzigen Formulierung vorliegen, ..."
und dass Patentanspruch4 gestrichen wird.
Gemäß Hilfsantrag 1 enthält die Anspruchsfassung nur einen Patentanspruch, der wie folgt lautet:
"Verwendung einer Kombination aus Permethrin und Imidacloprid zur Herstellung eines Produkts zur Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren, enthaltend eine Zusammensetzung zur dermalen Applikation bei Säugetieren, worin Permethrin in einer Konzentration von 40 bis 60 Gew.-% und Imidacloprid in einer Konzentration von 8 bis 10 Gew.-% vorliegt, wobei Permethrin und Imidacloprid in einer einzigen Formulierung vorliegen."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1 mit der Ausnahme, dass er zusätzlich folgendes Merkmal aufweist:
"... und die Zusammensetzung N-Methylpyrrolidon als Lösungsmittel enthält, ...".
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 3 entspricht dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 mit dem Unterschied, dass der Zweck des herzustellenden Produkts auf die dermale Bekämpfung von Acari gerichtet ist, so dass es nun heißt:
"Verwendung ... zur Herstellung eines Produkts zur dermalen Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren, ...".
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 4 entspricht dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 3 mit dem Unterschied, dass er folgendes zusätzliche Merkmal aufweist:
"... und ein geringes Volumen der Zusammensetzung auf eine Stelle am Tier geträufelt wird (spot on), ..."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 5 entspricht dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass statt des Merkmals
"... wobei Permethrin und Imidacloprid in einer einzigen Formulierung vorliegen."
folgendes Merkmal angehängt wird:
"... und Imidacloprid zur Verstärkung der akariziden Wirkung von Permethrin eingesetzt wird."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 6 entspricht dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 5 mit dem Unterschied, dass statt des o. g. Merkmals folgendes Merkmal angehängt wird:
"... und Imidacloprid zur Beschleunigung des Einsetzens sowie zur Verlängerung der akariziden Wirkung von Permethrin eingesetzt wird."
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist im Wesentlichen auf folgende Dokumente:
KSVR1a EP 1 349 456 B3 (= Streitpatent in der Fassung nach dem Beschränkungsverfahren)
KSVR1b deutsche Übersetzung der beschränkten Fassung des Streitpatents, 20 Seiten
KSVR7 Thomson, H. M., Ecotoxicology, 1996, 5, S. 59 bis 81
KSVR11 WO 02/43494 A2 (= Offenlegungsschrift)
KSVR18 Kalbitz, J. et al., Pharmazie, 1996, 51, S. 619 bis 637
KSVR19 Neubert, R. H. H. et al., Pharm. Ind., 1998, 60, S. 149 bis 156
KSVR23 Versuchsbericht "Vehikel- und Konzentrationseffekte", undatiert, 7 Seiten
KSVR24 "Wortlaut der für die Fachinformation in Form der Zusammenfassung der Merkmale des Tierarzneimittels (Summary of Product Characteristics) vorgesehenen Angaben" zu dem Tierarzneimittel Advantix®, undatiert, 11 Seiten
KSVR25: Tomlin, C. (Ed.), "The Pesticide Manual", Crop Protection Publications, The Bath Press, Bath, 10. Aufl., 1994, S. 591 bis 593 sowie 783 bis 785
Nach Auffassung der Beklagten ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag patentfähig. Insbesondere beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, das erfolgreiche Produkt "Power Plus® spot on" zu verändern und gezielt die Pyrethroidkonzentration zu erhöhen, da das Produkt bereits mit einem Wirkstoffgehalt von 6 g/100 ml Imidacloprid und 24 g/100 ml Permethrin schnell und über einen Zeitraum von vier Wochen sicher wirksam sei. Auch grundsätzliche Tendenzen zur Minimierung der Wirkstoffkonzentration sowie Sicherheitserwägungen und Bedenken bezüglich der Verträglichkeit hätten den Fachmann hiervon abgehalten. Insbesondere wäre er im Hinblick auf die bekannten Toxizitätsrisiken nicht dazu angeregt worden. Zudem führe die Erhöhung der Wirkstoffkonzentration zu einer tiefgreifenden Veränderung des Formulierungssystems und erfordere daher eine komplett neue Produktentwicklung, wobei die Eignung eines bestimmten Lösungsmittels für die veränderte Formulierung nicht vorhersehbar sei.
Ebenso habe der Fachmann ausgehend von der Druckschrift K10 ohne rückschauende Betrachtungsweise keine Veranlassung gehabt, gerade ein Pyrethroid in einer Konzentration von 40 bis 60 Gew.-% als bedarfsweise hinzugesetzten weiteren Wirkstoff auszuwählen. Die K10 beschreibe die Kombination aus einer Neonikotinoidverbindung mit einem bestimmten Lösungsmittel (Glykol bzw. Glykolmonoalkylether) wobei die Wahl dieses Lösungsmittels Voraussetzung für die hohe Wirksamkeit der Neonikotinoidverbindung sei. Auch betone die K10 die Relevanz der Festlegung eines bestimmten Mischungsverhältnisses der Komponenten in der Formulierung, sodass für den Fachmann nicht nur die Wahl des eingesetzten Lösungsmittels für die Wirksamkeit maßgeblich sei sondern auch die Mengenverhältnisse der in der Formulierung eingesetzten Komponenten. Dies gelte umso mehr, als der Fachmann vorliegend ein geeignetes Vehikel für gleich zwei Wirkstoffe mit sich unterscheidenden physikochemischen Eigenschaften auffinden müsse.
Auch ausgehend von der K13, die eine spezielle Nicotinylverbindung beschreibe, habe der Fachmann keinen Anlass gehabt, aus einer langen Liste möglicher Kombinationspartner gerade die eine Kombination der Nicotinylverbindung und eines - zumal hochkonzentrierten - Pyrethroids für die Weiterbildung eines Acari-Bekämpfungsmittels heranzuziehen.
Erst recht seien die Gegenstände der Hilfsanträge patentfähig. Die Wahl von N-Methylpyrrolidon (im Folgenden mit NMP abgekürzt) als Lösungsmittel sei für den Fachmann objektiv nicht zweckmäßig gewesen, da es sich bei NMP um einen bekannten Penetrationsverstärker handele, sodass der Fachmann das unerwünschte Eindringen von Wirkstoffanteilen in die Blutzirkulation des Tieres befürchten müsse. Die Druckschriften K10 und K14 erwähnten das Lösungsmittel NMP nur eher beiläufig und befassten sich auch nicht mit der Formulierung einer Wirkstoffkombination. Sie gäben dem Fachmann daher keinen Hinweis, zum Gegenstand des Hilfsantrags 2 zu gelangen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das Merkmal „zur dermalen Bekämpfung“ gemäß Hilfsantrag 3 im Sinne einer dermalen, d. h. nicht-systemischen Wirkung in oder auf der Haut auszulegen, sodass es als den Streitgegenstand näher charakterisierendes Merkmal die Patentfähigkeit begründen könne.
Auch sei das in Hilfsantrag 4 enthaltene Merkmal, wonach ein geringes Volumen der Zusammensetzung auf eine Stelle am Tier geträufelt werde, zur Beurteilung der Patentfähigkeit heranzuziehen. Denn es qualifiziere die Verwendung der anspruchsgemäßen Kombination als Spot-on Präparat und beziehe sich damit auf eine bestimmte Darreichungsform, die für die Aktivität der Wirkstoffe Imidacloprid und Permethrin von großer Bedeutung sei.
Weiter handele es sich bei den in den Hilfsanträgen 5 und 6 zusätzlich eingefügten Merkmalen nicht um bloße Erklärungen der Wirkungsweise der vorbekannten Verwendung von Imidacloprid und Permethrin zur Bekämpfung von Acari, sondern um die Angabe eines zweckgerichteten Einsatzes von Imidacloprid, der so nicht vorbekannt gewesen sei.
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet. Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404 – Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 119 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, PatG, 10. Aufl., § 81 Rdn. 127).
I.
1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung einer Kombination aus einer Pyrethroid- und einer Nicotinylverbindung zur Herstellung eines Produkts zur Bekämpfung von parasitären Acari, wie z. B. Zecken und Milben, bei Tieren.
Nach den Ausführungen im Streitpatent sei es bekannt, dass Pyrethroide gegen Acari wirksam seien. Dasselbe gelte für die Wirksamkeit von Nicotinyl- und insbesondere von Chlornicotinylverbindungen gegen parasitäre Insekten, wie z. B. Flöhe, Läuse oder Fliegen. Allerdings sei es nicht bekannt gewesen, ob die Kombination eines Pyrethroids mit einer Nicotinylverbindung die Wirkung des Pyrethroids verstärke, ohne dabei die Aktivität der Nicotinylverbindung zu beeinträchtigen (vgl. KSVR1a S. 3 Abs. [0001] bis [0003] i. V. m. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag).
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, ein wirksames und verträgliches Produkt zur Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren zur Verfügung zu stellen.
3. Die Aufgabe wird durch die Verwendung einer Wirkstoffkombination nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag gelöst. Diese weist folgende Merkmale auf:
A Verwendung einer Kombination aus
B einer Pyrethroidverbindung und
C einer Nicotinylverbindung
D zur Herstellung eines Produkts zur Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren,
E wobei das Produkt eine Zusammensetzung zur dermalen Anwendung an Säugetieren enthält,
F worin das Pyrethroid in Konzentrationen von 40 bis 60 Gew.-% vorliegt,
G und wobei die Pyrethroid- und Nicotinylverbindung in einer einzigen Formulierung vorliegen,
H mit der Ausnahme der Verwendung zur Bekämpfung von Zecken, wenn das Produkt Deltamethrin und Acetamiprid enthält.
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen auf Parasitologie spezialisierten Veterinärmediziner mit langjähriger praktischer Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Insektiziden, der bei Bedarf mit einem Formulierungstechniker/Galeniker mit speziellen Kenntnissen im Veterinärbereich zusammenarbeitet.
II.
1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 der Fassung des Streitpatents nach dem Beschränkungsverfahren durch das neu hinzugekommene Merkmal G. Dieses Merkmal ist sowohl in der Offenlegungsschrift KSVR11 als auch in der Streitpatentschrift KSVR1a offenbart, so dass der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag zulässig ist (vgl. S. 13 Z. 10 bis 11; vgl. KSVR1a S. 9 Z. 20).
Nicht durchgreifen kann der Einwand, dass der Patentanspruch 1 durch die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe "Zusammensetzung" und "Formulierung" in den Merkmalen E und G unbestimmt und daher unzulässig sei. Denn der Fachmann versteht diese beiden Begriffe als Synonyme, da es sich bei dem Begriff "Zusammensetzung" um einen offensichtlichen Fehler bei der Übersetzung des Streitpatents aus der englischen Originalsprache ins Deutsche handelt. Dies ergibt sich daraus, dass im Merkmal E des Patentanspruchs 1 der KSVR1a der englische Begriff "formulation" verwendet wird. Derselbe englische Begriff wird dann auch in der Offenbarungsstelle für das Merkmal G benutzt (vgl. KSVR1a S. 9 Z. 20).
2. Die Verwendung einer Kombination aus einer Pyrethroid- und einer Nicotinylverbindung gemäß Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, ein wirksames und verträgliches Produkt zur Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren zur Verfügung zu stellen, liegt es nahe, sich zunächst mit bekannten Zusammensetzungen zu befassen und diese auf Optimierungsmöglichkeiten zu prüfen. Demzufolge konnte der Fachmann von dem vorbekannten Schädlingsbekämpfungsmittel "Power plus® spot on" ausgehen, das in den Druckschriften K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a detailliert offenbart ist. Dieses Produkt wird als spot-on-Anwendung zur Bekämpfung von Flöhen, Zecken, Fliegen und Mosquitos, also u. a. von Acari, eingesetzt und enthält in der Formulierung 6 g/100 ml Imidacloprid, das im Streitpatent als bevorzugte Nicotinylverbindung angegeben ist (KSVR1a S. 6 Abs. [0032], erste Strukturformel), und 24 g/100 ml des Pyrethroids Permethrin (vgl. K16a; K16c; K21a re. Sp.). Dass dabei die beiden Wirkstoffe in einer einzigen Formulierung vorliegen, ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus den Informationen zur Dosierung und Anwendung (vgl. K16c Abschnitt "Dosage and Administration"), was von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden ist. Für den Fachmann hat sich dieses Produkt als Ausgangspunkt vor allem aus dem Grund angeboten, dass es sich vorteilhaft durch eine sofort einsetzende und über vier Wochen anhaltende Wirkung auszeichnet (vgl. K21a li. Sp. und K23a 1. und 2. Spiegelpunkt). Ausgehend von dem Produkt "Power plus® spot on" gehört es zu den naheliegenden Optimierungsmöglichkeiten, die in diesem bekannten Präparat verwendeten Wirkstoffe anzureichern (vgl. BGH GRUR 2010, 607 – Fettsäurezusammensetzung). Dieser Ansatzpunkt gilt dabei nicht nur auf dem Gebiet der Arzneimittel, zu dem die genannte Entscheidung getroffen worden ist, sondern auch auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfungsmittel, weil in beiden Fachgebieten die verabreichte Dosis an Wirkstoffen für die angestrebte Wirkung ein entscheidender Einflussfaktor ist.
Für seine weiteren Überlegungen wird sich der Fachmann hinsichtlich einer Anreicherung der Wirkstoffe im Produkt "Power plus® spot on" in der Fachliteratur umsehen und dabei auf die K12 treffen. Aus dieser Druckschrift ist die Verwendung von Pyrethroiden und insbesondere von Permethrin in Konzentrationen größer 50 Gew.-% für die Bekämpfung von Ektoparasiten wie z. B. Zecken, Fliegen und Flöhen in einer spot-on-Behandlung bekannt (vgl. K12 Sp. 1 Z. 10 bis 17, Sp. 3 Z. 25 bis 32, 66 bis Sp. 4 Z. 3, Sp. 4 Z. 53 bis 60, Sp. 6 Z. 41 bis 46). Dabei lehrt diese Druckschrift, dass hohe Konzentrationen an Pyrethroid weder Reizungen noch toxische Nebenwirkungen verursachen. Weiterhin bringen diese den Vorteil mit sich, dass ein geringeres Auftragsvolumen benötigt wird (vgl. K12 Sp. 1 Z. 48 bis 56, Sp. 2 Z. 17 bis 23, Sp. 4 Z. 46 bis 50). Dies motiviert den Fachmann, im Produkt "Power plus® spot on" Konzentrationen von 50 Gew.-% an Pyrethroid einzusetzen, so dass auch das Merkmal F die Patentfähigkeit der streitpatentgemäßen Verwendung nicht begründen kann. Damit hat der Streitgegenstand bei einer Zusammenschau des Produkts "Power plus® spot on", wie in K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a beschrieben, mit der K12 nahegelegen.
b) Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage.
aa) Die Beklagte wendet dagegen ein, dass sich die Wirksamkeit von Wirkstoffen bei der patentgemäßen Art der Anwendung aufgrund von nicht vorhersehbaren Konzentrations- und Vehikeleffekten nicht im Vorfeld abschätzen lasse, und ein geeignetes Vehikelsystem daher nur in einem aufwändigen Forschungs- und Entwicklungsprogramms identifiziert werden könne.
Dieses Argument vermag nicht durchzugreifen. Aus dem Stand der Technik ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die Erhöhung der Pyrethroidkonzentration auch in Anwesenheit einer Nicotinylverbindung die aus K12 bekannte gute Verträglichkeit und Wirksamkeit von Spot-on-Zubereitungen mit einer Pyrethroidkonzentration größer als 50 Gew.-% negativ beeinflusst. Vielmehr sind Pyrethroidkonzentrationen gemäß Merkmal F in Spot-on Zubereitungen und deren gute Verträglichkeit und Wirksamkeit als Schädlingsbekämpfungsmittel auch aus anderen Druckschriften sowie dem im Streitpatent angeführten und damit vor dem Prioritätstag bekannten kommerziellen Produkt Kiltix® dem Fachmann geläufig (vgl. K8 "Summary"; vgl. K25 S. 506 "Zusammenfassung" Abs. 1; vgl. KSVR1a S. 10 Abs. [0050]). Für den Fachmann bestand daher keine Veranlassung, damit zu rechnen, dass es bei der Formulierung der streitpatentgemäß verwendeten Zusammensetzung mit einem Vehikelsystem zu unerwarteten Problemen kommen könnte. Derartige Probleme werden im Streitpatent auch nicht thematisiert. Vielmehr werden dort nur für sog. Spot-On-Anwendungen übliche Lösungsmittel aufgezeigt (vgl. KSVR1a S. 8 Abs. [0035] mit z. B. die ebenfalls Spot-On-Applikationen betreffenden Zubereitungen gemäß K10a S. 5 Abs. [0001], S. 13 Abs. [0010] und gemäß K14 S. 6 Z. 46 bis 56, S. 7 Z. 19 bis 29). Ein Vehikelsystem wird im Übrigen weder in den nebengeordneten Patentansprüchen der Streitpatentschrift KSVR1a noch im Patentanspruch 1 des Hauptantrags beansprucht.
Zudem gehört das Auffinden eines geeigneten Vehikelsystems zur Routinetätigkeit des Fachmanns. Aus seinem Fachwissen ist ihm bekannt, dass bei dermalen Anwendungen das Vehikelsystem, also das Wirkstoffträgersystem, einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit der Wirkstoffzubereitung hat (vgl. KSVR19 S. 152 li. Sp. Abs. 1). Dies gilt insbesondere auch für sog. Pour-On- und Spot-On-Applikationen von Formulierungen im tiermedizinischen Bereich (vgl. K24 S. 211 Abs. 1). Für den Fachmann war es daher zum Prioritätszeitpunkt eine selbstverständliche Maßnahme, sich bei der Optimierung einer Wirkstoffzusammensetzung zur dermalen Anwendung an Säugetieren mit dem Vehikelsystem zu beschäftigen (vgl. z. B. KSVR19 S. 152 li. Sp. Abs. 2).
bb) Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Fachmann Bedenken bezüglich der Verträglichkeit einer Zubereitung mit streitpatentgemäß hochkonzentrierten Pyrethroid wegen einer möglichen Absorption des Wirkstoffs gehabt habe, überzeugt diese Argumentation nicht. Wie bereits erörtert, waren am Prioritätstag des Streitpatents eine Vielzahl von Pyrethroid-haltigen und topisch anzuwendenden Produkten – wie z. B. Kiltix® – mit einer Wirkstoffkonzentration, wie sie im Merkmal F beansprucht wird, bekannt (vgl. Produkt Kiltix® gemäß KSVR1a S. 10 Abs. [0050]). Damit waren Mittel mit einer anspruchsgemäßen Pyrethroidkonzentration von 40 bis 60 Gew.-% fachüblich, so dass der Fachmann keine Vorbehalte gegen derartig konzentrierte Mittel hatte. Vielmehr war dem Fachmann bewusst, dass gerade hochkonzentrierte Spot-on-Formulierungen besonders sicher und verträglich aufgebracht werden können (vgl. K8 "Summary" Satz 4 und 6; vgl. K12 Abstract, Sp. 1 Z. 48 bis 56, Sp. 2 Z. 17 bis 23, 27 bis 29, Sp. 4 Z. 46 bis 63; vgl. K25 S. 506 "Zusammenfassung" Satz 3), was ihn dazu motiviert hat, höhere Konzentrationen an Pyrethroid auch in Kombinationspräparaten ins Auge zu fassen, wie sie beispielsweise aus dem Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a bzw. K23/K23a bekannt sind.
Dagegen spricht auch nicht, dass K8 und K25 eine hohe Sensitivität von Katzen gegenüber dem Pyrethroid Permethrin offenbaren. Denn beide Druckschriften zeigen zugleich auf, dass die hohe Sensitivität nur bei Katzen beobachtet wird, während Hunde auch hochkonzentrierte Permethrin-Zusammensetzungen gut vertragen (vgl. K8 und K25 jeweils gesamte Zusammenfassung). Zudem war dem Fachmann bekannt, dass die schlechte Verträglichkeit bei Katzen am besonderen Stoffwechsel von Katzen liegt, der eine schnelle Metabolisierung von Permethrin verhindert (vgl. K25 S. 506 li. Sp. untere Hälfte), weshalb Katzen einen Ausnahmefall darstellen. Daher hat ihn auch die schlechte Verträglichkeit bei Katzen nicht davon abgehalten hat, hohe Pyrethroidkonzentrationen in Betracht zu ziehen.
cc) Nicht zutreffend ist ferner die Annahme der Beklagten, dass der Fachmann die streitpatentgemäß hohen Gehalte an Pyrethroid wegen möglicher Kombinationseffekte mit dem zweiten Wirkstoff nicht ins Auge gefasst habe. Zwar liegt die Beklagte in ihrer Beobachtung richtig, dass im Stand der Technik nur Monopräparate und damit Zusammensetzungen mit einem Pyrethroid als einzigen Wirkstoff beschrieben sind, die Pyrethroidkonzentrationen im anspruchsgemäßen Bereich enthalten. Auch mag dem Fachmann beispielsweise aus KSVR7 bekannt gewesen sein, dass mit Pyrethroid-haltigen Wirkstoffkombinationen das Risiko einer erhöhten Toxizität wegen synergistischen Effekten besteht (vgl. KSVR7 z. B. S. 59 Zusammenfassung, S. 70 Abs. 1 le. Satz und Abs. 4 Satz 1), so dass gegenüber einer Erhöhung der Pyrethroidkonzentration in dem Kombinationsprodukt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a bzw. K23/K23a möglicherweise Bedenken bestanden haben. Die Überwindung solcher Bedenken rechtfertigt aber nur dann die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit, wenn diese in dem Sinne technisch begründet gewesen sind, dass die patentierte Lehre aus der Sicht der Fachwelt im Prioritätszeitpunkt entweder für technisch nicht ausführbar oder der mit ihr erzielte technische Erfolg für nicht erreichbar gehalten und dieser Irrtum durch die Erfindung widerlegt worden ist (vgl. BGH GRUR 1996, 857 – Rauchgasklappe). Dies trifft auf den Streitfall allerdings nicht zu, weil zum einen eine Konzentrationserhöhung des Pyrethroids technisch ohne größere Schwierigkeiten realisiert werden kann und zum anderen aus dem Stand der Technik gemäß K8, K12 und K25 sowie dem vorbekannten Produkt Kilix® bereits bekannt gewesen ist, dass mit hohen Pyrethroidkonzentrationen Acari erfolgreich bekämpft werden können. Um zur streitpatentgemäßen Lehre zu gelangen, mussten daher lediglich Bedenken ignoriert und gegebenenfalls vorhersehbare Nachteile in Kauf genommen werden.
dd) Das Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit sieht die Beklagte auch deshalb als gegeben an, weil es in der Fachwelt eine grundsätzliche Tendenz zur Minimierung des Pestizideinsatzes gegeben habe. Dieses Argument überzeugt nicht. Denn wie bereits mehrfach ausgeführt, gab es in der Fachliteratur mehrere Veröffentlichungen, die von einem erfolgreichen und vorteilhaften Einsatz hochkonzentrierter Pyrethroidformulierungen für die Spot on-Applikation zur Bekämpfung von Acari berichten. Daher ist zum einen in der Fachwelt eine grundsätzliche Tendenz zur Minimierung des Pestizideinsatzes nicht erkennbar. Zum anderen wird im Patentanspruch 1 lediglich die Konzentration an Pyrethroid in der Formulierung entsprechend dem Stand der Technik erhöht.
ee) Schließlich kann auch der wirtschaftliche Erfolg von Advantix®, ein durch das Streitpatent geschütztes kommerzielles Verkaufsprodukt (vgl. KSVR24), das Beruhen der streitpatentgemäßen Verwendung auf erfinderischer Tätigkeit nicht begründen. Denn Hilfserwägungen, zu denen der wirtschaftlicher Erfolg zählt, können eine erfinderische Tätigkeit für sich genommen weder begründen noch ersetzen. Sie können lediglich im Einzelfall Anlass geben, die im Stand der Technik bekannten Lösungen besonders kritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen des Gegenstands der Erfindung bieten und nicht erst aus ex-post-Sicht eine zur Erfindung führende Anregung zu enthalten scheinen (vgl. BGH GRUR 2010, 44 – Dreinahtschlauchfolienbeutel). Im vorliegenden Fall kann die von der Beklagten angeführte, auf einen großen Markterfolg gestützte Hilfserwägung nicht zu einer Feststellung der erfinderischen Tätigkeit führen, weil der Stand der Technik - wie vorstehend dargelegt - hinreichende Anregung gegeben hat, zu der Lehre der Anmeldung zu gelangen. In einem solchen Fall können Markterfolg und Nachahmung durch Mitbewerber den beim Studium des Falls anhand der Druckschriften gewonnenen ersten Eindruck von der mangelnden erfinderischen Tätigkeit wegen Naheliegens nicht wieder wenden (vgl. BGH GRUR 1991, 120 – Elastische Bandage).
c) Ausführungen zu den Unteransprüchen 2 und 3 des Hauptantrags erübrigen sich, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass ihre Antragsstellung nach Haupt- und Hilfsanträgen als in sich geschlossen anzusehen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – Informationsvermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).
III.
1. Im einzigen Patentanspruch des Hilfsantrags 1 ist im Vergleich zum Patentanspruch 1 des Hauptantrags das Pyrethroid mit Permethrin und die Nicotinylverbindung mit Imidacloprid konkretisiert worden. Zudem ist die Konzentration an Imidacloprid auf 8 bis 10 Gew.-% festgelegt worden.
Diese Beschränkungen sind nicht geeignet, das Beruhen der streitgegenständlichen Verwendung auf einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen. Denn die beiden Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid werden auch in dem Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a verwendet (vgl. K16a Abs. 1 le. Satz, K16b le. Abs., K16c "Formula" Z. 1 und 2). Zudem handelt es sich beim beanspruchten Konzentrationsbereich von 8 bis 10 Gew.-% für Imidacloprid um fachübliche Einsatzmengen bei der nicht-systemischen Bekämpfung von parasitären Insekten, die auch in Kombination mit Permethrin eingesetzt werden können (vgl. K10a u. a. Patentanspruch 1 i. V. m. S. 13 Abs. [0010] Z. 1 bis 5 und Abs. [0011] Z. 1 bis 4; vgl. K14 Patentansprüche 1, 6 und 9 i. V. m. S. 8 Z. 31 bis 32, S. 14 Z. 15 bis 18 und S. 15 Z. 16). Für den Fachmann bestand damit eine konkrete Veranlassung, den beanspruchten Konzentrationsbereich für Imidacloprid zu berücksichtigen.
2. Der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 beinhaltet als weiteres Merkmal gegenüber dem Patentanspruch des Hilfsantrags 1 NMP als Lösungsmittel der die Wirkstoffe enthaltenden Zusammensetzung. Dieses Merkmal führt ebenfalls nicht zu einem patentfähigen Gegenstand.
a) Für die Prüfung der Patentfähigkeit dieses Patentanspruchs ist zunächst der Begriff "Lösungsmittel" auszulegen, da strittig ist, ob unter diesem Begriff zu verstehen ist, dass die beiden Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid in der Zusammensetzung vollständig gelöst vorliegen müssen.
Bei der Auslegung ist aus der Sicht des unter Punkt I.4. definierten Fachmanns der technische Wortsinn dieses Merkmals nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung zu ermitteln. Da dem Patentanspruch außer NMP als explizite Ausführungsform des Lösungsmittels keine weiteren Angaben zur Begriffsdeutung zu entnehmen sind, ist die Beschreibung der Streitpatentschrift KSVR1a heranzuziehen. Aus dieser erfährt der Fachmann, dass im Verfahren zur Herstellung einer streitpatentgemäß geeigneten Zusammensetzung die Wirkstoffe auf beliebige Weise kombiniert werden können. Als Ausführungsbeispiele werden wässrige Lösungen, Suspensionen, Emulsionen oder feste Matrices, wie z. B. Ohrmarkierungen oder Halsbänder aufgezeigt. Nur in einer bevorzugten Ausführungsform sind beide Wirkstoffe im Lösungsmittel gelöst (vgl. KSVR1a S. 8 Abs. [0033]). Angaben dazu, ob die flüssige Phase in den angeführten Suspensionen oder Emulsionen anders als mit dem Begriff "Lösungsmittel" zu bezeichnen sind, enthält die Streitpatentschrift weder im angegebenen Absatz noch an einer anderen Stelle der Beschreibung. Dies lässt daher nur den Schluss zu, dass die Streitpatentschrift die flüssigen Phasen in den Wirkstoff-haltigen Lösungen, Suspensionen oder Emulsionen begrifflich nicht unterscheidet. Der Fachmann subsumiert unter dem Begriff "Lösungsmittel" demzufolge die flüssige Phase in sämtlichen genannten Formulierungsarten. Auf eine Limitierung dieses Begriffs auf Lösungsmittel für Lösungen, in denen die Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid vollständig gelöst sind, stellen die in der Beschreibung der Streitpatentschrift enthaltenen Angaben zum Herstellverfahren geeigneter Zusammensetzungen jedenfalls nicht ab.
Für diese allgemeine Auslegung des Begriffs "Lösungsmittel" sprechen auch die Ausführungen im Absatz [0035]. Von den dort aufgezählten Lösungsmitteln ist dem Fachmann bekannt, dass zumindest Wasser ein schlechtes bzw. sehr schlechtes Lösungsmittel für die Wirkstoffe Imidacloprid und Permethrin darstellt, weil die Löslichkeit von Imidacloprid in Wasser bei 0,51 g/l und von Permethrin in Wasser sogar nur bei 0,2 mg/l liegt (vgl. KSVR25 S. 591 "PHYSICO-CHEMICAL PROPERTIES" Z. 4; S. 784 "PHYSICO-CHEMICAL PROPERTIES" Z. 6). In Kenntnis dieser Löslichkeiten der streitpatentgemäßen Wirkstoffe vermittelt der Absatz [0035] dem Fachmann somit zusätzlich die Lehre, dass der Begriff "Lösungsmittel" nicht nur im Sinn einer flüssigen Phase zur vollständigen Lösung der beiden Wirkstoffe sondern auch im Sinn einer flüssigen Phase für eine Aufschlemmung zur Bildung einer Suspension bzw. für die Bildung einer Emulsion zu verstehen ist.
b) Die Verwendung von NMP als Lösungsmittel in Schädlingsbekämpfungsmitteln für die Spot on-Applikation ist fachüblich und kann daher die erfinderische Tätigkeit der streitpatentgemäßen Verwendung nicht begründen. Zwar wird in den Angaben zu dem Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a das verwendete Lösungsmittel nicht offenbart. Für seine Überlegungen zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe muss der Fachmann dieses jedoch mit seinem Fachwissen ergänzen. Dazu ist ihm beispielsweise aus der K10a die Verwendung von NMP als Lösungsmittel für ein eine Neonikotinoidverbindung-haltiges Bekämpfungsmittel von Milben (= Acari) zur Spot on-Applikation bekannt, das auch Permethrin enthalten kann (vgl. K10a Patentanspruch 1, S. 5 Abs. [0001], S. 13 Abs. [0010] und [0011] Z. 1 bis 4). Auch die K14 offenbart per Spot on applizierbare Nicotinylverbindungen-haltige Zusammensetzungen, die NMP als Bestandteil und zudem Imidacloprid als bevorzugten Wirkstoff sowie Permethrin als weiteren Wirkstoff enthalten können (vgl. K14 Patentansprüche 1, 6, S. 6 Z. 46 bis 56 i. V. m. S. 7 Z. 19 bis 29, S. 14 Z. 15 bis 18 und S. 15 Z. 16). Für den Fachmann stellt somit NMP ein Lösungsmittel dar, von dem ihm bekannt ist, dass es insbesondere auch für Kombinationspräparate von Permethrin mit Imidacloprid geeignet ist, so dass er dieses als mögliches Lösungsmittel für das Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a in naheliegender Weise berücksichtigt.
c) Die Berücksichtigung der von der Beklagten vorgebrachten Argumente führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage.
aa) Die Beklagte trägt vor, dass der Fachmann zwar NMP als Lösungsmittel kenne, ihm aber dessen Eignung für die streitpatentgemäße dermale Anwendung nicht bekannt sei, weshalb er keinen Anlass gehabt habe, NMP zu berücksichtigen. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Stand der Technik gemäß K10a und K14 lehrt den Fachmann, dass NMP ein geeignetes Lösungsmittel bzw. Bestandteil für Spot on-Zubereitungen zur Bekämpfung von Parasiten darstellt. Dabei geben diese Druckschriften NMP sogar expressis verbis an, während sie andere Lösungsmittel oft nur zusammengefasst in Verbindungsklassen offenbaren (vgl. K10a S. 13 Abs. [0010]; vgl. K14 S. 7 Z. 24 bis 29). Zudem werden in den beiden Druckschriften auch Kombinationsprodukte von Nicotinylverbindungen mit Pyrethroiden offenbart (vgl. K10a S. 13 Abs. [0011]; vgl. K14 S. 14 Z. 15 bis 18). Damit erhält der Fachmann hinreichend Anregungen, NMP bei der Auswahl des Lösungsmittels in Betracht zu ziehen.
Dass der Fachmann dabei eine Auswahl aus einer Liste von mehreren Lösungsmitteln durchführen musste, steht dem Naheliegen der Verwendung von NMP als Lösungsmittel ebenfalls nicht entgegen. Denn kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein, weshalb er alle Alternativen auf ihre Eignung zur Lösung der Aufgabe überprüft. Dies gilt insbesondere, da die beiden Druckschriften eine überschaubare Zahl von Lösungsmitteln offenbaren (vgl. BGH GRUR 2016, 1023 – Anrufroutingverfahren; BGH GRUR 2012, 261 – E-Mail via SMS).
In K10a und K14 wird auch nicht beiläufig und unvermittelt auf NMP hingewiesen. Vielmehr werden in beiden Druckschriften die möglichen Lösungsmittel ohne jegliche Gewichtung direkt bei der Beschreibung der Spot on-Formulierungen angeführt. Damit wird dem Fachmann unmittelbar und eindeutig die Lehre vermittelt, dass NMP ein für diese Formulierungen geeignetes Lösungsmittel darstellt.
Zudem misst das Streitpatent der Auswahl des Lösungsmittels keine besondere Bedeutung bei. Vielmehr führt es lediglich verschiedene Lösungsmittelklassen ohne weitere Bevorzugung einzelner Klassen an. NMP wird in diesem Zusammenhang lediglich als Beispiel eines bevorzugten Vertreters der Lösungsmittelklasse "Pyrrolidone" aufgezeigt (vgl. KSVR1a S. 8 Abs. [0035]). Damit sind aber eventuelle Vorteile und wertvolle Eigenschaften von NMP als Lösungsmittel für die streitpatentgemäß verwendete Wirkstoffkombination nicht von Bedeutung und können daher auch nicht erfindungsbegründend sein.
bb) Die Argumentation, die Herstellung einer dermal zu applizierenden Zubereitung einer Wirkstoffkombination stelle ein komplexes System dar, wobei insbesondere Probleme beim Auffinden eines Lösungsmittels auftreten, in dem sich beide Wirkstoffe lösen, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Denn gemäß dem Patentanspruch wird zwar NMP als Lösungsmittel der Zusammensetzung zugegeben. Allerdings versteht das Streitpatent unter einem Lösungsmittel nicht, dass sich darin die Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid vollständig lösen, vielmehr kann die Zubereitung auch als Suspension vorliegen (vgl. III.2.a). Zudem wird kein Gehalt an Lösungsmittel beansprucht. Im Absatz [0035] der Streitpatenschrift KSVR1a wird vielmehr die Untergrenze für den Gehalt an Lösungsmittel bei 0,01 Gew.-% und bevorzugt bei 1 Gew.-% angegeben. Ein derart niedriger Gehalt an Lösungsmittel in der Zusammensetzung leitet den Fachmann nicht dazu an, dass für die streitpatentgemäße Verwendung eine vollständige Auflösung der beiden Wirkstoffe in dem Lösungsmittel notwendig ist.
An dieser Beurteilung können auch die Versuchsergebnisse gemäß KSVR23 nichts ändern. Die darin beschriebenen Versuche betreffen nur Untersuchungen zur Bekämpfung von Flöhen mit dem Wirkstoff Imidacloprid (vgl. KSVR23 S. 1 Tab., S. 2 Spiegelpunkt, S. 5 Abs. 1, 2, Tab, S. 6 Titel, Abs. 1 und 2). Damit unterscheiden sie sich von der streitpatentgemäßen Lehre sowohl in der Spezies der bekämpften Schädlinge als auch im Wirkstoff. Denn Flöhe gehören nicht zu der biologischen Unterklasse der Acari (= Spinnentiere) und im Patentanspruch wird die Wirkstoffkombination von Permethrin mit Imidacloprid beansprucht. Die Untersuchungen gemäß KSVR23 können daher spezielle Probleme beim Auffinden eines Lösungsmittels für die streitpatentgemäß verwendete Wirkstoffkombination nicht belegen.
cc) Die Beklagte vertritt ferner die Meinung, dass der Fachmann NMP für die dermale Anwendung nicht ausgewählt hätte, weil ihm NMP als Penetrationsverstärker bekannt sei, so dass er eine ungewollte transdermale Wirkung der Wirkstoffkombination befürchtet habe. Er habe somit keine hinreichende Erfolgserwartung gehabt, zumal der Stand der Technik ihm die Verwendung von NMP als Lösungsmittel für eine Wirkstoffkombination als nicht objektiv zweckmäßig dargestellt habe, wie es der BGH in der Rechtsprechung Farbversorgungssystem und Spinfrequenz fordere.
Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass NMP bei der dermalen Applikation von Wirkstoffen als Penetrationsverstärker bekannt ist (vgl. KSVR18 S. 619 Zusammenfassung, S. 625 Kap. "2.4. Pyrrolidone"; vgl. KSVR19 S. 151 Tab. 3 Eintrag 4). Darin sehen aber die Druckschriften K10a und K14 kein Problem. Denn sowohl K10a als auch K14 offenbaren NMP als Lösungsmittel bzw. Bestandteil antiparasitärer Zubereitungen in Form von Spot on- und Pour on-Formulierungen, die sich durch Ausbreitung auf der Haut und nicht durch eine transdermale Wirkung auszeichnen (vgl. K10a S. 14 Abs. [0012]; K14 S. 6 Z. 46 bis 56 i. V. m. S. 7 Z. 19 bis 29). Dies motiviert den Fachmann, NMP als Lösungsmittel trotz dessen Penetrations-verstärkenden Eigenschaften zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe ins Auge zu fassen. Darüber hinaus hatte er bei der Auswahl von NMP als Lösungsmittel auch eine angemessene Erfolgserwartung. Denn K10a und K14 lehren unabhängig voneinander, dass NMP als Lösungsmittel nicht nur für die Spot on-Formulierung einer Nicotinylverbindung wie Imidacloprid in Frage kommt sondern dass es auch als Lösungsmittel für Wirkstoffmischungen mit Pyrethroiden wie Permethrin verwendet werden kann. Denn beide Entgegenhaltungen zeigen die Möglichkeit der Zugabe eines weiteren aktiven Inhaltsstoffs auf, ohne dabei Bedingungen an die Zubereitung insbesondere hinsichtlich der Auswahl der weiteren Bestandteile zu stellen (vgl. K10a S. 13 Abs. [0011]; vgl. K14 S. 14 Z. 15 bis 18). Für den Fachmann ergibt sich daraus unmittelbar, dass die Zubereitungen mit Permethrin als weiteren Wirkstoff dieselben Lösungsmittel enthalten wie die Zubereitungen mit der Nicotinylverbindung als einzigem Wirkstoff.
dd) Nicht überzeugend ist auch das Argument der Beklagten, dass zwischen der Offenbarung der K10a sowie der K14 und derjenigen im Streitpatent ein qualitativer Unterschied bestehe, weil sich das Streitpatent im Gegensatz zu diesen Dokumenten ausschließlich mit der Kombination von Wirkstoffen zur Bekämpfung von Acari befasse. Auch dieser Einwand ist nicht durchgreifend. Denn für den Inhalt einer Druckschrift aus dem Stand der Technik kommt es auf deren Gesamtinhalt an. Sowohl K10a als auch K14 offenbaren aber unmittelbar und eindeutig, dass die darin beschriebenen Spot on Zubereitungen von Nicotinylverbindungen als weitere Wirkstoffe auch Pyrethroide wie Permethrin, das in beiden Druckschriften sogar expressis verbis aufgezeigt ist, enthalten können. Für ein Nahegelegtsein ist nicht erforderlich, dass sich die Entgegenhaltung schwerpunktmäßig mit exakt demselben Gegenstand wie das Streitpatent beschäftigen muss.
3. Im Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 3 wird die Zweckangabe "zur Bekämpfung" nach dem Patentanspruch des Hilfsantrags 2 durch die Zweckangabe "zur dermalen Bekämpfung" präzisiert. Auch dieses Merkmal kann die Patentfähigkeit der beanspruchten Verwendung nicht begründen.
Ob mit dem Begriff "dermale Bekämpfung" für den Fachmann impliziert wird, dass die Haut als Ort der Wirkung oder nur als Ort der Applikation zu verstehen ist, was zur Folge hätte, dass der Wirkstoff vom Tier transdermal in das Blut- und/oder Lymphsystem aufgenommen werden und damit systemisch wirken würde, wird in der Streitpatentschrift KSVR1a nicht weiter spezifiziert. Auch die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Gliederungspunkte 4 und 5 im Absatz [0054] der KSVR1a tragen zu einer eindeutigen Begriffsauslegung nichts bei. Denn in diesen Textpassagen wird lediglich aufgezeigt, dass das rasche Einsetzen der Wirkung auf Flöhe und Zecken als Hinweis auf eine wirksame Ausbreitung der beiden Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid gesehen wird und dass die Zeitspanne, während der die Wirkstoffkombination wirksam blieb, ein Hinweis auf eine geeignete Verteilung der Wirkstoffe in die Haut der Tiere ist (vgl. KSVR1a S. 12 Z. 46 bis 49). Aussagen darüber, ob die Verteilung bzw. die Ausbreitung der Wirkstoffe dabei nur über die Hautoberfläche der Tiere oder systemisch über den Blutkreislauf nach einem transdermalen Eindringen der Wirkstoffe in das Blutsystem der Tiere erfolgt ist, lassen sich diesen Textpassagen aber nicht entnehmen, so dass der Fachmann unter dem Begriff "dermale Bekämpfung" beide Formen der Ausbreitung der Wirkstoffkombination nach der dermalen Applikation versteht.
Aus diesem Grund ist die Aufnahme dieses Begriffs in den Patentanspruch nicht zur Abgrenzung der streitgegenständlichen Verwendung gegenüber dem Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a geeignet, weil in diesem ebenfalls die dermale Applikation der Wirkstoffkombination von Permethrin und Imidacloprid und damit die dermale Bekämpfung von parasitären Acari im streitpatentgemäßen Sinn aufgezeigt wird (vgl. z. B. K16c, K21a, K23a). Zudem ist auch für das Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a ein rasches Einsetzen der Wirkung und eine langandauernde Wirksamkeit über eine Zeitspanne von vier Wochen bekannt (vgl. K21a und K23a), so dass für das Produkt "Power plus® spot on" dieselben Eigenschaften hinsichtlich der wirksamen Ausbreitung bzw. der geeigneten Verteilung der Wirkstoffe wie für die streitpatentgemäß verwendete Wirkstoffkombination bekannt sind. Demzufolge trifft die nunmehr beanspruchte Zweckangabe "zur dermalen Bekämpfung" auch auf das Produkt "Power plus® spot on" zu, so dass sich die Verwendung des Hilfsantrags 3 ebenfalls wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erweist.
4. Der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 4 beinhaltet als weiteres Merkmal gegenüber dem Patentanspruch des Hilfsantrags 3, die Aufträufelung (= Spot on Applikation) eines geringen Volumens der Zusammensetzung auf eine Stelle am Tier. Dieses Merkmal führt ebenfalls nicht zu einem patentfähigen Gegenstand, da auch die zusätzlich beanspruchte Spot on-Applikation für das Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a bekannt (vgl. z. B. K21a) und somit naheliegend ist.
5. Der jeweilige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 5 und 6 beinhaltet als weiteres Merkmal gegenüber dem Patentanspruch des Hilfsantrags 1, dass "Imidacloprid zur Verstärkung der akariziden Wirkung von Permethrin eingesetzt wird" bzw. "Imidacloprid zur Beschleunigung des Einsetzens sowie zur Verlängerung der akariziden Wirkung von Permethrin eingesetzt wird". Zudem ist das Merkmal G gestrichen worden.
a) Unter der "Verstärkung der akariziden Wirkung von Permethrin" versteht das Streitpatent, dass die kombinierte Anwendung der beiden Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid einen synergistischen Effekt dahingehend erzeugt, dass das Einsetzen der Aktivität gegen Acari sowie die Langzeitaktivität gegen Zecken und Flöhe signifikant verstärkt wird. Dies sei den Angaben in der Streitpatentschrift zur Folge nicht zu erwarten gewesen, da Imidacloprid oder Permethrin allein eine eingeschränkte Aktivität gegen Acari aufweise und Permethrin über eine eingeschränkte und kurzzeitige Aktivität gegen Flöhe verfüge (KSVR1a S. 3 Abs. [0010] und S. 12 Abs. [0055]).
Des weiteren entnimmt der Fachmann der Streitpatentschrift als verlängerten Wirkzeitraum die Zeitspanne von 28 Tagen bzw. vier Wochen, weil darin die Wirkung der Wirkstoffe Permethrin und Imidacloprid gegenüber den Zecken Dermacentor variabilis und Rhipiciphalus sanguineus über einen Zeitraum von 28 Tagen untersucht und daraus die Schlussfolgerung einer verlängerten Wirksamkeit gegen Acari getroffen wurde (vgl. KSVR1a S. 11 Tab. 2 und 3 i. V. m. S. 10 Abs. [0051] und S. 11 Abs. [0055]).
b) Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses erweisen sich die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge 5 und 6 ebenfalls als nicht gewährbar. Die neu hinzugenommenen Merkmale im jeweiligen Patentanspruch dieser Hilfsanträge sind wiederum von dem Produkt "Power plus® spot on" gemäß K16 bis K16c, K21/K21a oder K23/K23a bekannt. So wird in den Produktbeschreibungen K21a und K23a jeweils angegeben, dass die Wirkung des Produkts mit der Wirkstoffkombination von Permethrin und Imidacloprid sofort einsetzt und eine erneute Anwendung erst nach vier Wochen notwendig ist, was für den Fachmann bedeutet, dass die Wirkung vier Wochen lang anhält (vgl. K21a bzw. K23a jeweils erster und zweiter Spiegelpunkt). Somit beruht die streitpatentgemäße Verwendung auch nach Aufnahme dieser Zweckangaben aus den oben dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
c) Ein Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit ergibt sich auch dann nicht, wenn im Sinne der Beklagten davon ausgegangen wird, dass mit diesen Zweckangaben eine neue Wirkung von Imidacloprid verbunden ist. Mit diesen Zweckangaben mag zwar eine bisher nicht bekannte Wirkung des Imidacloprids auf Permethrin in der Wirkstoffkombination bei der Bekämpfung von Acari im jeweiligen Patentanspruch beschrieben werden. Die Angabe dieser Wirkung führt aber nicht zu einer die Patentfähigkeit begründenden neuen Verwendung der Wirkstoffkombination. Vielmehr sind dem Fachmann, wie im vorherigen Absatz beschrieben, durch das Produkt "Power plus® spot on" die Vorteile der Wirkstoffkombination von Permethrin mit Imidacloprid auf den Wirkungseintritt und die Wirkungsdauer bei der Bekämpfung von Acari bekannt. Daher ist es unerheblich, ob die Streitpatentschrift nunmehr (zusätzlich) die Erkenntnis gewonnen hat, auf welchen naturwissenschaftlichen Zusammenhängen die Vorteile beruhen – hier die Verstärkung von Imidacloprid auf die akarizide Wirkung von Permethrin –, weil die Verwendung einer Sache für einen bestimmten Zweck auch bei Unkenntnis darüber offenbart ist, aus welchem Grund die offenbarte Verwendung zu der angestrebten Wirkung führt (vgl. BGH GRUR 2011, 999 – Memantin).
d) In Bezug auf die von der Beklagten angeführte BGH-Entscheidung Cryptosporidium kann der Beklagten nur insoweit gefolgt werden, dass die objektive Eignung eines an sich bekannten Mittels für eine neue Verwendung typisch für die Kategorie der Verwendungspatente ist und dem Schutz einer neuen Verwendung nicht entgegen steht, weshalb nur eine zweckidentische Vorwegnahme der beanspruchten Verwendung patenthindernd ist (vgl. BGH GRUR 2017, 681 – Cryptosporidium). Die Grundsätze dieser BGH-Entscheidung sind jedoch nicht auf den jeweiligen Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 5 bzw. 6 anwendbar. Denn bei diesen Patentansprüchen handelt es sich jeweils nicht um einen reinen Verwendungsanspruch im patentrechtlichen Sinn, bei dem sich der Gegenstand der patentgemäßen Lehre in der Offenbarung einer Zweckbindung, Verwendung oder Brauchbarkeit bekannter Dinge erschöpft (vgl. Benkard/Bacher PatG, 11. Aufl., § 1 Rn. 75). Vielmehr ist dieser als Verwendungsherstellungsanspruch in der sogenannten schweizerischen Anspruchsform ("swiss-type-claim") formuliert. Damit richtet sich der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs auf die gewerbsmäßige Herrichtung der Wirkstoffkombination aus Permethrin und Imidacloprid zur geschützten Verwendung, hier die Bekämpfung von parasitären Acari bei Tieren, sowie das Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Dosieren, und Besitzen des hergerichteten Stoffs (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 161, 153). Es handelt sich daher der Sache nach um einen zweckgebundenen Stoffschutz bzw. einen von der europäischen Rechtsprechung entwickelten Schutz, der dem zweckgebundenen Stoffschutz weitgehend entspricht. Dazu hat die Rechtsprechung eine richterrechtliche Ausnahme vom allgemeinen Neuheitserfordernis geschaffen und die Patentfähigkeit der Verwendung eines Stoffs bei der Arzneimittelherstellung aus der neuen medizinischen Anwendung, für die er bestimmt ist, abgeleitet (vgl. Schulte/Moufang a. a. O. § 1 Rn. 246).
Da somit keine klassischen Verwendungsansprüche sondern Verwendungsherstellungsansprüche vorliegen, mit denen ein durch die medizinische Verwendung beschränkter Stoffschutz beansprucht wird, während in der der angeführten BGH-Entscheidung Cryptosporidium zugrunde liegenden Fallkonstellation ein objektiv vom Stand der Technik unterscheidbarer neuer Verwendungszweck vorlag, der auch nicht dem Bereich der medizinischen Verfahren im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG zuzuordnen war, lassen sich die Grundsätze dieser Entscheidung nicht erweiternd auf stoffbezogene Verwendungsherstellungsansprüche übertragen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.