Entscheidungsdatum: 18.07.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2008 047 505
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Juli 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der Richterin Kortge und der Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Juli 2011 wird aufgehoben.
I.
Die Wort-/Bildmarke
ist am 23. Juli 2008 angemeldet und am 20. Januar 2009 unter der Nummer 30 2008 047 505 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 39 und 42. Nach Beschränkung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses im Laufe des Beschwerdeverfahrens ist sie u. a. in Klasse 35 eingetragen für folgende Dienstleistungen:
"Marketing, nämlich Vermittlung und Vermietung von Adressen zu Werbezwecken sowie Sammlung, Verwaltung und Aktualisierung sowie Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Adressdaten; betriebswirtschaftliche Beratung, nämlich ausschließlich hinsichtlich Direktmarketing, Zielgruppenberatung und –strategie, Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung".
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 20. Februar 2009 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der älteren Wortmarke
GEMINI EXECUTIVE SEARCH GmbH
die am 5. April 2001 unter der Nummer 301 04 554 eingetragen wurde für folgende Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 (nicht gruppiert):
Personalberatung, Personalsuche auf dem Wege der Direktansprache oder durch Anzeige; Eignungsdiagnostik im Personalbereich durch systematische Analyse und Identifikation vergleichbarer Positionen bzw. deren Stelleninhaber; Überprüfung potentieller Kandidaten; Personalauswahl mittels Personalgesprächen; Managementaudit als Unterfall der Eignungsdiagnostik durch Durchführung persönlicher Anhörungen und Prüfung potentieller Mitarbeiter auf Managementebene unter Einbeziehung psychologischer Eignungstests zur Analyse des Persönlichkeitsbildes sowie des Leistungsprofils (Ausbildung, Fachwissen, Berufsweg, Führungsformat, Berufsziel) der Kandidaten; Bewertung der persönlichen und fachlichen Qualifikation der Kandidaten aufgrund durchgeführter Anhörungen und Auswerten sonstiger Informationsquellen; Personalberatung von Unternehmen im Bereich der Personalorganisation und im Bereich der Rekrutierung also Suche, Vorauswahl und Einstellung von qualifiziertem Personal (Human Resources)
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat mit Beschluss vom 7. Juli 2011 eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken in Bezug auf die Dienstleistungen "Marketing, insbesondere Vermittlung und Vermietung von Adressen zu Werbezwecken sowie Sammlung, Verwaltung und Aktualisierung sowie Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Adressdaten; betriebswirtschaftliche Beratung, insbesondere hinsichtlich Direktmarketing, Zielgruppenberatung und -Strategie, Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung" bejaht und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, während sie den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ausgehend von der Registerlage seien die Vergleichsdienstleistungen nur zum Teil ähnlich. Die Widerspruchsdienstleistungen bezögen sich auf die Beratung von Unternehmen im Personalbreich, die Personalsuche und -auswahl sowie den Bereich Human Resources. Diese Dienstleistungen würden überwiegend von hierauf spezialisierten Unternehmen erbracht. Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen "Marketing, insbesondere Vermittlung und Vermietung von Adressen zu Werbezwecken sowie Sammlung, Verwaltung und Aktualisierung sowie Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Adressdaten; betriebswirtschaftliche Beratung, insbesondere hinsichtlich Direktmarketing, Zielgruppenberatung und -Strategie, Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung" wiesen Ähnlichkeit mit den für die Widerspruchsmarke registrierten Dienstleistungen auf. Dabei sei von den weiten Oberbegriffen "Marketing" und "betriebswirtschaftliche Beratung" auszugehen, weil diese durch den Zusatz "insbesondere ..." begrifflich nicht eingeschränkt würden. "Marketing" sei die Planung, Analyse, Realisation und Kontrolle aller auf die Märkte ausgerichteter Unternehmensaktivitäten. Neben dem Absatzmarketing habe sich auf dem Arbeitsmarkt das Personalmarketing etabliert. Das externe Personalmarketing beziehe sich dabei auf neu zu gewinnendes Personal, so dass eine inhaltliche Nähe zu den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehe. Ebenso lägen die angegriffenen Dienstleistungen im Bereich der betriebswirtschaftlichen Beratung zumindest im Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsdienstleistungen "Personalberatung von Unternehmen im Bereich der Personalorganisation und im Bereich der Rekrutierung also Suche, Vorauswahl und Einstellung von qualifiziertem Personal (Human Resources)". Denn unter die betriebswirtschaftliche Beratung könne inhaltlich auch das betriebliche Personalmanagement fallen.Der Widerspruchsmarke komme zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Ob aufgrund der vorgelegten Unterlagen von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen sei, könne dahin gestellt bleiben, weil die angegriffene Marke den bei normaler Ähnlichkeit der vorgenannten Dienstleistungen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht einhalte. Beide Marken würden durch den identisch enthaltenen Wortbestandteil "Gemini" bzw. "GEMINI" geprägt. Der in der Widerspruchsmarke enthaltene weitere Ausdruck "Executive Search" stehe im deutschen Sprachgebrauch für Dienstleistungen im Rahmen der Besetzung von vakanten Führungspositionen in Unternehmen. Die weiteren Wortbestandteile "DIRECT Marketing Solutions" der jüngeren Marke würden von den angesprochenen Verkehrskreisen als "Lösungen durch Direktmarketing oder Direktwerbung" und damit als beschreibender Hinweis auf die Art der Dienstleistungen verstanden, so dass sie im Gesamteindruck zurückträten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 7. Juli 2011 aufzuheben.
Sie vertritt die Ansicht, nach erfolgter Beschränkung wiesen die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen keine Ähnlichkeit mit den Widerspruchsdienstleistungen mehr auf, so dass zwischen den in Konflikt stehenden Marken insgesamt keine Verwechslungsgefahr bestehe. Sie wichen inhaltlich deutlich voneinander ab und auch ihr Nutzen für den Empfänger sei ein anderer. Während sich die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke auf die Beratung von Unternehmen bei der Personalsuche und –auswahl richteten, beträfen die Dienstleistungen der jüngeren Marke den Bereich (Neu)kundengewinnung, Verwaltung, Vermittlung sowie Vermietung von Adressdaten, Werbung und Marktforschung.
Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und auf die Beschwerdebegründung nicht erwidert. Im Amtsverfahren hat sie eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend gemacht und die Auffassung vertreten, dass sowohl zwischen den sich gegenüber stehenden Waren/Dienstleistungen als auch zwischen den Zeichen selbst eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat nach der Beschränkung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen Erfolg.
Zwischen den Vergleichsmarken fehlt es mangels Dienstleistungsähnlichkeit an einer Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 - SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 - Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 - AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/PICASSO).
Nach diesen Grundsätzen kann eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen bei den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nicht festgestellt werden.
Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 601 - d-c-fix/CD-FIX, EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rdnr. 65 – Edition Albert René).
Die sich nach der Beschränkung im Beschwerdeverfahren gegenüberstehenden beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen sind einander unähnlich.
Durch den Austausch des Zusatzes "insbesondere" durch "nämlich" nach den beiden Begriffen "Marketing" und "betriebswirtschaftliche Beratung" hat die Inhaberin der angegriffenen Marke den Oberbegriff "Marketing" auf die Dienstleistungen "Vermittlung und Vermietung von Adressen zu Werbezwecken sowie Sammlung, Verwaltung und Aktualisierung sowie Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Adressdaten" und den Oberbegriff "betriebswirtschaftliche Beratung" auf die Dienstleistungen "Direktmarketing, Zielgruppenberatung und –strategie, Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung" rechtlich relevant beschränkt.
Die auf Verwaltung, Sammlung, Aktualisierung und Vermarktung von Adressdaten zu Werbezwecken gerichteten Dienstleistungen, die die Beschwerdeführerin mit ihrer Marke kennzeichnet, weisen keine Berührungspunkte zu den Widerspruchsdienstleistungen auf, die Beratung von Unternehmen im Personalbereich, bei der Personalsuche, -auswahl und -organisation umfassen. Der Umstand, dass ein Personalberatungsunternehmen auch über Adressdaten des angeworbenen oder abgelehnten Personals verfügt und diese möglicherweise verwaltet, reicht nicht aus, um die Widerspruchsdienstleistungen in einen relevanten Ähnlichkeitsbereich zur Adressdatenvermarktung der Beschwerdeführerin zu bringen. Denn eine Vermarktung solcher Personaldaten ist weder beabsichtigt noch erlaubt.
Auch bei den ausschließlich auf marketingmäßige Kundengewinnung gerichteten Dienstleistungen der angegriffenen Marke nehmen die angesprochenen inländischen Verkehrskreise nicht an, dass diese von dem Personalberatungsunternehmen der Widersprechenden oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen erbracht werden. Denn die sich hier gegenüberstehenden Dienstleistungen unterscheiden sich schon erheblich in ihrer Zielrichtung. Während die für die jüngere Marke registrierten Dienstleistungen "Direktmarketing, Zielgruppenberatung und –strategie, Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung" darauf gerichtet sind, mit Werbemaßnahmen mögliche Kunden direkt anzusprechen und als Produkt- bzw. Dienstleistungsnachfrager zu gewinnen, zielen die Widerspruchsdienstleistungen darauf ab, u. a. auf dem Wege der Direktansprache für Unternehmen qualifiziertes Personal zu rekrutieren, auszuwählen und zu organisieren. Ferner gibt es deutliche Unterschiede zwischen den beschwerdegegenständlichen Vergleichsdienstleistungen in ihrer Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung. Dass in beiden konkurrierenden Dienstleistungsbereichen die Methodik der Direktansprache zur Anwendung kommt, genügt alleine nicht, um die im Übrigen bestehende Dienstleistungsunähnlichkeit zu überwinden.