Entscheidungsdatum: 31.05.2012
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 - 28 Ca 314/10 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.
I. Die Parteien streiten über die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer in einem gerichtlich festgestellten Vergleich vereinbarten Handlung.
Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger/Gläubiger (im Folgenden: Kläger) gegen die Beklagte/Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ua. die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 5. Oktober 2010 geltend gemacht. Zur Erledigung des Rechtsstreits schlossen die Parteien einen am 23. November 2010 gerichtlich festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 beendet wurde. Neben weiteren Regelungen enthält der Vergleich folgende Bestimmung:
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„IX. Direktversicherung |
Der Kläger ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung A abgeschlossene Direktversicherung mit der Versicherungsnummer mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Die Beklagte wird auf erstes Anfordern alle hierfür erforderlichen Erklärungen abgeben.“ |
Am 17. Dezember 2010 erteilte das Arbeitsgericht dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des von Amts wegen zugestellten Beschlusses vom 23. November 2010. Mit Schreiben vom 22. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine von der Versicherungsgesellschaft A vorformulierte Erklärung abzugeben, die eine Auszahlung der Rückvergütung der Versicherung zum 1. Dezember 2011 vorsah. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 hat der Kläger beim Arbeitsgericht sinngemäß beantragt,
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gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld von 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden, |
hilfsweise, |
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die Beklagte soll verpflichtet werden, das Formular Anlage AG 1 unter Korrektur des Datums auf den 31. Dezember 2011 ausgefüllt und unterschrieben zurückzureichen. |
Die Beklagte hat beantragt, den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zwangsvollstreckungsantrag sei nicht bestimmt genug und auch der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Vergleich sei nicht hinreichend bestimmt.
Das Arbeitsgericht hat den Zwangsgeldantrag des Klägers durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zurückgewiesen. Mit am 10. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt,
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gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld iHv. 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, diese Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden, |
hilfsweise |
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die Vollstreckung durch Abgabe folgender Erklärung abzuwenden: |
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„Herr E ist aus unserem Unternehmen mit dem 31.12.2011 ausgeschieden. Er ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung ‚A’ abgeschlossene Direktversicherung mit der VS-Nr. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die zum 31.12.2011 erfolgt ist, zu übernehmen. Wir geben hiermit alle dafür ggf. notwendigen Erklärungen ab und stimmen der Übernahme der Direktversicherung durch Herrn E zu.“ |
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde stattgegeben, gegen die Beklagte einen Zwangsgeldbeschluss „zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlich mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellten Vergleich, nämlich auf erstes Anfordern alle für die Übernahme der Direktversicherung bei der A mit der Versicherungsnummer durch den Kläger erforderlichen Erklärungen abzugeben“, erlassen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 7. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 28. Februar 2012 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt und sowohl den Ausgangsbeschluss als auch den Ergänzungsbeschluss den Parteien zugestellt.
Mit der am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zwangsgeldbeschluss zu Unrecht erlassen. Dies führt zur Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2012 ist mit am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten und zugleich - und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - begründet worden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Zwangsgeldbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der Vollstreckungstitel ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend bestimmt. Für eine hinreichende Bestimmtheit des Vergleichs ist es zwar ausreichend, dass der geschuldete Erfolg im Vollstreckungstitel festgeschrieben ist ohne die zur Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen oder Erklärungen im Einzelnen zu bezeichnen. Der Vergleich vom 23. November 2010 legt den geschuldeten Erfolg jedoch nicht ausreichend bestimmt fest und weist deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Ob der Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist und ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Beschlussfassung gegen § 308 ZPO verstoßen hat, kann deshalb dahinstehen. Ebenso unerheblich ist, ob die von der Rechtsbeschwerde gerügte entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend dargelegt ist und die Rechtsbeschwerdebegründung insoweit überhaupt den gesetzlichen Anforderungen nach § 575 Abs. 3 ZPO genügt.
a) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellte Vergleich enthält einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Gläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
b) Der Prozessvergleich vom 23. November 2010 ist für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die fehlende Bestimmtheit allerdings nicht daraus, dass die von der Beklagten abzugebenden Erklärungen im Vergleich nicht festgelegt sind. Insoweit ist es ausreichend, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es vorliegend. Dies ergibt eine Auslegung des durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleichs.
aa) Der Vergleich vom 23. November 2010 ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat (vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).
Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7; 9. September 2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14, EzA GewO § 109 Nr. 8).
bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 23. November 2010 keinen hinreichend bestimmten vollstreckbaren Inhalt. Zwar genügt es für die ausreichende Bestimmtheit, wenn nur der zu bewirkende Erfolg im Vergleich festgelegt ist und nicht die zu dessen Herbeiführung zu ergreifenden Mittel oder Erklärungen. Erforderlich ist jedoch, dass der geschuldete Erfolg im Vergleich bestimmt ist. Hieran fehlt es.
(1) Für die Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs ist es ausreichend, wenn nicht die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen vereinbart sind, sondern der durch die Erklärungen oder Handlungen zu bewirkende Erfolg (vgl. OLG München 2. Juli 1987 - 28 W 1163/87 - zu II 1 der Gründe, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 22; BGH 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75 - zu III der Gründe, BGHZ 67, 252; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 2, § 887 Rn. 5). Es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.
(2) Der von der Beklagten zu bewirkende Erfolg ist von den Parteien im Vergleich vom 23. November 2010 nicht hinreichend bestimmt vereinbart worden. Die Parteien sind in Nr. IX des Vergleichs übereingekommen, dass der Kläger berechtigt ist, die Direktversicherung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Damit haben die Parteien nicht festgelegt, welcher konkrete Erfolg geschuldet ist. Nach Nr. IX des Vergleichs sind zwei Möglichkeiten denkbar.
Zum einen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien sich mit dem Recht zur Übernahme der Direktversicherung auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG vorgesehene sog. versicherungsförmige Lösung verständigt haben. Dafür könnte die in Nr. IX Satz 2 des Vergleichs vereinbarte Wendung „auf erstes Anfordern“ sprechen. Der Kläger hätte bei diesem Verständnis des Vergleichs das Recht erlangt, von der Beklagten die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zu verlangen; die Beklagte hätte dann auf die entsprechende Aufforderung des Klägers die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG erforderlichen Erklärungen abzugeben.
Zum anderen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien die vollständige Übertragung der Versicherung auf den Kläger vereinbart haben und damit den Kläger umfassend in die Position des Versicherungsnehmers einrücken lassen wollten. Damit würde der Kläger Inhaber sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich des Rechts, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch zu nehmen. Für diese Auslegung könnte die vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgelegte Formularerklärung des Versicherungsunternehmens sprechen, die eine Beendigung der Versicherung unter Auszahlung der Rückvergütung an den Kläger zum Gegenstand hat. Ob dies rechtlich zulässig wäre oder ein solches Vorgehen möglicherweise gegen das Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstößt, ist für die Frage, ob der Vergleich dem Bestimmtheitserfordernis genügt, unerheblich.
Da der Vergleich beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt und für jede der beiden Auslegungen Argumente angezogen werden können, ohne zu einer eindeutig vorzugswürdigen Auslegung zu kommen, fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Erfolges im Vergleich und diesem damit die Vollstreckungsfähigkeit.
III. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gräfl |
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Schlewing |
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Spinner |
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