Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.10.2013


BPatG 01.10.2013 - 3 Ni 15/12 (EP)

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
01.10.2013
Aktenzeichen:
3 Ni 15/12 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 714 351

(DE 694 15 536)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richter Guth, Dr. Egerer, Dr. Lange und Dr. Wismeth

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 714 351 wird im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 17 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 3. August 1994 in englischer Sprache angemeldeten, die Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung mit der Serial No. 08/104 791 (veröffentlicht als US 5 422 172 A) vom 11. August 1993 in Anspruch nehmenden, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 714 351 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 694 15 536 geführt wird. Das Streitpatent, das mit einem Hauptantrag sowie eingeschränkt mit Hilfsanträgen 1 bis 3 verteidigt wird, betrifft eine „Elastische mehrschichtige Folie aus schrittweise gestrecktem faserigem Vliesstoff und Elastomerfilm und Verfahren zu deren Herstellung" und umfasst 19 Patentansprüche, die in der erteilten Fassung in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut haben:

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2

Die Klägerin, die das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 17 angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit und hinsichtlich des Patentanspruchs 6 außerdem den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung geltend und stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:

3

(K2) EP 0 714 351 B1

4

(K2a) DE 694 15 536 T2

5

(K4) WO 92/15444 A1

6

(K5) US 5 037 416 A

7

(K6) US 5 057 097 A

8

(K7) US 4 834 741 A

9

(K8) Prüfungsbescheid des Europäischen Patentamtes vom 10. Juni 1996 zu Anmeldung Nummer 94925169.8-2108

10

(K9) Eingabe von Lloyd Wise, Tregear & Co vom 17. Dezember 1996 auf den Prüfungsbescheid des Europäischen Patentamtes vom 10. Juni 1996 zu Anmeldung Nummer 94925169.8-2108

11

(K10) Eingabe der DLA Piper UK LLP vom 31. Juli 2012 an das Landgericht Mannheim im Rechtsstreit 2 O 450/11

12

(K11) US 4 517 714 A

13

(K12) US 4 153 664 A

14

(K13) EP 0 532 034 A2

15

(K14) US 5 176 670 A

16

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Druckschrift K4 oder K7, zumindest aber nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Druckschriften K4 oder K7 mit einer der Druckschriften K5 oder K6, was auch für die Patentansprüche 2 bis 17 gelte. Weder Aufgabe noch Lösung des Streitpatents beschränkten den „Bogen“ hinsichtlich seiner Dimension. Vielmehr zeige bereits der englische Begriff „sheet“, dass auch elastisch laminierte (Teil-)Bereiche von ggf. größeren Bahnen oder durchgängig laminierte Bahnen – wie in K4 offenbart – vom Streitpatent umfasst würden. Dementsprechend sei ausschließlich der (Teil-)Bereich des jeweiligen elastischen Laminats des Streitpatents mit dem der Entgegenhaltungen zu vergleichen. K4 beschreibe explizit, dass auch ganze Bahnen aus Laminat schrittweise gestreckt werden könnten. Im Übrigen erfordere es keine erfinderische Tätigkeit, die Ausgestaltung von Teilbereichen auf eine größere Fläche als im Stand der Technik beschrieben zu übertragen.

17

Der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 6 sei außerdem in dem Merkmal, dass der Bogen einen Verformungsrest von nicht mehr als 10 % hat und Fasern des Vlieses somit dazu gebracht werden, von der gebundenen Vliesfläche nach außen wegzuverlaufen, um dem laminierten Bogen Volumen zu verleihen, unzulässig erweitert.

18

Die Klägerin stellt den Antrag,

19

das europäische Patent 0 714 351 im Umfang der Ansprüche 1 bis 17 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

20

Die Beklagte stellt den Antrag,

21

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 3 gemäß Schriftsatz vom 5. August 2013, jeweils in der deutschen Übersetzung, erhält, wobei das Streitpatent bezüglich der Hilfsanträge 1 und 2 nur noch in den dortigen Ansprüchen 1 bis 9 und bezüglich des Hilfsantrags 3 nur noch im Umfang der dortigen Ansprüche 1 bis 10 verteidigt wird.

22

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

23

1. Elastischer laminierter Bogen aus einem nichtgewebten Faservlies und einem elastomeren Film, umfassend einen elastomeren Film (3) und ein nichtgewebtes Faservlies (9), das auf eine Fläche des Films laminiert wird, so daß der laminierte Bogen (12) entsteht, wobei der laminierte Bogen (12) eine Vielzahl von Fasern aufweist, die von der laminierten Fläche nach außen wegverlaufen und durch inkrementelles Strecken des laminierten Bogens (12) entlang Linien im wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen (12) und durch seine gesamte Tiefe gebildet werden, wobei der laminierte Bogen (12) unter Einwirkung einer Kraft streckbar und nach Wegnahme der Kraft zu der ursprünglichen oder annähernd zu der ursprünglichen Form wiederherstellbar ist und nach dem Strecken auf 50% seiner ursprünglichen Form einen Verformungsrest von nicht mehr als 10% hat, wobei der laminierte Bogen inkrementell in Querrichtung gestreckt wird, um einen streckbaren und wiederherstellbaren Verbundstoff in der genannten Querrichtung zu bilden.

24

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:

25

1. Elastischer laminierter Bogen aus einem nichtgewebten Faservlies und einem elastomeren Film, umfassend einen elastomeren Film (3) und ein nichtgewebtes Faservlies (9), das auf eine Fläche des Films laminiert wird, so daß der laminierte Bogen (12) entsteht, wobei der laminierte Bogen (12) eine Vielzahl von Fasern aufweist, die von der laminierten Fläche nach außen wegverlaufen und durch inkrementelles Strecken des laminierten Bogens (12) entlang Linien im wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen (12) und durch seine gesamte Tiefe gebildet werden, wobei das inkrementelle Strecken in Querrichtung durch ineinandergreifende Walzen (10, 11) erfolgt, die in ständigem Eingriff bleiben, wobei die Zähne der einen ineinandergreifenden Walze (10) stets zwischen die Zähne der anderen ineinandergreifenden Walze (11) gelangen, wobei der laminierte Bogen (12) unter Einwirkung einer Kraft streckbar und nach Wegnahme der Kraft zu der ursprünglichen oder annähernd zu der ursprünglichen Form wiederherstellbar ist und nach dem Strecken auf 50% seiner ursprünglichen Form einen Verformungsrest von nicht mehr als 10% hat, wobei der laminierte Bogen inkrementell in Querrichtung gestreckt wird, um einen streckbaren und wiederherstellbaren Verbundstoff in der genannten Querrichtung zu bilden.

26

Die Patentansprüche 2, 3 und 4 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2, 4 und 5, die Patentansprüche 5 bis 9 den erteilten Patentansprüchen 13 bis 17. Die Verfahrensansprüche sowie die sich auf ein Verfahren beziehenden Anteile der erteilten abhängigen Patentansprüche 13 bis 17 werden gestrichen. Die Bezüge werden jeweils angepasst.

27

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 wird als Verwendungsanspruch formuliert und lautet:

28

1. Verwendung eines elastischen laminierten Bogens aus einem nichtgewebten Faservlies und einem elastomeren Film als Gewebe in einem Kleidungsstück, wobei der elastische laminierte Bogen einen elastomeren Film (3) und ein nichtgewebtes Faservlies (9) umfasst, das auf eine Fläche des Films laminiert wird, so daß der laminierte Bogen (12) entsteht, wobei der laminierte Bogen (12) eine Vielzahl von Fasern aufweist, die von der laminierten Fläche nach außen wegverlaufen und durch inkrementelles Strecken des laminierten Bogens (12) entlang Linien im wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen (12) und durch seine gesamte Tiefe gebildet werden, wobei das inkrementelle Strecken in Querrichtung durch ineinandergreifende Walzen (10, 11) erfolgt, die in ständigem Eingriff bleiben, wobei die Zähne der einen ineinandergreifenden Walze (10) stets zwischen die Zähne der anderen ineinandergreifenden Walze (11) gelangen und der laminierte Bogen (12) unter Einwirkung einer Kraft streckbar und nach Wegnahme der Kraft zu der ursprünglichen oder annähernd zu der ursprünglichen Form wiederherstellbar ist und nach dem Strecken auf 50% seiner ursprünglichen Form einen Verformungsrest von nicht mehr als 10% hat, wobei der laminierte Bogen inkrementell in Querrichtung gestreckt wird, um einen streckbaren und wiederherstellbaren Verbundstoff in der genannten Querrichtung zu bilden.

29

Dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 schließt sich ein neu formulierter Unteranspruch 2 an, welcher lautet:

30

2. Verwendung eines elastischen laminierten Bogens nach Anspruch 1, wobei das Kleidungsstück eine Windel ist.

31

Patentanspruch 3 gemäß Hilfsantrag 3 geht auf den erteilten Patentanspruch 2, die Patentansprüche 4 und 5 auf die entsprechenden erteilten Patentansprüche und die Patentansprüche 6 bis 10 auf die erteilten Patentansprüche 13 bis 17 zurück.

32

Die Beklagte, die auf die Druckschrift

33

(B1) WO 95/04654 A1

34

Bezug nimmt, tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen.

35

Sie ist der Meinung, die Dokumente K4 und K7 beträfen anders als das Streitpatent „Bögen“, die nur in Teilbereichen laminiert bzw. aktiviert seien, nämlich Windeln in Stundenglasform, mit einzelnen isolierten elastischen Flecken. Auch würden die Streckvorrichtungen der K4 oder K7 keine durchgehenden Linien über den gesamten laminierten Bogen erzeugen. Die nur in Teilbereichen elastischen „Bögen“ der K4 und K7 seien auch nicht streckbar und wiederherstellbar. Dagegen fordere Patentanspruch 1, dass der laminierte Bogen über seine gesamte Länge oder Breite oder auch entlang einer Diagonale insgesamt elastisch sei, da anderenfalls in der jeweiligen Dimension keine vollständige Streck- und Wiederherstellbarkeit gegeben wäre. Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn die Dokumente K4 und K7 beträfen ausschließlich diskrete elastische Bereiche und am Prioritätstag des Streitpatents seien einteilige Windeln Stand der Technik gewesen. Es sei völlig fernliegend, hiervon ausgehend einteilig hergestellte Windeln vollständig elastisch auszubilden, zumal dies eine andere Art der Herstellung erfordere. Die Zurverfügungstellung eines laminierten Bogens, der insgesamt nur einen kleinen Verformungsrest aufweise, sei darum nicht nahegelegen. Die K5 und K6 beträfen zudem grundsätzlich anders aufgebaute Laminate.

Entscheidungsgründe

I.

36

Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ) und der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit c EPÜ) gestützte Klage ist zulässig.

37

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

38

1. Das Streitpatent betrifft einen elastischen laminierten Bogen aus einem nichtgewebten Faservlies und einem elastomeren Film sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung.

39

Sowohl Verfahren zur Verbindung von nichtgewebten Faservliesen mit thermoplastischen Schichten oder Filmen als auch Verfahren des Extrusionslaminierens auf ungestreckte, nichtgewebte Faservliese sind bekannt. Insbesondere sind im Stand der Technik streckbare und wiederherstellbare nichtgewebte Faservliese bekannt, die auf einen thermoplastischen Film laminiert sind, welche in der Produktion von Wegwerfbekleidungsstücken wie beispielsweise Windeln verwendet werden (vgl. K2a, S. 1, Abs. 1 bis S. 2, Abs. 4).

40

2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, die Eigenschaften von Laminaten aus nichtgewebten, faserigen Substraten in Kunststoffschichten bzw. Kunststofffolien, die ein ausreichendes Absorptionsvermögen und eine ausreichende Weichheit aufweisen, weiter zu verbessern und ihre Einsatzbereiche bei Bekleidungsstücken sowie auf andere nützliche Produkte zu erweitern. Gleichfalls stellt sich die Aufgabe, Verfahren zur Herstellung derartiger Laminate mit Hochgeschwindigkeits-Produktionsmaschinen zur Verfügung zu stellen (K2a: S. 2 unten bis S. 3 oben).

41

3. Die Aufgabe wird durch das Erzeugnis gemäß Patentanspruch 1 und das Verfahren nach Patentanspruch 6 gelöst.

42

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung weist folgende Merkmale auf:

43

M1.1 Elastischer laminierter Bogen

44

M1.1.1 aus einem nichtgewebten Faservlies

45

M1.1.2 und einem elastomeren Film;

46

M1.2 umfassend einen elastomeren Film (3) und ein nichtgewebtes Faservlies (9), das auf eine Fläche des Films laminiert ist, so dass der laminierte Bogen (12) entsteht;

47

M1.3 der laminierte Bogen (12) weist eine Vielzahl von Fasern auf,

48

M1.3.1 die von der laminierten Fläche nach außen wegverlaufen;

49

M1.3.2 durch ein inkrementelles (schrittweises) Strecken des laminierten Bogens (12) wird erreicht, dass die Vielzahl von Fasern nach außen wegverlaufen;

50

M1.4 das inkrementelle (schrittweise) Strecken erfolgt

51

M1.4.1 entlang Linien

52

M1.4.2 im Wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen (12)

53

M1.4.3 und durch seine gesamte Tiefe;

54

M1.5 der laminierte Bogen (12) ist streckbar und wiederherstellbar;

55

M1.6.1 der laminierte Bogen (12) weist nach dem Strecken auf 50 % seiner ursprünglichen Form

56

M1.6.2 einen Verformungsrest von nicht mehr als 10 % auf.

57

4. Zuständiger Fachmann ist eine Person, welche hinsichtlich ihres Ausbildungsstandes ein Diplom oder einen vergleichbaren Abschluss auf dem Gebiet der Werkstoffwissenschaften oder des Chemieingenieurwesens hat und über mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Verbundmaterialfertigung verfügt, insbesondere mit der Herstellung von Faserstoff-Polymerfilm-Laminaten vertraut ist.

II.

58

1. Der erteilte Patentanspruch ist in den Merkmalen M1.1, M1.4.2, M1.3 bis M1.3.2 sowie M1.5, M1.6.1 und M1.6.2 erklärungs- bzw. auslegungsbedürftig.

59

a) Die Formulierung „[…] wobei der laminierte Bogen (12) eine Vielzahl von Fasern aufweist, die von der laminierten Fläche nach außen wegverlaufen, die durch schrittweises Strecken des laminierten Bogens […] gebildet wird […]“, bringt zum Ausdruck, dass die laminierte Fläche durch schrittweises Strecken gebildet wird. Hier liegt jedoch ein Übersetzungsfehler gegenüber der maßgeblichen englischsprachigen Fassung vor. Nach der englischsprachigen Fassung des Patentanspruchs 1 ist das Verb „bilden“ („formed“) auf die „Vielzahl von Fasern“ zu beziehen, so dass es in dem, deutschsprachigen Patentanspruch 1 richtig übersetzt „gebildet werden“ heißen müsste. Dies wird auch bestätigt durch S. 3, Abs. 2 der K2a, welche eine korrekte Übersetzung der S. 2, Z. 45 - 47 des Streitpatents K2 darstellt. Die Hilfsanträge korrigieren diesen Übersetzungsfehler.

60

In den Hilfsanträgen wird zusätzlich der Begriff „schrittweises Strecken“ („incremental streching“)“ durch „inkrementelles Strecken“ ersetzt. Gegen diese Änderung bestehen keine Bedenken; sie ist im Übrigen nicht strittig.

61

b) Nach Merkmal M1.6.1 wird der Bogen auf 50 % seiner ursprünglichen Form gestreckt. Im englischsprachigen Original lautet diese Stelle „streched to 50 % of its original shape“.

62

Nach übereinstimmender Ansicht der Klägerin und der Beklagten unterscheidet das Streitpatent zwischen einem „Aktivierungsstrecken“ und einem „Teststrecken“.

63

Das „Aktivierungsstrecken“ erfolgt während der Herstellung des laminierten Bogens, wo durch die Streckwalzen das Laminat bezüglich seiner Dicke dünner gemacht und das Faservlies z. B. wellenförmig aufgekrempelt (gerafft) wird. In Patentanspruch 1 entspricht dies dem inkrementellen Strecken der Merkmale M1.3.2 und M1.4. Die Merkmale M1.5, M1.6.1 und M1.6.2 beziehen sich dann auf das „Teststrecken“ des fertigen Bogens. Dieser wird in einem Tester um einen bestimmten Wert gedehnt (z. B. 50 %) und weist dann eine „bleibende Verformung“ (Verformungsrest) auf (z.B. 20 %), wie dies in K2a auf S. 13, Abs. 1 beschrieben ist.

64

c) Das Streitpatent lässt offen, ob der „laminierte Bogen“ entsprechend Merkmal M1.1 vollständig laminiert ist oder nur einzelne Bereiche des Bogens laminiert sind. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit ist daher grundsätzlich von dieser möglichen Auslegungsbreite des Patentanspruchs auszugehen.

65

d) Auch Merkmal M1.4.2 lässt mit der Formulierung, dass die Linien „im Wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen“ verlaufen, offen, ob der Bogen insgesamt in der Aktivierungsrichtung elastisch ist und sich die Linien über die gesamte Breite oder Länge des Laminats erstrecken oder nur Teilbereiche betreffen. Damit bleibt auch offen, ob der Bogen insgesamt streckbar und wiederherstellbar ist oder diese Eigenschaft nur für die aktivierten Bereiche gilt (Merkmal M1.5). Gemäß Streitpatent können ausdrücklich auch Bereiche mit Linien („gestreckte Bereiche“), welche an Bereiche ohne Linien („ungedehnte Bereiche“) angrenzen, in dem Laminat vorhanden sein (vgl. auch K2a: S. 4, Z. 2-3).

66

e) Dementsprechend sind auch die Zahlenangaben der Merkmale M1.6.1 und M1.6.2 zur „Teststreckung“ auslegungsbedürftig. Sie können sich nach Auffassung des Senats entsprechend der aufgezeigten Auslegungsbereite auf den gesamten (laminierten) Bogen beziehen oder nur auf die gestreckten Bereiche.

67

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist aus Sicht des Senats gegenüber der Druckschrift K4 bereits nicht neu. Jedenfalls aber beruht er gegenüber der Druckschrift K4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

68

a) Die Druckschrift K4 betrifft ausweislich ihres Titels ein Verfahren und eine Vorrichtung zum schrittweisen (inkrementellen) Strecken eines „spannungslosen“ Strecklaminats.

69

Darunter wird eine Laminatbahn verstanden, welche aus mindestens zwei Materiallagen besteht, die in einem im Wesentlichen ungespannten („spannungslosen“) Zustand aneinander fixiert werden. Mindestens eine der Lagen weist vorzugsweise die Form einer kontinuierlichen (ersten) Bahn auf, um eine kontinuierliche Hochgeschwindigkeitsbearbeitung zu erleichtern. Eine andere der Lagen kann eine kontinuierliche Bahn oder diskrete Elemente oder Stücke umfassen, welche an der (ersten) Bahn an vorher vorgegebene Stellen fixiert werden (M1.2 // K4: S. 2, Z. 13-22). Im Weiteren wird in der K4 dann das Beispiel der diskreten Elemente ausgeführt. Damit ist aber in dem Fall, dass beide Lagen eine kontinuierliche Bahn darstellen, das Merkmal M1.1 durch die K4 verwirklicht, selbst wenn zugunsten der Beklagten angenommen wird, dass das Merkmal M1.1 ausschließlich einen vollständig laminierten Bogen beschreibt.

70

Eine Lage des Laminats der K4 ist ein dehnbares elastomeres Material (M1.1.2 // K4: S. 3, Z. 10-14 u. S. 16, Z. 23-35 mit Fig. 1, Bz. 4a). Nach Fig. 1 der K4 sind dies elastomere Stücke 4a, welche zwischen einer Feuchte undurchlässigen polymeren Rückseitenschicht 5 und einer Feuchte durchlässigen Deckschicht 6 liegen. Die Deckschicht 6 ist typischerweise ein dehnbares Faservlies (M1.1.1 und M1.3, „nonwoven fibrous material“). Nach dem Beispiel der Fig. 1 werden Einmal-Windeln hergestellt, wobei hier die Rückseitenschicht 5 und die Deckschicht 6 kontinuierliche Bahnen sind (K4: S. 18, Z. 5-6).

71

Entsprechend den Figuren 3A und 4A der K4 erfolgt die Streckung gleichartig zu derjenigen des Streitpatents. Daher werden durch die gleichwirkende Streckung die Merkmale M1.3.1 und M1.3.2 in Bezug auf die Fasern des Faservlieses durch die K4 verwirklicht, was im Übrigen von den Parteien nicht bestritten wird.

72

Entsprechend der vorgenommenen Auslegung der Merkmalsgruppierung M1.4 sind auch die Merkmale M1.4 bis M1.4.3 in der K4 verwirklicht (K4: S. 26, Z. 17-25). Insbesondere zeigt beispielsweise Fig. 4 das gleichmäßige Strecken entlang von Linien und Fig. 3A die Streckung durch die gesamte Tiefe des laminierten Bogens.

73

Zwar kann aus Sicht des Senats Merkmal M1.5 nicht ausschließlich so ausgelegt werden, dass der laminierte Bogen „insgesamt“ streckbar und wiederherstellbar sein muss. Da entsprechend S. 28, Z. 24-28 der K4 auch ein vollständig („entirely“) elastisch laminierter Bogen von der Lehre der K4 umfasst sein soll, wird aber selbst im Falle der engst möglichen Auslegung Merkmal M1.5 durch die K4 verwirklicht.

74

Die in der K4 auf S. 3, Z. 10-14, angegebenen elastischen Eigenschaften des laminierten Bogens beziehen sich auf das „Aktivierungsstrecken“. Nachdem sich die Merkmale M1.6.1 und M1.6.2 auf ein „Teststrecken“ beziehen, sind diese Merkmale in der K4 nicht explizit verwirklicht. Da der elastische laminierte Bogen aber mit den gleichen Mitteln wie das Streitpatent hergestellt wird, wird auch die gleiche Wirkung erzielt. Patentanspruch 1 enthält nämlich keine stofflichen Merkmale oder Verfahrensmerkmale, welche ihn von dem Erzeugnis der K4 unterscheiden würden, so dass im Ergebnis die Merkmale M1.6.1 und M1.6.2 des Streitpatents auch im elastischen laminierten Bogen der K4 verwirklicht sein müssen.

75

Damit sind alle Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Streitpatent durch die K4 vorbeschrieben. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Streitpatent ist nicht neu gegenüber der K4.

76

b) Selbst wenn die Merkmale M1.6.1 und M1.6.2 als nicht durch die K4 neuheitsschädlich vorbeschrieben zu erachten sein sollten, ergeben sich diese Merkmale für den Fachmann in naheliegender Weise allein aus der K4 in Verbindung mit seinem Wissen und Können.

77

Ein Fachmann, der vor die objektive Aufgabe gestellt ist, ausgehend von der K4 die elastischen Eigenschaften des laminierten Bogens der K4 zu verbessern, wird den Wunsch haben, dass bei einer beliebigen Dehnung der Verformungsrest nach Möglichkeit 0 % beträgt. Damit sind die Merkmale M1.6.1 in Verwirklichung des Wunsches des Fachmanns insofern auch nahegelegt, als er sich bei einer realistischen Dehnung von 50 % einen möglichst kleinen Wert für den Verformungsrest erhofft, z. B. kleiner als 10 %.

78

Der Fachmann kommt so ausgehend von der K4 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

79

Der im Streitpatent angegebene Wert eines Verformungsrestes von 10 % bei einer „Teststreckung“ von 50 % ist zudem beispielsweise vor dem Hintergrund der Druckschrift K5 realistisch (K5: Sp. 6, Z. 64 bis Sp. 7, Z. 3), da die K5 ebenfalls elastische absorbierende laminierte Bögen betrifft, im speziellen Wegwerf-Windeln.

80

3. Zum gleichen Ergebnis der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Streitpatent gelangt der Senat, wenn er von der Druckschrift K7 ausgeht.

81

a) Die Druckschrift K7 offenbart insbesondere eine Wegwerf-Windel, welche eine Deckschicht 11 („top-sheet“) aus einem nichtgewebten Faservlies aufweist (M.1.1.1 // K7: Sp. 5, Z. 22 - 25 u. Sp. 7, Z. 62 bis Sp. 8, Z. 5). Auf diese Deckschicht wird ein elastisches Band 41 und 42 insbesondere im Bereich der Taille und der Beine der Windel aufgebracht (M1.1.2 // K7: Sp. 7, Z. 55 - 66 und Sp. 9, Z. 35 - 40 und Sp. 11, Z. 38 - 41), so dass jedenfalls Teilbereiche vorhanden sind, welche für sich betrachtet einen elastischen laminierten Bogen bilden (M1.1 und M1.2).

82

Da es sich bei der Deckschicht der K7 üblicherweise um ein hydrophobes nichtgewebtes Faservlies handelt (K7: Sp. 5, Z. 22 - 25, „fibrous and hydrophobic non-woven fabric“) ist auch Merkmal M1.3 verwirklicht.

83

Entsprechend der Merkmale M1.4 bis M1.4.3 erfolgt ein schrittweises (inkrementelles) Strecken der Verbundschichten („composite web“) der K7 zumindest im Bereich der elastischen Bänder (K7: Sp. 9, Z. 46 - 65). Dieses „Aktivierungsstrecken“ könnte aber nach Sp. 4, Z. 25 - 27 auch über das gesamte Verbundmaterial erfolgen.

84

Die Streckung führt zu einer Ausrichtung der Fasern entsprechend Merkmal M1.3.2 (K7: Sp. 9, Z. 65 - 68). Wenn der Streckvorgang beendet ist, geht das elastische Band etwa bis zu seiner ursprünglichen Länge zurück, während die Deckschicht gerafft wird (K7: Sp. 10, Z. 1 - 5). Das elastische Band kann aber auch kontinuierlich mit der Deckschicht verbunden werden (K7: Sp. 10, Z. 17 - 21).

85

In der Folge entsteht also ein Verbundmaterial, welches jedenfalls in den Teilbereichen im Sinne von Merkmal M1.5 streckbar und wiederherstellbar ist.

86

Wie z. B. aus den Figuren 11 oder 24 ersichtlich ist, erfolgt in den Bereichen 41 und 42 das schrittweise (inkrementelle) Strecken entlang Linien und gleichmäßig über den laminierten Bogen, sowie entsprechend der Figur 5 in Verbindung mit den Figuren 8, 9, 10a und 10b und der dazugehörigen Beschreibung (K7: Sp. 9, Z. 46 bis Sp. 10, Z. 26) durch seine gesamte Tiefe. Die Merkmale M1.4 bis M1.4.3 sind daher in diesen Teilbereichen aus der K7 bekannt.

87

Ein „Teststrecken“ entsprechend der Merkmale M1.6.1 und M1.6.2 wird in der K7 nicht ausdrücklich genannt. Die Sp. 10, Z. 1 - 6 bezieht sich zunächst auf das „Aktivierungsstrecken“. Dies impliziert in der Folge jedoch auch die Möglichkeit, das Ergebnis des Aktivierungsstreckens zu testen.

88

b) Selbst wenn für die Beurteilung der Patentfähigkeit die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 neu definierte Aufgabe zugrunde gelegt wird, ist die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Streitpatent nicht gegeben.

89

Aus dieser Sicht der Beklagten besteht vor dem Hintergrund des Standes der Technik die objektive Aufgabe darin, einen laminierten Bogen aus nichtgewebten, faserigen Substraten und einem elastomeren Film zur Verfügung zu stellen, der insgesamt elastisch und als Bestandteil für vielseitige Zwecke verwendbar ist und insbesondere für die Herstellung von Windeln und anderen Kleidungsstücken verwendet werden kann. Gleichfalls wird ein Verfahren zur Herstellung derartiger laminierter Bögen mit Hochgeschwindigkeits-Produktionsmaschinen zur Verfügung gestellt.

90

Es liegt für einen Fachmann auf der Hand, dass die elastischen Eigenschaften der Erzeugnisse der K7 im Wesentlichen durch die elastisch laminierten Teilbereiche erzielt werden, nachdem diese durch inkrementelles Strecken aktivierten wurden.

91

Daher war es für einen Fachmann ohne weiteres zu erkennen und damit naheliegend, die laminierten und aktivierten Teilbereiche der K7 als separates Erzeugnis im Sinne eines insgesamt elastischen Bogens zu sehen, da ein Fachmann die elastische Wirkung eben diesen Teilbereichen zuschreibt.

92

Ausgehend davon resultiert ein laminierter Bogen, welcher insgesamt elastisch ist und die Eigenschaften der Merkmale M1.1 bis M1.5 aufweist. Auch möglichst günstige Eigenschaften bezüglich des Verformungsrestes (Merkmale M1.6.1 und M1.6.2) werden aus den bereits in Abschnitt II.2.b genannten Gründen durch den Fachmann angestrebt werden. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht daher selbst bei einer engen Auslegung der Merkmale zu Gunsten der Beklagten und unabhängig davon, von welcher Aufgabe ausgegangen wird, gegenüber der K7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der Patentanspruch 1 des Streitpatents keinen Bestand hat.

93

c) Eine sinngemäße Argumentation kann auch ausgehend von der Druckschrift K4 geführt werden, wenn die dortigen elastisch laminierten und aktivierten Teilbereiche betrachtet werden.

94

4. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 17 ist weder behauptet worden noch ersichtlich. Außerdem hat die Beklagte erklärt, dass sie die Haupt- und Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht. Einer Entscheidung über eine mögliche unzulässige Erweiterung des Gegenstands von Verfahrensanspruch 6 , der im Wesentlichen aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, bedarf es daher nicht.

III.

95

1. Durch die Hilfsanträge 1 und 2 ergeben sich im Patentanspruch 1 nach Streitpatent Änderungen bzw. Ergänzungen in den Merkmalsgruppen M1.4 und M1.5, welche kursiv gesetzt sind. Mit der hochgestellten Ziffer wird angegeben, ab welchem Hilfsantrag das Merkmal in die Fassung des Patentanspruchs aufgenommen ist.

96

M1.4 das inkrementelle Strecken erfolgt

97

M1.4.1 entlang Linien

98

M1.4.2 im Wesentlichen gleichmäßig über den laminierten Bogen (12)

99

M1.4.3 und durch seine gesamte Tiefe;

100

M1.4.4 1 der laminierte Bogen wird inkrementell in Querrichtung gestreckt, um einen streckbaren und wiederherstellbaren Verbundstoff in der genannten Querrichtung zu bilden;

101

M1.4.5 2 das inkrementelle Strecken in Querrichtung erfolgt durch ineinandergreifende Walzen (10,11),

102

M1.4.5.1 2 die in ständigem Eingriff bleiben,

103

M1.4.5.2 2 wobei die Zähne der einen ineinandergreifenden Walze (10) stets zwischen die Zähne der anderen ineinandergreifenden Walze (11) gelangen;

104

M1.5 1 der laminierte Bogen (12) ist unter Einwirkung einer Kraft streckbar und nach Wegnahme der Kraft zu der ursprünglichen oder annähernd zu der ursprünglichen Form wiederherstellbar;

105

2. Der Patentanspruch 1 von Hilfsantrag 3 umfasst alle Merkmale des Patentanspruchs 1 von Hilfsantrag 2. Die Merkmalsgruppe M1.1 ist wie folgt geändert:

106

M1.1 3 Verwendung eines elastischen laminierten Bogens

107

M1.1.1 aus einem nichtgewebten Faservlies

108

M1.1.2 und einem elastomeren Film

109

M1.1.3 3 als Gewebe in einem Kleidungsstück;

110

3. Die Hilfsanträge sind zulässig. Ihre zusätzlichen Merkmale sind ursprünglich offenbart, sie sind Gegenstand des Streitpatents und schränken den Gegenstand der Patentansprüche des Streitpatents weiter ein.

111

Im Einzelnen ergeben sich die Merkmale

112

M1.5 1 aus K2, S. 2, Z. 43 - 45,

113

M1.4.4 1 aus K2, Patentanspruch 3,

114

M1.4.5 2 , M1.4.5.1 2 , M1.4.5.2 2 aus K2, S. 4, Z. 36 - 37 i. V. m. S. 4, Z. 48 - 49 und S. 4, Z. 51 - 53,

115

M1.1 3 , M1.1.3 3 aus K2, S. 3, Z. 1 - 2.

116

Der neue Unteranspruch 2 von Hilfsantrag 3 ergibt sich aus K2, S. 3, Z. 33 - 35.

117

Der Begriff „schrittweises Stecken“ wurde in „inkrementelles Strecken“ geändert, welcher in gleicher Weise durch die maßgeblich englischsprachige Fassung „incremental streching“ gedeckt ist.

118

4. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 beruhen gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

119

a) Eine Streckung in Querrichtung entsprechend Merkmal M1.4.4 1 erfolgt auch mittels der K4 oder K7 (K4: Patentanspruch 11 // K7: Sp. 4, Z. 27 - 29 und Z. 44 - 46 oder Sp. 9, Z. 60 - 62). Dass die (Test-)Streckung unter Einwirkung einer Kraft erfolgt und der Bogen danach seine ursprüngliche Form wieder haben soll (Merkmal M1.5 1 ), ist ein dem Fachmann naheliegendes Bestreben (vgl. hierzu auch Abschnitt II.2.b), welcher den Gegenstand nicht von der K4 oder K7 abzugrenzen vermag.

120

Eine Streckung mit ineinandergreifenden Walzen wird auch in der K7 gezeigt (K7: Fig. 5 // Merkmal 1.4.5 2 ). Jedoch greifen die Zähne der Walzen nicht stets ineinander, sondern abschnittsweise. Gleiches gilt für die K4 und die dortige Fig. 3 mit dazugehöriger Beschreibung (Merkmal 1.4.5 2 ). Nach K4, S. 16, Z. 2 bis 7 kann die Erfindung mühelos auf sich kontinuierlich bewegende Bahnen angewendet werden, um in Gänze spannungslose Strecklaminate zu erzeugen.

121

Da es aber, wie oben in Abschnitt II.3.b dargelegt, nahe gelegen hat, ausgehend von der K4 oder K7 insgesamt elastische Bögen herzustellen, war auch die Ausgestaltung der Herstellung durch Walzen, welche entsprechend der Merkmale M1.4.5.1 2 und M1.4.5.2 2 in ständigem Eingriff bleiben, naheliegend. Sollte der Fachmann hierzu noch eine Anregung benötigt haben, ist diese den Druckschriften K11 oder K12 zu entnehmen, welche das Streitpatent bereits als Stand der Technik benennt (K11: Sp. 1, Z. 5 - 6 i. V. m. Sp. 3, Z. 36 - 38 sowie Z. 64 - 66 und den Fig. 2 und 3 // K12: Zusammenfassung sowie Fig. 1 und 7 mit dazugehöriger Beschreibung Sp. 4, Z. 66 bis Sp. 5, Z. 34).

122

In der Folge beruhen daher auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

123

b) Auch in den Merkmalen M1.1 3 und M1.1.3 3 des Hilfsantrag 3, der Verwendung des elastischen laminierten Bogens, ist keine erfinderische Tätigkeit zu sehen. Es war für einen Fachmann ohne weiteres zu erkennen, dass die elastischen laminierten Teilbereiche der K4 oder K7 für sich betrachtet in vielfältiger anderer Weise als Gewebe in einem Kleidungsstück verwendet werden können (vgl. z. B. K4: S. 2, Z. 8 - 11 oder S. 30, Z. 18 - 22 // K7: Sp. 1, Z. 5 - 8 u. 42 - 54, insbesondere Z. 51 - 54). Dem Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 mangelt daher die erfinderische Tätigkeit.

124

c) Sofern die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass Windeln zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents einteilig hergestellt wurden, weshalb es nicht nahe gelegen habe, insgesamt elastische laminierte Bögen herzustellen, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

125

Bereits die vorveröffentlichten Druckschriften K13 und K14 zeigen die Verwendung von separat angebrachten elastischen Verschlussbändern für eine Windel, so genannte „Windelohren“ (K13: Fig. 3 sowie Sp. 5, Z. 35-37 und Sp. 12, Z. 16-41 // K14: Fig. 11 sowie Sp. 10, Z. 12-19). Auch die K7 verweist darauf, dass ein Einzelteil einer Windel zusammengezogen werden kann, indem es geriffelt oder plissiert wird und das elastische Element anschließend im entspannten oder ungedehnten Zustand befestigt wird (K7: Sp. 1, Z. 51-54).

126

Es war also bereits bekannt, separate Teile für ein Kleidungsstück wie eine Windel herzustellen. Davon ausgehend lag es dann auch nahe, elastische Teile dort anzubringen und einzusetzen, wo sie gebraucht werden, also bei Windeln im Bauch- und Beinbereich und damit auch als Seitenteile der Windel. Hierzu war es auch erforderlich, diese Teile als insgesamt elastische laminierte Teile im Sinne des Streitpatents herzustellen und anschließend entsprechend zu konfektionieren. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass letztlich „Windelohren“ als solche nicht Offenbarungsgehalt des Streitpatents sind, wenn dies auch die hauptsächliche Einsatzform des streitpatentgemäßen laminierten Bogens betreffen mag.

127

d) Gemäß dem weiteren Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung liege der substantielle Unterscheid zwischen dem Streitpatent und dem Stand der Technik darin, dass es im Stand der Technik Probleme gegeben habe, nur Seitenteile als elastische Laminate zu aktivieren, wenn bei der einteiligen Herstellung von Windeln diese durch Aktivierungsrollen (Walzen) gezogen wurden. Dagegen könne bei der Herstellung von insgesamt laminierten elastischen Bögen gemäß dem Streitpatent eine viel höhere Kraft aufgebracht werden, weshalb eine Streckung um 50 % nur möglich sei, wenn die Aktivierungsrolle nicht den Vliesstoff alleine treffe.

128

Auch dieses Argument begründet keine erfinderische Tätigkeit der Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsanträgen da vollständig laminierte Vliesstoffe bereits aus dem Stand der Technik bekannt, zumindest aber nahegelegt waren (vgl. die Ausführungen zur K4 in Abschnitt II.2.a). Aktivierungen der elastischen Laminate im Bereich von 50 % oder darüber waren dem Fachmann zudem beispielweise aus den Druckschriften K4, K7, K11 oder K12 nahegelegt. Zwar stellen die Figuren der Streckwalzen der Druckschriften grundsätzlich zunächst Prinzipskizzen dar (vgl. K4: Fig. 2B, 3A, 4A // K7: Fig. 5 // K11: Fig. 3 // K12: Fig. 7). Ein Fachmann würde dennoch aus ihnen erkennen, dass eine Streckung um mindestens 50 % grundsätzlich möglich ist, da die Form der ineinandergreifenden Walzen auf eine Streckung um mindestens 50 % hinweist. Hierfür möglicherweise limitierende Materialeigenschaften sind nicht Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche und sind auch nicht geltend gemacht worden.

129

5. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der Unteransprüche 2 bis 10 nach Hilfsantrag 3 zu erkennen. Die im Folgenden genannten Druckschriften K5 und K6 beschäftigen sich ebenfalls mit den Eigenschaften elastischer Laminate, insbesondere von Windeln, und sind daher für das vorliegende Streitpatent einschlägiger Stand der Technik.

130

a) Bereits die K4 und die K7 beschreiben Windeln, welche streitpatentgemäße elastisch laminierte Teilbereiche aufweisen (z.B. K4: S. 2, Z. 8 - 11 // K7: Sp. 2, Z. 12 - 15). Davon ausgehend bei mehrteilig hergestellten Windeln die elastischen Verschlussbänder, wie sie beispielsweise auch in den Druckschriften K13 und K14 gezeigt werden (K13: Fig. 3 sowie Sp. 5, Z. 35 - 37 und Sp. 12, Z. 16 - 41 // K14: Fig. 11 sowie Sp. 10, Z. 12 - 19), als elastisch laminierten Bögen entsprechend dem Unteranspruch 2 nach Streitpatent zu verwenden, entsprach damit bereits einer zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents fachüblichen Vorgehensweise.

131

b) Der Gegenstand von Unteranspruch 3 ist bereits aus der K4 oder K7 bekannt und kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen (vgl. K4: Patentanspruch 11 // K7: Sp. 4, Z. 27 - 29 und Z. 44 - 46 oder Sp. 9, Z. 60 - 62).

132

c) Eine inkrementelles Strecken in längs und Querrichtung entsprechend Unteranspruch 4 wird bereits in der K4 oder K7 gelehrt (K4: S. 28, Z. 29 bis S. 29, Z. 6 // K7: Sp. 4, Z. 27 - 29 oder Sp. 9, Z. 60 - 64)

133

d) Die K7 beschreibt, dass die Vorderseite 11 (Sp. 7, Z. 66 bis Sp. 8, Z. 5) aus einem nichtgewebtem Faservlies bestehen kann. Das Material der Rückseite 3 wird in Bezug auf seine Webstruktur nicht weiter charakterisiert. In der Beschreibung zu den Figuren 9 und 10 in Sp. 10, Z. 2 - 26 werden beide Seiten einfach als „web fibers“ bezeichnet. Schon deshalb ist die Verwendung gleichen Materials entsprechend Unteranspruch 5 naheliegend.

134

e) Die K4 offenbart als Material für das nichtgewebte Faservlies auf S. 17, Z. 30 - 35 Polypropylenfasern. In der K7 werden in Sp. 8, Z. 5 - 13 u. a. Polypropylen, Polyethylen, Polyester und Nylon genannt. Damit liegt in der bloßen Materialauswahl entsprechend Unteranspruch 6 keine erfinderische Tätigkeit.

135

f) Nach K7 haben die Faservliese ein Gewicht von 4 - 110 g/yd2 (K7: Sp. 8, Z.51 - 56). Die K5 offenbart Polyolefine (bevorzugt Polypropylen) mit einem Gewicht von 5 bis 30 g/yd2 (K5: Sp. 9, Z. 44 - 48). Der mit Unteranspruch 7 beanspruchte Bereich für das Flächengewicht des Faservlieses liegt damit im Bereich des fachüblichen Handelns.

136

g) Der elastomere Film soll nach Unteranspruch 8 eine Dicke von 6,5 bis 250 µm (0,25 - 10 mil) haben. Die Einheit mil ist die Abkürzung für milli-inch (1/1000 inch), weshalb 1 mil ungefähr 0,0254 mm bzw. 25,4 µm entspricht.

137

Nach K4 kann der elastomere Film in Form eines Polyurethanschaums eine Dicke von 80 mil haben (K4: S. 17, Z. 9) oder als vernetzter Kautschuk („natural rubber“) 50 mil (K4: S. 17, Z. 12), also dicker als der elastomere Film des Streitpatents. Gemäß K7 hängt aber die Länge, Breite, Form und Dicke der elastischen Elemente von der gewünschten Ausgestaltung der Wegwerfkleidung ab (K7: Sp. 5, Z. 14 - 21). Die K6 offenbart einen elastischen laminierten Bogen, dessen Schichten und damit unter anderem der elastomere Film eine Dicke von 5 - 500 µm (0,2 - 20 mil) aufweisen können. Somit liegt der elastomere Film des Streitpatents innerhalb des Bereichs der K6 (K6: Sp. 3, Z. 3 - 6 i. V. m. Sp. 3, Z. 25 - 28). Dies zeigt, dass im Ergebnis die Auswahl der Dicke des elastomeren Films beispielsweise von der gewünschten Verwendung oder den Materialkosten abhängt, so dass damit eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden kann.

138

h) Der Unteranspruch 9 kombiniert das Gewicht des nichtgewebten Faservlieses nach Unteranspruch 7 mit der Dicke des elastomeren Films nach Unteranspruch 8. Die geeignete Wahl der Schichtdicke und des Flächengewichts gehört zu den handwerklichen Ausgestaltungen des Erzeugnisses, welche je nach Verwendung des Laminats zu wählen ist. Daher kann auch in einer Kombination der beiden Eigenschaften (Dicke und Flächengewicht) keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.

139

i) Die K4 nennt als Material für den elastomeren Film Polyurethan (K4: S. 17, Z. 3 - 11). Die K7 offenbart ebenfalls Polyurethan (K7: Sp. 3, Z. 40 - 50) und allgemein, dass jedes thermoplastische elastische Material, welches weich und dehnbar ist, als elastomeres Material geeignet ist (K7: Sp. 3, Z. 51 - 56). In der K5 werden zusätzlich noch Ethylen-Propylen-Polymere und Polyurethane genannt (K5: Sp. 4, Z. 63 - 67), sowie in der K6 Polyurethan und Butadien-Styrol-Blockpolymere (entsprechend Poly(Styrol-Butadien-Styrol) bzw. SBS, Kraton, vgl. K6: Sp. 1, Z. 7 - 15). In der bloßen Materialauswahl nach Unteranspruch 10 wird daher keine erfinderische Tätigkeit gesehen.

IV.

140

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

141

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.