Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.10.2014


BPatG 01.10.2014 - 29 W (pat) 554/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Alblust" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
01.10.2014
Aktenzeichen:
29 W (pat) 554/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 002 685.0

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2014 unter Mitwirkung der Richterin Uhlmann als Vorsitzenden, des Richters Heimen und der Richterin k.A. Akintche

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Juni 2012 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Alblust

3

ist am 7. Februar 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet worden.

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Mit Beschluss vom 5. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren und Dienstleistungen:

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Broschüren; Bücher; Comic-Hefte/-Magazine; [Zeitschriften]; Zeitschriften; Zeitungen;

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Klasse 35: Werbung; Aktualisierung von Werbematerial; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten; Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und

-pflege durch Versandwerbung (Mailing); Layoutgestaltung für Werbezwecke; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Plakatanschlagwerbung; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Sponsoring in Form von Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verfassen von Werbetexten; Verkaufsförderung (Sales promotion) (für Dritte); Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben);

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Klasse 41: Unterhaltung; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Herausgabe von Druckereierzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke, insbesondere von Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Magazine, Broschüren; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, beim angemeldeten Zeichen handele es sich um eine Wortverbindung zweier gängiger Begriffe, wobei sich „Alb“ auf eine Bergweide beziehe und „Lust“ für eine innere Freude bzw. ein Bedürfnis/Verlangen stehe. Das angemeldete Zeichen sei sprachüblich zusammengesetzt, reihe sich in vergleichbar gebildete Kombinationen zweier Substantive wie z.B. Jagdlust, Strandlust, Baulust, Reiselust, Wanderlust etc. ein und werde ohne weiteres in der Bedeutung „Lust an der Alb“ verstanden. Der Begriff „Alblust“ vermittle damit ausschließlich beschreibende Vorstellungen über die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen. Der Verkehr werde davon ausgehen, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen geeignet seien, die Lust am Besuch, am Aufstieg oder an einer Wanderung zu einer Alb bzw. Bergweide zu vermitteln. Bezüglich der Waren der Klasse 16 gebe das Anmeldezeichen einen inhaltlich-thematischen Hinweis. Auch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 41 beschränke sich das Anmeldezeichen auf eine Sachangabe inhaltlich-thematischer Art, insbesondere bei den Dienstleistungen, die sich auf die Herausgabe von Medienerzeugnissen beschränkten. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 stehe nur eine werbewirksame Kaufaufforderung und allgemeine Anpreisung im Vordergrund. Andere mögliche Begriffsinhalte des Bestandteils „Alb“ führten nicht zur Schutzfähigkeit des Zeichens, weil es für die Schutzversagung ausreiche, wenn das angesprochene Publikum dem Zeichen von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine Aussage mit beschreibendem Charakter entnehmen könne.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie hält die Anmeldung mit näheren Ausführungen insgesamt für schutzfähig. Das Zeichen stelle keinen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen her. Der Bedeutungsinhalt des Zeichens in Verbindung mit den entsprechenden Waren und Dienstleistungen erschließe sich dem Publikum nicht ohne weiteres. Das Zeichen sei – weil „Alb“ nicht als Verb nutzbar sei - eine neue, originelle Konstruktion der Anmelderin. Darüber hinaus gebe es mehrere Interpretationsmöglichkeiten des Begriffs. Im Gegensatz zur Bezeichnung „Gartenlust“, die der Entscheidung des Bundespatentgerichts in Sachen 29 W (pat) 30/07 zugrunde lag, handele es sich bei dem Zeichen „Alblust“ gerade nicht um einen feststehenden, gebräuchlichen Begriff.

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In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis insoweit beschränkt, als von den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nur noch die folgenden Dienstleistungen beansprucht werden:

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Klasse 35: Werbung; Aktualisierung von Werbematerial; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten; Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung (Mailing); Layoutgestaltung für Werbezwecke; Plakatanschlagwerbung; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Sponsoring in Form von Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verfassen von Werbetexten; Verkaufsförderung (Sales promotion) (für Dritte); Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben).

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Die Beschwerdeführerin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Juni 2012 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

16

Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig und in der Sache auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahrens eingeschränkten Verzeichnisses begründet.

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Der angegriffene Beschluss war für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen aufzuheben, weil der Eintragung keine Schutzhindernisse gemäß § 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt es dem Wortzeichen „Alblust“ für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch handelt es sich um eine freihaltungsbedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Das Anmeldezeichen setzt sich aus den deutschen Substantiven „Alb“ und „-lust“ zusammen.

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Das Wort „Alb“ stammt aus dem Alemannischen und ist im Südwesten des deutschen Sprachraums in den jeweiligen gesprochenen Dialekten auch als „Alp“ oder „Alpe“ bekannt. Alle diese Begriffe bezeichnen die vor allem im bayrischen Sprachgebrauch bekannte „Alm“ und somit eine Bergweide. Im Zusammenhang mit dem Begriff „Alb“ sind vor allem die Schwäbische Alb, ein Jura-Mittelgebirge in Baden-Württemberg, und die Fränkische Alb, ein Jura-Mittelgebirge im Norden Bayerns, bekannt. Die Schwäbische Alb ist ein ca. 200 km langes Mittelgebirge südlich von Stuttgart und umfasst unter anderem die Stadt Ulm. Geographisch werden ferner zwei Flüsse als „Alb“ bezeichnet: Ein Nebenfluss des Rheins bei Albbruck mit den Quellflüssen Menzenschwander Alb und Bernauer Alb, sowie ein Nebenfluss des Rheins bei Eggenstein-Leopoldshafen mit dem Nebenfluss Moosalb (Alb). Als „Alb“ wird darüber hinaus ein Wesen der nordischen Mythologie bezeichnet, das eher als „Elb“ oder „Elfe“ bekannt ist. Zu diesen Wesen gehört der Nachtalb, der dem Volksglauben nach Albträume verursacht (DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache; WAHRIG, Deutsches Wörterbuch; vgl. auch www.raetsel-hilfe.de).

20

Unter „Lust“ versteht man ein „inneres Bedürfnis, etwas Bestimmtes zu tun, haben zu wollen“, ein „auf die Befriedigung eines Wunsches gerichtetes Verlangen“, ein „aus der Befriedigung, der Erfüllung eines Wunsches, dem Gefallen an etwas entstehendes angenehmes, freudiges Gefühl; gesteigerte Freude; Vergnügen“ oder ein „heftiges, auf die Befriedigung sinnlicher, besonders sexueller Bedürfnisse gerichtetes [triebhaftes] Verlangen“ bzw. ein „aus der Befriedigung sinnlicher, besonders geschlechtlicher Genüsse entstehendes Gefühl; Erfüllung einer Begierde; Wollust“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, vgl. auch BPatG, Beschluss vom 13.08.2008, 29 W (pat) 30/07 - Gartenlust).

21

Das Anmeldezeichen ist sprachüblich zusammengesetzt und bedeutet in seiner Gesamtheit „Lust auf die Alb/Lust an der Alb“. Im deutschen Sprachgebrauch gibt es viele entsprechend gebildete Zusammensetzungen, die die Lust auf eine bestimmte Sache zum Ausdruck bringen, wie z.B. Kauflust, Kampfeslust, Lebenslust, Reiselust, Sensationslust, Spiellust etc.. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die Wortkombination sei ungewöhnlich, weil „Alb“ nicht als Verb nutzbar sei, überzeugt nicht. Denn beispielsweise auch der Begriff „Sensationslust“ ist so gebildet. Für eine sprachübliche Wortzusammensetzung spricht zudem, dass „Alb“ vielfach in Wortverbindungen als Kurzbezeichnung von „Schwäbische Alb“ verwendet wird, wie die der Anmelderin überreichten Verwendungsbeispiele belegen, vgl. u.a. die Begriffe Albparty, Albgegend, Albregion, Alb-Schau.

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Die von den hier noch verfahrensgegenständlichen Werbedienstleistungen der Klasse 35 angesprochenen Verkehrskreise - überwiegend Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene – werden das Anmeldezeichen daher ohne weiteres und unmittelbar im Sinne von „Lust/Freude an der Schwäbischen Alb“ und/oder im Sinne von „Verlangen nach oder Vergnügen auf der Alb/Bergweide“ verstehen.

23

Ausgehend hiervon hat das Zeichen „Alblust“ in Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen jedoch keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt. Es gibt kein Merkmal der hier noch betroffenen Dienstleistungen aus dem Bereich der Werbung an. Die gewerbliche Werbung für Dritte bzw. die verkaufsfördernden Maßnahmen für Dritte können zwar die „Lust an der Schwäbischen Alb“ bzw. die „Freude an/auf Bergweiden“ zum Gegenstand haben, nämlich in dem Sinne, dass diese die Lust auf Produkte aus der Schwäbischen Alb oder an Berg-Angeboten im weitesten Sinne wecken. Es entspricht aber nicht den Branchengewohnheiten, Werbedienstleistungen durch das konkret beworbene Thema bzw. Produkt zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet. Üblich ist dagegen etwa eine Bezeichnung nach Art des Mediums oder der Branche, auf die die Werbeleistungen bezogen sind, während eine Festlegung auf ein bestimmtes Themengebiet nicht erfolgt (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 24 – My World; BPatG, Beschluss vom 27.11.2013, 29 W (pat) 523/12 – myJobs; Beschluss vom 02.12.2012, 29 W (pat) 569/12 - Betriebskultur).

24

Weder ist dem Zeichen „Alblust“ ein Hinweis auf die Art des verwendeten Mediums zu entnehmen, noch ist es als Beschreibung der Branche, für die gearbeitet wird, geeignet. Zwar mögen in „Alblust“ beschreibende Vorstellungen bzw. Anspielungen im Sinne eines werblichen Hinweises auf die Bergsport- und Tourismusbranche hineingelesen werden können. Um zu einem Branchenhinweis zu gelangen, bedarf es aber mehrerer gedanklicher Zwischenschritte; eine derartige analysierende Betrachtungsweise ist jedoch im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung der Dienstleistungen ergibt (BGH GRUR 2014, 565 Rn. 24 – smartbook; GRUR 2012, 270 Rn. 12- Link economy).

25

Dem Zeichen kann deshalb für die genannten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

26

Da das angemeldete Wortzeichen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen hat, besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.