Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.10.2010


BPatG 15.10.2010 - 29 W (pat) 55/10

Markenbeschwerdeverfahren – "gewerbezentrale.de" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
15.10.2010
Aktenzeichen:
29 W (pat) 55/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 012 150.5

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2010 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, den Richter Dr. Kortbein und die Richterin Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

gewerbezentrale.de

3

ist am 25. Februar 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (nach Beanstandung geändertes Verzeichnis vom 2. Juli 2008):

4

Klasse 09: Hardware und Programme für die Datenverarbeitung (Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen im elektronischen Format;

5

Klasse 35: Werbung; Büroarbeiten; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung;

6

Klasse 38: Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Daten-banken mit Informationen über Unternehmen und/o-der touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen;

7

Klasse 42: Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung und die Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie; Entwickeln von System-Integrationslösungen.

8

Mit Beschlüssen vom 24. Juli 2008 und 12. Februar 2009, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung vollständig gemäß §§ 37 Abs. 1 und 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Gesamtwort "gewerbezentrale.de" um eine nicht unterscheidungskräftige Angabe handele, da diese nur auf einen Inhalt und nicht auf den Erzeuger der Waren bzw. den Erbringer der Dienstleistungen hinweise. So könnten Hard- und Software bzw. diesbezügliche Wartungsdienstleistungen speziell von einer zentralen Einrichtung erstellt, herausgegeben und entwickelt werden und sich dabei inhaltlich mit dem Gewerbe auseinandersetzen. Es sei auch nicht unüblich, dass Werbe- und Beratungsdienstleistungen zentral angeboten würden, um das ansässige Gewerbe mit diesen Dienstleistungen zu unterstützen. Dass der angemeldete Begriff relativ allgemein gehalten sei und das Aufgabenspektrum nicht näher konkretisiere, begründe nicht seine Schutzfähigkeit. Gerade weil es sich um Gewerbe unterschiedlicher Art handeln könne, liege es nahe, darunter im Sinne einer Sammelbezeichnung auch sehr unterschiedliche Dienstleistungen zur Unterstützung anzubieten. Es sei auch nicht widersprüchlich, dass mit "gewerbezentra-le.de" einerseits eine Zentrale im Sinne eines Dachverbandes und andererseits eine zentrale dienstleistungsanbietende Stelle bezeichnet werde.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle vom 12. Februar 2009 aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

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Zur Begründung trägt er vor, dass der Begriff "gewerbezentrale.de" vom Publikum nicht ohne weitere Überlegung in einer sachbeschreibenden Bedeutung mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht, sondern als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werde. Das angemeldete Zeichen enthalte weder einen Oberbegriff für Waren oder Dienstleistungen, noch sei nachvollziehbar, für welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen angeboten werden sollen. Die Vielzahl der Treffer im Rahmen einer Google-Recherche nach "gewerbezentrale.de" liefere nur Hinweise auf den Anmelder bzw. ein befreundetes Unternehmen (GfW Wirtschaftsmarketing GmbH), aber jedenfalls keine Fundstellen, in denen das Zeichen sachbeschreibend und nicht als Herkunftshinweis gebraucht würde. Das Wort "gewerbezentrale" sei lexikalisch nicht nachweisbar, es handele sich also um kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache. Dem Zeichen komme auch kein für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zu, wobei eine zergliedernde Betrachtung unzulässig sei. Vielmehr sei für die Verkehrskreise vollkommen unklar, was eine Gewerbezentrale sein oder tun solle. Der Wortbestandteil "Gewerbe" beziehe sich hier grammatikalisch eindeutig auf "zentrale", so dass es sich um ein Determinativkompositum handele, bei dem das Zweitglied "zentrale" durch das Erstglied "Gewerbe" begrifflich eingeschränkt werde (entsprechend den Feststellungen des BPatG in GRUR 2007, 58, 59 - BuchParnter). Daher würden die angesprochenen Verkehrskreise den Gesamtbegriff keineswegs dahingehend verstehen, dass die darunter vertriebenen Waren und Dienstleistungen (nur) auf das Gewerbe ausgerichtet seien. Zudem würden sich etwaige Bedeutungen des Wortes "Gewerbezentrale" widersprechen, weil eine zentrale Stelle des Gewerbes (Dachverband) etwas ganz anderes sei als eine zentrale Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden Waren/Dienstleistungen für Gewerbe) oder eine Zentrale über das Gewerbe (Bereitstellen von entsprechenden Informationen). Daher eigne sich das Zeichen nicht zu einem feststehenden, von den Mitbewerbern zur beschreibenden Verwendung benötigten Fach- oder Sachbegriff. Aufgrund der mindestens drei Bedeutungsvarianten verfüge das Anmeldezeichen über ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit gehe im Übrigen über die bloße Summe der Einzelbestandteile hinaus, da "gewerbezentrale.de", wenn überhaupt, nur einen vagen Bedeutungsgehalt vermittele.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

13

Die nach § 6 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg.

14

1. Der Eintragung des vorliegenden Wortzeichens als Marke steht das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

15

a) Unterscheidungskraft  im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 -VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK; a. a. O. – BerlinCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 -DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH a. a. O. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. - anti Kalk).

16

b) Die angemeldete Marke ist nach Art einer (unvollständigen) Internetadresse aufgebaut und umfasst die Bestandteile "gewerbezentrale" und ".de", wobei letzterer die übliche und allgemein bekannte Top-Level-Domain für Deutschland darstellt.

17

aa) Die Wortkombination "gewerbezentrale" lässt sich lexikalisch nicht nachweisen (vgl. WAHRIG Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2010 – sämtliche nachfolgend aufgeführten Anlagen beziehen sich auf das vorbezeichnete Protokoll). Dennoch kann dem aus zwei – im deutschen Sprachgebrauch geläufigen – Begriffen zusammengesetzten Wort ein verständlicher Sinngehalt entnommen werden. Unter "Gewerbe" wird eine auf Erwerb gerichtete Berufstätigkeit sowie die Gesamtheit der produzierenden Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe verstanden (vgl. WAHRIG Deutsches Wörterbuch, a. a. O). Das weitere Element "Zentrale" ist mit der Bedeutung Mittelpunkt, Ausgangspunkt, Hauptgeschäftstelle oder Teil eines Unternehmens, in dem bestimmte Arbeitsgänge zusammenlaufen, geläufig (vgl. WAHRIG Deutsches Wörterbuch a. a. O.). Wortverbindungen aus zwei (oder mehreren) Substantiven mit der Endung "-zentrale" sind in der deutschen Sprache üblich. So lassen sich u. a. die Wortverbindungen Agentenzentrale, Blutspendezentrale, Handelszentrale, Nachrichtenzentrale oder Verwaltungszentrale finden, bei denen die Endung "-zentrale" auf eine zentrale Stelle hinweist, die für einen bestimmten Bereich die Funktion der Leitung, Verwaltung, Überwachung oder Versorgung innehat (vgl. DWDS Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, Anlage 2). Weitere belegte Wortkombinationen wie Fernsprechzentrale, Schaltzentrale, Telefonzentrale oder Überlandzentrale bezeichnen mit der Endung "-zentrale" eine zentrale Stelle oder Anlage, durch die etwas vermittelt oder weitergeleitet wird (vgl. DWDS Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache a. a. O.). Der Begriff "Gewerbezentrale" ist vom Bedeutungsgehalt her der ersten Gruppe zuzuordnen.

18

Vor diesem Hintergrund kann dem Gesamtbegriff "gewerbezentrale.de" ohne weiteres die Bedeutung einer zentrale Stelle, welche die Funktion der Leitung, Verwaltung, Koordination oder Versorgung im Hinblick auf produzierende Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe innehat und die entsprechende Leistungen (auch) im Internet anbietet, beigemessen werden.

19

bb) Die Endung ".de" gehört zu den üblichen Protokoll- und Adressangaben und kann auch in einer zusammengesetzten Marke, die wie eine Internetadresse gebildet ist, die Unterscheidungskraft nicht begründen (vgl. BPatG BlPMZ 2000, 294, 295 –http://www.CYBERLAW.de; 24 W (pat) 167/03 – andy.com; 33 W (pat) 269/00 – EquityStory.com).

20

cc) Eine individualisierende Bedeutung kommt in der Regel nur der Second-Level-Domain zu. Dem - bei dem angemeldeten Zeichen wie eine Second-Level-Domain verwendeten – Begriff "gewerbezentrale" fehlt jedoch die erforderliche geringe Unterscheidungskraft, da dieser Begriff zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen einen unmittelbaren oder jedenfalls mittelbaren Sachbezug aufweist.

21

Eine "Gewerbezentrale" ist dabei vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen vom Bedeutungsgehalt vergleichbar mit einem Dachverband, Zentralverband oder Gewerbeverein, der dazu eingerichtet ist, unterschiedliche Funktionen, beispielsweise Verwaltungs-, Unterstützungs-, Koordinierungsaufgaben für das Gewerbe bzw. einzelne Gewerbetreibende zu übernehmen und hierfür erforderliche Waren und Dienstleistungen anzubieten. Der Begriff ist in diesem Zusammenhang daher zwanglos als "zentrale Stelle des Gewerbes und für das Gewerbe" zu verstehen.

22

Aus diesen Gründen kann der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, der Bestandteil "Gewerbe" beziehe sich auf das Zweitglied "zentrale" mit der Folge, dass nicht nachvollziehbar sei, für welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen unter dem Anmeldezeichen angeboten werden sollten. Die Wortkombination "Gewerbezentrale" ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers auch nicht vergleichbar mit der Zeichenkombination "BuchPartner", die der Entscheidung des BPatG vom 27. September 2006 (GRUR 2007, 58) zugrunde lag, da es sich vorliegend nicht um eine Wortverbindung von Gegenstands- und Personenbezeichnung handelt. Vielmehr ist die Wortkombination "Gewerbezentrale" vergleichbar mit den in der deutschen Sprache geläufigen Wortverbindungen "Handelszentrale" oder "Verwaltungszentrale" mit dem oben (unter aa)) beschriebenen Bedeutungsinhalt der Endung "-zentrale".

23

aaa) Die Internetrecherche des Senats ergab, dass verschiedene Zentralverbände für ihre Mitglieder koordinierte Werbemaßnahmen organisieren, um die Erreichbarkeit des Publikums zu erhöhen und Kosten zu senken, so der "Zentralverband Sanitär Heizung Klima" (vgl. unter www.wasserwaermeluft.de , Anlage 17) und der "DTV Deutscher Textilreinigungsverband" (vgl. unter www.dtv-bonn.de , Anlage 17 letzte Seite = Bl. 84 GA). Auch wird von mehreren Zentralverbänden eine Beratung ihrer Mitglieder bei betriebswirtschaftlichen oder organisatorischen Fragestellungen angeboten, so u. a. vom "ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks" (vgl. unter www.zdh.de , Anlage 21), vom "Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V." (vgl. Broschüre des Zentralverbandes, Anlage 22) oder vom "ZFD - Zen-tralverband der Podologen und Fußpfleger Deutschlands e. V., Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V." (vgl. unter www.zfd-lv-nrw.de , Anlage 25). Durch die Bezeichnung "gewerbezentrale" werden die in Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen "Werbung" und "betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung" daher insoweit beschrieben, als sie von einer zentralen Stelle im Sinne eines Zentralverbandes erbracht werden und sich an Gewerbe-treibende richten können. Die weiter beanspruchten "Büroarbeiten" stehen mit den vorgenannten Dienstleistungen in einem engen funktionalen Zusammenhang, so dass das Anmeldezeichen auch insoweit vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird (vgl. BGH Beschluss vom 24.6.2010 - I ZB 115/08 - TOOOR!).

24

bbb) Die nachfolgend aufgeführten Rechercheergebnisse zeigen, dass zentrale Gewerbestellen in ihren Internetauftritten bzw. Internetportalen den Zugriff auf unterschiedliche Informationen bzw. Datenbanken bereitstellen, wobei solche Dienstleistungen auch für das Touristikgewerbe angeboten werden:

25

- Die "BauGewerbe-Zentrale" bietet auf ihrem Internetportal Informationen zu den Themenbereichen Bauen, Renovieren, Kaufen und Finanzieren sowie eine umfangreiche Anbieter- und Firmendatenbank und eine Urteilsdatenbank an (vgl. unter www.bau-gewerbe.de , Anlage 8).

26

- Der "ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks" stellt ein Internetportal "Handwerk und Tourismus" zur Verfügung, welches Informationen über touristische Ziele und dort ansässige Handwerksbetriebe miteinander verknüpft (vgl. unter www.zdh.de , Anlage 16).

27

So können die hier beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 "Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken mit Informationen über Unternehmen und/oder touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen" ebenfalls von einer zentralen Stelle des Gewerbes erbracht werden und sich an Gewerbetreibende richten.

28

ccc) Zentralverbände stellen im Internet auch für bestimmte Gewerbebereiche spezialisierte Software bereit. In diesem Zusammenhang lassen sich folgende Angebote finden:

29

- Der "Zentralverband Sanitär Heizung Klima" bietet auf seinem Onlineshop EDV-Programme, wie die Software "Bankengerechte Unternehmenspräsentation" an (vgl. unter www.wasserwaermeluft.de , Anlage 10).

30

- Der "Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks" bietet eine spezielle Kassensoftware für den Bäckereifachverkauf an (vgl. Online-Artikel der Allgemeinen Bäckerzeitung vom 29. April 2008, Anlage 14).

31

- Der "Zentralverband Deutsches Baugewerbe" stellt seinen Mitgliedsunternehmen ein brachenspezifisches Softwaretool zum strategischen Chancen- und Risikomanagement für die Bauwirtschaft zur Verfügung (vgl. unter www.min-d.de, Anlage 15).

32

- Der "Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V." stellt unterschiedliche Software für Autofahrer, die sich inhaltlich mit dem Angebot und Service von Kfz-Meisterbetrieben oder speziellen Fachbetrieben für den Gebrauchtwagenkauf befassen, in Form von Apps für Smartphones bereit (vgl. unter www.kfzgewerbe.de , Anlage 11).

33

Zentralverbände treten nach dem Ergebnis der Recherche zwar üblicherweise nicht als unmittelbare Anbieter von Hardware auf, wohl aber werden sie als Vermittler für spezielle, auf die Bedürfnisse bestimmter Gewerbezweige zugeschnittener Hardware tätig. So weist der "Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks" in einer Pressemitteilung im Zusammenhang mit der o. g. Kassensoftware auf die Kooperation mit ei-nem führenden Anbieter von Systemlösungen der Wäge-, Informations- und Food-Servicetechnik im Lebensmittelverkauf hin und zeigt Bäckereibetrieben ferner die Möglichkeit auf, den Informationsservice im Verkauf durch den Betrieb eines speziellen Computer-Info-Terminals im Verkaufsraum, der durch einen Touch-Screen von den Kunden bedient werden kann, weiter auszubauen; bezüglich weiterer Informationen hierzu wird dort u. a. auf die Internetseite des Zentralverbandes verwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 30. Januar 2007, Anlage 9).

34

Die beanspruchten Waren der Klasse 9 "Programme für die Datenverarbeitung (Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen im elektronischen Format" können somit von einer "Gewerbezentrale" im Sinne eines Zentralverbandes im Internet angeboten oder bereitgestellt werden und sich an Gewerbetreibende richten. Soweit das Anmeldezeichen für "Hardware" aufgrund der insoweit bloß feststellbaren Vermittlungstätigkeit von Zentralverbänden für Gewerbetreibende nicht als unmittelbare Sachangabe angesehen werden kann, weist es jedenfalls einen engen sachlichen Bezug zu diesen beanspruchten Waren auf und wird somit vom angesprochenen Verkehr ebenfalls nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden (vgl. BGH a. a. O. 419 - BerlinCard; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f.- FUSSBALL WM 2006).

35

ddd) Die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 "Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung und die Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie; Entwickeln von System-Integrationslösungen" stehen zu den o. g. beanspruchten Waren der Klasse 9 in einem engen funktionalen Zusammenhang, da die für Gewerbetreibende angebotene spezialisierte Software auch erstellt, installiert und gewartet werden muss, begleitet von einer entsprechenden Beratung für den Anwender; auch können verschiedene Hard- und/oder Softwarekomponenten im Rahmen von technologischen Lösungen bzw. System-Integrationslösungen miteinander verknüpft bzw. aufeinander abgestimmt werden, so dass auch insoweit ein enger funktionaler Zusammenhang gegeben ist. Die Bezeichnung "gewerbezentrale.de" wird daher auch insoweit vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. - TOOOR!).

36

Das Anmeldezeichen vermittelt daher den angesprochenen Verkehrskreisen entweder einen (unmittelbaren) Sachhinweis auf den Erbringer/Anbieter oder Adressaten sowie die Angebotsform (Internet) der beanspruchten Waren und Dienstleistungen oder weist zu diesen einen engen beschreibenden Bezug bzw. engen funktionalen Zusammenhang auf. Damit eignet sich das Gesamtzeichen für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

37

dd) Der Umstand, dass die Wortkombination "Gewerbezentrale" lexikalisch nicht nachweisbar ist, ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

38

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde – wie hier – oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 97 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 - BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 29 - BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. - CELLTECH). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination.

39

Aus o. g. Gründen ist es entgegen der Ansicht des Anmelders auch unerheblich, dass der Begriff "Gewerbezentrale" mehrere mögliche Bedeutungen hat im Sinne einer zentralen Stelle des Gewerbes (Dach- oder Zentralverband) oder einer zentralen Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden Waren/Dienstleistungen für das Gewerbe), zumal sich diese Bedeutungen hier - wie oben dargestellt - nicht widersprechen, sondern sinnvoll ergänzen. Gleiches gilt für die weitere mögliche Bedeutung des Begriffs "Gewerbezentrale" im Sinne einer zentralen Stelle über das Gewerbe (Bereitstellen von entspre-chenden Informationen).

40

Im Übrigen stellt der Wortbestandteil "Gewerbezentrale" keine sprachliche Neuschöpfung dar, vielmehr lässt sich aufgrund der Internetrecherche folgende – zum Teil beschreibende – Verwendung des Begriffes ohne Hinweis auf den Anmelder belegen:

41

- Die Stadt Schwabach informiert ihre Bürger in einer Broschüre über diverse städtische Dienstleistungen, unter denen sie u. a. eine "Auskunft a. d. Gewerbezentrale/Gewerberegister" anbietet (vgl. "BürgerBroschüre" der Stadt Schwabach, Anlage 4).

42

- In einer Informationszeitschrift des Landtags Nordrhein-Westfalen wird von einer "Arbeitskraft- und Gewerbezentrale" gesprochen (vgl. "Landtag intern 12", Ausgabe vom 9. September 1997, Anlage 5).

43

- In einer Pressemitteilung des "Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V." vom 29. Dezember 2004 ist von der "Frankfurter Gewerbezentrale des BGL" die Rede (vgl. Anlage 6).

44

- Darüber hinaus wird der Begriff "Gewerbezentrale" nachweislich zur Bezeichnung von Immobilienobjekten (vgl. unter http://immobilien-karlsruhe.de, Anlage 7).

45

- und in der Kombination "BauGewerbe-Zentrale" ( www.bau-gewerbe.de , Anlage 8) verwendet.

46

- Des Weiteren stellt die GfW Wirtschaftsmarketing GmbH unter www.gewerbezentrale.info ein Online-Portal für Industrie, Handel und Gewerbe zur Verfügung (vgl. Anlage 19). Ein (rechtlicher) Bezug zum Anmelder ist insoweit nicht ersichtlich, auch wenn es sich bei der GfK Wirtschaftsmarketing GmbH um ein "befreundetes Unternehmen" des Anmelders handeln soll.

47

Eine Recherche nach dem Begriff "gewerbezentrale" -unter Ausschluss einer Kombination dieses Begriffs mit den häufigen Top-Level-Domains ".de", ".com", ".info" und weitere - ergab im Übrigen bereits über … Treffer (vgl. Google-Recherche, Anlage 3).

48

c) Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann aus der Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

49

2. Auch aus etwaigen Voreintragungen von Marken mit identischen oder ähnlichen Wortbestandteilen bzw. -kombinationen kann kein Eintragungsanspruch hergeleitet werden.

50

Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des DPMA, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG 29 W (pat) 43/04 – juris Tz. 15 - print24). Ferner wird verlangt, dass der Beschwerdeführer seiner – die Amtsermittlung immanent einschränkenden – materiellen Mitwirkungslast nachkommt. Das bedeutet, dass er substantiiert zur Vergleichbarkeit des Eintragungszeitpunkts, des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, der Zeichen selbst und der jeweiligen Rechtsprechungssituation vortragen muss (BPatG GRUR 2009, 1173, 1175 – Freizeit-Rätsel-Woche). Da sich der Beschwerdeführer vorliegend nicht auf Voreintragungen berufen hat, bestand für den Senat daher kein Anlass, auf die Vergleichbarkeit von Voreintragungen näher einzugehen.

51

Abgesehen davon ließe sich allein aus einer oder wenigen vorangegangenen Entscheidungen noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST).

52

3. Zu einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG besteht aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde kein Anlass.