Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.11.2014


BPatG 18.11.2014 - 29 W (pat) 572/12

Markenbeschwerdeverfahren – "carmaster" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
18.11.2014
Aktenzeichen:
29 W (pat) 572/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 064 468.0

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 18. November 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin Akintche

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. August 2012 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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carmaster

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ist am 4. November 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels in den Bereichen Fahrzeugzubehör, Fahrzeugersatzteile und Werkzeuge; Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels über das Internet in den Bereichen Fahrzeugzubehör, Fahrzeugersatzteile und Werkzeuge; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken

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angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 16. August 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Bei dem Anmeldezeichen handle es sich um eine sprachübliche, ohne weiteres verständliche beschreibende Angabe im Sinne von „Automeister“. Das Zeichen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Qualität und somit Beschaffenheit der beanspruchten Dienstleistungen verstanden, nämlich dass diese unter Einsatz eines Meisters oder durch einen Meister (Fachmann/Hochschulabschluss/Sieger) auf dem Gebiet der Fahrzeuge/Autos/Wagen erbracht würden. Dies vor allem deshalb, weil Begriffe wie KFZ-Meister, Karosseriemeister, Lackiermeister, Werkzeugmeister, Bademeister, Straßenmeister, Baumeister etc. ebenso gängig seien.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 16. August 2012 aufzuheben.

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Entgegen der Auffassung der Markenstelle handle es sich nicht um eine beschreibende Aussage, sondern um eine sprachliche Neuschöpfung mit herkunftshinweisendem Charakter. Weder existiere das Anmeldezeichen in der deutschen noch in der englischen Sprache. Vielmehr entstehe durch die Wortverbindung eine neue Gesamtheit, die den möglichen schutzunfähigen Charakter der Wortbestandteile aufhebe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des Zeichens stehen für die beanspruchten Dienstleistungen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es der angemeldeten Marke nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn.  33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 270 Rn.  8 - Link economy; GRUR 2010, 825 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952 Rn. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH, Beschluss vom 15. April 2014, I ZB 29/13 Rn. 12 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 - TOOOR!; a. a. O. Rn. 28 f. -FUSSBALL WM 2006). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 - DOUBLEMINT; 674, 678 Rn. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rn. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59 Rn. 21 - Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. - CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rn. 39 f. - BIOMILD; a. a. O. Rn. 28 - SAT 2; BGH, Beschluss vom 15. April 2014, I ZB 29/13 Rn. 16 – DüsseldorfCongress).

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Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen „carmaster“ über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Denn in Bezug zu den hier beanspruchten Handelsdienstleistungen der Klasse 35 enthält die Bezeichnung weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

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Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden englischen Begriffen „car“ und „master“ zu einem Substantiv zusammen.

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Das Wort „car“ gehört zum englischen Grundwortschatz und bedeutet „Auto, Wagen, Fahrzeug“ (vgl. PONS, Online-Wörterbuch). Damit kann dieser Bestandteil hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 einen unmittelbaren Sachhinweis auf die Waren, nämlich Autos geben, die zu Präsentations- und Verkaufszwecken zusammengestellt werden. In Bezug zu den übrigen Handelsdienstleistungen wird zwar kein unmittelbarer Hinweis auf deren Gegenstand bzw. Sortiment gegeben, weil die englischen Wörter für Fahrzeugzubehör „car accessories/car component“, für Fahrzeugersatzteile „spare parts/replacement parts“ und für Werkzeuge „tools“ lauten. Gleichwohl stehen auch diese Produkte in einem engen sachlichen Zusammenhang zur Angabe „car“. Das hier angesprochene breite Publikum wird den Begriff daher nur in beschreibendem Sinn verstehen.

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Der weitere englische Bestandteil „master“ bedeutet „Herr, Meister, Könner, Magister“ (vgl. PONS, Online-Wörterbuch) und kann als werblicher Hinweis auf einen Dienstleistungsanbieter aufgefasst werden, der auf seinem Gebiet ein Könner bzw. Meister ist. Im deutschen Sprachgebrauch ist der Zeichenbestandteil dem allgemeinen Publikum schon aus Wortverbindungen wie „Talkmaster“, „Quizmaster“ und „Showmaster“ bekannt (vgl. DUDEN, www.duden.de); mit diesen Begriffen wird die Person bezeichnet, die die jeweilige Veranstaltung leitet, ihr vorsteht und ihren Ablauf beherrscht, also ihr „Meister“ ist. Damit vergleichbar ist auf den Gebieten der Informationstechnologie und der Telekommunikation der Begriff des „Webmaster“ für eine Person entstanden, die verschiedene Zuständigkeiten hat. Darüber hinaus ist das Wort „Master“ in erster Linie heute als Bezeichnung eines akademischen Grades in Gebrauch (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 2010). Schließlich wird der Bestandteil „master“ auch in Wortverbindungen als Qualitätshinweis verwendet, um ein Gerät oder Produkt als besonders gut und exklusiv zu kennzeichnen; entsprechend gebildeten Zeichen wurde daher wiederholt die Schutzfähigkeit abgesprochen (vgl. etwa Beschluss vom 15. Dezember 2004, BPatG 29 W (pat) 93/03 – AuditMaster; Beschluss vom 11. August 1995, 32 W (pat) 137/95 – Finishmaster; Beschluss vom 28. April 1995, 32 W (pat) 171/95 – ECOMASTER).

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Trotz der beschreibenden bzw. anpreisenden Bedeutung der beiden Einzelbestandteile stellt das Gesamtzeichen „carmaster“ aber keine Sachangabe dar. Denn die konkrete Zusammensetzung ist sprachunüblich und erschöpft sich – anders als die Markenstelle meint - nicht nur in einer Angabe, die auf die berufliche Qualifikation des Händlers und Qualität der Dienstleistungen hinweist.

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Weder handelt es sich bei „carmaster“ im Englischen um einen lexikalisch nachweisbaren oder gebräuchlichen Begriff noch ist der entsprechende deutsche Begriff „Automeister“ lexikalisch erfasst oder sachbeschreibend in Gebrauch.

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Eine Berufsbezeichnung „carmaster“ gibt es im Englischen nicht; vielmehr sind zur Beschreibung der Tätigkeit vergleichbar der eines KFZ-Meisters Begriffe üblich wie z. B. „Master mechanic“, „automobile technician“, „Master craftsman (in automobile engineering)“. Der Senat konnte zudem im Rahmen einer Recherche nicht feststellen, dass der Begriff „carmaster“ im englischen oder deutschen Sprachraum als Qualitätsangabe für Handelsdienstleistungen im Zusammenhang mit Autos und Autozubehör verwendet wird.

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Auch in seiner deutschen Bedeutung „Automeister“ ist das Zeichen nicht als Hinweis auf die berufliche Ausbildung und Kompetenz des Auto(teile)Händlers geeignet, weil die entsprechende Qualifikation im Bereich des KFZ-Handwerks nicht als „Automeister“, sondern als „KFZ-Meister“ bezeichnet wird. Der Begriff „Automeister“ kann auch nicht mit der gesetzlich geschützten Bezeichnung „KFZ-Meister“ im Sinne des § 51 der Handwerksordnung gleichgestellt werden. Anhaltspunkte für ein insoweit bestehendes Sprachverständnis bestehen nicht; vielmehr ist die Verwendung des Begriffs „Automeister“ – auch in der Umgangssprache - nicht üblich. Die dem angefochtenen Beschluss der Markenstelle beigefügte Seite einer Google-Trefferliste über den Suchbegriff „Automeister“ ist unbehelflich, denn die dortigen Treffer zeigen ersichtlich eine markenmäßige Verwendung. So gehen sie allesamt auf eine Werkstatt-Kette und deren Franchisenehmer zurück; überdies ist die Firma Inhaberin entsprechender „Automeister“-Wortmarken (Gemeinschaftsmarke 006319065 für Klassen 9, 12, 16, 35, 36, 37, 39, 40, 41 und 42 und nationale Marke 30 2012 055 73 für Klassen 12, 37, 40 und 41). Bei den weiteren von der Markenstelle aufgeführten Bezeichnungen wie Lackiermeister, Malermeister, Karosseriemeister etc. handelt es sich – im Gegensatz zu dem Wort „Automeister“ - um gängige bzw. staatlich anerkannte Berufsbezeichnungen. Schließlich hat auch die Recherche des Senats keine bzw. keine ausreichenden Nachweise über eine sachbeschreibende oder rein werblich anpreisende Verwendung des Begriffs „Automeister“ ergeben.

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Zweifellos handelt es sich bei „carmaster“ um ein sog. „sprechendes“ Zeichen mit deutlich beschreibenden Anklängen, weil die angesprochenen Verkehrskreise darin eine produktbezogene Werbeaussage in dem Sinne hineinlesen, dass der Händler bzw. Dienstleistungsanbieter hohe fachliche Kompetenz in der Auto(teile)branche besitzt. Dies genügt jedoch nicht, dem Zeichen jede Unterscheidungskraft abzusprechen. Denn solche produktbezogenen Anspielungen oder Assoziationen stehen einer Schutzgewährung nicht entgegen. Zum Verständnis des Zeichens im Sinne einer solchen Aussage gelangt das Publikum nämlich erst über gedankliche Zwischenschritte, indem es zunächst den englischen Begriff „carmaster“ mit „Automeister“ übersetzen, diesen ungebräuchlichen Begriff mit „KFZ-Meister“ gleichsetzen und damit auf die Qualifikation des Anbieters und die Qualität der Handelsdienstleistungen schließen muss. Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine derartige analysierende Betrachtungsweise aber unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung der Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rn. 24 - smartbook; GRUR 2012, 270 Rn. 12 - Link economy).

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Dem Zeichen kann daher nicht die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis abgesprochen werden.

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2. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist aus den genannten Gründen ebenfalls nicht gegeben.