Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.07.2014


BPatG 16.07.2014 - 29 W (pat) 99/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Erfinderladen" - Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
16.07.2014
Aktenzeichen:
29 W (pat) 99/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 062 686.0

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Juli 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und des Richters k.A. Portmann

beschlossen:

I. Auf die Beschwerde der Anmelder werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 vom 28. September 2011 und vom 2. Juli 2012 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

Klasse 16:

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;

Klasse 35:

Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; organisatorische Beratung.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Erfinderladen

3

ist am 22. Oktober 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 16:Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;

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Klasse 35:

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Werbung; Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; organisatorische Beratung; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Sponsoring in Form von Werbung; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet;

7

Klasse 42:wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen.

8

Mit Beschlüssen vom 28. September 2011 und 2. Juli 2012, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung sei sprachüblich aus den Wörtern „Erfinder“ (für jemanden, der etwas Neues entwickelt) und „Laden“ (für einen Angebotsort) gebildet und werde dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an einem speziellen Ort für Erfindungen angeboten oder erbracht würden. Sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten damit in Zusammenhang stehen. Papier, Pappe usw. könne von Erfindern für ihre Tätigkeit benötigt oder mit besonderen Eigenschaften von Erfindern entwickelt werden. Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmittel zum Thema Erfinderladen, Schreibwaren, Künstlerbedarfsartikel u.Ä. könnten von Erfindern kreiert oder von diesen für ihre Arbeit gebraucht werden. Die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 könnten für die Tätigkeit von Erfindern bestimmt sein. Was alles mit einem Erfinderladen zusammenhänge, müsse nicht genau definiert werden, da dies naturgemäß sehr umfassend sein könne. Eine gewisse Unschärfe des Markenbegriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Die angemeldete Bezeichnung werde daher nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden, sondern beschreibe das Thema, den Angebotsort sowie die Anbieter bzw. Adressaten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Sie weise keine ungewöhnliche Struktur oder Besonderheit syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführe. Auf die Frage, ob die angemeldete Bezeichnung bereits häufig benutzt werde oder lexikalisch nachweisbar sei, komme es nicht an, da auch Wortneuschöpfungen nicht schutzfähig seien, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, unmittelbar als beschreibende Angabe verstanden würden.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelder, mit der sie sinngemäß beantragen,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes für Klasse 16 vom 28. September 2011 und 2. Juli 2012 aufzuheben.

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Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, das angemeldete Zeichen sei unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Es werde damit weder Schutz für eine Räumlichkeit noch für Erfindungen im Allgemeinen beansprucht. Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bezögen sich weder auf Erfinder oder Erfindungen noch auf Läden. Die Bezeichnung „Erfinderladen“ sei daher in keiner Weise beschreibend. Der Wortbestandteil „-laden“ werde nicht im Sinne einer Räumlichkeit verwendet. Es handele sich um ein Kunstwort, dem keine bestimmte Bedeutung zukomme. Der Begriff „Erfinderladen“ sei auch kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache. Das belege schon eine Suchabfrage bei Google, nach der die auf Seiten 1 bis 5 ermittelten Treffer ausschließlich auf die Nutzung des Begriffs durch die Anmelder bezogen seien. Ein Freihaltebedürfnis für Mitbewerber lasse sich daher nicht erkennen. Die vorliegende Markenanmeldung sei mit ähnlichen eingetragenen Wortmarken wie z.B. „Erfinderbörse“, „Erfindergarten“ oder „Erfinderqualität“ vergleichbar.

13

Der Senat hat Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 16. Juli 2014. Der Vertreter der Beschwerdeführer hat schriftsätzlich am 1. Juli 2014 mitgeteilt, dass für diese niemand zum Termin erscheinen werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelder und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelder hat im Umfang der tenorierten Waren und Dienstleistungen Erfolg, weil der Eintragung des angemeldeten Zeichens insoweit Schutzhindernisse nicht entgegenstehen.

16

Hinsichtlich der übrigen verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen war die Beschwerde zurückzuweisen, weil dem Zeichen „Erfinderladen“ für sie die Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH, GRUR Int. 2012, 914, Rdnr. 23 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228, 229, Rdnr. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 10.07.2014, I ZB 18/13, Rdnr. 12 – Gute Laune Drops; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH, a.a.O. – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; BGH, GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 - My World; GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE).

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Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung (BGH, GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfänger der Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH, GRUR 2008, 608, Rdnr. 67 – EUROHYPO; GRUR 2004, 674, Rdnr. 75 – Postkantoor; BGH, GRUR 2009, 411, Rdnr. 8 – STREETBALL).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung (BGH, GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH, GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH, GRUR 2012, 270, 271, Rdnr. 11 – Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u.a. BGH, GRUR 2010, 1100, 1101, Rdnr. 20 – TOOOR!; a.a.O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH, a.a.O.,Rdnr. 23 – TOOOR!; GRUR 2009, 411, 412, Rdnr. 9 - STREETBALL; a.a.O., S. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, GRUR 2009, 778, 779, Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 411, Rdnr. 8 - STREETBALL).

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2. Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen „Erfinderladen“ im Zusammenhang mit den Waren „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke“ und mit den Dienstleistungen „Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; organisatorische Beratung“.

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Der Begriff „Erfinderladen“ setzt sich aus den beiden Wörtern „Erfinder“ und „Laden“ zusammen. Als „Erfinder“ wird jemand bezeichnet, der etwas als erster „erfindet“, d.h. einen Gegenstand, eine Verfahrensweise oder einen neuen Gedanken als erster hervorbringt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch 7. Auflage, Seiten 532). Die Bezeichnung „Laden“ wird u.a. als Benennung  eines  (Einzelhan- dels-)Geschäfts, Betriebs oder einer Örtlichkeit im Sinne einer Verkaufsstätte verwendet (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, a.a.O., S. 1082). Die Kombination einer Sortimentsbezeichnung mit der Verkaufsstättenangabe „-laden“ ist sprachüblich, was an Begriffen wie z.B. Obstladen, Blumenladen, Antiquitätenladen, Tabakladen, Schuhladen, etc. deutlich wird. Der angesprochene Verkehr, der sich aus den allgemeinen Verkehrskreisen und dem Fachverkehr zusammensetzt, weiß, dass man in entsprechenden Läden Obst, Blumen, Antiquitäten, Tabak oder Schuhe kaufen kann. Die Wortbildungen „Bioladen, Eine-Welt-Laden, Dritte-Welt-Laden, Secondhandladen, Selbstbedienungsladen, Hofladen, Tante-Emma-Laden, etc. deuten dagegen eher darauf hin, dass die Waren selbst über bestimmte Eigenschaften verfügen, oder die Ladenstätte als solche besondere Merkmale aufweist. Üblich sind ferner Wortkombinationen einer Berufsbezeichnung mit „-laden“, wie z.B. Bäckerladen, Metzgerladen, Friseur-, Designer- oder Juwelierladen. Der Verkehr erwartet insoweit nicht, dass er Bäcker, Metzger, Friseure, Designer oder Juweliere erwerben kann, sondern die von diesen angebotenen bzw. gefertigten Waren oder Dienstleistungen. Beim „Kinderladen“ erwartet der Verkehr demgegenüber, dass es Produkte „rund ums Kind“ gibt. Die angesprochenen Verkehrskreise können semantisch die angemeldete Bezeichnung „Erfinderladen“ deshalb zum einen dahingehend verstehen, dass eine Verkaufsstätte beschrieben wird, in der Produkte von Erfindern, nämlich Erfindungen, angeboten werden. Zum anderen kann es sich aber auch um eine Vertriebsstätte „rund um Erfinder“ handeln, d.h. um einen Laden für Erfinder, in dem diese bestimmte Waren oder Dienstleistungen erhalten.

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Ein Laden, in dem es nur Erfindungen gibt, ist dem Verkehr nicht bekannt. Es gibt zwar eine kaum überschaubare Anzahl an Erfindungen auf allen technischen Gebieten von der Mechanik über die Medizintechnik, die Chemie, den Maschinenbau, die Physik, die Nachrichtentechnik etc. Nur der Bestand an deutschen Patenten, d.h. technischen Erfindungen, die allein vom Deutschen Patent- und Markenamt bis Ende 2013 erteilt wurden, betrug 124 432 (vgl. Jahresbericht 2013 des DPMA, Statistiken, S. 88). Rechnet man hinzu, dass im allgemeinen Sprachgebrauch eine Erfindung nicht nur ein Patent bezeichnet, sondern alles, was neu hervorgebracht oder erfunden ist (vgl. Duden, a.a.O.), gehört dazu jede Entdeckung, Entwicklung, Innovation oder Kreation auf jedem nur erdenklichen Gebiet, vom beutellosen Staubsauger über das elektronische Buch, ein neues Medikament gegen eine beliebige Erkrankung, Wasserreinigung durch Ionenaustausch bis hin zum Computerchip, mit dem man genetische Erkrankungen feststellen kann. Aufgrund der Diversität der unterschiedlichen Produkte kennt der Verbraucher daher kein Ladengeschäft, in dem Erfindungen der vorgenannten unterschiedlichsten Arten auf einem Raum zum Verkauf angeboten werden.

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Vom Sprachverständnis her passt der „Erfinderladen“ daher eher zum „Kinderladen“ und ist damit ein Laden, in dem es „alles für Erfinder“ gibt. Allerdings ist die Gruppe der Erfinder so unterschiedlich und ihre Bedürfnisse sind so vielfältig, wie die Erfindungen, die sie tätigen. Ein spezielles „Waren“-Angebot für Erfinder, von der chemischen Substanz über mechanisches Werkzeug bis hin zu physikalischen Modellen und Methoden wird der angesprochene Verkehrskreis daher in einer einzigen Verkaufsstätte, unabhängig davon ob stationär oder virtuell, nicht vermuten. Ein „Erfinderladen“ ist keine allgemein übliche Bezeichnung für eine Verkaufs- oder Vertriebsstätte, kann aber - jedenfalls vom Fachverkehr - im Sinne eines Ladenkonzepts verstanden werden, das Erfindern hilft, die nicht über die technologischen oder wissenschaftlichen Fähigkeiten verfügen, um eine Idee in ein fertiges Produkt umzusetzen. Eine so verstandene Vertriebsstätte kann Erfindern nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen anbieten, wie z.B. u.a. Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte bieten, Kontakte zu Patentanwälten vermitteln, oder Verbindungen zu Unternehmen herstellen, um eigene Handelsbeziehungen aufzubauen.

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Im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klasse 16, die sich an die allgemeinen Verkehrskreise richten, wird das angemeldete Zeichen „Erfinderladen“ nach dem Vorgesagten nicht als im Vordergrund stehende Sachaussage oder gebräuchliche Wendung der deutschen Sprache aufgefasst werden. Ihm fehlt in der konkreten Zusammensetzung zumindest nicht jegliche Unterscheidungskraft. Der Endverbraucher wird nicht annehmen, dass entsprechend gekennzeichnete Waren wie Papier, Pinsel, Klebstoffe etc. nur für Erfinder geeignet sind und von diesen gekauft werden (a.A. HABM, R1936/11-1, Entscheidung vom 14.06.2012, Rdnrn. 23-26 – Erfinderladen), oder aus einem Laden kommen, in dem es nur Erfindungen gibt. Es handelt sich insoweit gerade nicht um eine spezifische Sortimentsbezeichnung. Der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher benötigt mehrere analytische Zwischenschritte, um angesichts der auf diesen Produkten wiedergegebenen Bezeichnung „Erfinderladen“ darauf zu schließen, dass sie aus einer Vertriebsstätte stammen, die ausschließlich für Erfinder bestimmt und geeignet ist. Die beanspruchten Waren können im Übrigen für die verschiedensten Zwecke verwendet werden. Sie sind dabei nicht derart beschaffen, dass sie sich speziell nur für Erfinder eignen würden. Ein enger beschreibender Bezug ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil selbst eine übliche Bezeichnung für Verkaufs- oder Vertriebsstätten nicht auch zur Beschreibung der dort vertriebenen Produkte führen muss (BGH, GRUR 1999, 988 - HOUSE OF BLUES).

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Ebenfalls keine Sachaussage ist das angemeldete Zeichen für die Dienstleistungen „Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; organisatorische Beratung“, die sich an unternehmerisch tätige Fachkreise wenden. Denn der Begriff „Erfinderladen“ beschreibt weder einen Inhalt dieser Dienstleistungen noch deren Erbringer. Es ist weder davon auszugehen, dass nur für Läden von Erfindern die entsprechenden Dienstleistungen angeboten werden, noch dass die Dienstleistung ausschließlich im Hinblick auf Erfindungen ausgeführt wird. Selbst wenn die Vermarktung eigener Patente für viele Unternehmen eine wesentliche Rolle spielt, wird sich die Verwaltung des Unternehmens nicht in der Verwaltung der eigenen Erfindungen erschöpfen.

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3. Eine Eignung der angemeldeten Angabe für die Beschreibung von Merkmalen der vorgenannten Waren und Dienstleistungen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht zu erkennen.

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4. Den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen „Erfinderladen“ dagegen nicht im Zusammenhang mit den Dienstleistungen „Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Sponsoring in Form von Werbung; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen“.

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Angesprochen wird der Fachverkehr, für den das Zeichen insoweit nur ein Hinweis die Zielgruppe sein wird. Die beanspruchten Dienstleistungen können in/von einem „Erfinderladen“ für Erfinder angeboten werden, also gerade für diese bestimmt und geeignet sein. Es handelt sich dabei um typische Tätigkeiten, die erforderlich sind, um eine Erfindung erfolgreich zu vermarkten. Werbung einschließlich der Online-Werbung, Präsentationen und Sponsoring dienen dazu, ein Produkt bekannt zu machen. Entsprechendes gilt für die Vermietung von Werbeflächen im Internet, die auch auf der Internetseite eines „Erfinderladens“ erfolgen kann. Dadurch können die Absatzmöglichkeiten von unbekannten, neuen Produkten verbessert und ihre Bekanntheit erhöht werden. Die Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten wiederum ist erforderlich, um eine optimale Vertriebsstruktur aufzubauen und Kundenkontakte zu schaffen.

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Im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 42 weist die angemeldete Bezeichnung darauf hin, dass Erfinder bei der Umsetzung von Ideen durch Dritte unterstützt werden. Nicht jeder Erfinder verfügt über alle wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten, die erforderlich sind, eine Idee in Form einer Erfindung in ein praktisches Produkt umzusetzen. Es kann erforderlich sein, bestimmte Entwicklungstätigkeiten oder Forschungsarbeiten oder Designerleistungen durch Spezialisten durchführen zu lassen und diese Dienstleistungen auf dem Markt, nämlich im „Erfinderladen“ zu kaufen.

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5. Da im Hinblick auf die vorstehenden Dienstleistungen schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahingestellt bleiben, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftig ist.