Entscheidungsdatum: 17.04.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 065 420.4
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. April 2013 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker sowie die Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Gesamtverband Autoteile-Handel
ist am 5. Dezember 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Bücher, Photographien, Schreibwaren, Lehr- und Unterrichtsmittel soweit in Klasse 16 enthalten;
Klasse 35: Werbung; Werbeberatung; Geschäftsführung; Vertretung bei Behörden, Verbänden und Berufsorganisationen; Unternehmens- und Organisationsberatung und -verwaltung, Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten, Aufstellungen von Statistiken, Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung; Marktanalyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; Bürotätigkeiten; Verbandstätigkeiten, insbesondere Vertretung der Interessen von Verbandsmitgliedern;
Klasse 41: Ausbildung; Erziehung; Unterricht; Weiterbildung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Durchführung von Seminaren und Tagungen; kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42: Wissenschaftliche und industrielle Forschung und Entwicklung; technische Beratung und Bewertung, Projektplanung, Erstellen von Programmen (Software) für die Datenverarbeitung; Erstellung von technischen Gutachten.
Mit Beschluss vom 2. August 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass das Wortzeichen sprachüblich gebildet sei. Der Markenbestandteil „Verband“ sei als Bezeichnung für einen größeren Zusammenschluss von mehreren Personen oder mehreren kleineren Vereinigungen, Klubs o. Ä. zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen bekannt und gebräuchlich. Der Zusatz „Gesamt-„ bringe lediglich zum Ausdruck, dass es sich um einen Gesamtverbund, also eine Vereinigung von Vielen, handele. In Verbindung mit der Bestimmungsangabe „Autoteile-Handel“ weise die Bezeichnung für die angesprochenen Fach- und Abnehmerkreise daher auf einen Zusammenschluss hin, der sich mit allem rund um Autoteile und Handel beschäftige. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das Anmeldezeichen daher als beschreibenden Hinweis darauf auffassen, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von (irgendeiner) Vereinigung stammten oder erbracht würden, die sich mit Autoteilen und Handel befasse, der Anbieter der fraglichen Waren und Dienstleistungen zu einem solchen Verband gehöre oder die Waren und Dienstleistungen einen derartigen Verband zum Gegenstand bzw. Thema hätten oder sonst in einem engen Zusammenhang damit stünden. Vergleichbare Instituts-, Verbands- oder Vereinsbezeichnungen, wie z. B. „Deutsches Institut für Menschenrechte“ (BPatG 24 W (pat) 43/10), „Deutsches Notarinstitut“ (BPatGE 48, 65), „German Pain Association e. V.“ (BPatG 32 W (pat) 230/04) oder „Hausärztliche Vereinigung Deutschland (BPatG 30 W (pat) 53/09) seien ebenfalls als nicht unterscheidungskräftig angesehen worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. August 2012 aufzuheben.
Er vertritt die Ansicht, die Markenstelle habe nicht in Bezug auf jede einzelne der beanspruchten Dienstleistungen überprüft, ob Unterscheidungskraft vorliege. Ferner verweist er auf die BPatG-Entscheidung zu „German Poker Players Association“ (GRUR 2010, 342 f.). Das angemeldete Wortzeichen „Gesamtverband Autoteile-Handel“ weise für die angesprochenen Verkehrskreise auf einen bestimmten Rechtsträger hin, der als ein Unternehmen in Betracht komme, aus welchem die mit ihm gekennzeichneten Dienstleistungen stammen könnten. Es handele sich zudem um einen tatsächlich existierenden, typischen Verbands- bzw. Vereinsnamen. Ein Freihaltebedürfnis sei ebenfalls zu verneinen, weil die Angabe „Gesamtverband Autoteile-Handel“ keine konkrete Aussage über die Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstige Merkmale der Waren und Dienstleistungen treffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Gesamtverband Autoteile-Handel“ als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.
a)
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 – BIOMILD; GRUR 2008, 503 Rdnr. 22, 23 – ADIDAS II). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - BIOMILD). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist immer auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
b)
Ausgehend von diesen Vorgaben ist die angemeldete Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich nicht nur um das allgemeine Publikum, sondern auch um Kreise mit besonderen Fachkenntnissen handelt, beschreibend.
Das Anmeldezeichen setzt sich sprachüblich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache, nämlich den Substantiven „Gesamtverband“, „Autoteile“, und „Handel“ zusammen, wobei die beiden letzten mit einem Bindestrich verbunden sind.
aa)
Unter dem Begriff „Gesamtverband“ versteht man einen „Verband, in dem mehrere gleichartige Verbände, Organisationen oder Firmen zusammengeschlossen sind“ (www.duden.de). Ein Verband wiederum bezeichnet in diesem Zusammenhang „einen von mehreren kleineren Vereinigungen, Vereinen, Klubs o. Ä. oder von vielen einzelnen Personen zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen gebildeten größeren Zusammenschluss“ (www.duden.de).
bb)
Der Zeichenbestandteil „Autoteile“ ist die Pluralform von „Autoteil“, bei dem es sich um ein „Teil[stück] eines Autos, für Autos“ handelt (www.duden.de).
cc)
Der Begriff „Handel“ beschreibt den „Teilbereich der Wirtschaft, der sich dem Kauf und Verkauf von Waren, Wirtschaftsgütern widmet; Gesamtheit der Handelsunternehmen; Geschäftswelt“, „das Kaufen und Verkaufen, Handeln mit Waren, Wirtschaftsgütern“ oder „Warenaustausch; Geschäftsverkehr“ (www.duden.de).
dd)
Der Bindestrich, ein „kurzer Querstrich, der zwei zusammengehörende Wörter miteinander verbindet oder für einen ausgesparten Wortteil steht“ (www.duden.de), fügt die beiden Begriffe „Autoteile“ und „Handel“ zu einem Gesamtbegriff im Sinne von „Autoteilehandel“ bzw. „Handel mit Autoteilen“ zusammen.
ee)
Auch die – bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind – vorzunehmende Gesamtbetrachtung (EuGH a. a. O. Rdnr. 28 – SAT 2; a. a. O. Rdnr. 96 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 13 – VISAGE) führt vorliegend nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile der Wortfolge hinausgehen würde.
Die angesprochenen Verkehrskreise werden das Gesamtzeichen „Gesamtverband Autoteile-Handel“ lediglich als beschreibende Angabe eines Zusammenschlusses mehrerer Verbände von Firmen verstehen, die sich mit dem Kauf und Verkauf von Teilstücken für Autos befassen, bzw. als Sachhinweis auf eine Vereinigung von Organisationen wirtschaftlicher Zulieferbetriebe für die Autoindustrie, die die angemeldeten Waren und Dienstleistungen für seine Mitglieder bereitstellt oder benötigt. Damit erschöpft sich die angemeldete Wortfolge in der beschreibenden Angabe des Erbringers, Anbieters oder Adressaten sowie der Bezeichnung des Gegenstands, Inhalts oder der Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
aaa)
Die in Klasse 16 angemeldeten Waren „Druckereierzeugnisse, Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Bücher, Lehr- und Unterrichtsmittel soweit in Klasse 16 enthalten“ können von einem „Gesamtverband Autoteile-Handel“ herausgegeben werden und/oder sich inhaltlich mit dessen Tätigkeitsbereich, also mit den Handel mit Autoteilen betreffenden wirtschaftlichen Themen und Fragestellungen, befassen.
„Photographien“ können Gebäude, Veranstaltungen, Mitglieder etc. eines solchen Gesamtverbandes abbilden. Auch „Schreibwaren“ können von einem solchen Verband vertrieben werden.
bbb)
Die in Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen „Werbung; Werbeberatung; Geschäftsführung; Vertretung bei Behörden, Verbänden und Berufsorganisationen; Unternehmens- und Organisationsberatung und -verwaltung, Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten, Aufstellungen von Statistiken, Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung; Marktanalyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; Bürotätigkeiten; Verbandstätigkeiten, insbesondere Vertretung der Interessen von Verbandsmitgliedern“ können von einem solchen Verband erbracht werden und dazu bestimmt sein, über den Autoteilehandel betreffende Wirtschaftsfragen zu informieren oder Mitgliedern in diesem Wirtschaftsbereich Hilfestellung zu leisten.
ccc)
Die in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen „Wissenschaftliche und industrielle Forschung und Entwicklung; technische Beratung und Bewertung, Projektplanung, Erstellen von Programmen (Software) für die Datenverarbeitung; Erstellung von technischen Gutachten“ können ebenfalls von einem derartigen Verband für seine Mitglieder angeboten und erbracht werden.
ddd)
Dies gilt auch für die in Klasse 41 angemeldeten Dienstleistungen.
c)
Der Annahme einer beschreibenden Angabe steht auch nicht entgegen, dass die angemeldete Wortfolge eine gewisse Unbestimmtheit dahingehend aufweist, welches konkrete Wirkungsfeld der Verband hat und mit welchen konkreten Fragestellungen im Wirtschaftssektor „Autoteilehandel“ es sich befasst oder welche konkreten Aufgaben es darin erfüllt. Denn eine beschreibende Benutzung als Sachangabe für die Waren und Dienstleistungen setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff kann auch auszugehen sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (BGH GRUR 2008, 900, 901 Rdnr. 15 – SPA II; GRUR 2000, 882 f. – Bücher für eine bessere Welt).
d)
Soweit der Beschluss des 27. Senats des Bundespatentgerichts vom 18. November 2009 (27 W (pat) 139/09, GRUR 2010, 342 f. – German Poker Players Association) von dieser Rechtsauffassung abweicht, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu „Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.“ (GRUR 2012, 276, 277 Rdnr. 13 ff.) am 17. August 2011 entschieden, dass es für die Frage, ob eine Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen vom Verkehr als beschreibend aufgefasst wird, ohne Bedeutung sei, ob die Wortfolge zur Bezeichnung eines Vereins über originäre Kennzeichnungskraft verfügt.
2.
Da das angemeldete Zeichen „Gesamtverband Autoteile-Handel“ im Verkehr zur Beschreibung der von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen dienen kann und somit nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vorliegt.