Entscheidungsdatum: 12.09.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 053 981.2
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. September 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Juni 2012 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
Spielwarenmesse
ist am 28. September 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der
Klasse 35:
Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der jedermann unmittelbar verständliche und geläufige Gattungsbegriff „Spielwarenmesse“ bringe zum Ausdruck, dass es sich um eine Messe für Spielwaren handele. Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehörten sowohl Fachkreise als auch weitere interessierte Kreise der Spielwarenbranche, d. h. Aussteller, Händler, Hersteller und Veranstalter, sowie weitere Personenkreise wie Journalisten. Ihnen werde vermittelt, dass die Veranstaltung eine Ausstellung zur Thematik „Spielwaren“ betreffe. Dadurch bestehe ein beschreibender Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“. Auch wenn die angemeldete Wortkombination nicht lexikalisch nachweisbar sei, handele es sich nicht um eine ungewöhnliche und gar kreative Neuschöpfung. Denn diese Bezeichnung sei gebräuchlich, wie z. B. folgende Ergebnisse einer Internetrecherche verdeutlichten (Anlagen zum angefochtenen Beschluss, Bl. 88 – 91 VA): „S……; „S… in D…“; M…… 2012/2013 …“. Die angemeldete Bezeichnungsei auch freihaltebedürftig. Denn jeder Wettbewerber, der gegenwärtig oder zukünftig „Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ anbiete, müsse die Angaben, die zur Beschreibung seiner Angebote dienen können, benutzen können. Eine Verkehrsdurchsetzung des Anmeldezeichens sei weder schlüssig vorgetragen noch belegt. Die Unterlagen, insbesondere über umfangreiche Werbemaßnahmen, bedeutende Umsätze oder große Bekanntheit, erbrächten keinen Nachweis einer markenmäßigen Benutzung der angemeldeten Wortkombination. Soweit diese mit grafischen Zusätzen oder in abgewandelter Form verwendet worden sei, werde nicht die Benutzung des Anmeldezeichens nachgewiesen. Auch bei der Verwendungsvariante „B… …“ könne nicht festgestellt werden, dass der Bestandteil „Spielwarenmesse“ kennzeichenmäßig hervortrete. Denn bis auf den (kennzeichnungskräftigen) Bildbestandteil (Schaukelpferd) seien alle Wortbestandteile beschreibender Natur. Da der Bildbestandteil deutlich kennzeichnungskräftiger sei, verstünden die angesprochenen Verkehrskreise „Spielwarenmesse“ auch nicht als (Zweit-)Marke. Daran änderten auch die Berichterstattungen in der Presse nichts. Denn bei der Verwendung des Wortes „Spielwarenmesse“ in Überschriften oder innerhalb des Textes werde darin kein Kennzeichen gesehen. Bei Bezeichnungen wie der vorliegenden, die eine Leistung ihrer Gattung nach beschrieben, liege es nahe, dass das Publikum diesen Hinweis mit dem marktstärksten Anbieter in Verbindung bringe, ohne in ihr einen markenmäßigen Hinweis zu sehen. Damit fehlten auch nach Würdigung des vorgelegten umfangreichen Materials Anhaltspunkte dafür, dass von der Anmelderin den beteiligten Verkehrskreisen das konkret beanspruchte Zeichen als Marke nahe gebracht worden sei und die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung vorlägen, so dass es auf ein Verkehrsgutachten nicht ankomme. Im Übrigen gebe es auch hinsichtlich des vorgelegten Gutachtens Bedenken. Zwar sähen 62,9 % der Befragten in „Spielwarenmesse“ einen Hinweis auf einen bestimmten Veranstalter. Hiervon seien aber die Falschbenennungen in Höhe von insgesamt 17,9 % (in TAB.: 50: M1… mit 3,5 %, N… mit 2,5 %, N… AG mit 1,0 %, N… EG mit 0,5 %, N1… mit 1,5 %, M… GmbH mit 0,5 %Sonstige mit 0,5 % sowie in TAB.: 60: M1… mit 1,5 %, M2… … mit 5,4 %) in… mit 0,5 %, P… mit 0,5 % sowie Sonstige mit 5,4 %) in Abzug zu bringen, woraus sich ein Zuordnungsgrad von weniger als 50 % ergebe.Die Nennungen „M1…“, „M… GmbH“ und M2…… wiesen nicht auf die Anmelderin hin, sondern auf das Unter-nehmen „N…“, dessen Portfolio als Messegesellschaft rund 120 nati-onale und internationale Fachmessen und Kongresse am Standort in Nürnberg umfasse, darunter auch die Spielwarenmesse der Anmelderin (Anlage zum angefochtenen Beschluss, Bl. 92 VA). Von den befragten Fachkreisen dürfe zu erwarten sein, dass ihnen dieser Unterschied vertraut sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Juni 2012 aufzuheben.
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Sie vertritt die Ansicht, dass der Begriff „Spielwarenmesse“ weder lexikalisch nachweisbar noch ein geläufiges Wort sei. Die vom Amt recherchierte, angebliche „S……“ habe tatsächlich den Namen „Internationale Spieltage SPIEL“ und sei anders als die „Spielwarenmesse“ im vorliegenden Verfahren eine Publikumsmesse, die für jedermann zugänglich sei (Anlage A20, Bl. 25 GA). Eine „S… in D…“ gebe es nicht. Der Link auf der Seite „www.weisser-hirsch.de” führe zur Anmelderin (Anlage A21, Bl. 26 ff. GA). Gäbe es mehrere Spielwarenmessen oder wäre „Spielwarenmesse“ ein Begriff für verschiedene Messen, so würde auf der vorgenannten Internetseite nicht von „der Spielwarenmesse“, sondern von „einer Spielwarenmesse“ berichtet. Von sämtlichen vom Amt angeführten Messen, die sich thematisch mit Spielwaren befassten, trage ausschließlich die Anmelderin den Namen die „Spielwarenmesse“. Die überwiegende Mehrheit der Treffer bei der Suche nach dem Stichwort „Spielwarenmesse“ weise allein auf die Anmelderin hin. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehörten nur Händler und Hersteller von Spielwaren. Journalisten gehörten nicht dazu, weil sie die angemeldeten Dienstleistungen nicht in Anspruch nähmen, sondern lediglich darüber berichteten. Das vorgelegte demoskopische Gutachten der G… vom 4. März 2011 sei von der Markenstelle nicht hinreichend und falsch gewürdigt worden. Entgegen der Ansicht der Markenstelle seien die Nennungen „M1… mit 3,5 ,„N…“ mit 2,5 %, „N… AG“ mit 1 %, „N…EG“ mit 0,5 % sowie „M… GmbH“ mit 0,5 % nicht in Abzug zu bringen. Denn die N… GmbH sei wirtschaftlich eng mit der Anmelderin verbunden. Die N… GmbH sei auf dem Dienstleistungsgebiet der Anmelderin selbst nicht tätig und unterstütze nur deren Aktivitäten. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 15. März 2012 (Bl. 32 VA) nebst Anlagen A13 - A17 (Bl. 37 – 61 VA) sowie die Anlagen A21a – A23 (Bl. 27 – 35 f. GA) Bezug genommen. Auch mit der Bezeichnung „N…“ sei die Anmelderin gemeint, weil die jährlich die Veranstaltung der Anmelderin besuchenden Fachbesucher auf dem Messegelände in Nürnberg nicht nur die Anmeldebezeichnung, sondern auch die an den Hallen groß angebrachte Bezeichnung „N…“ sähen. Die Firma B… GmbH, die seit vielen Jahren in der Branche etabliert sei, spreche ebenfalls in ihrem Internetauftritt von der„M… 2012“ (Anlage A24, Bl. 37 GA) und meine damit die Anmelderin.Auch die Stadt Nürnberg sei wirtschaftlich eng verbunden mit der N…GmbH und mit der Anmelderin. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage A13 (Bl. 37 VA) verwiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise meinten die Anmelderin, wenn Sie die Stadt Nürnberg nennen würden. Dies belege auch eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin und einem chinesischen Mandanten, in welcher die Anmelderin ausdrücklich als „the Nuremburg“ (Anlage A25, Bl. 38 f. GA) bezeichnet worden sei. Abzüge aus der Tabelle 60 (Anlage A1 „3. Tabellarische Ergebnisse“) seien nicht zulässig, weil dort nur diejenigen Befragten aufgeführt seien, welche schon zuvor angegeben hätten, dass sie die Bezeichnung „Spielwarenmesse“ als Hinweis auf mehrere Messeveranstalter verstünden (Anlage A26, Bl. 40f. GA). Die angesprochenen Verkehrskreise bezeichneten die angemeldete Dienstleistung mündlich wie schriftlich allein als „Spielwarenmesse“, auch wenn die angemeldete Wortkombination in Verbindung mit weiteren Bestandteilen verwendet werde. Soweit Zweifel daran bestünden, ob das Wortzeichen in Alleinstellung Verkehrsdurchsetzung erlangt habe, würden diese durch das vorgelegte Verkehrsgutachten beseitigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Das angemeldete Wortzeichen „Spielwarenmesse“ ist für die beanspruchte Dienstleistung in Klasse 35 „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ aufgrund der nachgewiesenen Verkehrsdurchsetzung schutzfähig (§ 8 Abs. 3, § 37 Abs. 2 MarkenG).
1.
Die beanspruchte Bezeichnung „Spielwarenmesse“ ist als beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von Haus aus freihaltebedürftig.
a)
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 – BIOMILD; GRUR 2008, 503 Rdnr. 22, 23 – ADIDAS II). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - BIOMILD). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist immer auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
b)
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Bezeichnung Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Zu den hier von der angemeldeten Dienstleistung „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ angesprochenen inländischen Verkehrskreisen zählen nur Fachkreise, d. h. Personen, die in ihren Unternehmen in verantwortlicher Position mit dem Ausstellen auf Messen oder dem Besuch von Messen innerhalb der Spielwarenbranche zu tun haben, nämlich vorwiegend Händler und Hersteller von Spielwaren.
c)
Das Anmeldezeichen setzt sich aus den deutschen Substantiven „Spielwaren“ und „Messe“ zusammen.
aa)
„Spielwaren“ sind „als Waren angebotenes Spielzeug für Kinder“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).
bb)
Unter einer „Messe“ versteht man einen „katholischen Gottesdienst mit Feier der Eucharistie“, „geistliche Komposition als Vertonung der liturgischen Bestandteile der Messe“, eine „große [internationale] Ausstellung von Warenmustern eines oder mehrerer Wirtschaftszweige“, „Jahrmarkt, Kirmes“ (Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.), eine „Tischgenossenschaft von [Unter]offizieren auf [Kriegs]schiffen“ oder einen „Speise- und Aufenthaltsraum eines [Kriegs]schiffes; Schiffskantine“ (Duden – Das Fremdwörterbuch, a. a. O.).
cc)
Auch wenn der Gesamtbegriff „Spielwarenmesse“ lexikalisch nicht nachweisbar ist (www.duden.de), wird er vom angesprochenen Fachpublikum im Zusammenhang mit der Dienstleistung „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ ausschließlich als eine „große Ausstellung von Warenmustern von Kinderspielzeug“ verstanden. Das schutzsuchende Zeichen erschöpft sich somit in einer Sachaussage über die Art und Bestimmung der Dienstleistung.
2.
Da das angemeldete Zeichen zur Beschreibung der von der Anmeldung erfassten Dienstleistung dienen kann und somit nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vorliegt.
3.
Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG können der Eintragung aber schon deshalb nicht entgegenstehen, weil sich das angemeldete Wortzeichen für die Dienstleistung „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ infolge seiner Benutzung im Verkehr durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
a)
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 3 Abs. 3 MarkenRL ist Voraussetzung für eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft, dass ein wesentlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Marke mit einem Unternehmen in Verbindung bringt (GRUR 2002, 804, 808, Rdnr. 65 - Philips). Die Prüfung, ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch konkrete und verlässliche Informationen belegt ist, obliegt dem nationalen Gericht, d. h. hier dem zur Entscheidung berufenen Senat, wobei eine Gesamtschau sämtlicher relevanter Gesichtspunkte geboten ist (EuGH GRUR 1999, 723, 727, Rdnr. 49, 54 - Chiemsee). In die Prüfung einzubeziehen sind u. a. der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Markenbenutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie der Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren und Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (EuGH, a. a. O., Rdnr. 51 - Chiemsee; Rdnr. 60 - Philips). Dabei kommt es nicht allein auf generelle und abstrakte Angaben, z. B. bestimmte Prozentsätze, an (EuGH, a. a. O., Rdnr. 62 - Philips), wenngleich in schwierig zu beurteilenden Fällen auch Verbraucherbefragungen nach Maßgabe des nationalen Rechts zusätzlich Berücksichtigung finden können (EuGH, a. a. O., Rdnr. 53 - Chiemsee).
b)
Den diesen Anforderungen genügenden Nachweis der Verkehrsdurchsetzung sieht der Senat durch das von der Anmelderin vorgelegte demoskopische Gutachten zur Frage der Verkehrdurchsetzung der Bezeichnung „Spielwarenmesse“ vom 4. März 2011 als erbracht an.
aa)
Von einer markenmäßigen Verwendung des Wortzeichens kann ausgegangen werden. Die angesprochenen Fachverkehrskreise nehmen das Wort „Spielwarenmesse“ auch dann als eigenständiges Zeichen wahr, wenn es in Kombination mit weiteren Elementen benutzt wird. Denn sie sind es in dieser Branche gewohnt, dass Unternehmen Zweitkennzeichen verwenden (EuGH GRUR 2005, 763, 764 Rdnr. 30 – HAVE A BREAK ... HAVE A KIT KAT; BGH GRUR 2000, 510 f. - Contura). Hinzu kommt, dass das Anmeldezeichen ausgesprochen werden kann, während das Schaukelpferd-Logo eine Bildmarke der Anmelderin ist. Die angemeldete Dienstleistung wird daher mündlich wie schriftlich nur als „Spielwarenmesse“ bezeichnet. Selbst wenn aber die angemeldete Wortkombination stets nur in Verbindung mit weiteren Bestandteilen verwendet würde und deshalb Zweifel daran bestünden, ob sie in Alleinstellung Verkehrsdurchsetzung erlangt hat, werden solche Zweifel durch die vorgelegte Verkehrsbefragung beseitigt (vgl. BGH GRUR 2010, 138, 141 Rdnr. 38 f. – ROCHER-Kugel).
bb)
Ausweislich des demoskopischen Gutachtens vom 4. März 2011 sind insgesamt 202 Personen befragt worden, die als Hersteller von Puppen und Plüschtieren oder Spielen, Spielwaren, Kinderfahrzeugen, Eisenbahnen oder als Groß- und Einzelhändler mit Spielwaren und Hobbyartikeln in ihren Unternehmen in verantwortlicher Position mit dem Ausstellen auf oder dem Besuch von Messen zu tun haben. Dieser Personenkreis ist für die beanspruchte Dienstleistung „Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren“ als maßgeblicher Fachverkehrskreis richtigerweise zugrunde gelegt worden.
cc)
Bei diesen befragten Fachkreisen wurde ein Bekanntheitsgrad der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchte Dienstleistung von 97,5 % ermittelt.
dd)
127 Personen des befragten Fachverkehrskreises haben die Frage, ob die Bezeichnung „Spielwarenmesse“ auf ein ganz bestimmtes Unternehmen hinweist, bejaht. Dieses Ergebnis entspricht einem Kennzeichnungsgrad von 62,9 %. Von diesem Prozentsatz sind 0,5 % der in Tabelle 50 aufgeführten Fehlzuordnungen mit der Angabe „Sonstige“, d. h. von den Befragten genannte andere Unternehmen als die Anmelderin, in Abzug zu bringen.
ee)
Entgegen der Ansicht der Markenstelle sind keine weiteren Abzüge vorzunehmen.
aaa)
Abzüge aus der Tabelle 60 können nicht vorgenommen werden. Die Tabelle 60 (Anlage A1 „3. Tabellarische Ergebnisse“) betrifft nämlich nur diejenigen Befragten, die schon zuvor angegeben hatten, dass sie die Bezeichnung „Spielwarenmesse“ als Hinweis auf mehrere Messeveranstalter verstünden. Diese sind bereits im Vorfeld abgezogen worden und in den 62,9 % gar nicht enthalten (Anlage A26, Bl. 40 f. GA). Sie dürfen daher kein zweites Mal abgezogen werden.
bbb)
Bei den von der Markenstelle genannten angeblichen Fehlzuordnungen in der Tabelle 50: „M1…“, „N… AG“, „N… EG“,„N1…“, „M… GmbH“ handelt es sich entweder um Unternehmen oder die Stadt Nürnberg, die mit der Anmelderin wirtschaftlich eng verbunden sind, oder um eine andere, in den angesprochenen Fachverkehrskreisen geläufige Bezeichnung der von der Anmelderin veranstalteten Fachmesse.
(1) Die Benennung von mit der Anmelderin rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen sind der Anmelderin zuzurechnen (BGH GRUR 2008, 505 Rdnr. 30 – TUC-Salzcracker).
Die Anmelderin hat belegt, dass sie Gründungsmitglied und Mitgesellschafterin der M1…-GmbH war, aus der später die N… GmbH hervorging. Bei Gründung dieser Gesellschaft, die sich zunächst M…-GmbHnannte, am 10. Juni 1952 war die Anmelderin mehrheitlich mit 6/11 Anteilen an der Gesellschaft beteiligt; 5/11 Anteile entfielen auf die Stadt Nürnberg (Anlage A21a, Bl. 27 f. GA). Gemeinsam bauten die Stadt Nürnberg und die Anmelderin in den Jahren 1952/53 die erste Messehalle. An den Baukosten in Höhe von… DM beteiligten sich die Anmelderin mit einem Darlehen in Höhe von… DM und die Stadt Nürnberg mit einem Darlehen in Höhe von… DM (Anlage A21a, Bl. 28 GA). Auch die weiteren Messehallen, die bis in die 60er Jahre erstellt wurden, waren von der vorgenannten M3…-GmbH … (jetzt N… GmbH) erstellt worden. Inzwischen hat sich lediglich das Gesellschafterbeteiligungsverhältnis geändert, weil die Stadt Nürnberg eine 2/3-Mehrheit übernommen hat (Anlage A21b, Bl. 29 – 32 GA). Aktuell bauen die N… GmbH und die Anmelderin vereinbarungsgemäß eine neue Halle, die Halle 3A, für die Anmelderin, die sie mit einem Darlehen finanziert. Der entsprechende Rahmenvertrag zwischen der N… GmbH und der Anmelderin (Anlage A16, Bl. 44 – 58 VA) ist bis zum Jahr 2021verlängert worden (Anlage A22, Bl. 33 f. GA, Anlage A23, Bl. 35 f. GA).Antworten, die sinngemäß die N… GmbH meinen, sind folglich der Anmelderin zuzurechnen. Denn die N… GmbH ist auf dem Dienstleistungsgebiet der Anmelderin nicht tätig und unterstützt nur deren Aktivitäten. Soweit die Befragten statt des richtigen Firmennamens „N… GmbH“ die Bezeichnungen „N… AG“ oder „N… EG“ genannt haben, handelt es sich nur um unschädliche Falschbezeichnungen entweder der mit der Anmelderin wirtschaftlich verbundenen „N… GmbH“ oder der Anmelderin selbst.
(2) Die Stadt Nürnberg ist als Gesellschafterin der N… GmbH (Anlage A13, Bl. 37 VA), wie bereits dargelegt, ebenfalls wirtschaftlich eng mit der Anmelderin verbunden. Die angesprochenen Fachverkehrskreise unterscheiden in dem in Rede stehenden Dienstleistungsbereich nicht zwischen der Stadt Nürnberg und der Anmelderin, sondern meinen letztere, wenn sie die Stadt Nürnberg nennen. Dies belegt eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin und einem chinesischen Mandanten, in dem eine Besprechung auf der Spielwarenmesse 2010 erwähnt wird. Dort bezeichnet der Aussteller die Anmelderin in seiner E-Mail ausdrücklich als „the Nuremburg“ (Anlage A25, Bl. 38 f GA). Daher sind auch die Antworten, die die Stadt Nürnberg nennen, der Anmelderin zuzurechnen.
(3) Dass im vorliegenden Dienstleistungsbereich die Stadt Nürnberg mit der Anmelderin gleichgesetzt wird, ergibt sich auch daraus, dass die in Nürnberg stattfindende Spielwarenmesse der Anmelderin die weltweit wichtigste Spielwarenmesse ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Spielwarenmesse). Aus diesem Grund ist mit der Nennung der „M1…“ auch die Anmelderin gemeint. Denn die jährlich die Veranstaltung der Anmelderin besuchenden Fachbesucher sehen auf dem Messegelände in Nürnberg nicht nur das Anmeldezeichen, sondern auch die an den Hallen groß angebrachte Bezeichnung „N…“. Dabei handelt es sich aber um die Leuchtschriften der N… GmbH an den Messehallen, von der die Anmelderin nicht verlangen kann, dass diese während der nur sechs Tage andauernden „Spielwarenmesse“ der Anmelderin an allen Messehallen entfernt werden. Dennoch ist die Benennung „M1…“ nur dahingehend zu verstehen, dass die Befragten damit die Anmelderin bezeichnen. So spricht z. B. auch die Firma B… GmbH, die seit vielen Jahren in der Branche etabliert ist, in deren Internetauftritt von der „M… 2012“ (Anlage A24, Bl. 37 GA) und meint damit die Anmelderin.
ff)
Nach Abzug der Fehlzuordnungen in Höhe von 0,5 % vom Kennzeichnungsgrad in Höhe von 62,9 % ermittelt man einen Zuordnungsgrad von 62,4 %. Wenn eine Fehlertoleranz überhaupt zu berücksichtigen ist, was der Bundesgerichtshof bisher ausdrücklich offen gelassen hat (BGH GRUR 2009, 954, 957, Rdnr. 37 - Kinder III), ist mindestens von einem Durchsetzungsgrad von 52,4 % (62,4 % - Fehlertoleranz von 10 %) auszugehen, der immer noch über dem von der Rechtsprechung geforderten Mindestprozentsatz von 50 % liegt (EuGH GRUR 1999, 723, 727 – Chiemsee; BGH GRUR 2006, 760 [762 re. Sp.] – LOTTO; GRUR 2001, 1042, 1043 – REICH UND SCHÖN).