Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.12.2015


BPatG 16.12.2015 - 29 W (pat) 59/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Örtliches Telefonbuch der SL-RegionalVerlags GmbH (Wort-Bild-Marke)/DasÖrtliche® (Widerspruchsmarken zu 1] und 2]/Wort-Bild-Marken)" – zur rechtserhaltenden Benutzung – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – unmittelbare Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
16.12.2015
Aktenzeichen:
29 W (pat) 59/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 065 417

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am Landgericht Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die (in weiß und blau ausgestaltete) Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist von der Beschwerdeführerin am 6. November 2010 angemeldet und am 17. Januar 2011 unter der Nummer 30 2010 065 417 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren der

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Klasse 16:  Druckereierzeugnisse, nämlich Telefonbücher

4

eingetragenen worden.

5

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 18. Februar 2011 veröffentlicht wurde, hat die Widersprechende und Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus ihren nachfolgenden zwei älteren Marken:

6

1) aus der am 7. August 2001 in blau und weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke 300 91 023

Abbildung

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die geschützt ist für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 09: optoelektronische Verzeichnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher auf CD-ROM;

9

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher;

10

Klasse 35: Werbung in bzw. für elektronische Produkte, Branchenfernsprechbücher bzw. Branchenfernsprechverzeichnisse;

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Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von elektronischen und gedruckten Branchenfernsprechverzeichnissen;

12

2) aus der am 2. April 2003 in blau und silber eingetragenen Wort-/Bildmarke 302 41 159

Abbildung

13

die geschützt ist für die Waren und Dienstleistungen der

14

Klasse 09: optoelektronische Verzeichnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher auf CD-ROM;

15

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher;

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Klasse 35: Werbung in bzw. für elektronische Produkte, Branchenfernsprechbücher bzw. Branchenfernsprechverzeichnisse;

17

Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von elektronischen und gedruckten Branchenfernsprechverzeichnissen.

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Die Markenstelle für Klasse 16 hat zunächst mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 die Widersprüche zurückgewiesen. Zwar könnten sich die Marken teilweise auf identischen Waren begegnen, die Widerspruchsmarken verfügten aber nur über durchschnittliche, nicht - wie es die Widersprechende geltend mache - über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Da nur eine geringe Markenähnlichkeit vorliege, sei eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

19

Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle für Klasse 16 mit Erinnerungsbeschluss vom 11. Juli  2013 den Erstbeschluss aufgehoben und auf die Widersprüche aus den Marken 300 91 023 und 302 41 159 die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2010 065 417 gelöscht. Zur Begründung hat die Erinnerungsprüferin ausgeführt, die Widerspruchsmarken verfügten über gesteigerte Kennzeichnungskraft, denn sie würden seit vielen Jahren als Kennzeichen für Telefonprintverzeichnisse verwendet, die jährlich in einer Auflage von… Mio. Exemplaren erschienen und kostenlos verfügbar seien. Zudem würden die Zeichen auch sehr umfangreich beworben. Zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Waren aus der Klasse 16 „Branchenbücher“ und „Telefonbücher“ bestehe hochgradige bis zur Identität reichende Ähnlichkeit. Die Vergleichszeichen bestünden jeweils aus einem Rechteck, in nahezu identischer blauer Farbe, in welches mit einer weißen Schriftfarbe Buchstaben eingebracht seien. Die Rechtecke verfügten über nahezu identische Größenverhältnisse und die Wörter seien jeweils innerhalb des Rechtecks zentriert angeordnet. Insgesamt liege wegen der festgestellten Gemeinsamkeiten einerseits, aber auch vorhandenen Unterschiede andererseits eine durchschnittliche visuelle Markenähnlichkeit vor, weshalb bei einer Gesamtwürdigung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Kriterien eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden könne.

20

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke.

21

Sie hat im Beschwerdeschriftsatz vom 1. August 2013, eingegangen beim DPMA per Fax am 6. August 2013, die Einrede der Nichtbenutzung bezüglich der Widerspruchsmarken erhoben. Die Beschwerdegegnerin und Widersprechende hat daraufhin eine Reihe von Unterlagen, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vier eidesstattliche Versicherungen, vorgelegt.

22

Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass die Erinnerungsprüferin eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zugrunde gelegt habe. Sie habe vielmehr ungeprüft die Behauptung der Widersprechenden übernommen, dass jährlich eine Auflage von … Mio. von ihren Telefonbüchern erscheine, wobei es sich dabei auch nicht um Branchenfernsprechbücher handle. Zudem wiesen die älteren Zeichen stark beschreibende Anklänge auf. Des Weiteren würden die Widerspruchsmarken gerade nicht für Branchenfernsprechbücher, sondern für Telefonbücher benutzt und dies auch in veränderter Form. Die Waren „Branchenfernsprechbücher“ und „Telefonbücher“ seien verschieden, da Branchenfernsprechbücher eine insgesamt gelbe Färbung aufwiesen und man nur nach Branchen suchen könne. Schließlich liege keine ausreichende Markenähnlichkeit vor; eine Prägung nur durch den Bestandteil „Örtliches“ in der jüngeren Marke könne nicht bejaht werden.

23

Die Beschwerdeführerin beantragt,

24

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des DPMA vom 11. Juli 2013 aufzuheben.

25

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

27

Sie ist der Auffassung, die eingereichten Unterlagen zeigten eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken für die Waren „Branchenfernsprechbücher“, denn ihre Produkte dienten der Suche nach Telefonnummern nicht nur von Privatleuten, sondern eben auch von Gewerbetreibenden, Freiberuflern sowie diversen Organisationen und Institutionen. Die leicht abgewandelte Form des benutzten Zeichens verändere den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarken nicht. Zutreffend sei die Markenstelle in dem angegriffenen Erinnerungsbeschluss auch von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen. Anders als die Beschwerdeführerin meine, besäßen die Widerspruchsmarken von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft, weil - wie das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung zur Wortmarkenanmeldung „Das Örtliche“ (29 W (pat) 163/10) festgestellt habe -, die Wortkombination nicht beschreibend sei. Wegen der Warenidentität und hohen Markenähnlichkeit habe die Markenstelle daher zu Recht eine Verwechslungsgefahr bejaht.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

29

Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg.

30

Denn der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung der Erinnerungsprüferin, dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist, die Markenstelle hat daher zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Die Vergleichsmarken weisen schriftbildliche, klangliche und begriffliche Annäherungen bzw. Gemeinsamkeiten auf, die nach Auffassung des Senats durch ihr Zusammenwirken eine markenrechtlich relevante, komplexe Verwechslungsgefahr begründen.

31

Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 - Calvin Klein/ HABM [CK CREACIONES KENNYA/CK CALVIN KLEIN]; GRUR 2010, 933 Rn. 32 - Barbara Becker; GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH WRP 2016, 336 - BioGourmet; MarkenR 2016, 46 Rn. 7 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2015, 176 Rn. 9 - ZOOM/ZOOM; GRUR 2015, 1008 Rn. 18 - IPS/ISP). Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr können zudem weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

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A) Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke 300 91 023

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Der Widerspruch aus der Marke 300 91 023 ist zulässig und begründet; die Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke 300 91 023 ist gegeben.

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1. Die im Schriftsatz vom 6. August 2013 von der Beschwerdeführerin und Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke ist zulässig. Die Nichtbenutzungseinrede erstreckt sich mangels Differenzierung auf beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG, weil sowohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der jüngeren Marke am 18. Februar 2011 wie zwangsläufig auch zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede die Widerspruchsmarke 300 91 023 bereits über fünf Jahre eingetragen war (Eintragung am 7. August 2001). Mithin oblag es der Widersprechenden und Beschwerdegegnerin, die Benutzung ihrer Widerspruchsmarke für den   Zeitraum   Februar 2006  bis  Februar 2011  und  für  den  Zeitraum

Dezember 2010 bis Dezember 2015 darzutun und glaubhaft zu machen. Dies ist ihr jedenfalls in Bezug auf die Widerspruchsware „Branchenfernsprechbücher“ der Klasse 16 gelungen.

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Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung u. a. Farbkopien der Umschlagseiten diverser Ausgaben von „Das Örtliche“ seit dem Jahr 2004, Infokarten über erscheinende Neuauflagen mit einer Auflagenhöhe von ca. … Mio. jährlich, eine Übersicht über die Anzahl der jährlichen „Das Örtliche“-Buchausgaben in Deutschland von 2004 bis 2014, farbige Ausdrucke über die Internetseite, in der das Online-Verzeichnis zu finden ist, eine tabellarische Übersicht über die Häufigkeit der Abrufe („Visits“) von 2004 bis 2013 sowie eine tabellarische Übersicht über die Anzahl der sog. Page Impressions seit 2009 eingereicht. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem vier eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, nämlich unter anderem eine eidesstattliche Versicherung der Leiterin Produktmanagement bei der D…… GmbH E… vom 10. Dezember 2015 mit Angaben zur Auflagenhöhe des Printverzeichnisses „Das Örtliche“ zwischen 2010 und 2014 sowie eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Das Örtliche Zeichen-GbR K… vom 11. Dezember 2015 mit Angaben zur Herausgabe des Printverzeichnisses in einer Herausgeber- und Verlegergemeinschaft, zu Auflagenhöhen der verschiedenen Angebote und zu Besucherzahlen auf der Homepage.

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Durch diese Benutzungsunterlagen sind Tatsachen hinsichtlich Art, Form, Ort und Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht, aus denen sich eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf die Ware „Branchenfernsprechbücher“ während der beiden relevanten Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG ergibt.

37

Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne von § 26 Abs. 1 MarkenG erfordert, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. GRUR 2013, 725 - Duff Beer; GRUR 2011, 623 Rn. 23 - Peek & Cloppenburg II; GRUR 2009, 772 Rn. 39 - Augsburger Puppenkiste). Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (BGH a. a. O. Rn. 13 - Duff Beer).

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Die Widerspruchsmarke ist funktionsgerecht zur Kennzeichnung von lokalen Telefonbüchern in Printform verwendet worden, wie die eingereichten Produktbeispiele zeigen. Auf diesen ist auf der Vorderseite an präsenter Stelle bis zur Ausgabe 2008/2009 das - auch als Marke eingetragene – Kennzeichen

39

 Abbildungund seit der Ausgabe 2009/2010 die (ebenfalls eingetragene) Marke Abbildung aufgedruckt. Zusätzlich hierzu befindet sich auf allen Telefonprintverzeichnissen (auch weiterhin) auf dem Buchrücken das Kennzeichen

Abbildung

40

Die Widerspruchsmarke wird daher zwar jeweils nur in abgeänderter Form, nämlich in anderer Schriftart bzw. grafischer Gestaltung benutzt. Jedenfalls die Verwendung des Zeichens auf dem Buchrücken ist aber als rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke anzuerkennen. Denn hiermit ist eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nicht verbunden, wobei insoweit gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG unbeachtlich ist, dass das verwendete Zeichen selbst als Marke eingetragen ist. Die Zusammenschreibung der Worte, die besonderen „i“ und „ö“- Striche und auch die Farben Weiß und Blau - wenn auch in Kontrastumkehr - sind in der tatsächlich benutzten Form weiter vorhanden. Die Charakteristik der Widerspruchsmarke bleibt erhalten. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Wortbestandteile der Widerspruchsmarke „DasÖrtliche“ nicht beschreibend sind (vgl. BPatG, Beschluss vom 01.12.2010, 29 W (pat) 163/10 – Das Örtliche), mithin die konkrete grafische Ausgestaltung nicht das schutzbegründende Element der Widerspruchsmarke darstellt, so dass nicht schon geringfügige Abweichungen den kennzeichnenden Charakter verändern (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 148). Da die Widerspruchsmarke der Art und Form nach bereits durch die Verwendung des Zeichens auf dem Buchrücken rechtserhaltend benutzt wird, muss darüber hinaus nicht mehr geprüft werden, ob die weitere abweichende Verwendungsform den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändert oder ob es sich auch insoweit nur um unbeachtliche Veränderungen handelt.

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Die durch E… und K… an Eides Statt versicherten Angaben über die Auflagenhöhe der Telefonprintverzeichnisse von 2010 bis 2014 mit über … bzw. … Millionen Büchern pro Jahr decken einen ausreichenden Teil der jeweils maßgeblichen Benutzungszeiträume ab. An einem ausreichenden Umfang der Benutzung für die - für den Endverbraucher kostenlosen - Verzeichnisse bestehen keinerlei Zweifel. Die Widersprechende ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; die Benutzung der Widerspruchsmarke auf den lokalen Verzeichnissen erfolgt durch 96 Partnerverlage mit ihrer Zustimmung im Sinne des § 26 Abs. 2 MarkenG.

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Bei den mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Telefonbüchern (Synonym = Fernsprechbücher, vgl. DUDEN Online unter www.duden.de) handelt es sich zudem um solche, die sowohl eine Telefonsuche nach Privatleuten wie auch nach Gewerbetreibenden, speziell sortiert nach einzelnen Branchen zulässt. Sie fallen daher unter den Warenbegriff „Druckereierzeugnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher“, für die die Widerspruchsmarke in Klasse 16 geschützt ist.

43

Der Senat geht daher im Streitfall von einer Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG für die Waren „Branchenfernsprechbücher“ aus und bezieht nur diese in den Warenvergleich nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ein. Ob für weitere Widerspruchswaren oder -dienstleistungen eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht wurde, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

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2. Ausgehend hiervon besteht zwischen den Widerspruchswaren „Branchenfernsprechbücher“ und den Waren der angegriffenen Marke „Telefonbücher“ Identität; denn die spezielleren Widerspruchswaren werden von der begrifflich weiteren Warenangabe Telefonbücher umfasst.

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3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist trotz gewisser beschreibender Anklänge des Wortbestandteils „DasÖrtliche“ insgesamt durchschnittlich. Ob ferner eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke anzuerkennen ist, muss nicht abschließend geprüft werden, weil der Widerspruch auch bei Zugrundelegung nur durchschnittlicher Kennzeichnungskraft Erfolg hat.

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4. Angesichts des Umstands, dass die Widerspruchswaren kostenlos zur Verfügung gestellt bzw. verteilt werden, dürfte das hier angesprochene allgemeine Publikum, an das sich die beschwerdegegenständlichen Waren richten, diesen eher nur mit geringer Aufmerksamkeit begegnen, was sich verwechslungsfördernd auswirkt. Selbst wenn man aber zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit ausgeht, kann eine Verwechslungsgefahr nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden.

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5. Ausgehend von Warenidentität, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und unterstellter normaler Aufmerksamkeit sind zur Vermeidung einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen; diesen wird die jüngere Marke nicht gerecht.

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Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 - Culinaria/ Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2008, 909 Rn. 13 - Pantogast; GRUR 2008, 905 Rn. 12 - Pantohexal). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR Int. 2014, 459 Rn. 42 - CLORALEX; GRUR Int. 2012, 754 Rn. 63 - XXXLutz Marken GmbH/HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR Int. 2010, 129., Rn. 60 - [Carbonell/La Espaňola]; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/ Zweibrüder). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 14 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2009, 487 Rn. 32 - Metrobus; GRUR 2006, 60 Rn. 17 - coccodrillo). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2015, 114 Rn. 23 - Springender Pudel; GRUR 2015, 1009 Rn. 24 - BMW-Emblem; GRUR 2014, 382 Rn. 25 - REAL-Chips; GRUR 2009, 1055 Rn. 26 - airdsl; BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393 Rn. 21 - HEITEC).

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Ob die zwischen den  Vergleichsmarken

50

  Abbildung und  Abbildung

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festzustellenden schriftbildlichen, klanglichen wie auch begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen schon zur Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausreichen - wie es die Erinnerungsprüferin in schriftbildlicher Hinsicht angenommen hat -, muss nicht abschließend beurteilt werden. Denn zwischen den Vergleichsmarken besteht der Sonderfall einer komplexen Markenähnlichkeit. Die angegriffene Marke kommt der Widerspruchsmarke unter jedem Aspekt sehr nahe, so dass das Zusammenwirken der Gemeinsamkeiten zu einer markenrechtlich relevanten komplexen Ähnlichkeit und damit zur Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr führt (vgl. zu diesem Sonderfall: Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 9 Rn. 296 m. w. N).

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Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil - sofern er kennzeichnungskräftig ist - den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR 2014, 378, Rn. 39 - OTTO CAP). Zudem ist für den phonetischen Zeichenvergleich maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben.

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Die Widerspruchsmarke wird in klanglicher Hinsicht durch die - kennzeichnungskräftigen - Wortbestandteile „Das Örtliche“ geprägt. Ferner spricht einiges dafür, dass das Publikum im Rahmen der mündlichen Wiedergabe der angegriffenen Marke von einer vollständigen Benennung der Wortelemente absieht und im Kontext des klanglichen Gesamteindrucks die verkürzte Benennung mit „Örtliches“ nutzt. Dies deshalb, weil die klangliche Wiedergabe durch die grafische Gestaltung einer Marke beeinflusst werden kann und zudem das Publikum erfahrungsgemäß dazu neigt, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen. Für eine klangliche Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil „Örtliches“ spricht, dass sich dieser Bestandteil grafisch durch die Position, die Schriftgröße und den darunter befindlichen Strich deutlich von den weiteren Wortbestandteilen abhebt und dadurch kennzeichnungsmäßig hervorgehoben ist. Schließlich drängt sich eine gesamtbegriffliche Einheit zwischen „Örtliches“ und der Angabe „Telefonbuch“ nicht auf. Im Gegenteil, gerade durch die konkrete grafische Ausgestaltung, nämlich durch den unter der Angabe befindlichen weißen Strich wird einerseits eher die Eigenständigkeit der Angabe „Örtliches“ und andererseits eine Zusammengehörigkeit nur von „Telefonbuch“ und der optisch völlig untergeordneten Herstellerangabe „der S… GmbH“ vermittelt. Die angegriffene Marke wird durch diese blickfangartige Herausstellung des Wortbestandteils „Örtliches“ beherrscht und daher vom Publikum auch nur mit diesem Bestandteil benannt werden. Die danach sich klanglich gegenüberstehenden Markenwörter „Das Örtliche“ und „Örtliches“ unterscheiden sich klanglich im Wesentlichen nur durch den am Wortanfang stehenden Artikel „Das“, wobei es letztlich auf die Frage, ob dieser Artikel vernachlässigt werden kann, im Hinblick auf die weiteren Übereinstimmungen in begrifflicher und schriftbildlicher Hinsicht, nicht mehr ankommt.

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Begrifflich zeigen die Vergleichszeichen wegen der Bestandteile „Örtliches“ und „DasÖrtliche“ Übereinstimmungen.

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Auch in schriftbildlicher Hinsicht weisen die Zeichen erhebliche Gemeinsamkeiten bei Farbgestaltung und Aufbau der Zeichen auf. Zwar lassen sich die (Schrift)Bilder auseinander halten, wenn die Marken gleichzeitig wahrgenommen werden. Im Regelfall erfolgt aber ein Vergleich aus der meist ungenauen Erinnerung, die erfahrungsgemäß von Übereinstimmungen stärker geprägt wird als von den Unterschieden. Insoweit verbleibt im visuellen Erinnerungsbild vor allem gerade die identische Farbwahl, die Ausgestaltung der Marken in einem Rechteck und die Wörter „DasÖrtliche“ bzw. „Örtliches“. Diesen Übereinstimmungen stehen Abweichungen insbesondere in der Wortanzahl und dem weißen Strich in der angegriffenen Marke, die in den Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, gegenüber. Ob die vorhandenen Übereinstimmungen trotz der Abweichungen für sich gesehen ausreichen, um schon eine unmittelbare schriftbildliche Verwechslungsgefahr zu bejahen, kann dahinstehen, da zwischen den Vergleichsmarken die begrifflichen und klanglichen Annäherungen hinzukommen, die im Ergebnis eine komplexe Ähnlichkeit begründen.

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In der gebotenen Zusammenschau führen diese Annäherungen bzw. Gemeinsamkeiten zur Annahme einer (komplexen) Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

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B) Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke 302 41 159

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Auch der Widerspruch aus dieser Widerspruchsmarke - die sich nur unwesentlich von der Widerspruchsmarke 300 91 023 unterscheidet - ist zulässig und begründet.

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Die Beschwerdeführerin hat bezüglich dieser am 2. April 2003 eingetragenen Widerspruchsmarke ebenfalls die Nichtbenutzungseinrede(n) nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG in zulässiger Weise erhoben. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr können die Widerspruchswaren der Klasse 16 „Druckereierzeugnisse, nämlich Branchenfernsprechbücher“ nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG berücksichtigt werden. Diesbezüglich ist die Widersprechende ihrer Obliegenheit nachgekommen, eine ernsthafte Benutzung ihrer Marke für die maßgeblichen Benutzungszeiträume   Februar 2006   bis   Februar 2011   und  Dezember 2010   bis

Dezember 2015 glaubhaft zu machen; auf die Ausführungen unter A. 1) wird Bezug genommen.

60

Zwischen den sich gegenüberstehenden Vergleichsmarken

61

Abbildung und  Abbildung

62

besteht aufgrund des Zusammenwirkens der klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Gemeinsamkeiten ebenfalls eine komplexe Verwechslungsgefahr. Auch hierzu wird auf die Ausführungen unter A. verwiesen.

63

Die Beschwerde hat nach alledem keinen Erfolg.

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Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen auf einen der Beteiligten ist nicht veranlasst, § 71 MarkenG.