Entscheidungsdatum: 21.03.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 048 503
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 21. März 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin k.A. Akintche
beschlossen:
Das Verfahren betreffend die Beschwerde gegen die Löschung der Marke 30 2010 048 503 aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 003105277 wird bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke 003105277 durch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt ausgesetzt.
I.
Die Wortmarke 30 2010 048 503
Intesia
ist am 22. März 2011 in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden unter anderem für die folgenden Dienstleistungen der
Klasse 35:
Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten nämlich Beschaffung von Waren und Dienstleistung für Dritte (andere Unternehmen), betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen in Geschäftsangelegenheiten, Erwerb von Waren und Dienstleistungen für Dritte (andere Unternehmen), Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben, kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistung für Dritte (andere Unternehmen), Zusammenstellen von Waren und Dienstleistungen für Dritte (andere Unternehmen) zu Präsentations- und Verkaufszwecken, Organisationsberatung von Unternehmen in Geschäftsangelegenheiten, Vermittlung von Verträgen für Dritte, über An- und Verkauf von Waren; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere mit Strom-, Wasser-, Luft-, und Heizwärmelieferanten; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce; kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Verpackungen und Abfällen; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben einschließlich Ausschreibung und Vergabe von Bauvorhaben;
Klasse 36:Immobilienwesen, nämlich Dienstleistung zur Gebäudeverwaltung, Dienstleistung eines Immobilienmaklers, finanzielle Wertermittlung, insbesondere Schätzung von Reparaturkosten;
Klasse 42:Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen nämlich technische Beratung und technische Optimierung auf dem Gebiet des Facility- und Immobilienmanagements, insbesondere auf dem Gebiet der Gebäudereinigung, Schädlingsbekämpfung, Energieein-sparung und der Abfallwirtschaft, technische Planung und technische Vorbereitung von Bauvorhaben.
Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 003105277
INTESA
erhoben, die am 13. Februar 2009 eingetragen worden ist für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16:Buchbinderartikel; Fotografien; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist.
Klasse 35:Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.Klasse 36:Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen.Klasse 38:Telekommunikation; elektronische Übermittlung von Dokumenten.Klasse 41:Erziehung; Ausbildung; Vergnügungen; Sport- und Freizeitaktivitäten.Klasse 42:Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Analysen und Forschung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und Computersoftware; Rechtsberatung und -vertretung.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die angegriffene Marke für die oben genannten Dienstleistungen gelöscht.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen diesen Dienstleistungen der jüngeren Marke und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke in Klasse 35, 36 und 42 bestehe aufgrund begrifflicher Überlagerungen Dienstleistungsidentität. Die Widerspruchsmarke besitze durchschnittliche Kennzeichnungskraft, weil der inländische Verkehr das italienische Wort nicht verstehe. Erhöhte Kennzeichnungskraft sei weder belegt noch erkennbar. Auch bei Berücksichtigung einer erhöhten Aufmerksamkeit der beteiligten Verbraucher im Bereich der Dienstleistungen der Klasse 36 halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zu der älteren nicht ein. Die Zeichen seien im stärker beachteten Wortanfang, in Betonung und Klangrhythmus identisch. Das zusätzliche klangschwache „i“ am Ende der jüngeren Marke genüge nicht, um die Zeichen hinreichend zu unterscheiden. Die Bedeutung des italienischen Wortes „intesa“ sei im Inland nicht bekannt und könne deshalb zur Erleichterung der Unterscheidbarkeit nicht beitragen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke.
Er hat mit Schriftsatz vom 29. November 2013 bei dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß Art. 7(I)(b) und (c) GMV für die Dienstleistungen der Klasse 35, 36, 41 und 42 gestellt.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag,
das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über die Nichtigkeit der Widerspruchsmarke auszusetzen.
Die Beschwerdegegnerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
Sie trägt vor, das vom Beschwerdeführer angestrengte Nichtigkeitsverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg. Die Widerspruchsmarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Dies habe das HABM bereits in zwei Beschlüssen vom 25. Oktober 2013 und 25. Juli 2013 in Widerspruchsverfahren zwischen den Beteiligten festgestellt. Es bestehe kein Anlass anzunehmen, dass ein entsprechender Nichtigkeitsantrag bei der gleichen Behörde erfolgreich sein werde.
Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das Verfahren ist gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 148 ZPO bis zur Entscheidung des HABM über den Löschungsantrag gegen die Widerspruchsmarke auszusetzen. Denn die Entscheidung über die Löschung der Widerspruchsmarke ist für das hiesige Beschwerdeverfahren vorgreiflich.
Gemäß § 148 ZPO, der nach § 82 Abs. 1 MarkenG auch im Markenbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht Anwendung findet, kann das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder Verwaltungsverfahrens aussetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
Nach dem bisherigen Sach- und Rechtsstand hängt die Erfolgsaussicht der Beschwerde von dem Bestand der Widerspruchsmarke ab, gegen die ein Nichtigkeitsantrag gemäß Art. 7 Abs. 1(b), Art. 52 Abs. 1 (a) GMV gestellt worden ist.
Der Senat teilt vorläufig die Auffassung der Markenstelle, wonach die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke nicht einhalten dürfte. Zwischen den zu vergleichenden Dienstleistungen dürfte zum Teil Identität, zum Teil enge Ähnlichkeit bestehen.
Die Widerspruchsmarke dürfte für den inländischen Verkehr als Fantasiebegriff ohne sachlichen Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen.
Auch wenn man von einer erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise ausgeht, da sich die zu vergleichenden Dienstleistungen jedenfalls zum Teil an Fachkreise, nämlich Unternehmer und leitende Angestellte richten, die diesen Leistungen wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit gesteigerter Aufmerksamkeit begegnen, dürfte die angegriffene Marke den erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht einhalten.
Daher ist die Entscheidung über die Nichtigkeit der Widerspruchsmarke vorgreiflich für die Entscheidung des Senates über die Beschwerde. Falls die Widerspruchsmarke für nichtig erklärt werden sollte, hat die Beschwerde Aussicht auf Erfolg.
Damit kommt es auf die Rechtsbeständigkeit der Widerspruchmarke entscheidend an. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung, bei der die Vor- und Nachteile einer Aussetzung gegeneinander abzuwägen sind. Eine Aussetzung bis zum Abschluss des Löschungsverfahrens verhindert einen Rechtsverlust an der angegriffenen Marke im Fall einer Löschung der Widerspruchsmarke. Dem stehen keine überwiegenden Gesichtspunkte gegenüber. Die Aussetzung wird zwar zu einer Verfahrensverzögerung führen. Die zu erwartende zeitliche Verzögerung ist von der Widersprechenden jedoch in Kauf zu nehmen.
Der Antrag auf Nichtigerklärung der Widerspruchsmarke erscheint auch nicht von vornherein aussichtslos. Zwar ist das HABM in zwei Widerspruchsentscheidungen zwischen den Beteiligten von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen, da das italienische Wort „intesa“ keine Bedeutung für die zu vergleichenden Dienstleistungen habe. Dabei hat das HABM aber aus verfahrensökonomischen Gründen nur den englischsprachigen Teil der Bevölkerung berücksichtigt. Dagegen ist bei der Prüfung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke von dem Verständnis des Wortes in allen Sprachen der Gemeinschaft auszugehen, sodass es einem Zeichen auch dann an Unterscheidungskraft fehlt, wenn es in auch nur in einer einzigen Sprache der Europäischen Gemeinschaft beschreibend für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist.
Intesa hat in der italienischen Sprache die Bedeutung „Einverständnis, Abrede, Vereinbarung, Absprache, Einvernehmen, Übereinkunft, Bündnis, Zusammenschluss“ und könnte in dieser Bedeutung einen beschreibenden Bezug zum Inhalt der maßgeblichen Widerspruchsdienstleistungen der Klassen 35, 36 und 42 besitzen.
Das Verfahren ist deshalb aus verfahrensökonomischen Gründen bis zur Entscheidung über den Löschungsantrag gegen die Widerspruchsmarke auszusetzen.