Entscheidungsdatum: 17.09.2013
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 10 2008 064 065
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2013 unter Mitwirkung des Richters Guth als Vorsitzenden, der Richterinnen Martens und Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Dipl.-Chem. Dr. Jäger
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2008 064 065 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:
„1. Wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung enthaltend mindestens einen Farbstoff, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: Triphenylmethanfarbstoffen, Azofarbstoffen, Cyaninfarbstoffen und/oder Naturfarbstoffen oder deren Mischungen, wobei die Zubereitung eine Dichte im Bereich von 1,01 g/cm3 bis 1,5 g/cm3 aufweist und wobei das die Dichte einstellende Mittel schweres Wasser und/oder ein neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymer, PoIyvinylpyrrolidion, ist.
2. Augenmembran-Farbstofflösung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Farbstoff Brillantblau G ist.
3. Augenmembran-Farbstofflösung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration des Brillantblau G in der fertigen Zubereitung bis zu 0,3 g/l, bevorzugt 0,25 g/L beträgt.
4. Augenmembran-Farbstofflösung nach einem der vorhergehenden Ansprüche zur Verwendung als Farbstoff für eine Negativdarstellung epiretinaler Membranen.
5. Augenmembran-Farbstofflösung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie zusätzlich mindestens ein die Viskosität einstellendes Mittel enthält, ausgewählt aus: Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymer, Polyvinylpyrrolidon, und anderen Polymeren, mehrwertigen Alkoholen wie Glycerin, Ethylenglycol, Propylenglycol, Butylenglycol, Cellulose, Xanthan Gummi, Stärke, Hyaluronsäure und deren jeweilige Derivate, Chondroitinsulfat und Natriumsulfat.
6. Augenmembran-Farbstofflösung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Zubereitung bei 25°C und einer Scherrate von 10 s-1 eine dynamische Viskosität im Bereich von 1 bis 500 mPas, bevorzugt in einem Bereich von 50 bis 275 mPas aufweist.
7. Augenmembran-Farbstofflösung nach Anspruch 1 bis 6 dadurch gekennzeichnet, dass die Osmolarität der hergestellten Lösungen im Bereich von 280-330 mosmol/L, bevorzugt 300 mosmol/L, liegt.
8. Kit umfassend eine Spritze mit Zylinder und Kanüle und eine wasserbasierte Augenmembran-Farbstofflösung gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verhältnis von Zylinderdurchmesser zu Kanülendurchmesser von 10 bis 2 zu 1 bis 0,2, bevorzugt 20 zu 1 bis 4 zu 1 beträgt.
9. Kit nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis von Zylinderlänge zu Zylinderdurchmesser in einem Bereich von 15 bis 5 zu 1 liegt.
10. Kit nach einem der Ansprüche 8 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Spritze eine Kanüle mit 19 bis 27 gauge, bevorzugt 23 oder 25 gauge, aufweist.
11. Kit nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Spritze einen Zylinderdurchmesser von 3 bis 10 mm hat.
12. Kit nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, der Farbstoff Brillantblau G ist.
13. Kit nach einem der Ansprüche 8 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Augenmembran-Farbstofflösung bei 25°C und einer Scherrate von 10 s-1 eine dynamische Viskosität im Bereich von 1 bis 500 mPas, bevorzugt in einem Bereich von 50 bis 275 mPas aufweist.
14. Kit nach einem der Ansprüche 8 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration des Brillantblau G in der fertigen Augenmembran-Farbstofflösung bis zu 0,3 g/I, bevorzugt 0,25 g/L beträgt“.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 19. Dezember 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 10 2008 064 065 (Streitpatent) dessen Erteilung am 5. August 2010 veröffentlicht worden ist und das mit einem Hauptantrag und zwei Hilfsanträgen beschränkt verteidigt wird. Das Streitpatent betrifft eine "Farbstofflösung" und umfasst in der erteilten Fassung 15 Patentansprüche. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 lauten in der erteilten Fassung:
„1. Wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung enthaltend mindestens einen Farbstoff, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: Triphenylmethanfarbstoffen, Azofarbstoffen, Cyaninfarbstoffen und/oder Naturfarbstoffen oder deren Mischungen, wobei die Zubereitung eine Dichte im Bereich von 1,01 g/cm3 bis 1,5 g/cm³ aufweist.“
„9. Kit umfassend eine Spritze mit Zylinder und Kanüle und eine wasserbasierte Augenmembran-Farbstofflösung gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verhältnis von Zylinderdurchmesser zu Kanülendurchmesser von 10 bis 2 zu 1 bis 0,2 bevorzugt 20 zu 1 bis 4 zu 1 beträgt.“
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 und/oder Patentanspruch 9 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 15 wird auf die Patentschrift DE 10 2008 064 065 B9 verwiesen.
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht geltend, das Streitpatent sei nicht rechtsbeständig, da sein Gegenstand weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie macht ferner den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit geltend und ist der Ansicht, Patentanspruch 1 des Hauptantrags sei unklar gefasst. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:
A1 DE 10 2008 064 065 B9 (Streitpatent)
A2 Klageschrift im Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf vom 6. Februar 2012, Aktenzeichen 4a O 12/12
A3 Internet-Ausdruck vom 12. 4. 2012: „Wasser und seine Eigenschaften: Dichte, Dichtetabelle, Anleitung für eine einfache Dichtemessung und -berechnung, Mengeneinheiten für Wasser, Dichteanomalie ", http://www.wissenschaft-technik-ethik.de/wasser-dichte.html
A4 Lesnik Oberstein, S. Y. et al., British Journal of Ophthalmology, 2007, 91, S. 955 bis 957
A5 Internetausdruck vom 12. 4. 2012: Wikipedia, Stichwort: Trypanblau, http://de.wikipedia.org/wiki
A6 Produktbeschreibung "Membranblue™" der Firma D.O.R.C. International B.V., www.dorc.nl/literature/membraneblue-leaflet.pdf
A7 Analysenbericht P1106-2 "Dichtemessung von BBG Lösungen – Endbericht – P 1106", Pharmpur GmbH vom 5. April 2012
A8 WO 2006/062233 A1
A9 Internetausdruck vom 12.4.2012: Produktbeschreibung: „Opeguard MA“ , National Library of Medicine – Medical Subjects Headings, http://www.nlm.nih.gov/cgi/mesh/2012/MB_cgifield = uid&term=C103610
A10 Ueno, A. et al., Retina, The Journal of Retinal and Vitreous Diseases, 2007, 27, S. 499 bis 504
A11 Hisatomi, T. et al., Archives of Ophthalmology, 2006,124, S. 514 bis 519
A12 Enaida, H. et al., Retina, The Journal of Retinal and Vitreous Diseases, 2006, 26, S. 631 bis 636
A13 Forster, R. E. et al., Retina, The Journal of Retinal and Vitreous Diseases, 2002, 22, S. 106 bis 108
A14 WO 86/02548 A1
A15 US 2006/0235068 A1
A16 EP 1 132 065 A1
A17 DE 10 2006 056 558 A1
A18 US 2003/0097117 A1
A29 Chakrabarti, M. et al., Kerala Journal of Ophthalmology, 2008, XX, S. 174 bis 179
A30 Rodrigues, E. B. et al., Retina, The Journal of Retinal and Vitreous Diseases, 2007, 27, S. 958 bis 970
A31 Rodrigues, E. B. et al., Ophthalmologica, 2005, 219, S. 251 bis 262
A32 Simawi, W., Retina Today, 2010, S. 43 bis 48
A33 Vote, B. J. et al., Retina, The Journal of Retinal and Vitreous Diseases, 2004, 24, S. 736 bis 738
A34 Lesnik Oberstein, S. Y. et al.: "Improving the staining characteristics of trypan blue in vitreo-retinal surgery", Posterpräsentation
A34a Lesnik Oberstein, S. Y. et al.: Zusammenfassung ("Abstracts") zu A34, veröffentlicht in: Investigative Ophthalmology & Visual Science 2004, 45: E-Abstract 1984, 1984-B795
A34b Lesnik Oberstein, S. Y. et al., Abstract zu A34: 1984-B795, Poster Session Program Number/Board # Range: 1982-2032/B793-B843, 265. Advances in Vitreoretinal Surgery I, Organizing Section: RE, Contributing Section: CO, RC – Copyright 2004 by the Association for Research in Vision and Ophtalmology, Inc.
A35 Auszug aus " Practical Handbook for Small-Gauge Vitrectomy", Hrsg.: U. Spandau und H. Heimann, 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S. xvii bis xix sowie 31 und 87
A36 Produktbeschreibung: "Brillant Peel®“, Firma Geuder AG , Heidelberg
A37 Lesnik Oberstein, S. Y. et al., Eye, 2010, 24, S. 1177 bis 1181
A38 Heinrich, P. B. et al., “Quantification of BBG Contrast Recogizability” Presented at the Association for Research in Vision and Ophthalmology Annual Meeting, Fort Lauderdale, FL; May 4, 2010, 17 Seiten
A39 eidesstattliche Versicherung von Herrn Dr. Bernd Christoph Müller vom 27. Dezember 2012
A39a deutsche Übersetzung der eidesstattlichen Versicherung A39
A39-I Annex I zu A39 - entspricht A7
A39-II Annex II zu A39, Produktliste von SENJU Pharmaceuticals Co. Ltd.
A39-III Annex III zu A39, Abbildung von Behältnissen enthaltend Opeguard-MA®
A39-IV Annex IV zu A39, technisches Datenblatt zu Opeguard-MA®, Juli 2007
A40 de Paula Fiod Costa, E. et al., “Vital dyes and light sources for chromovitrectomy: comparative assessment of osmolarity, pH and spectrophotometry” Presented at ARVO 2008 Annual Meeting, Fort Lauderdale, USA, veröffentlicht am 8. August 2008, 20 Seiten
A41 Rote Liste® online, Fluoreszein SE Thilo® Augentropfen – 3 Seiten, 24. Januar 2013
A42 Pharmapur GmbH: “Report P1305 – Density measurements of aqueous staining solutions at various temperatures” vom 13./14. März 2013
A43 Schmid, M. K.: "A new method to improve the application of dyes on the retinal surface without fluid-air exchange“ - Zusammenfassung einer Präsentation, veröffentlicht am 1. Oktober 2008 in Dye
A43a 2008 EVRS Congress – Prag, 6. September bis 9. September – Programm, http://www.evrs.eu/2008-evrs-congress-prague
A43b Videopräsentation auf CD (per Post)
A43c Wortprotokoll der CD
A44 Schriftsatz der Beklagten im Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf vom 11. Juni 2013, Az: 4a O 12/12, mit Anlagenkonvolut FBD13 bis FBD21
A45 E-Mail Korrespondenz mit dem Verlag der Zeitschrift „Investigative Ophthalmology & Visual Science“, 25. März 2013 bis 2. April 2013
A46 Internetausdruck vom 8. 8. 2013: Schülerlexikon: „ Dichte von Stoffen“, http://m.schuelerlexikon.de/mobile_chemie/Dichte_ von_stoffen
A47 Internetausdruck: IMETER: „Dichte: Begriffe, Methoden, Geräte“, 20 Seiten,
A48 Durchschlag H. und Zipper P., Progress in Colloid & Polymer Science, 1994, 94. S. 20 bis 39
A49 Pharmpur GmbH: „Physical data of blue-colored aqueous solutions with polymeric additives – Final report – P1321“ Seiten 1 bis 7
A49a Pharmpur GmbH: „Physical data of blue-colored aqueous solutions with polymeric additives – further experiments - Final report – P1321-1“ 8/27. August 2013
A49b Pharmpur GmbH: „Physical data of blue-colored aqueous solutions with polymeric additives – Final report – P1321“ Seiten 1 bis 10, 2. September 2013
A50 Internetausdruck vom 8. 8. 2013: Wikipedia, Stichwort „Rundung“ http://de.wikipedia.org/wiki
A51 WO 99/58159 A1
A52 Schriftsatz der Beklagten vom 5. Juni 2013 im parallelen Verletzungsverfahren vor dem LG Düsseldorf, Az: 4 a O 12/12
A54 Internetausdruck vom 3. 9. 2013: Wikipedia, Stichwort „Polyethylenglykol“ http://de.wikipedia.org/wiki
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Lehre des Streitpatents sei nicht ausführbar, weil für den im Patentanspruch 1 genannten Dichtebereich nicht angegeben werde, bei welcher Temperatur dieser zu bestimmen sei. Ferner fehle die erforderliche Klarheit, nachdem im Patentanspruch 1 zur Einstellung der Dichte lediglich Substanzgruppen genannt seien, diese aber unendlich viele Substanzen umfassten. Ferner macht sie mangelnde Klarheit hinsichtlich der Patentansprüche 1 und 5 geltend, nachdem in diesen jeweils die gleichen Substanzgruppen jedoch für unterschiedliche Verwendungszwecke genannt seien.
Der Gegenstand des Streitpatents sei zudem gegenüber A34 nicht neu, da der Patentanspruch 1 mit dem Merkmal "neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol,…", auch Methylcellulose umfasse, die als Polyether anzusehen sei. Als den beanspruchten Gegenstand vorwegnehmend nennt sie ferner die Dokumente A31, A16 und A17.
Die Bereitstellung der beanspruchten Farbstofflösung beruhe ausgehend von den Dokumenten A34 und A31 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Eine Motivation, die Lehre von A34 aufzugreifen und Glucose zur Einstellung der Dichte zu ersetzen, gäben die Dokumente A40 und A43. Daher sei es naheliegend gewesen, für eine weitere Verbesserung von Augenmembranen-Farbstofflösungen auch andere, nicht augenschädliche, die Dichte erhöhende Polymere als die in A34 genannte Methylcellulose in Betracht zu ziehen. Die Druckschrift A31 gebe den Hinweis, dass die Dichte von Farbstofflösungen durch die Zugabe von viskoelastischen Substanzen erhöht werde. In jedem Fall brauchte der Fachmann sodann lediglich auf die Druckschriften A16 oder A17 zurückgreifen, die ebenfalls Farbstofflösungen offenbarten, die im Zuge von chirurgischen Eingriffen am Auge Anwendung fänden. Denn diese würden die dafür geeigneten Polymere nennen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Patent 10 2008 064 065 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des neuen Hauptantrags, überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, erhält.
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
„1. Wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung enthaltend mindestens einen Farbstoff, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: Triphenylmethanfarbstoffen, Azofarbstoffen, Cyaninfarbstoffen und/oder Naturfarbstoffen oder deren Mischungen, wobei die Zubereitung eine Dichte im Bereich von 1,01 g/cm3 bis 1,5 g/cm3 aufweist und wobei das die Dichte einstellende Mittel schweres Wasser und/oder ein neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymer, PoIyvinylpyrrolidion, ist.“
Der erteilte Patentanspruch 5 wird gestrichen, die Ansprüche 6 bis 15 werden in der Nummierung sowie in ihren Bezügen angepasst.
In Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wird das Merkmal „und/oder ein neutrales Polymer wie Polyether, …“ abgeändert in „und/oder ein neutrales Polymer, das Polyether ist“. Die Ansprüche 2 bis 14 entsprechen denen des Hauptantrags.
Hilfsantrag 2 entspricht Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass der Farbstoff gemäß Patentanspruch 1 auf Brillantblau G eingeschränkt und Patentanspruch 2 des Hauptantrags gestrichen wird. Im Übrigen werden die Ansprüche in ihrer Nummerierung und ihren Bezügen angepasst.
Die Beklagte, die dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegentritt, stützt sich u. a. auf folgende Dokumente:
A18 Awad, W. et al., Investigative Ophthalmology & Visual Science, 2011, 52, S. 4085 bis 4090
A19 Produktinformation "BSS/DISTRA-SOL" der Firma Ophcon
D. Röse e.K.
A20 Produktinformation "BSS PLUS®" der Firma Alcon Laboratories, Inc.
A21 Nishimura, A. et al.,Jpn. J. Ophthamol., 2003, 47, S. 18 bis 21
A22 Nishimura, M. et al., Clinical Science, 2000, 98, S. 9 bis 14
A23 Hillenkamp, J. et al., Br. J. Ophthamol., 2005, 89, S. 437 bis 443
A24 Saikia, P. et al., Investigative Ophthalmology & Visual Science, 2006, 47, S. 4998 bis 5003
A25 Hillenkamp, J. et al., Br. J. Ophthamol., 2007, 91, S. 1445 bis 1449
A26 Stalmans, P. et al., American Journal of Ophthalmology, 2002, 134, S. 282 bis 285
A27 Da Mata, A. P. et al., Ophthalmology, 2001, 108, S. 1187-1192
A28 Produktbeschreibung "Pure Performance Focus on ILM-Blue® and MEMBRANEBLUE-DUAL®“ der Firma D.O.R.C. International B. V., 4 Seiten, Version 2011
A46 Römpp Chemie Lexikon, Hrsg.: J. Falbe und M. Regitz, 9. Aufl. 1990, Georg Thieme Verlag Stuttgart, S. 949, Stichwort „Dichte“
A47 Beipackzettel „ILM-Blue® Syringe“ der Firma D.O.R.C. International B. V., 2010
A48 Urteil des LG Düsseldorf vom 16.07.2013, Az.: 4a O 12/12
A49 Awad, D. et al., Investigative Ophthalmology & Visual Science, 2011, 52, S. 4085 bis 4090
A50 Awad, D. et al., Graefes Arch. Clin. Exp. Ophthamol., 2013, 251, S. 1735 bis1740
A51 Gerding, H. et al., Klin. Monatsbl. Augenheilkd., 2011, 228, S. 298 bis 301
A52 Lesnik Oberstein, S. Y. et al. “Improving the staining characteristics of trypan blue in vitreo-retinal surgery”
A53 Kagimoto, H. T. S. er al., RETINA TODAY, 2011, S. 45 bis 48
Sie ist im Wesentlichen der Meinung, das Streitpatent in den verteidigten Fassungen sei ausführbar und die Lehre für den Fachmann hinreichend klar offenbart, weil der Fachmann das Patent in seiner Gesamtheit als eigenes Lexikon sehe und vor dem Hintergrund seines Fachwissens unter Berücksichtigung der Aufgabe interpretiere.
Der Gegenstand des Streitpatents sei auch neu und erfinderisch. Keine der von der Klägerin genannten Entgegenhaltungen erfülle alle Merkmale der Streitpatenschrift. Außerdem sei nicht hinreichend belegt und nach der Lebenserfahrung auch nicht nachvollziehbar, dass es sich bei A34, A34a, A40 und A43 um Stand der Technik handele. Es sei auch keine Veranlassung für den Fachmann ersichtlich, sich von der bewährten Verwendung von Glukose in Verbindung mit Trypanblau oder der Abkühlung der Lösung abzuwenden und dann zur patentgemäßen Lehre zu kommen.
I.
Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (§ 22, § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) und der mangelnden Patentfähigkeit (§ 22, § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3 und 4 PatG) gestützte Klage ist zulässig.
Soweit die Beklagte das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 90 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 128).
Die Klage hat im Übrigen jedoch keinen Erfolg.
1. Das Streitpatent betrifft eine wasserbasierte, biokompatible Zubereitung zum selektiven Anfärben der Membrana limitans interna (ILM) und/oder der epiretinalen Membranen (EMR) im menschlichen oder tierischen Auge und ein diese Zubereitung enthaltendes Kit (vgl. A1 S. 2/8 Abs.[0001] sowie Patentansprüche 1 und 9).
Zur Behandlung von Augenerkrankungen, wie z. B. des Grauen Stars (= Katarakt), des Glaukoms (= Grüner Star), von altersbedingter Makuladegeneration und Diabetes bedingter Retinopathie, sowie von Netzhautveränderungen bzw. Netzhautablösungen ist häufig eine Vitrektomie (= Entfernung des Glaskörpers) erforderlich. Im Zusammenhang mit diesem Eingriff muss eine möglichst geringe Schädigung der Netzhaut sichergestellt werden. Eine der Vorsichtsmaßnahmen besteht darin, die Membrana limitans interna (ILM) und ggf. epiretinale Membranen (EMR) mit einer Pinzette von der Netzhaut zu entfernen, um so die Makula von den vermuteten intravitrealen Zugkräften zu entlasten. Dabei ist es für den Chirurgen erforderlich, Netzhaut und abzuziehende Membran gut voneinander unterscheiden zu können. Deshalb wird die abzuziehende Membran über eine möglichst spezifische Anfärbung sichtbarer gemacht. Dafür geeignete Farbstoffe müssen jedoch viele Kriterien erfüllen. Sie müssen biokompatibel sein und dürfen weder toxisch noch zellschädigend sein. Ferner sollen sie wasserlöslich sowie leicht wieder ausspülbar sein und die Augenmembranen möglichst spezifisch anfärben. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren sind sowohl Farbstoffe als auch Verfahren zu deren Anfärbung bekannt. Ein Problem, das sich im Zuge der mit der Vitrektomie oder des chirurgischen Eingriffs in Verbindung mit der dabei erforderlichen Spülung der Augenhöhle stellt, besteht jedoch darin, dass durch die Spüllösung die Farbstofflösung verteilt, verdünnt und ausgespült wird. Dies hat nicht nur den Nachteil, dass die Sicht des Chirurgen getrübt wird, sondern auch eine größere Menge Farbstofflösung erforderlich ist, als zum Anfärbung der Membran notwendig wäre. Zur Überwindung dieser Nachteile wurde bereits vorgeschlagen, zur Viskositätserhöhung der Farbstofflösung ein Verdickungsmitteln, wie z. B. Hyaluronsäure, zuzusetzen. Dies sollte dazu führen, dass der Farbstoff in geringerem Ausmaß in die Spüllösung übertritt und eher in die Nähe der zu entfernenden Membran gelangt. Jedoch führt die hohe Viskosität der Farbstofflösung auch dazu, dass der Farbstoff schlechter aus dieser auf die Membran übertreten kann, so dass wiederum der Bedarf an Farbstoff höher ist als die tatsächlich zur Entfernung der Membran erforderliche Menge (vgl. Streitpatentschrift A1 S. 2/8 Abs. [0002] bis [0006]).
2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine Zubereitung bereitzustellen, die Membranen, insbesondere die Membrana limitans interna (ILM) und/oder epiretinale Membranen (EMR), im menschlichen oder tierischen Auge selektiv anfärben kann, die sich gut applizieren lässt, direkt nach der Applikation zur Membran wandert und sich dort verteilt, ohne die Spüllösung zu stark anzufärben. Ein weiteres Ziel ist es, eine Zubereitung bereitzustellen, die weder zu lokalen Reizungen noch Schädigungen der Netzhaut führt, nicht zu toxisch ist und gut vertragen wird (vgl. A1 S. 2/8 Abs. [0007]).
3. Gelöst wird diese Aufgabe nach nunmehr geltendem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch eine
1.1. wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung enthaltend enthaltend
1.2. mindestens einen Farbstoff,
1.2.a. ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: Triphenylmethanfarbstoffen, Azofarbstoffen, Cyaninfarbstoffen und/oder
Naturfarbstoffen oder deren Mischungen,
1.3. wobei die Zubereitung eine Dichte im Bereich von 1,01 g/cm3 bis 1,5 g/cm³ aufweist und
1.4. wobei das die Dichte einstellende Mittel
1.4.a. schweres Wasser und/oder
1.4.b. ein neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymer, PoIyvinylpyrrolidion, ist.
Die Aufgabe wird ferner gelöst durch ein Kit gemäß Patentanspruch 8 gemäß Hauptantrag, das
8.1. eine Spritze
8.2. mit Zylinder und Kanüle,
8.2.a. wobei das Verhältnis von Zylinderdurchmesser zu Kanülendurchmesser von 10 bis 2 zu 1 bis 0,2 bevorzugt 20 zu 1 bis 4 zu 1 beträgt,
und
8.3. eine wasserbasierte Augenmembran-Farbstofflösung gemäß den Patentansprüchen 1 bis 7
umfasst.
4. Bei dem im vorliegenden Fall zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Pharmazeuten, der typischerweise auf dem Fachgebiet der pharmazeutischen Technologie promoviert hat und mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Formulierungen von Augenarzneimitteln hat. Dieser Fachmann ist eingebunden in ein Team, dem jedenfalls ein auf dem Fachgebiet der Augenchirurgie spezialisierter Mediziner angehört.
II.
Das Streitpatent erweist sich in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang, d. h. im gemäß dem Hauptantrag beschränktem verteidigtem Umfang als bestandsfähig. Die Klägerin hat den Senat nicht vom Vorliegen der Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit sowie fehlenden Patentfähigkeit überzeugen können.
1. Die Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hauptantrag der Beklagten sind zulässig. Der Patentanspruch 1 geht auf die erteilten Patentansprüche 1 und 5 sowie Streitpatentschrift Anlage A1 S. 3/8 Abs. [0014] und S. 4/8 Abs. [0016] zurück. Der nebengeordnete Patentanspruch 8 entspricht dem erteilten Patentanspruch 9. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 14 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 bis 4, 6 bis 8 sowie 10 bis 15. Die Anspruchsfassung im verteidigten Umfang weist somit keine unzulässige Erweiterung auf. Dies ist von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
2. Der Gegenstand des Streitpatentes gemäß Urteilsformel ist auch so ausreichend offenbart, dass der Fachmann ihn ausführen kann.
Eine Lehre, für die Patentschutz verlangt wird, muss wiederholbar sein, d. h. für den zuständigen Fachmann ausführbar sein. Ständiger Rechtsprechung folgend ist die Ausführbarkeit dann gegeben, wenn die Lehre in ihrer Gesamtheit aufgrund der Angaben in den Patentunterlagen und mit den Fachkenntnissen am Anmeldetag ohne eigenes erfinderisches Zutun des Fachmannes so verwirklicht werden kann, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Dazu muss lediglich ein nacharbeitbarer Weg offenbart sein, mit dem das der Erfindung zu Grunde liegende Problem tatsächlich gelöst wird. Dabei steht es der Ausführbarkeit nicht entgegen, wenn der Fachmann die Angaben in der Patentschrift aufgrund seines Fachwissens und Fachkönnens ohne eigenes erfinderisches Bemühen zur Vollständigkeit erst ergänzen muss und sich gegebenenfalls mithilfe orientierender Versuche ein zuverlässiges Bild darüber verschaffen muss, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um den erwünschten Erfolg zu erreichen (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 34 Rdn. 355, 357, 358 und 394, Busse, PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 273, 278, 292 und 293, BGH GRUR 2001, 813, 818 li. Sp. - „Taxol“, BGH GRUR 2010, 901 Tz 31 – Polymerisierbare Zementmischung m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze kann der Einwand der Klägerin nicht greifen, die Ausführbarkeit sei nicht gegeben, weil die Voraussetzung für eine präzise Dichteangabe, die die gleichzeitige Nennung der spezifischen Meßtemperatur verlange, vorliegend aufgrund fehlender entsprechender Angaben in der Streitpatentschrift nicht erfüllt werde. Entgegen dieser Auffassung werden in der Streitpatentschrift mit den Beispielen 3 und 5 nämlich Wege zur Nacharbeitung der streitpatentgemäßen Lehre offenbart. Denn der Fachmann kann im Zuge einer Nacharbeitung dieser Beispiele ohne weiteres die für die dort angegebenen Dichten spezifischen Meßtemperaturen ermitteln. Die Beispiele 3 und 5 betreffen die Herstellung von Farbstofflösungen mit den dort genannten Zusammensetzungen, wobei in einem Fall schweres Wasser, im anderen Fall Polyvinylpyrrolidon – beides im geltenden Patentanspruch 1 zur Einstellung der Dichte genannte Mittel – verwendet werden. In beiden Beispielen wird sodann die Dichte der hergestellten Lösungen angegeben. Im Beispiel 5 wird darüber hinaus die streitpatentgemäß bei 25 °C gemessene Viskosität genannt (vgl. Streitpatentschrift A1 S. 6/8 Beispiel 3 und S. 7/8 Beispiel 5 in Verbindung mit Beschreibung S. 5/8 Abs. [0026]). Fehlt in Verbindung mit der Angabe physikalischer Parameter die gleichzeitig erforderliche Angabe von diese eindeutig charakterisierenden spezifischen Meßbedingungen, so wird sich der Fachmann zunächst an den in der Fachliteratur angegebenen Normbedingungen orientieren. Im vorliegenden Falle, d. h. bei der Angabe der Dichte von Flüssigkeiten, konnte der Fachmann – wie aus Römpps Lexikon der Chemie A46 (Beklagte) bzw. dem Dokument A47 (Klägerin), 3. Seite, Tabelle „Flüssigkeiten (20 °C) zu ersehen ist – von einer Normaltemperatur von 20 °C ausgehen und diese als eine der Ausgangsbedingungen bei der Nacharbeitung der Beispiele 3 und 5 zu Grunde legen. Vor diesem Hintergrund konnte er sodann im Rahmen orientierender Versuche mit der Durchführung einer Messreihe unmittelbar jene Temperatur ermitteln, die jeweils zu den in den Beispielen 3 und 5 genannten Dichten führt. Weder die Anlage noch die Durchführung solcher Messreihen erfordern Überlegungen erfinderischer Art, vielmehr liegen sie im Rahmen des Zumutbaren und Angemessenen (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 34 Rdn. 394).
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung angeführte Entscheidung T 0805/93 der europäischen Beschwerdekammer 3.3.03 ist nicht einschlägig, da im Gegensatz zum Streitpatent dort keine Versuchsergebnisse in den Beispielenvorlagen, anhand derer der Fachmann die zu verwendenden Messbedingungen bestimmen konnte.
Soweit die Klägerin vorträgt, aufgrund der in Verbindung mit der Dichteangabe nicht geklärten Frage der Rundung der Stellen nach dem Komma sei die Identifizierbarkeit und damit die Ausführbarkeit nicht gegeben, kann dieses zu keiner anderen Sachlage führen. Geltender Rechtsprechung folgend kann die Identifizierbarkeit im Patentnichtigkeitsverfahren dann von Bedeutung sein, wenn ihr Fehlen der ausführbaren Offenbarung der Erfindung entgegensteht. Dies ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn es für den Aussagegehalt der geschützten Lehre verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gibt. Auch in diesem Fall muss anhand der Streitpatentschrift ermittelt werden, welche Auslegung die zutreffende ist (vgl. BGH GRUR 2009, 749 Ls., Tz. [22] - Sicherheitssystem). Im vorliegenden Fall werden die im Patentanspruch 1 genannten Grenzwerte des Dichtebereiches mit 1,01 g/cm ³ bzw. 1,5 g/cm ³ angegeben. Diese Schreibweise stimmt mit der in der Beschreibung der Streitpatentschrift verwendeten überein. Auch dort beschränkt sich die Angabe auf die ersten zwei Stellen hinter dem Komma für den unteren Grenzwert und die erste Stelle hinter dem Komma für den oberen Grenzwert (vgl. Streitpatentschrift S. 3/8 Abs. [0010] und [0014] sowie S. 4/8 Abs. [0018] und [0019]). Messwerte, die – sei es z. B. im Zusammenhang mit nachgearbeiteten Versuchen – über die erste bzw. zweite Stelle hinter dem Komma hinaus gehen, wird der Fachmann nicht anders runden als es mathematisch definiert ist, nämlich zu kleineren Werten bei Angaben kleiner 5 und zu höheren Werten bei Angaben ab der Ziffer 5 (vgl. A50 (Klägerin) Seite 3 von 6 „Mathematisches Runden“). Somit trifft in diesem Fall der Vorwurf der fehlenden Identifizierbarkeit und einer mit begründeten mangelnden Ausführbarkeit nicht zu, denn es sind keine Widersprüche zwischen den Angaben im Patentanspruch 1 und der Beschreibung erkennbar und somit auch nicht mehrere Interpretationsmöglichkeiten der Dichtewerte gegeben. Die Grenzwerte des Dichtebereiches sind vielmehr eindeutig definiert.
3. Sofern die Klägerin im Zusammenhang mit den im Patentanspruch 1 genannten Substanzklassen mangelnde Klarheit im Sinne einer unangemessenen Breite geltend macht, bleibt dieser Einwand unbeachtlich, denn dieser füllt für sich gesehen einen der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe grundsätzlich nicht aus (vgl. Busse, PatG, 7. Aufl., § 34 Rn. 88 m. w. N.), zumal diese Merkmale bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten sind. Dieses gilt ebenso für die von der Klägerin schriftsätzlich geltend gemachte fehlende Klarheit i. V. m. der gleichzeitigen Nennung von Polymeren in den Patentansprüchen 1 und 5 für jeweils unterschiedliche Verwendungszwecke - im Patentanspruch 1 zur Einstellung der Dichte und im Patentanspruch 5 zur Einstellung der Viskosität (vgl. Busse PatG 7. Aufl. § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1, § 22 Rn. 18 i. V. m. § 21 Rn. 13 und 14).
4. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hauptantrag der Beklagten sind neu und ihre Bereitstellung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.1. Im Folgenden unterstellt der Senat bei seiner Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugunsten der Klägerin, dass die Entgegenhaltungen A34, A34a, A40 und A43 in ihrer eingereichten Form Stand der Technik waren. Eine Vernehmung der zu dieser Frage von der Klägerin angebotenen Zeugen Frau Dr. L… und Herrn R… war daher nicht erforderlich. Ebenso war eine Zeugeneinvernahme zur Frage, inwieweit eine Motivation für den Fachmann bestand, ausgehend vom Stand der Technik nach Alternativen zu Glukose zu suchen, nicht erforderlich, da diese Frage in erster Linie rechtliche Bewertungen betrifft und die Mitglieder des Senats sach- und fachkundig sind.
4.2. Die wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung des geltenden Patentanspruches 1 ist neu. Keines der im Verfahren genannten Dokumente gibt Augenmembranen-Farbstofflösungen an, die schweres Wasser oder neutrale Polymere der im Patentanspruch 1 genannten Substanzgruppen enthalten und die gleichzeitig eine Dichte in dem im Patentanspruch 1 angegebenen Bereich aufweisen. Dieses trifft auch auf die von der Klägerin als der Neuheit entgegenstehend genannten Dokumente A34, A31, A16 oder A17 zu.
Die Posterpräsentation (A34) mit Abstract (A34a/A34b) der Autoren S. Y. Lesnik Oberstein et al. betrifft Studien zur Verbesserung der Färbeeigenschaften von Farbstofflösungen, die Trypan-Blau als Farbstoff enthalten und in der Augen-Chirurgie zur Anfärbung der Augenmembranen bestimmt sind. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Weg aufzufinden, die im Rahmen einer Operation am Auge zur Anfärbung von Augenmembranen übliche AFX (= Air Fluid Exchange)-Technik zu ersetzen (vgl. A34 "Introduction", A34a "Purpose"). Untersucht werden in diesem Zusammenhang Lösungen, die neben dem Farbstoff einen unterschiedlichen Gehalt an Glukose, Methylcellulose oder Mischungen aus Glukose und Methylcellulose enthalten. Mit der Zugabe dieser Substanzen wird die Dichte solcher Lösungen gegenüber üblichen Farbstofflösungen mit gleichem Anwendungszweck erhöht. Dieses wiederum hat zur Folge, dass der Farbstoff "schwerer" wird, d. h. sich im unteren Teil der Lösung konzentriert (vgl. A34 und A34a: " Methods" und "Results"). Wie die Klägerin anhand des von ihr vorgelegten Versuchsberichtes A42 nachgewiesen hat, weisen Lösungen, die Trypan-Blau sowie als Hilfsstoff 5 % Glukose bzw. 5 % Methylcellulose enthalten bei 25 °C jeweils eine Dichte auf, die im streitpatentgemäßen Bereich liegt (vgl. S. 3 von 6 Tab. 2 i. V. m. und S. 5 von 6 Tab. 6 – Proben 2, 6, 9 und 10). Da es sich bei Glukose um ein Monosaccharid und bei Methylcellulose um ein Polysaccharid handelt, unterscheiden sich die im Dokument A34/A34a beschriebenen Farbstofflösungen von den nach Patentanspruch 1 beanspruchten Farbstofflösungen jedenfalls in den zur Einstellung der Dichte auszuwählenden Stoffen. Denn streitpatentgemäß werden dazu neutrale Polymere verwendet, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymeren und Polyvinylpyrrolidone. Daher sind bei den in der Posterpräsentation A34/A34a angegebenen Farbstofflösungen zumindest die Merkmale 1.4.a./b. gemäß Merkmalsanalyse I.3. nicht verwirklicht.
Der Argumentation der Klägerin, bei Methylcellulose handle es sich um einen Polyether, weshalb die streitpatentgemäß beanspruchte Farbstofflösung durch die Posterpräsentation A34/A34a vorweggenommen sei, kann sich der Senat nicht anschließen. Begriffe in Patentansprüchen sind regelmäßig so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lehre versteht. Dabei ist es maßgeblich, welchen Begriffsinhalt das Patent bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln einem vorgeschlagenen Merkmal zuweist (vgl. BGH GRUR 2001, 232 Ls., 233 I. – Brieflocher m. w. N.). Wie anhand der Streitpatentschrift zu ersehen ist, sind in dieser Polysaccharide und neutrale Polymere wie die Polyether als jeweils eigenständige Substanzgruppe beschrieben. Auf den Seiten 3/8 bis 4/8 werden in den Absätzen [0014] bis [0017] jene Mittel aufgelistet, die streitpatentgemäß zur Einstellung der Dichte in Betracht zu ziehen sind. Dabei wird dem schweren Wasser, den Di- oder Polysacchariden sowie den im verteidigten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag expressis verbis genannten neutralen Polymeren jeweils ein eigener Absatz gewidmet. Ein fachkundiger Leser der Streitpatentschrift wird diese Substanzgruppen daher als jeweils eigenständig definierte, alternativ zueinander verwendbare Mittel zur Einstellung der Dichte verstehen. Insbesondere wird er nicht die in den Absätzen [0015] und [0016] explizit genannten Verbindungen als streitpatentgemäß unter den gemeinsamen Oberbegriff "neutrale Polymere" bzw. unter eine in Verbindung damit genannten Substanzgruppen - wie die Polyether - summierbar erachten.
Der Übersichtsartikel A31 der Autoren E. B. Rodriguez et al. kann die Neuheit gleichfalls nicht infrage stellen. Dieser beschäftigt sich mit der Anfärbung der Membrana limitans interna (ILM) im Zuge einer Chromovitrektomie unter Verwendung des Farbstoffes Indocyaningrün (= ICG). Definierte Zusammensetzungen von Farbstofflösungen werden in diesem Artikel jedoch nicht explizit beschrieben. In deren Zusammenhang wird lediglich ausgeführt, dass diese neben dem Farbstoff alternativ zu einer BSS-Lösung (= balanced salt solution) ein niedermolekulares Viskoelastikum enthalten könnten (vgl. S. 251 „Abstract", S. 254 li./re. Sp. übergreifender Absatz). Einen darüber hinausgehenden Informationsgehalt besitzt auch die Tabelle 1 auf Seite 255 dieser Veröffentlichung nicht, in der in der ersten waagrechten Spalte ebenfalls lediglich allgemein auf ein Viskoelastikum als Bestandteil einer den Farbstoff ICG enthaltenden wässrigen Lösung verwiesen wird. Dieses trifft ebenso auf die von der Klägerin zitierte Seite 258 der Publikation A31 zu. Auch hier wird nur von einem Viskoelastikum an sich - ohne weitere Spezifizierung - oder polyfluorierten Kohlenwasserstoffen ( = PFC) gesprochen, deren Zugabe zu Farbstofflösungen dazu führe, dass diese schwerer als Wasser seien und so die Anfärbung auf die Makula begrenzt werden könne (vgl. S. 258 re. Sp. le. Abs.). Da an keiner Stelle dieses Artikels zudem Angaben hinsichtlich der Dichte der dort genannten, ein Viskoelastikum enthaltenden Farbstofflösungen gemacht werden, werden dort jedenfalls nicht die Merkmale 1.3. und 1.4.a./b. gemäß Merkmalsanalyse I.3. offenbart.
Den Senat nicht überzeugen kann der Einwand der Klägerin, die Neuheit des streitpatentgemäß beanspruchten Gegenstandes sei im Hinblick auf die Publikation A31 nicht gegeben, weil dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens – in diesem Zusammenhang hat sie auf das Dokument A16 verwiesen – bekannt sei, dass als viskoelastische Substanzen in Farbstofflösungen, wie sie die Veröffentlichung A31 offenbare, Polyether und dergleichen verwendet werden könnten, um den Farbstoff „schwerer“ zu machen, d. h. um Lösungen zu erhalten, in denen der Farbstoff absinke. Gemäß geltender Rechtsprechung gilt nur das in einem Dokument als offenbart, was sich dem fachkundigen Leser unmittelbar und eindeutig ohne weiteres erschließt, so dass auch in den Offenbarungsgehalt einbezogene Abwandlungen gewissermaßen in Gedanken gleich mitgelesen werden. Als nicht offenbart dagegen gelten Ergänzungen der Offenbarung, die durch das Fachwissen erfolgen, sowie Schlussfolgerungen, die Kraft des Fachwissens aus der in der jeweiligen Quelle erhaltenen technischen Information gezogen werden können (vgl. BGH GRUR 2009 382 Ls. 2,Tz. [25] und [26] - Olanzapin m. w. N.). So mögen die in der Druckschrift A16, S. 3 Absatz [0014] genannten Polymeren als die Viskosität erhöhende Substanzen dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens an sich bekannt sein. Aber selbst unter Heranziehung dieses Wissens erschließen sich diesem die im Patentanspruch 1 genannten neutralen Polymeren bei der Lektüre des Übersichtsartikel A31 nicht ohne weiteres als zur Verwirklichung der streitpatentgemäßen Lehre geeignet.
Die Klägerin hat des Weiteren die Druckschriften A16 und A17 als der Neuheit entgegenstehend genannt. Bei dem angegriffenen Patentanspruch 1 handle es sich um einen Erzeugnisanspruch. Da die dort genannte Funktionsangabe die Patentfähigkeit nicht begründen könne, sei nur die Zusammensetzung an sich mit dem Stand der Technik zu vergleichen. Diese aber entspreche genau den in den Dokumenten A16 oder A17 offenbarten Zusammensetzungen. Dieses Argument ist bereits deshalb nicht zutreffend, weil für die in den Patentschriften A16 und A17 offenbarten Farbstofflösungen keine Dichten angegeben werden. Auch wenn die in den Patentschriften A16 und A17 beschriebenen Farbstofflösungen die im verteidigten Patentanspruch 1 genannten neutralen Polymere Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylalkohol sowie Polyacrylsäure Copolymere enthalten können, wird der fachkundige Leser Dichte-Werte, wie sie streitpatentgemäß genannt werden, nicht mit diesen Farbstofflösungen assoziieren. Denn diese sind als Ersatz der Glaskörperflüssigkeit während einer Augenoperation vorgesehen und verfügen über Eigenschaften, die jenen der streitpatentgemäßen Farbstofflösung genau entgegengesetzt sind. Mit den streitpatentgemäßen Farbstofflösungen werden spezifisch Augenmembranen angefärbt, weshalb der Farbstoff aufgrund einer Dichteveränderung der Lösung „schwer“ gemacht wird und die Eigenschaften der Lösung es gleichzeitig erlauben, dass der abgesunkene Farbstoff sodann aus der Lösung auf das Zielgewebe übergehen kann. Dagegen soll ein Anfärben des Gewebes gemäß den Dokumenten A16 und A17 gerade nicht erfolgen. Daher steht im Mittelpunkt dieser Druckschriften die Bereitstellung von Farbstofflösungen, deren Viskosität so eingestellt ist, dass ein Diffundieren des Farbstoffes aus der viskoelastischen Zusammensetzung nicht stattfindet, auch wird dort an keiner Stelle von einem gewünschten Absinken des Farbstoffes gesprochen (vgl. A16: Patentansprüche 1 und 3 sowie Beschreibung S. 2 Abs. [0006] und [0009], S. 3 [0014] sowie S. 4 [0019]; A17: Patentansprüche 1 und 12 sowie Beschreibung S. 2/5 Abs. [0006] und [0008] sowie S. 3/5 Abs. [0012] und [0017]). Aus diesem Grunde erfüllen die in diesen Dokumenten offenbarten Farbstofflösungen ebenfalls bereits nicht das Merkmal 1.3. der Merkmalsanalyse I.3..
Die weiteren im Verfahren genannten Dokumente können die Neuheit ebenfalls nicht infrage stellen. Sie wurden von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr unter diesem Gesichtspunkt diskutiert.
4.3. Die Bereitstellung der wasserbasierten, biokompatiblen Augenmembran Farblösung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag war im Hinblick auf den im Verfahren genannten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt.
Keine der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen vermag dem Fachmann Anregungen dahingehend zu vermitteln, zur Herstellung einer wasserbasierten, biokompatiblen Augenmembran-Farbstofflösung schweres Wasser und/oder ein neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymeren, Polyvinylpyrrolidon zur Einstellung der Dichte zu verwenden und die Dichte dieser Farbstofflösung in einem Bereich von 1,0 1 g/cm³ bis 1,5 g/cm³ einzustellen, um so zu Farbstofflösungen zu gelangen, die eine gezielte Anfärbung von Augenmembranen während eines ophthalmologischen operativen Eingriffes erlauben.
Dies trifft auch auf die von der Klägerin im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit diskutierte Posterpräsentation A34/A34a zu. Wie anhand dieses Dokumentes zu ersehen ist, war es der Fachwelt vor dem Anmeldetag des Streitpatentes bekannt, dass die Erhöhung der Dichte von Farbstofflösungen, die dafür vorgesehen sind, die Membrana limitans interna bzw. epiretinale Membranen im Rahmen eines operativen Eingriffes am Auge anzufärben, für die Durchführung der Operation von Vorteil ist. Denn mit dieser Maßnahme wird ein Absinken und damit eine Konzentrierung des Farbstoffes erzielt. Dieses wiederum führt bei einem Austreten des Farbstoffes aus der Lösung zu einer effizienteren Anfärbung der Retina als mit der zum maßgeblichen Zeitpunkt üblichen AFX (= Air Fluid Exchange)-Technik (vgl. A34 unxd A34a: "Results" und "Conclusions"). Als Mittel zur Erhöhung der Dichte wird dort das Monosaccharid Glucose oder das Polysaccharid Methylcellulose genannt (vgl. A34 und A34a: "Methods").
Die Verwendung von Methylcellulose gemäß dem Dokument A34 wird der Fachmann jedoch nicht als Hinweis dahingehend auffassen, schweres Wasser oder die im strittigen Patentanspruch 1 genannten neutralen Polymeren könnten anstelle von Glucose zur Erhöhung der Dichte einer Augenmembran-Farbstofflösung in Betracht gezogen werden. Denn die Posterpräsentation A34/A34a vermag dem Fachmann - entgegen dem Vortrag der Klägerin – keine Anregung in diese Richtung zu geben, nachdem sich Glukose in den dort dokumentierten Studien zur Herstellung von Augenmembranen-Farbstofflösungen im Gegensatz zur Methylcellulose als sehr gut geeignet erwiesen hat. In einem Vergleich der unterschiedlicher Farbstofflösungen hinsichtlich der Fähigkeit des Farbstoffes aus dieser Lösung nach unten abzusinken, hatte sich nämlich gezeigt, dass mit einem Zusatz der niedermolekularen Substanz Glukose das beste Ergebnis erzielt worden ist, während bereits eine Mischung von Glukose und Methylcellulose zu einem erkennbar schlechteren Absinken des Farbstoffes führte, und die alleinige Zugabe von Methylcellulose zu einer Lösung führte, in der der Farbstoff sichtlich Schlieren bildete und sich nur zu einem geringen Teil absetzte (vgl. "Results" i. V. m. Fig. 1). Im Rahmen von Versuchen, in denen im weiteren diese Farbstofflösungen hinsichtlich ihrer Fähigkeit Membranen anzufärben untersucht worden sind, zeigte eine Farbstofflösung, die Methylcellulose enthielt, sodann zwar ein besseres Anfärbevermögen als eine Farbstofflösung, die BSS+ enthielt, ein deutlich geringeres jedoch, als mit einer nur Glukose enthaltenden Farbstofflösung (vgl. A34 "Results" i. V. m. Fig. 3 und 4 und A34a "Results"). Somit wird dem Fachmann mit diesem Dokument die Lehre vermittelt, dass die Zugabe von Methylcellulose zu Farbstofflösungen mit einer höheren Viskosität - zu ersehen an der Schlierenbildung gemäß Figur 1 - aber geringeren Dichte führt und dies mit einem erheblich geringeren Farbstoffabgabevermögen verbunden ist, als dies mit Farbstofflösungen zu beobachten ist, denen Glukose zugesetzt wird. Ein Ergebnis im Übrigen, das durch das Beispiel 6 der Streitpatentschrift – im Übrigen bei einem Einsatz einer nur 2 Gew.-%igen Methylcellulose-Zubereitung - anhand der dort angegebenen Messdaten für Dichte und Viskosität seine Bestätigung findet. In Anbetracht dieses Offenbarungsgehaltes kann die Posterpräsentation A34/A34a keine Anhaltspunkte dafür liefern, dass neutrale Polymere an sich - damit noch weniger, dass schweres Wasser oder neutrale Polymere, wie sie im strittigen Patentanspruch 1 genannt sind - als Alternativen zu Glukose in Farbstofflösungen mit dem in Rede stehenden Anwendungsgebiet in Betracht zu ziehen sein könnten, um so zu Farbstofflösungen zu gelangen, die hinsichtlich ihrer Verträglichkeit und ihrem Färbevermögen den zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannten Zusammensetzungen überlegen sind.
Eine Veranlassung, ausgehend von der Posterpräsentation A34/A34a neutrale Polymere als die Dichte einer wässrigen Farbstofflösung erhöhende Mittel in Erwägung zu ziehen, wird dem Fachmann auch nicht mit den Publikationen A40 oder A43 gegeben – wie die Klägerin argumentiert hat. So wird in A40 zwar darauf hingewiesen, dass die Anwendung von Glucose in Farbstofflösungen während eines chirurgischen Eingriffes am Auge zu ernsthaften Nebenwirkungen führen könne (vgl. S. 10 Abs. 2 le. Satz). Dieses kann zweifelsohne als Indiz dafür gewertet werden, dass der Fachmann einen Anlass hatte, sich nach Substanzen umzusehen, die ebenfalls dazu führen, dass sich der Farbstoff in einer Augenmembran-Farbstofflösung absenkt, die aber mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind. Wie vorstehend i. V. m. dem Dokument A34/A34a dargelegt, hatte der Fachmann aber keinen Grund, dabei einer speziellen Substanzklasse, sei sie niedermolekular oder hochmolekular, wie z. B. neutrale Polymere und insbesondere die im Patentanspruch 1 genannten Substanzgruppen, den Vorrang zu geben. Die im gleichen Zusammenhang von der Klägerin diskutierte Druckschrift A43 gibt lediglich einen weiteren Weg zur Erhöhung der Dichte von in der Augenchirurgie einsetzbaren Farbstofflösungen an, der in einer Temperaturabsenkung einer wässrigen Lösung besteht (vgl. A43c Gliederungspunkt 1.2, 1.3 und 1.5). Sie beschäftigt sich jedoch nicht damit, Glukose durch andere gleichwirkende Verbindungen zu ersetzen. Daher kann diese Schrift keinen Beitrag dazu leisten, ausgehend von der Posterpräsentation A34/A34a eine Veranlassung des Fachmannes zu begründen, nach Alternativen für Glukose zu suchen.
Eine entsprechende Anregung erhält der Fachmann auch nicht mit den weiteren im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit diskutierten Druckschriften bzw. in einer Zusammenschau dieser Druckschriften.
Zwar hat der Übersichtsartikel A31 gleichfalls die Anfärbung der Membrana limitans interna zum Thema. Dieses aber unter dem Aspekt der Verwendung des Farbstoffes Indocyaningrün ( = ICG) und von dessen im Rahmen seines Einsatzes bei chirurgischen Eingriffen am Auge diskutierter Toxizität (vgl. S. 251 „Abstract" sowie S. 251/252 seitenübergreifender Absatz). Berichtet wird in diesem Rahmen von Untersuchungen, bei denen wasserbasierte ICG-Farbstofflösungen zum Einsatz kamen, die als Träger des Farbstoffes ein viskoelastisches Material alternativ zu einer BSS-Lösung aufwiesen, womit eine kontrollierte Absenkung des Farbstoffes auf die Netzhaut erzielt und eine Anfärbung außerhalb der Makula vermieden werden sollte (vgl. S. 254 li./re. Sp. übergreifender Absatz). Im Ergebnis kommen die Autoren sodann auch dementsprechend zu der Schlussfolgerung, dass der Farbstoff ICG im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Anwendung in einem viskoelastischem Medium oder in Polyfluorkohlenwasserstoffen (= PFC) gelöst werden sollte, um so die Farbstoffmenge zu reduzieren, die andernfalls – als unerwünschte Reaktion – aus der Zubereitung in das Makulaloch übertrete. Da Mischungen des Farbstoffes mit diesen Substanzen schwerer als Wasser seien, könne das Anfärben nach vorsichtiger Applikation daher auf die Makula begrenzt werden (vgl. S. 258 re. Sp. (5)). Über den allgemeinen Begriff "viskoelastisches Material" hinausgehende Angaben zu definierten, viskoelastischen Substanzen enthält das Dokument A31 jedoch ebenso wenig, wie Ausführungen zu einem eventuellen Erfordernis der Einstellung der Dichte in einem definierten Bereich. Somit kann dieses Dokument dem Fachmann auch keine Hinweise dahingehend vermitteln, welche viskoelastische Substanz gegebenenfalls dazu geeignet sein könnte, nicht nur Farbstoffe "schwer" zu machen, sondern auch zu Lösungen zu führen, aus denen der Farbstoff effizient ans Zielgewebe abgegeben wird.
Auch die Dokumente A16 und A17 können in einer Zusammenschau mit den Druckschriften A34/A34a bzw. A31 die erfinderische Tätigkeit nicht infrage stellen. In diesen Patentschriften werden zwar neutrale Polymere als Bestandteil von Farbstofflösungen beschrieben, diese Zusammensetzungen sind aber dafür vorgesehen, während eines chirurgischen Eingriffes am Auge als Ersatz der Glaskörperflüssigkeit Anwendung zu finden, nicht aber zur Anfärbung von Augenmembranen. Die Polymeren werden daher ausschließlich zur Einstellung der Viskosität eingesetzt, mit der Zielsetzung, dass der Farbstoff in der Zubereitung verbleibt und sich daraus nur schwer heraus löst. Auf diese Weise soll – entgegen der streitpatentgemäßen Vorgabe – ein Anfärben von Gewebe vermieden werden (vgl. A16 S. 2 [0002] bis [0010], S. 4 [0019], S. 5 [0027]; A17 S. 2/5 [0005], S. 3/5 [0012] bis [0014], [0017] sowie S. 4/5 [0023], [0024] und [0027]).
Somit können weder die Posterpräsentation A34/A34a oder der Übersichtsartikel A31 alleine noch in einer Zusammenschau mit den Dokumenten A40, A43 und A16 oder A17 dem Fachmann Anregungen dahingehend vermitteln, zur Lösung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe eine wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösungen bereitzustellen, die eine Dichte im Bereich von 1,01 g/cm³ bis 1,5 g/cm³ aufweist, wobei das die Dichte einstellende Mittel schweres Wasser und/oder ein neutrales Polymer ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyether, Polyvinylalkohol, Polyester, Polyacrylsäure Copolymeren, Polyvinylpyrrolidon ist. Hinweise nämlich, dass es mit dem Ergreifen der Maßnahmen ermöglicht wird, zu Augenmembran-Farbstofflösungen zu gelangen, die gut vertragen werden und gleichzeitig gezielt Membranen – ILM und/oder ERM – optimal anfärben, mit der Folge, dass weder der Farbstoff mit der Spüllösung zu schnell weggespült wird noch der Farbstoff das Sichtfeld des Operateurs eintrübt, werden mit keiner dieser Druckschriften gegeben (vgl. Streitpatentschrift S. 2/8 Abs. [0007], S. 3/8 Abs. [0010] und [0011], S. 4/8 Abs. [0019] sowie S. 6/8 Abs. [0031]).
Die weiteren von der Klägerin ins Verfahren eingeführten Druckschriften wurden von ihr in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffen und gehen nicht über den Inhalt der vorstehend diskutierten Dokumente hinaus bzw. liegen weiter vom Gegenstand des Streitpatentes in der Fassung gemäß Hauptantrag ab. Daher können auch sie die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Augenmembran-Farbstofflösung nicht infrage stellen.
Angesichts dieser Sachlage musste der Fachmann somit erfinderisch tätig werden, um die mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte wasserbasierte, biokompatible Augenmembran-Farbstofflösung bereitzustellen. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruches 1 wird daher vom Stand der Technik nicht nahe gelegt.
4.4. Der Patentanspruch 1 gemäß Urteilstenor ist daher rechtsbeständig.
Mit dem Patentanspruch 1 hat auch der nebengeordnete Patentanspruch 8 Bestand. Er ist auf einen Kit umfassend eine Spritze mit Zylinder und Kanüle und eine wasserbasierte Augenmembran-Farbstofflösung nach Patentanspruch 1 gerichtet. Seine Patentfähigkeit wird von den zum Patentanspruch 1 ausgeführten Gründen getragen.
Mit den Patentansprüchen 1 und 8 haben die mittelbar und unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 14 ebenfalls Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.