Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.08.2018


BPatG 22.08.2018 - 29 W (pat) 591/17

Markenbeschwerdeverfahren – "Vergißmeinnicht/Vergiss mein nicht" – Warenidentität und Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
22.08.2018
Aktenzeichen:
29 W (pat) 591/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:220818B29Wpat591.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 004 453

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. August 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 28. Juni 2014 angemeldete Bezeichnung

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Vergißmeinnicht

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ist am 23. Oktober 2014 für den Beschwerdeführer unter der Nummer 30 2014 004 453 als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden; sie genießt Schutz für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Zeitschriften; Zeitungen;

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Klasse 41: Dienstleistungen eines freiberuflichen Journalisten; Verlagsdienstleistungen, einschließlich elektronische Veröffentlichungen.

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Gegen die Eintragung der am 28. November 2014 veröffentlichten Marke hat die Inhaberin der seit dem 19. Mai 2011 eingetragenen Wortmarke 30 2011 021 231

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Vergiss mein nicht

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Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist geschützt für zahlreiche Waren der Klassen 3, 9, 14, 18, 20, 21, 24, 25, 28 und 30 sowie für die Waren der

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Klasse 16: Ablagen für Stifte und Bleistifte; Abreißkalender; Abschminktücher aus Papier; Abziehbilder; Alben; Aktenordner; Anzeigekarten [Papeteriewaren]; Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren]; Babywindeln aus Papier oder Zellstoff; Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren; Bilder; Bleistifte; Bleistifthalter; Bleistiftspitzer [elektrisch oder nicht elektrisch]; Bleistiftspitzmaschinen [elektrisch oder nicht elektrisch]; Blöcke [Papier- und Schreibwaren]; Briefbeschwerer; Briefpapier; Buchbindeartikel; Bücher; Buchstützen; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Comic-Hefte; Druckereierzeugnisse; Einbände [Papier- und Schreibwaren]; Einkaufstaschen aus Papier; Etiketten, nicht aus Textilstoffen; Etuis für Schablonen; Fahnen und Wimpel aus Papier; Farbdrucke; Federhalter; Federhalterclips; Federmäppchen [Schülerbedarf]; Figuren [Statuetten] aus Papiermaché; Filzstifte; Flaschenverpackungen aus Pappe oder Papier; Folien aus Kunststoff für Verpackungszwecke; Folien aus regenerierter Zellulose für Verpackungszwecke; Fotografien; Füllfederhalter; Gemälde [Bilder], gerahmt oder ungerahmt; Geschenkeinschlagpapier aus Kunststoff; Geschenkkästen aus Pappe (Karton); Geschenktüten; Glückwunschkarten; grafische Darstellungen; Holzpappe [Papier- und Schreibwaren]; Hüllen [Papier- und Schreibwaren]; Hutschachteln aus Pappe; Kalender; Karteikarten [Papier- und Schreibwaren]; Karten; Kartenreiter; Karton; Kartonagen; Kataloge; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Klebebänder für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Klebstreifenspender [Papier- und Schreibwaren]; Kunstgegenstände [lithografisch]; Künstlerbedarfsartikel; Lätzchen aus Papier; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Lesezeichen; Locher [Büroartikel]; Magazine [Zeitschriften]; Malbücher; Malkästen [Schülerbedarf]; Musikglückwunschkarten; Notizbücher; Notizklemmen; Ordner [Büroartikel]; Packpapier; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Papier- und Schreibwaren; Papierbänder [Papierstreifen]; Papierservietten; Papiertaschentücher; Papierhandtücher; Papiertüten; Pastellstifte; Pinsel; Plakate; Platzdeckchen [Sets] aus Papier; Portraits; Postkarten; Radierartikel; Radiergummis; Schablonen [Papier- und Schreibwaren]; Schachteln aus Pappe oder aus Papier; Schilder aus Papier und Pappe; Schreibgeräte; Schreibblock; Schreibetuis; Schreibmappen [Schreibnecessaires]; Schreibmaterialien; Schreibnecessaires [Schreibgarnituren]; Schreibhefte; Schreibsets; Schreibtischunterlagen; Schultüten; Schülerbedarf [Papier- und Schreibwaren]; Selbstklebebänder für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Setzrahmen [Druckerei]; Siegelstempel; Stift- und Federkästen; Ständer für Fotografien; Ständer und Halter für Stifte, Bleistifte und Tinte; Stempel; Stempelhalter; Stempelkästen; Stempelkissen; Stempelunterlagen; Tafeln (Schiefer-) zum Schreiben; Terminkalender und Tagebücher; Tintenstifte; Tischdecken aus Papier; Tischtücher aus Papier; Tischwäsche aus Papier; Toilettenpapier; Untersetzer aus Papier; Verpackungsfolien aus Kunststoff; Verpackungsfolien aus regenerierter Zellulose; Verpackungsmaterial aus Karton; Verpackungsmaterial aus Stärke; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Verpackungsbeutel [-hüllen, -taschen] aus Papier oder Kunststoff; Verpackungspapier; Visitenkartenhalter für den Schreibtisch; Wandtafeln; Zeichenbedarfsartikel; Zeichenblöcke; Zeichenetuis; Zeicheninstrumente; Zeichenlineale; Zeichnungen; Zeitschriften; Zeitungen.

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Die Markenstelle für Klasse 16 hat mit Beschluss vom 8. Mai 2017 eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken bejaht und auf den Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich die Vergleichsmarken bei identischen bzw. ähnlichen Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet des Journalismus und Verlagswesens begegnen könnten. Die jeweiligen Waren und Dienstleistungen richteten sich an Endverbraucherkreise. Ferner sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Danach seien an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr geforderten Abstand der angegriffenen Marke gegenüber der Widerspruchsmarke strenge Anforderungen zu stellen, denen die jüngere Marke nicht gerecht werde. Es stünden sich die beiden Wortmarken „Vergiss mein nicht“ und „Vergißmeinnicht“ gegenüber; diese unterschieden sich in dem Buchstaben „ss“ bzw. „ß“, welche allgemein parallel verwendet bzw. ausgetauscht würden. Der Austausch von „ss“ und „ß“ sowie die Zusammenschreibung führten zu keinem relevanten Unterschied der Vergleichsmarken. Es sei somit Identität der Marken anzunehmen, da die jüngere Marke alle Elemente wiedergebe, die ältere Marke bildeten. Angesichts dessen sei eine Verwechslungsgefahr festzustellen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke.

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Es könne nicht angenommen werden, dass der Schutzumfang der Klasse 16 auch pauschal die Dienstleistungen der Klasse 41 abdecke. Eine solche Ausdehnung würde dazu führen, dass Anmelder sich auf ein Minimum an Klassen beschränken könnten, obwohl die klassenübergreifende Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr häufig zu Rechtsunsicherheit führe. Die Dienstleistungen eines Journalisten und eines Verlages seien zu vielfältig als dass sie auf einzelne Endprodukte reduziert werden könnten. Darüber hinaus unterschieden sich die beiden Marken ausreichend. Klanglich sei dahingehend zu differenzieren, dass „Vergißmeinnicht“ als ein Wort und mithin schneller ausgesprochen werde als „Vergiss mein nicht“, wobei aufgrund der Leerzeichen bei der Aussprache Pausen zwischen den einzelnen Wörtern eingebaut seien. Zudem hätten die Marken komplett verschiedene Bedeutungen. Das Wort „Vergißmeinnicht“ beschreibe laut DUDEN eine „kleine, besonders an feuchten Standorten wachsende Pflanze mit schmalen, länglich behaarten Blättern und kleinen hellblauen, seltener rosa oder weißen Blüten“. Bei der Wortfolge „Vergiss mein nicht“ handle es sich um die Aufforderung an jemanden, einen selbst nicht zu vergessen. Dieser Unterschied werde besonders durch die optische Gestaltung der Marken deutlich. Die Marken wichen des weiteren nicht nur durch die Verwendung von „ss“ statt einem „ß“ ab, vielmehr bestünden die Marken aus einer deutlich erkennbaren unterschiedlichen Anzahl an Wörtern, so habe die Widerspruchsmarke dreimal so viele Wörter wie die angegriffene Marke. Das Schriftbild müsse bei der Beurteilung des Gesamteindrucks primär herangezogen werden, da Zeitungen und Zeitschriften grundsätzlich auf Sicht gekauft würden. Von einer Verwechslungsgefahr sei daher nicht auszugehen.

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Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des DPMA vom 8. Mai 2017 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 30 2011 021 231 zurückzuweisen.

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Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

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Im Amtsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, dass angesichts einer Zeichenidentität der sich gegenüberstehenden Wortmarken in Bezug auf die identischen Waren der angegriffenen Marke aus der Klasse 16 eine Doppelidentität im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG vorliege sowie im Hinblick auf die Ähnlichkeit zwischen den Widerspruchswaren der Klasse 16 und den angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 41 eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen sei.

17

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

18

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg.

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Zwischen den Vergleichsmarken ist eine Verwechslungsgefahr nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu besorgen, sodass die Markenstelle auf den Widerspruch zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Ob in Bezug auf die Waren der angegriffenen Marke auch der Löschungsgrund der Doppelidentität nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann daher dahinstehen.

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1. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH MarkenR 2014, 245 ff. – Bimbo/HABM [BIMBO DOUGHNUTS/DOGHNUTS]; GRURInt. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH./.HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM [CK CREATIONES KENNYA/CK CALVIN KLEIN]; GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2016, 1301 Rn. 44 – Kinderstube; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

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a) Da Benutzungsfragen vom Inhaber der angegriffenen Marke nicht aufgeworfen wurden, ist bei der Prüfung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Waren aus der Klasse 16 Identität, denn die Waren „Druckereierzeugnisse; Zeitschriften; Zeitungen“ finden sich wortgleich auch im Verzeichnis der Widerspruchsmarke.

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Diese vorgenannten Widerspruchswaren der Klasse 16 begründen auch eine Ähnlichkeit zu den angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 41. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; GRUR 1998, 922 Rn. 15 – CANON; BGH GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ZOOM; GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO). Soweit sich – wie im vorliegenden Fall –Dienstleistungen und Waren gegenüberstehen, ist anerkannt, dass trotz der grundlegenden Abweichung zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung bzw. dem Vertrieb einer körperlichen Ware grundsätzlich eine Ähnlichkeit in Betracht kommen kann (vgl. BGH GRUR 2004, 241 – GeDIOS; GRUR 1999, 731 – Canon II). Dazu muss bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen, dass Ware und Dienstleistung der Kontrolle desselben Unternehmens unterliegen, sei es, dass das Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung oder dem Vertrieb der Ware befasst, sei es, dass der Warenhersteller oder -vertreiber sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsgebiet betätigt (vgl. BGH GRUR 1989, 347 – MICROTRONIC).

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Ausgehend hiervon ist eine durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den angegriffenen Dienstleistungen „Verlagsdienstleistungen, einschließlich elektronische Veröffentlichungen“ und zumindest den Widerspruchswaren „Druckereierzeugnisse; Zeitschriften; Zeitungen“ gegeben (vgl. BGH GRUR 2018, 79 Rn. 14 – OXFORD/Oxford Club; Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Auflage, S. 74 re. Sp., S. 75 m. Sp. m. w. N.). Die weiteren Dienstleistungen der Klasse 41 „Dienstleistungen eines freiberuflichen Journalisten“ liegen noch im Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchswaren „Bilder; Druckereierzeugnisse; Fotografien“ der Klasse 16, denn freie Journalisten bzw. freie Bildjournalisten bieten neben ihren Auftragsarbeiten häufig auch selbstständig den Verkauf von (eigenen) Texten oder Bildern/Fotografien an.

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b) Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte verfügt die Widerspruchsmarke „Vergiss mein nicht“ für die hier relevanten Widerspruchswaren „Druckereierzeugnisse; Zeitschriften; Zeitungen“ sowie „Bilder; Fotografien“ über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei Geburtstagskalendern, die unter den Warenbegriff „Druckereierzeugnisse“ fallen, mag die Aufforderung „Vergiss mein nicht“ gewisse beschreibende Anklänge besitzen, diese sind aber viel zu gering um eine relevante Schwächung der Kennzeichnungskraft zu begründen.

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c) Den bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und identischen Vergleichswaren zu fordernden strengen Anforderungen an den Zeichenabstand wird die jüngere Marke nicht gerecht; soweit im Bereich der mittelgradig und entfernt ähnlichen Dienstleistungen die Anforderungen entsprechend geringer sind, hält die angegriffene Marke auch diesen jeweils geforderten Markenabstand nicht ein. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Inhabers der angegriffenen Marke unterstellt, dass die angesprochenen Verkehrskreise – vorliegend handelt es sich dabei umFach- und Endverbraucherkreise – den hier relevanten Waren und Dienstleistungen mit einem erhöhten Grad an Aufmerksamkeit begegnen.

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d) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 Rn. 19 – ZIRH/SIR; GRUR Int. 2004, 843 Rn. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU).

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Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr genügt regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr.; z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 – AIDA/AIDU).

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Die Vergleichsmarken

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Vergißmeinnicht

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und

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Vergiss mein nicht

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sind in klanglicher Hinsicht identisch bzw. nahezu identisch. Dass die Widerspruchsmarke mit einem Doppel-S („ss“), die angegriffene Marke dagegen mit einem scharfen-S („ß“) geschrieben ist, steht dem nicht entgegen, da dieser Unterschied die Aussprache nicht beeinflusst. Der Umstand, dass die Widerspruchsmarke getrennt geschrieben ist, mag zwar bei Aussprache der älteren Marke jeweils zu einer kleinen Pause zwischen den einzelnen Wörter führen, dies verändert jedoch – anders als der Beschwerdeführer meint – den Sprechrhythmus und das Gesamtklangbild im Vergleich zur angegriffenen Marke nur unwesentlich. Das hier angesprochene Publikum wird diese Abweichung, insbesondere bei eher ungünstigeren Übermittlungsbedingungen, kaum als solche wahrnehmen. Beide Marken kommen sich in ihrem Klangbild mithin so nahe, dass zumindest eine hochgradige Zeichenähnlichkeit und damit eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden kann.

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Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände gegen eine klangliche Verwechslungsgefahr führen nicht zu einem anderen Ergebnis.

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Eine nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr scheidet nur dann ausnahmsweise aus, wenn dem einen oder auch beiden Zeichen ein ohne weiteres erkennbarer konkreter bzw. abweichender Begriffsinhalt zukommt (vgl. BGH GRUR 2010, 235 Rn. 19 – AIDA/AIDU); eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Denn die vom Beschwerdeführer zutreffend dargestellten Unterschiede im Bedeutungsgehalt zwischen „Vergißmeinnicht“ und „Vergiss mein nicht“ werden von den angesprochenen Verkehrskreisen bei der klanglichen Wiedergabe wegen der phonetischen Übereinstimmung schon gar nicht wahrgenommen.

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Schließlich vermögen auch die – hier ohnehin geringfügigen – Abweichungen im Schriftbild die klangliche Verwechslungsgefahr nicht zu verringern oder gar auszuschließen. Eine nach dem Klang zu bejahende Identität bzw. Ähnlichkeit von Vergleichsmarken kann allenfalls dann durch Abweichungen im Bild in einem Maße „neutralisiert“ werden, wenn die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren regelmäßig nur auf Sicht gekauft werden (vgl. BGH GRUR 2011, 824 – Kappa); hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Selbst bei den Waren „Zeitungen; Zeitschriften“, die nach Auffassung des Beschwerdeführers grundsätzlich „auf Sicht“ gekauft würden, ist zu berücksichtigen, dass diesem „Kauf auf Sicht“ häufig mündliche Empfehlungen und Nachfragen sowie Gespräche zwischen Verbrauchern bzw. Lesern vorausgehen, bei denen klangliche Verwechslungen von Marken stattfinden können. Ebenfalls nicht vernachlässigt werden darf die akustische Werbung. Abgesehen davon wird selbst bei nur optischer Wahrnehmung einer Marke gleichzeitig der klangliche Charakter des Markenwortes unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt, die von früheren Begegnungen bekannt sind. Die klangliche Verwechslungsgefahr wird insoweit nicht durch ein unmittelbares Hören, sondern durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang beider Marken ausgelöst (vgl. hierzu Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 274).

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Nach alledem kann die Gefahr von (klanglichen) Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden, so dass die Beschwerde erfolglos bleiben muss.

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2. Für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.