Entscheidungsdatum: 25.01.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 061 735.2
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am Landgericht Dr. von Hartz
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Oktober 2013 aufgehoben, soweit die Anmeldung bezüglich der Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton);
Klasse 35: Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und –pflege durch Versandwerbung (Mailing); Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Produktion von Werbefilmen; Produktion von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder Werbezwecken; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Verkaufsförderung [Sales Promotion] [für Dritte]; Produktion von Werbe- und Informationsfilmen; Sammeln und Zusammenstellen themenbezogener Presseartikel; Organisation von Veranstaltungen und Messen zu gewerblichen und/oder Werbezwecken; Aktualisierung, Pflege und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Sponsorensuche;
Klasse 41: Herausgabe von Texten und Druckschriften (ausgenommen Werbezwecke), insbesondere Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Broschüren, Informationsmappen und Prospekte; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Planung, Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Planung und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Planung, Organisation und Durchführung von Seminaren, Kongressen, Konferenzen und Workshops; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle Unterrichtszwecke; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Vorführungen zu Schulungszwecken; Betrieb von Sport-, Freizeit- und Erholungsanlagen;
Klasse 43: Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen;
zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Störtebekerturm
ist am 30. November 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 38, 39, 41 und 43 angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Druckereierzeugnisse; Glückwunsch-, Gruß- und Postkarten; Kalender; Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Kataloge, Prospekte, Informationsmappen und –blätter; Karten; Fotografien; Fotodrucke, Poster und Plakate; Eintrittskarten, Fahrkarten.
Klasse 35: Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und –pflege durch Versandwerbung (Mailing); Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Produktion von Werbefilmen; Produktion von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder Webezwecken; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Verkaufsförderung [Sales Promotion] [für Dritte]; Produktion von Werbe- und Informationsfilmen; Sammeln und Zusammenstellen themenbezogener Presseartikel; Vermittlung von Eintrittskarten für Dritte; Organisation und Veranstaltung von Messen zu gewerblichen und/oder Werbezwecken; Aktualisierung, Pflege und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Sponsorensuche;
Klasse 38: Bereitstellen und Betrieb von Online-Portalen, Internet-Foren und Webblogs; Übermittlung von Grußkarten über das Internet; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Kommunikationsdienste mittels Telefon; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; elektronische Nachrichtenübermittlung; elektronische Auskunftsübermittlung.
Klasse 39: Veranstaltungen und Vermittlung von Ausflugsfahrten und Reisen; Veranstaltung und Vermittlung von Besichtigungen; Beförderung von Personen und Gütern, Vermittlung von Verkehrsleistungen; Buchungsdienstleistungen; Reisebegleitung; Organisation und Durchführung von Ausflügen, Reisen und Aufenthalten; Reservierungsdienste, Vermittlung von Eintritts- und Fahrkarten; Verkehrsinformationsdienste; Reservierungsdienste für Reisen, Ausflüge und Aufenthalte.
Klasse 41: Auskünfte über Freizeitaktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen; Herausgabe von Texten und Druckschriften (ausgenommen Werbezwecke), insbesondere Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Broschüren, Informationsmappen und Prospekte; Bereitstellen von elektronischen Publikationen [nicht herunterladbar]; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Planung, Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Planung und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Planung, Organisation und Durchführung von Seminaren, Kongressen, Konferenzen und Workshops; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle Unterrichtszwecke; Eintrittskartenvorverkauf; Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Informationen über Unterhaltungsveranstaltungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Vorführungen zu Schulungszwecken; Bereitstellung von Freizeitinformationen; Information über Veranstaltungen; Betrieb von Sport-, Freizeit- und Erholungsanlagen
Klasse 43: Vermittlung von Zimmern und Unterkünften; Reservierung von Zimmern und Unterkünften; Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, in diesem Umfang fehle dem Anmeldezeichen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das Zeichen „Störtebekerturm“, bei dem es sich um eine Kombination der Begriffe „Störtebeker“ und „Turm“ handele, stelle insoweit lediglich einen beschreibenden Hinweis auf deren Art, Inhalt bzw. deren Angebotsort dar. Der Begriff „Störtebeker“ bezeichne den bekannten Seeräuber Klaus Störtebeker, der von der Hanse besiegt wurde, im Jahre 1401 angeblich in Hamburg hingerichtet und spätestens im 16. Jahrhundert zu einem legendären volkstümlichen Helden zahlreicher Lieder und Sagen wurde. Der Begriff „Turm“ bezeichne ferner ein hoch aufragendes, auf verhältnismäßig kleiner Grundfläche stehendes Gebäude. Vom reinen Wortverständnis handele es sich bei dem Gesamtbegriff um ein derartiges Gebäude oder Bauwerk, das mit dem berühmten Seeräuber in irgendeinem Zusammenhang stehe. Der hoch aufragende Turm der St. Marien-Kirche, der als Seezeichen gedient und in dem angeblich die Person Klaus Störtebeker Ende des 14. Jahrhunderts Unterschlupf gefunden habe, befinde sich in Marienhafe, werde „Störtebekerturm“ genannt bzw. unter dieser Bezeichnung vermarktet. Der Name „Störtebeker“ sei per se nicht unterscheidungskräftig, weil Namen historischer Persönlichkeiten, die Teil des kulturellen Erbes der Allgemeinheit seien, grundsätzlich vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst würden. Vielmehr sei es gängige Praxis, den Namen bekannter Persönlichkeiten als Titel beispielsweise für Filme und Veranstaltungen zu wählen, die sich mit dem Leben dieser Personen auseinandersetzen. Insgesamt sei deshalb das angemeldete Zeichen „Störtebekerturm“ aufgrund des ohne Weiteres verständlichen rein sachbezogenen Begriffsinhalts für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dem Zeichen „Störtebekerturm“ könne die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, da der angesprochene Verkehr das Zeichen nicht unmittelbar und ohne nähere Überlegungen als Erbringungs- oder Angebotsort oder als rein beschreibende Angabe bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffassen werde.
Bereits der Bestandteil „Störtebeker“ sei unterscheidungskräftig. Zum einen habe es den Seeräuber Klaus Störtebeker vermutlich gar nicht gegeben, so dass er mit einer fiktiven Person gleichzusetzen sei. Zum anderen seien Namen per se unterscheidungskräftig, da sie grundsätzlich auf damit gekennzeichnete Produkte herkunftshinweisend wirkten. Selbst wenn die fiktive Figur Klaus Störtebeker als ein Seeräuber oder Pirat bekannt sein sollte, komme dem Zeichen „Störtebekerturm“ keine inhaltliche und sachbezogene Aussage in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen zu. Es könne ferner nicht festgestellt werden, dass der Verkehr bei dem Zeichen „Störtebekerturm“ irgendeine konkrete Vorstellung habe, oder ob der Verkehr mit diesem Zeichen gar ein bestimmtes Gebäude verbinde. Dies läge schon daran, dass es sich bei dem Zeichen um einen frei erfundenen Namen handele, der lediglich andeute, dass es sich um einen Turm handele, der mit einer Sagenfigur in Verbindung stehe. Außerdem könne lediglich ein Teil des angesprochenen Verkehrs überhaupt wissen, dass ein bestimmter Kirchturm in Marienhafe „Störtebekerturm“ genannt werde. Der angesprochene Verkehr verstehe die Anmeldemarke daher nicht nur als bloße Erbringungsstätte von Dienstleistungen oder als Angebotsort von Waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nur insoweit Erfolg, als einer Eintragung des angemeldeten Zeichens für die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen absolute Schutzhindernisse nicht entgegenstehen. Im Übrigen ist die Beschwerde aber unbegründet.
1. Die angemeldete Bezeichnung „Störtebekerturm“ stellt im Umfang der nicht im Tenor genannten verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar bzw. weist im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jedenfalls einen engen sachlichen Bezug zu diesen auf.
a) Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH, GRUR 2004, 680 Rn. 35, 36 Campina Melkunie/HABM [BIOMILD]; GRUR 2004, 674, Rn. 54 u. 95 - Postkantoor; GRUR 2004, 146, Rn. 31 - Wrigley/HABM [DOUBLEMINT]). Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegen nicht nur im Verkehr übliche Fachbegriffe oder glatt beschreibende Gattungsbezeichnungen einem Eintragungsverbot, sondern alle Zeichen und Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu bezeichnen (EuGH GRUR 2010, 534, Rn. 52 - Prana Haus/HABM [PRANAHAUS]; GRUR 2011, 1135, Rn. 37 - Technopol/HABM [Zahl 1000]). Dabei sind nicht nur die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG konkret aufgezählten Merkmale der Art, Beschaffenheit, Bestimmung etc., sondern auch alle sonstigen Merkmale zu berücksichtigen. Sonstige Merkmale der Waren und Dienstleistungen in diesem Sinne sind alle solchen, die für den Waren- und Dienstleistungsverkehr irgendwie bedeutsame, nicht völlig nebensächliche Umstände mit Bezug auf die Ware oder Dienstleistung beschreiben (EuGH, a. a. O., Rn. 28, [PRANAHAUS]; BGH, GRUR 2012, 272 Rn. 14 - Rheinpark-Center-Neuss).
b) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. -EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 270 Rn. 8 -Link economy; GRUR 2010, 825 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a.O. - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 - TOOOR!).
c) Bei der Prüfung der vorgenannten Schutzhindernisse ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anmeldung und auf das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen, wobei es auf die Wahrnehmung des Handels und/oder eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise ankommt (EuGH GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 - grill meister).
d) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Anmeldezeichen „Störtebekerturm“ die Schutzfähigkeit für einen Teil der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen abzusprechen. Die tatsächliche Verwendung des Zeichens „Störtebekerturm“ als Gebäudebezeichnung rechtfertigt die teilweise Zurückweisung als beschreibende Angabe. Die der Beschwerdeführerin vorab übersandten Ergebnisse der Senatsrecherche zeigen, dass der Begriff „Störtebekerturm“ - bereits vor dem Anmeldezeitpunkt November 2012 - umfangreich als sachlicher Hinweis auf ein bestimmtes Gebäude verwendet worden ist. So wird der ca. 37 Meter hohe Turm der St. Marien-Kirche (eine der vier historischen Kirchen im Brookmerland), der sich in Marienhafe befindet, als „Störtebekerturm“ bezeichnet. Das Erdgeschoss des Turms mit vier Geschossen dient heute als Leichenhalle und ist nicht öffentlich zugänglich. Im ersten Stockwerk des Turms befindet sich die Störtebeker-Kammer; der Pirat Klaus Störtebeker soll während seiner Aufenthalte in Marienhafe um 1400 darin gewohnt haben; heute beherbergt sie das Turmmuseum mit einer Dokumentation zur Baugeschichte. Der Aufstieg zur Aussichtsplattform führt über eine Treppe, deren Stufen sehr schmal und steil sind. Die Besichtigung des Turms kann zu bestimmten Öffnungszeiten gegen Entgelt erfolgen. Der Turm wird auch von der Beschwerdeführerin umfangreich unter dieser Bezeichnung – so z. B. „Störtebekerturm, Das Wahrzeichen des Störtebekerlandes“ – vermarktet; vgl. zudem folgende Verwendungsbeispiele (Bl. 28-47 d. A.):
- Artikel in der Berliner Zeitung vom 27.08.2005: „Beim ostfriesischen Triathlon passieren die Wanderer Mühlen, Kanäle und Klappbrücken..., den Störtebeker Turm in Marienhafe, endlose Moore...bis sie schließlich das Wattenmeer erreichen...;
- Ferienhausvermietung: „Das komfortabel ausgestattete gemütliche Ferienhaus liegt ...mitten im Ortskern von Marienhafe mit Blick auf den Störtebekerturm...“;
- Ems-Radtour Beschreibung aus 2005: „Vorbei an alten und neuen Windmühlen nach Marienhafe zum Störtebekerturm...“;
- Artikel „Ostfriesische Nachrichten“: „Der tödliche Sturz ...vom Störtebekerturm in Marienhafe bewegt die Menschen im Brookmerland...“;
- Informationen der Ostriesland Tourismus GmbH über „Turmmuseum im Störtebekerturm“;
- Buch, gebundene Ausgabe vom 01.01.1983 mit dem Titel „Das Land um den Störtebekerturm: Geschichtliches und Bilder aus Marienhafe und dem Nordbrokmerland“;
- Ansichtskarten-Center Onlineshop, Motiv: Marienhafe, Störtebekerturm;
- Holidaycheck.de, Reisetipp Störtebekerturm Marienhafe;
- Reisebusfahrten, Ostfriesische Inselträume. „...Anschließend erleben Sie das Wahrzeichen von Marienhafe – den Störtebekerturm.“;
- Unterkunftsbewertung; Ferienhaus „Am Störtebekerturm“ – Marienhafe“;
- Video auf YouTube mit Bildern über Störtebeker, veröffentlicht am 01.05.2012: „Der Kirchturm, den Sie zum Schluß gesehen haben, hat ebenfalls einen Bezug zu Störtebeker, denn dort soll er lange Zeit Unterschlupf gefunden haben...Schauen wir uns den „Störtebekerturm“ doch einmal etwas genauer an...“;
- Informationen über Piraten auf der Internetseite „Oppis World“: Klaus Störtebeker, Denkmal vor dem Störtebekerturm in Marienhafe, Foto Ó2003.
Aufgrund der touristischen Bedeutung und deutschlandweiten Vermarktung, nicht zuletzt über das Internet, kann von einer hinreichenden Bekanntheit des „Störtebekerturm“ in einem ausreichend großen Teil des angesprochenen Publikums – hier im Wesentlichen die allgemeinen Verkehrskreise und bei den Dienstleistungen der Klasse 35 Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene - ausgegangen werden. Angesichts der aufgezeigten sachbezogenen Verwendung des Begriffs und der damit verbundenen beachtlichen Aufnahme im Publikum ist auch unerheblich, dass die Figur „Störtebeker“ gegebenenfalls nur auf einer Legendenbildung beruht (vgl. BPatG, Beschluss vom 08.10.2014, 27 W (pat) 564/13 - Störtebekerland).
Bezogen auf die beanspruchten Waren der Klasse 16 „Druckereierzeugnisse; Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Kataloge, Prospekte, Informationsmappen und -blätter; Karten“ und die Dienstleistung der Klasse 41 „Bereitstellen von elektronischen Publikationen [nicht herunterladbar]“ kann die geografische Gebäudeangabe „Störtebekerturm“ den Inhalt der (elektronischen) Publikationen bezeichnen, insbesondere als Hinweis auf Informationen zum „Störtebekerturm“ als touristisches Ziel.
Die angemeldete Bezeichnung kann zudem der Beschreibung derjenigen Dienstleistungen dienen, die Beförderungsangebote der Klasse 39 „Veranstaltungen und Vermittlung von Ausflugsfahrten und Reisen; Veranstaltung und Vermittlung von Besichtigungen; Beförderung von Personen und Gütern, Vermittlung von Verkehrsleistungen; Buchungsdienstleistungen; Reisebegleitung; Organisation und Durchführung von Ausflügen, Reisen und Aufenthalten; Reservierungsdienste, Vermittlung von Eintritts- und Fahrkarten; Verkehrsinformationsdienste; Reservierungsdienste für Reisen, Ausflüge und Aufenthalte“, auskunftsorientierte Dienstleistungen der Klasse 35, 41 und 43, nämlich „Vermittlung von Eintrittskarten für Dritte“ der Klasse 35, „Auskünfte über Freizeitaktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen; Eintrittskartenvorverkauf; Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Informationen über Unterhaltungsveranstaltungen; Bereitstellung von Freizeitinformationen; Information über Veranstaltungen“ der Klasse 41 und die „Vermittlung von Zimmern und Unterkünften; Reservierung von Zimmern und Unterkünften“ der Klasse 43 betreffen. In diesem Zusammenhang kann die Angabe „Störtebekerturm“ das Reise- oder Beförderungsziel bzw. die touristische Attraktion, für die Auskünfte erteilt und Veranstaltungen (Turmbesichtigung, Führungen und Besteigung zur Aussichtsplattform) gebucht werden können, benennen. Entsprechend verhält es sich bezogen auf die Waren der Klasse 16 „Eintrittskarten, Fahrkarten“, für die das um Schutz nachsuchende Zeichen den Geltungsbereich und Zielort der Karten angeben kann.
Eine sachbeschreibende Verwendung in diesem Sinne bereits vor dem Anmeldezeitpunkt belegen nicht zuletzt die oben angeführten Rechercheergebnisse, insbesondere diejenigen mit Bezug zum Tourismus.
In Bezug auf die Waren der Klasse 16 „Glückwunsch-, Gruß- und Postkarten; Kalender, Fotografien, Fotodrucke, Poster und Plakate“ gibt das Anmeldezeichen einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf das Bildmotiv (vgl. oben aufgeführtes Verwendungsbeispiel Bl. 41 d. A.). Ferner können „Waren aus Papier, Pappe (Karton)…, soweit nicht in anderen Klassen enthalten“ Nachbildungen des Störtebekerturms sein. Im Umfang der vorgenannten Waren liegt im Hinblick auf den thematisierten gedanklichen Inhalt eine Angabe zur Beschaffenheit der Waren vor.
Für die in Klasse 38 beanspruchten Dienstleistungen „Bereitstellen und Betrieb von Online-Portalen, Internet-Foren und Webblogs; Übermittlung von Grußkarten über das Internet; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Kommunikationsdienste mittels Telefon; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; elektronische Nachrichtenübermittlung; elektronische Auskunftsübermittlung“ fasst das angesprochene Publikum das Anmeldezeichen wegen seines thematischen Bezugs nur als Sachangabe auf. Denn zu den Dienstleistungen in Klasse 38 gehört neben der rein technischen Komponente auch die inhaltliche Bereitstellung und Übermittlung von Informationen. Zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung besteht ein so enger Bezug, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht mehr trennt (BPatG, Beschluss vom 11.05.2015, 26 W (pat) 72/14 – Shopping Compass; Beschluss vom 22.01.2015, 29 W (pat) 525/13 – The European; Beschluss vom 14.09.2009, 27 W (pat) 525/14 – Therapie.TV; vgl. auch BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 22 – TOOOR!).
2. Im Umfang der im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen kann dem angemeldeten Zeichen „Störtebekerturm“ dagegen die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden. Das Zeichen gibt keinen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf Merkmale dieser Waren und Dienstleistungen, auch fehlt ihm insoweit nicht jegliche Unterscheidungskraft.
Anders als bei „Störtebekerland“, das ein größeres Gebiet benennt und daher den Ort der Herstellung oder Erbringung bezeichnen kann (vgl. den bereits zitierten Beschluss in Sachen 27 W(pat) 564/13 sowie zu Gebäudekomplexen: BPatG GRUR 2012, 838 – Dortmunder U; BPatG, Beschluss vom 04.05.2010 – 24 W (pat) 76/08 – Speicherstadt), kommt „Störtebekerturm“ wegen der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten als geografische Angabe des Produktions-/Vertriebsorts der Waren „Papier, Pappe“ der Klasse 16 oder als Erbringungsort der Dienstleistungen ernsthaft nicht in Betracht. Die Recherche hat auch nicht ergeben, dass der um den Störtebekerturm liegende Bereich ebenfalls so bezeichnet wird.
Zwar kann insoweit der „Störtebekerturm“ Gegenstand der Dienstleistungen der Klasse 35 sein, nämlich von „Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und –pflege durch Versandwerbung (Mailing); Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Produktion von Werbefilmen; Produktion von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder Werbezwecken; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Verkaufsförderung [Sales Promotion] [für Dritte]; Produktion von Werbe- und Informationsfilmen; Sammeln und Zusammenstellen themenbezogener Presseartikel; Organisation von Veranstaltungen und Messen zu gewerblichen und/oder Werbezwecken; Aktualisierung, Pflege und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Sponsorensuche“. Es entspricht aber nicht den Branchengewohnheiten, diese Dienstleistungen durch das beworbene Produkt zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet. Üblich ist etwa eine Bezeichnung nach Art des Mediums oder der Branche, auf die die Werbeleistungen bezogen sind, während eine Festlegung auf ein bestimmtes Themengebiet nicht erfolgt (BGH GRUR 2009, 949 - My World). „Störtebekerturm“ lässt insoweit weder eine gewisse thematische Breite zu noch bezeichnet es die Branche, Zielgruppe oder die Werbeplattform. Dienstleistungsanbieter dürften sich hier nicht auf ein derartig enges Themengebiet einschränken wollen.
Entsprechendes gilt für die im Tenor genannten Dienstleistungen aus Klasse 41. Regelmäßig wird sich zwar der für Druckschriften beschreibende Begriffsinhalt gleichermaßen auf die Dienstleistungen beziehen, die zur Entstehung der Druckschrift führt (vgl. BGH GRUR 2014, 483 Rn. 18 - test; GRUR 2013, 522 Rn. 17 - Deutschlands schönste Seiten). Dies gilt in der Regel dann, wenn das in Rede stehende Zeichen geeignet ist, einen weiten Themenbereich abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften zu umschreiben; ein solcher Fall liegt hier in Bezug zu der Dienstleistung „Herausgabe von Texten und Druckschriften (ausgenommen Werbezwecke), insbesondere Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Broschüren, Informationsmappen und Prospekte“ aber nicht vor, weil sich das Zeichen „Störtebekerturm“ - wie oben bereits ausgeführt - nur zur Beschreibung eines sehr eng begrenzten Themas eignet.
Schließlich kommt das Zeichen „Störtebekerturm“ auch im Umfang der übrigen Dienstleistungen, nämlich „Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Planung, Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Planung und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Planung, Organisation und Durchführung von Seminaren, Kongressen, Konferenzen und Workshops; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle Unterrichtszwecke; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Vorführungen zu Schulungszwecken; Betrieb von Sport-, Freizeit- und Erholungsanlagen“ der Klasse 41 und der „Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen“ der Klasse 43 als Sachangabe nicht ernsthaft in Betracht.
Soweit hier gegebenenfalls vereinzelt tatsächlich im Störtebekerturm ein entsprechendes Dienstleistungsangebot erfolgen sollte bzw. könnte – z. B. Übernachtung in der Störtebekerkammer, Turmläufe als sportliche Veranstaltungen etc. – können diese nur im Einverständnis mit dem Eigentümer/Betreiber stattfinden. Insoweit ist der Verkehr aber daran gewöhnt, Gebäude-Bezeichnungen, die keinen allgemein öffentlichen Bereich umfassen, einen Herkunftshinweis für die dort angebotenen Dienstleistungen zu entnehmen (vgl. BPatG, Beschluss vom 08.04.2014, 27 W (pat) 516/14 – Schloss Neubeuern; Beschluss vom 13.01.2015, 27 W (pat) 548/14 – Kloster Wettenhausen – Raum für Menschlichkeit; Beschluss vom 20.03.2012, 27 W (pat) 508/12 – Jagdschloss Platte).