Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2013


BPatG 28.06.2013 - 29 W (pat) 576/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Mimikresonanz" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2013
Aktenzeichen:
29 W (pat) 576/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 004 099.3

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. Juni 2013 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker und die Richterinnen Kortge und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Mimikresonanz

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wurde am 12. April 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmaterial; Waren aus Papier oder Pappe; Bildmaterial für Seminare und Schulungen; Fotografien; graphische Darstellungen;

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Klasse 41: Veranstaltung und Durchführung von Kursen, Seminaren, Schulungen und Workshops; Ausbildung, Trainerausbildung, Coaching, Online-Ausbildung, Online-Training; Publikation von Druckereierzeugnissen und Unterrichtsmaterial (auch in elektronischer Form); Online-Bereitstellung von Unterrichtsmaterial und elektronischen Präsentationen

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zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.

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Mit Beschluss vom 30. August 2012 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung teilweise, nämlich für alle Waren und Dienstleistungen bis auf die Waren der Klasse 16 "Waren aus Papier oder Pappe" zurückgewiesen.

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Der angemeldete Begriff sei ein sprachüblich gebildetes Kompositum, bei dem das Grundwort "Resonanz" durch das Bestimmungswort "Mimik" näher qualifiziert werde und der somit als beschreibende Angabe für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen konkret in Betracht komme. Die um Schutz ersuchende Bezeichnung habe die Bedeutung: "Reaktion auf ein Mienenspiel" und eigne sich als Themenangabe, zumal ein breites Angebot zu diesem Themengebiet existiere. Deshalb sei der Begriff für die übrigen Anbieter derartiger Waren und Dienstleistungen freizuhalten. Hierbei sei eine tatsächliche Bekanntheit und Verwendung der Marke in ihrer beschreibenden Bedeutung unerheblich, es reiche vielmehr die Möglichkeit einer Verwendung aus. Eine Mehrdeutigkeit der Bezeichnung sei nicht zu erkennen, zumal eine beschreibende Bedeutung der Marke zur Versagung des Schutzes ausreichend sei.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss des DPMA vom 30. August 2012 aufzuheben.

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Sie hat die Beschwerde nicht begründet. Im Amtsverfahren hat sie vorgetragen, das angemeldete Wortzeichen sei in der deutschen Sprache weder nachweisbar noch habe es eine direkt einleuchtende Bedeutung. Die ihm von der Markenstelle zugeschriebene Bedeutung "Reaktionen auf das Mienenspiel" sei so unklar, dass es ohne nähere Erläuterungen unverständlich bleibe. Die mögliche Bedeutung des Zeichens als Hinweis auf den Inhalt von Druckereierzeugnissen oder Schulungen müsse bei der Prüfung außer Acht bleiben, da ansonsten jeglicher Begriff, der irgendeinen Inhalt habe, als Marke ausgeschlossen sei. Wenn der Inhalt nicht berücksichtigt werde, habe der Begriff "Mimikresonanz" keinerlei beschreibende Bedeutung für Druckereierzeugnisse oder Seminare. Das Zeichen sei zudem mehrdeutig, da es sowohl als "Reaktionen auf das Mienenspiel" als auch "Mienenspiel als Reaktion" verstanden werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Link Economy könne dem Zeichen daher das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Ein Freihaltebedürfnis bestehe ebenfalls nicht. Der Begriff werde noch nicht verwendet und eine zukünftige Verwendung sei auch nicht wahrscheinlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "Mimikresonanz" steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

1.

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Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a.a.O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a.a.O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1101,1102 Rn. 23 – TOOOR!).

2.

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Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den allgemein gebräuchlichen Fremdwörtern "Mimik" und "Resonanz" zusammen. Unter Mimik versteht man das Mienenspiel, den Wechsel im Ausdruck des Gesichts und in den Gebärden als Nachahmung fremden oder als Ausdruck eigenen Erlebens (Duden-online). Resonanz bedeutet in der Physik und Musik das Mitschwingen, -tönen eines Körpers in der Schwingung eines anderen Körpers. Bildungssprachlich bezeichnet der Begriff auch die Gesamtheit der Diskussionen, Äußerungen, Reaktionen, die durch etwas hervorgerufen worden sind und sich darauf beziehen, Widerhall und Zustimmung (Duden-online).

3.

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Als Gesamtbegriff ist das Zeichen lexikalisch nicht nachweisbar. Gleichwohl ist der Begriff "Mimikresonanz" unmittelbar verständlich, und zwar entweder im Sinne von "Reaktionen auf das Mienenspiel" oder im Sinne von "Reaktionen, die sich im Mienenspiel ausdrücken". Beide Bedeutungen sind ohne weiteres erfassbar und beschreiben die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Insoweit unterscheidet sich das Anmeldezeichen von der mehrdeutigen Wortfolge "Link Economy" (BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 12), die in ihrer Kombination keinen sich aufdrängenden, ohne weiteres ersichtlichen beschreibenden Begriffsgehalt aufwies, sondern deren Bedeutung erst durch mehrere analysierende Zwischenschritte ermittelt werden musste. Eine über die Summe der Einzelbedeutungen hinausgehende Bedeutung kommt der Wortkombination ebenfalls nicht zu. Die von dem Beschwerdeführer angeführte inhaltliche Unbestimmtheit des Zeichens verleiht ihm keine Unterscheidungskraft. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen (BGH GRUR 2000 882 - Bücher für eine bessere Welt). Es handelt sich bei dem Begriff "Mimikresonanz" nämlich um eine Sammelbezeichnung, die eine Vielzahl von Ideen erfassen soll, für die die Leistungen in Anspruch genommen werden können.

4.

17

Für die beanspruchten Waren der Klasse 16 "Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmaterial, Bildmaterial für Seminare und Schulungen, Fotografien, grafische Darstellungen" ist das Zeichen in den beiden Bedeutungen "Reaktionen auf das Mienenspiel" und "Reaktionen, die sich im Mienenspiel ausdrücken" rein beschreibend im Sinne einer Inhaltsangabe. Die Interpretation von Mimik und die Bedeutung der Mimik als Teil der Körpersprache in der Kommunikation sind ein bedeutendes Forschungsgebiet von Psychologie und Biologe, wie sich schon aus den Recherchebelegen des DPMA (Blatt 32 – 36 RA) ergibt und wie auch die dem Beschwerdeführer im Vorfeld übersandten Recherchebelege des Senats bestätigen. Auch der Anmelder selbst benutzt den Begriff "Mimikresonanz" in seinem Internetauftritt in diesem Sinne.

18

"Im Bereich der nonverbalen Kommunikation sind wir auf Mimikresonanz spezialisiert. Mimikresonanz ist ein auf den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft aufbauendes Trainingskonzept, um mimische Signale zu erkennen, richtig zu interpretieren und angemessen damit umzugehen."

19

Daher werden die beteiligten Verkehrskreise, hier die allgemeinen Verbraucher, in dem Zeichen keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern eine bloße Sachaussage über die in der Klasse 16 beanspruchten Waren erkennen.

5.

20

Für die Dienstleistungen "Veranstaltung und Durchführung von Kursen, Seminaren, Schulungen und Workshops; Ausbildung, Trainerausbildung, Coaching, Online-Ausbildung, Online-Training" erschöpft sich das Zeichen ebenfalls in einer beschreibenden Angabe für Fortbildungen, die den Blick für die Erkennung und Bedeutung von Reaktion und Gegenreaktion auf wechselnde Gesichtsausdrücke schulen sollen. Die Bedeutung der Mimik als Teil der Kommunikation ist häufig Gegenstand von Fortbildungsveranstaltungen:

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- "Die Grundlagen der nonverbalen Kommunikation bei Präsentationen. Dabei geht es um die Mimik" (http://www.coaching-campus.com/de/unsere-themen/praesentations-coaching/praesentation-video-4-mimik-gestik-koerpersprache-coaching-campus.html);

22

- Mimik Training Seminar:  Mimik ist eine Form der nonverbalen Kommunikation … (www.frontline-consulting.de);

23

- Seminar/Coaching "Körpersprache: Unser Körperspracheseminar versetzt Sie in die Lage, eine Redesituation erfolgreich zu meistern, indem Sie Gestik, Mimik und Intonation gewinnbringend einsetzen" (http://www.management-kommunikation.de/produkteseminarkoerpersprache.htm).

24

Der Auffassung des Beschwerdeführers, die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Zeichen für Waren und Dienstleistungen, die einen geistigen Inhalt transportieren, müsse unabhängig von diesem Inhalt erfolgen, da sonst jeder Begriff, der als Inhalt in Frage komme, von der Verwendung als Marke ausgeschlossen sei, geht fehl. Denn er verkennt, dass ein Zeichen nur dann als betrieblicher Herkunftshinweis und damit zur Unterscheidung der Leistung eines bestimmten Unternehmens von den gleichartigen Leistungen der Mitbewerber dienen kann, wenn es gerade nicht die Ware oder Dienstleistung inhaltlich beschreibt oder sich jedenfalls nicht in einer solchen Beschreibung erschöpft. Dies schließt den geistigen Inhalt von Waren und Dienstleistungen mit ein.

6.

25

Zu den Dienstleistungen "Publikation von Druckereierzeugnissen und Unterrichtsmaterial (auch in elektronischer Form), Online-Bereitstellung von Unterrichtsmaterial und elektronischen Präsentationen" steht das Zeichen in einem engen sachlichen Bezug. Wegen der Nähe zwischen den Dienstleistungen Publikation bzw. Online-Bereitstellung und den publizierten bzw. bereitgestellten Inhalten wird einem Zeichen, das für Druckereierzeugnisse beschreibend ist, im Regelfall für die Dienstleistungen der Herausgabe ebenfalls die Unterscheidungskraft fehlen (BGH GRUR 2003, 342 f. – Winnetou). Dies gilt nach der neusten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 522, 523 – Deutschlands schönste Seiten) vor allem dann, wenn das in Rede stehende Zeichen geeignet ist, einen weiten Themenbereich abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften zu umschreiben. Wenn das Zeichen sich dagegen nur zur Beschreibung eines bestimmten Themas oder eines einzelnen Druckwerks eignet, kann es für Verlagsdienstleistungen Unterscheidungskraft aufweisen, weil der Verkehr nicht generell davon ausgehen wird, dass derartige Dienstleistungen auf entsprechende Themenkreise beschränkt seien. Der Begriff "Mimikresonanz" deckt den weiten Themenbereich der Mimikforschung ab, der sich sowohl auf die verbale und nonverbale menschliche Kommunikation als auch auf Verständigungsformen im Tierreich erstreckt. Damit umfasst er ein weites Spektrum an möglichen Veröffentlichungen und eignet sich auch zur Beschreibung von Verlagsdienstleistungen.

7.

26

Da der Eintragung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht, kann dahingestellt bleiben, ob auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt ist.