Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.02.2012


BPatG 29.02.2012 - 29 W (pat) 556/10

Markenbeschwerdeverfahren – "concertini" – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
29.02.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 556/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 015 300.8

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. Februar 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Oktober 2010 wird aufgehoben, soweit die Markenanmeldung für die Dienstleistungen

der Klasse 41: Organisation und Durchführung von sportlichen Veranstaltungen

zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

concertini

3

wurde am 12. März 2010 zur Eintragung in das Markenregister für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:

4

Klasse 9:

5

Elektronische Publikationen (herunterladbar und/oder auf Datenträgern); Magnetaufzeichnungsträger (insbesondere Musikkassetten, Tonbänder, Videobänder, Digital-Audio-Tape); Ton- und Bildtonträger in allen Formaten, bespielt mit Musik- und/oder Filmproduktionen sowie interaktive Speichermedien jeden Formats (insbesondere CD, Langspielplatten, Minidisc, CD-Rom.CD-I, DVD);

6

Klasse 16:

7

Druckereierzeugnisse; Magazine; Zeitschriften;

8

Klasse 35:

9

Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen Tonträger und Datenträger; Druckereierzeugnisse; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Sponsoring in Form von Werbung; Werbung; Werbung durch Werbeschriften; Werbung im Internet für Dritte;

10

Klasse 38:

11

Bereitstellung des Zugriffs auf Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet, anderen Datennetzen sowie Online-Diensten, soweit in Klasse 38 enthalten; Elektronische Anzeigenvermittlung [Telekommunikation]; Telekommunikation; Übermittlung und Verbreitung von Ton- und Bildtonaufnahmen im Rahmen der gängigen und zukünftigen Möglichkeiten der Telekommunikation, also auf unkörperlichem Wege inkl. der Übertragung zum Zweck der akustischen und/oder optischen Wahrnehmung, Aufführung, Vervielfältigung und/oder öffentliche Wiedergabe (insbesondere im Internet und bei Online-Diensten);

12

Klasse 41:

13

Auskünfte über Veranstaltungen [Unterhaltung]; Eintrittskartenvorverkauf [Unterhaltung]; Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Unterhaltung.

14

Durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 12. Oktober 2010 wurde die Eintragung zurückgewiesen.

15

Das Zeichen sei als betrieblicher Herkunftshinweis ungeeignet, da ihm für die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. "concertini" bedeute "kleine Konzerte". Das Zeichen sei damit ein Sachhinweis auf Art, Gegenstand, Inhalt und Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, nämlich, dass diese in welcher Weise auch immer Konzerte zum Inhalt hätten.

16

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

17

den Beschluss des DPMA vom 12. Oktober 2010 aufzuheben.

18

Das Wort concertino bezeichne im Italienischen eine im Barock solistisch wirkende Instrumentalgruppe. Das Zeichen sei nicht geläufig. Es werde von dem beteiligten Verkehr als neue Wortkonstruktion aufgenommen, ein etwaiger beschreibender Inhalt trete zurück. Jedenfalls sei entscheidend, dass das Zeichen in einer Art und Weise und an einer Position auf der Ware angebracht werden könne, dass es als Herkunftshinweis dienen könne. Dies sei im vorliegenden Fall jedenfalls denkbar. Im Eintragungsverfahren dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet der klassischen Musik erbracht würden.

19

Zum weiteren Sachvortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

20

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig. Sie ist aber überwiegend unbegründet.

21

Der Anmelder hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens für die Dienstleistungen "Organisation und Durchführung von sportlichen Veranstaltungen". Für diese Dienstleistungen steht der Eintragung kein Schutzhindernis entgegen, insbesondere hat das Zeichen keinerlei beschreibenden Bezug zum Bereich des Sports. Daher war der Beschwerde insoweit stattzugeben und der angegriffene Beschluss teilweise aufzuheben.

22

Hinsichtlich der weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen besteht jedoch kein Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der Eintragung ein absolutes Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

23

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Publikum als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; TRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

24

Der Begriff "concertini" ist die Pluralform des Wortes "concertino", bei dem es sich um einen aus der italienischen Sprache stammenden Fachausdruck der Musikwissenschaft handelt. Er hat zwei Bedeutungen (Brockhaus: Musik; J. B. Metzler: Musiklexikon):

25

- (im Barock) eine Gruppe von Soloinstrumenten, die vor allem im Concerto grosso dem Orchestertutti gegenübersteht,

26

- (ab dem 19. Jahrhundert) kürzere Komposition für Soloinstrument und kleines Orchester.

27

In seiner zweiten Bedeutung als kleines Orchesterstück ist der Begriff auch dem allgemeinen Publikum bekannt. Die Pluralform des Zeichens führt nicht zu einer Verfremdung des Begriffes, da das –i als männliche Pluralendung bei im Deutschen benutzten italienischen Worten häufig vorkommt (Spaghetti, Tortellini, Funghi).

28

In seiner Bedeutung als kleine Konzerte hat das Zeichen einen beschreibenden Inhalt für die übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen:

29

Kleine Konzerte können Inhalt elektronischer Publikationen oder von Magnetaufzeichnungsträgern, bespielten Ton- und Bildtonträgern sein.

30

Sie können Thema von Druckereierzeugnissen, Magazinen und Zeitschriften sein. Die Dienstleistungen des Einzelhandels können sich auf mit Konzerten bespielte Datenträger und Druckereierzeugnisse über Konzerte beziehen. Bezüglich der beanspruchten Werbedienstleistungen "Onlinewerbung und Werbung", bzw. "Präsentation von Waren" wird das angesprochene Publikum in dem Zeichen einen beschreibenden Hinweis auf die Musikbranche, in der die Dienstleistungen erbracht werden, sehen (BGH GRUR 2009 949, 952 - My world). Sponsoring kann sich auf Konzertaufnahmen und –aufführungen beziehen.

31

Gleiches gilt für die Bereitstellung des Zugriffs auf Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet und elektronische Anzeigenvermittlung und Übertragung auf dem Weg der Telekommunikation und Auskünfte über Veranstaltungen sowie den Eintrittskartenvorverkauf.

32

Auch für Telekommunikation ist das Zeichen inhaltlich beschreibend, da darunter die Übertragung von Inhalten fällt.

33

Ob der Anmelder die beanspruchten Waren und Dienstleistungen tatsächlich auf dem Gebiet der klassischen Musik anbieten will, ist irrelevant, da der Bereich der klassischen Musik jedenfalls auch in die beanspruchten Waren- und Dienstleistungsgruppen fällt und eine Einschränkung nicht erfolgt ist.

34

Dieses Schutzhindernis ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht durch eine besondere Art der Anbringung auf den betroffenen Waren, bzw. der Verwendung bei den betroffenen Dienstleistungen zu überwinden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die sich der Beschwerdeführer bezieht (BGH GRUR 2008, 1093 ff. Marlene-Dietrich-Bildnis I), kann ein Zeichen aufgrund der besonderen Art der Anbringung auf der Ware nur dann Unterscheidungskraft haben, wenn es nicht unmittelbar beschreibend ist (siehe dazu auch BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 – TOOOR!). Wie bereits dargelegt, ist das angemeldete Zeichen aber beschreibend und schon deshalb nicht unterscheidungskräftig.