Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.06.2012


BPatG 13.06.2012 - 29 W (pat) 78/11

Markenbeschwerdeverfahren – "SACHSEN! (Wort-Bild-Marke)" – Zeichen kann durch markenmäßige Anbringung als betrieblicher Herkunftshinweis dienen - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
13.06.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 78/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 001 485.7

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschlüsse des DPMA vom 20. Februar 2009 und 20. April 2009 werden aufgehoben.

Der Gegenstandswert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

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Das Wort-/Bildzeichen (grün, weiß)

Abbildung

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wurde am 10. Januar 2008 zur Eintragung in das Markenregister für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet, wobei das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren auf die folgenden Dienstleistungen beschränkt wurde:

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Klasse 35:Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Textverarbeitung (Schreibdienste); Vervielfältigung von Dokumenten;

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Klasse 41:Erziehung; Ausbildung;

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Durch Beschluss vom 20. Februar 2009 und Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2011 hat das DPMA die Eintragung zurückgewiesen.

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Der Eintragung stehe das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Der Wortbestandteil der Marke "Saxony" sei die englische Übersetzung einer geographischen Angabe, die grundsätzlich freihaltungsbedürftig sei. Das angefügte Ausrufezeichen sei ein übliches Gestaltungsmittel, das sich nicht dazu eigne, das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses zu überwinden. Gleiches gelte für die farbliche und grafische Gestaltung des Zeichens, die den Inhalt des Wortbestandteils nicht entfremdeten sondern hervorhöben. Die behauptete Monopolstellung der Anmelderin sei bei der Beurteilung der Freihaltebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen. Zudem sei der Wortbestandteil des Zeichens für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend, sodass auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der Eintragung entgegen stehe.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

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die Beschlüsse vom 20. Februar 2009 und 20. April 2011 aufzuheben.

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Dem angemeldeten Zeichen stünden keine Eintragungshindernisse entgegen. Zwar sei das Wort "Saxony" grundsätzlich eine geographische Angabe, die zur Herkunftsbezeichnung dienen könne, im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei dies jedoch gänzlich fern liegend. Eine ideelle Verbindung zwischen den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und der Ortsangabe im Sinne einer besonderen Wertschätzung des Verbrauchers sei nicht ersichtlich. Jedenfalls führe aber die grafische und farbliche Ausgestaltung des Zeichens zu dem erforderlichen Minimum an Unterscheidungskraft. Die Farbkombination grün/weiß gebe zwar die in der Landesflagge enthaltenen Landesfarben wieder, diese seien aber für den Verkehr von untergeordneter Bedeutung, da dieser in erhöhtem Maß an das sächsische Staatswappen gewöhnt sei, das durch die Farben schwarz und gelb dominiert werde. Zudem sei der Farbanteil des "Sachsen-Grüns" in der angemeldeten Zeichenkombination wesentlich höher als in der Landesflagge. Es gebe praktisch bedeutsame Möglichkeiten, das angemeldete Zeichen so anzubringen, dass es als Marke wahrgenommen werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Die Beschwerdeführerin hat nach Einschränkung des Warenverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen "Geschäftsführung", "Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten, Textverarbeitung (Schreibdienste): Vervielfältigung von Dokumenten, Erziehung und Ausbildung. Der angemeldeten Wort-/Bildmarke kommt für diese Waren Unterscheidungskraft zu.

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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Orts- oder Regionalnamen sind als geographische Herkunftsangaben jedenfalls dann beschreibend und nicht unterscheidungskräftig, wenn sie als Hinweis auf die örtliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden werden können. Dies ist bei dem angemeldeten Zeichen und den noch beanspruchten Dienstleistungen nicht der Fall, wenn das Zeichen markenmäßig etwa im Briefkopf im Geschäftsverkehr bei Erbringung der noch beanspruchten Dienstleistungen verwendet wird.

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Der Wortbestandteil des angemeldeten Zeichens besteht aus dem Substantiv "Saxony", dem ein Ausrufezeichen angefügt ist. "Saxony" ist die englische Übersetzung für Sachsen, eine Region im Osten Mitteldeutschlands, die gleichzeitig das Bundesland Freistaat Sachsen ist. Nach dem Ende der DDR steht das Bundesland inzwischen auf einem Spitzenplatz der ostdeutschen Wirtschaft und verfügt sowohl über eine Vielzahl von landschaftlichen und kulturellen Sehenswürdigkeiten als auch über mehrere florierende Wirtschaftszentren. Neben traditioneller Handwerkskunst (Holzschnitzereinen, Porzellan, Glas) und Tourismus liegen die wirtschaftlichen Schwerpunkte des Landes in der metallverarbeitenden Industrie, Maschinenbau, der optischen Industrie, aber auch Mikro- und Biotechnologie.

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Zwar kann der Wortbestandteil des Zeichens für die noch beanspruchten Dienstleistungen eine geografische Herkunftsangabe darstellen und auch das Ausrufezeichen hinter der Angabe Saxony ist nicht geeignet, dem Wortbestandteil Unterscheidungskraft zu verleihen. Denn es dient dazu, den Inhalt des vorangehenden Wortes werbemäßig hervorzuheben. Auch die grafische Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens vermittelt ihm nur in sehr geringem Maß Unterscheidungskraft.

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Gleichwohl ist das Zeichen nach seinem Gesamteindruck schützbar. Es kann nämlich für die beanspruchten Dienstleistungen durch eine markenmäßige Anbringung als betrieblicher Herkunftshinweis dienen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Dienstleistungsmarken eine Benutzung in Form einer körperlichen Verbindung zwischen Zeichen und Produkt nicht in Betracht kommt. Solche Marken werden für die beanspruchten Dienstleistungen vielmehr regelmäßig durch Anbringung auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen als betrieblicher Herkunftshinweis eingesetzt Wird das Zeichen an diesen Stellen, etwa auf Briefpapier am oberen oder unteren Rand oder auf Prospekten am unteren Rand der Rückseite angebracht, wird das angesprochene Publikum das Zeichen bei den noch beanspruchten Dienstleistungen nicht als Hinweis auf seine geographische Herkunft sondern als betrieblichen Herkunftshinweis erkennen (GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis).

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Denn die verbliebenen Dienstleistungen sind unabhängig vom Ort ihrer Entwicklung oder Erbringung, die geographische Herkunft stellt daher kein Kriterium für ihre Inanspruchnahme dar und wird deshalb üblicherweise auch nicht werblich herausgestellt.

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Da weitere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

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Der Gegenstandswert war auf Antrag der Beschwerdeführerin gemäß §§ 33, 23 Abs. 3 S. 2 RVG i. V. m. § 51 GKG festzusetzen. Für das Anmeldeverfahren ist ein Wert von Gegenstandswert von 10.000 € angemessen.