Entscheidungsdatum: 14.11.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 003 433.5
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 14. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 19. Januar 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet worden, wobei das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren auf die Dienstleistungen der
Klasse 35:
Layoutgestaltung für Werbezwecke; Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien,
beschränkt wurde.
Mit Beschluss vom 23. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Das angemeldete Zeichen sei als betrieblicher Herkunftshinweis nicht geeignet. Es werde von den angesprochenen Verbrauchern als Sachhinweis darauf verstanden, dass sich die beanspruchten Waren und Dienstleistungen thematisch mit der Stadt Berlin ganz persönlich und vertraut bzw. mit der Intimsphäre der Stadt Berlin und ihrer Bewohner befassten. Die grafische Gestaltung bewege sich im Rahmen des Werbeüblichen und vermittle keinen über den Inhalt des Wortbestandteils hinausgehenden bildlichen Gesamteindruck.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 23. Juni 2011 aufzuheben.
Das Zeichen sei jedenfalls für die nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch verbliebenen Dienstleistungen unterscheidungskräftig. Es sei kurz, originell und prägnant. Sein Wortsinn sei mehrdeutig. Er könne entweder auf eine ganz besonders innige Beziehung zu der Stadt Berlin hinweisen oder auf eine ganz besondere Kennerschaft der Stadt Berlin. Er könne auch beinhalten, dass der Verwender Geheimnisse über Berlin kenne. Ein hinreichend enger Bezug zu dem Gegenstand der Werbung liege nicht vor. Die noch beanspruchten Dienstleistungen würden nicht ausschließlich für die Erotikbranche erbracht, sodass das Zeichen keine zwingende inhaltsbeschreibende Funktion habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Eintragung des Zeichens gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG steht auch nach Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
1.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; a. a. O. Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard;). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. – Die Vision; 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten –Schlechte Zeiten).
Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 – TOOOR!; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; 674, 678 Rdnr. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rdnr. 29 - BioID; a. a. O. Rdnr. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 – SAT 2).
2. a)
Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den beiden Wörtern „Berlin“ und „intim“ zusammen. Das Wort „Berlin“ bezeichnet die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Das Eigenschaftswort „intim“ hat je nach Zusammenhang die Bedeutungen „sehr nahe und vertraut“, „sexuell“, „den Bereich der Körperpflege betreffend“, „im Inneren eines Menschen verborgen“, „bis ins Innerste vordringend“ und „anheimelnd, gemütlich“. Mit jemanden „intim sein“ oder „werden“ ist ein verhüllender Ausdruck für sexuellen Kontakt, der „Intimbereich“ des Körpers bezeichnet die Geschlechtsorgane (Duden online).
In der Gesamtbetrachtung kann die Wortfolge allgemein als Hinweis auf die intime Seite Berlins zu verstehen sein und sich damit auf die Sexangebote in der Stadt beziehen.
b)
Für die „Vermietung von Werbeflächen“ und die „Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien“ kann das Zeichen einen engen beschreibenden Bezug zu dem Gegenstand der Werbung herstellen, nämlich die Erotik-Branche in Berlin. Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit dem in der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 – TOOOR!).
c)
Für die Dienstleistung „Layoutgestaltung für Werbezwecke“ stellt das Zeichen einen beschreibenden Hinweis auf die Erotik-Branche dar, in der die Dienstleistung erbracht wird (BGH GRUR 2009, 949, 951 Rn. 24 – MY WORLD). Das Angebot von Werbedienstleistungen, zu denen die Layoutgestaltung gehört, wird nicht nach dem thematischen Inhalt der Werbung vorgenommen, sondern wird entweder nach der Art des Mediums segmentiert, in der die Werbung platziert werden soll, oder erfolgt nach den Branchen, für die die Dienstleistungen erbracht werden. Eine solche Branche ist auch die Erotikindustrie. Allein die weltweiten Jahresumsätze im Bereich der Internetpornographie liegen nach Schätzungen im zweistelligen Milliardenbereich (www.brandeins.de/magazin/digitale-wirtschaft/digital-kommt-besser.html). Die beanspruchte Dienstleistung wird tatsächlich auch speziell für diese Branche angeboten (wie z. B. www.Erotiksites.ch – Ihre Erotik Website in nur 2 Tagen). Wegen dieses engen beschreibenden Bezuges zu der Dienstleistung können die Wortelemente des angemeldeten Zeichens nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen.
Die Behauptung, dass die Anmelderin die beanspruchten Dienstleistungen tatsächlich nicht nur für Unternehmen der Erotikbranche erbringt, sondern ihr Angebot auch anderen Unternehmen anbietet, ist nicht geeignet, das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft aufzuheben. Denn auf die tatsächliche Nutzung des Zeichens kommt es im Eintragungsverfahren nicht an.
3.
Auch die grafische Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens ist nicht geeignet, die fehlende Unterscheidungskraft der Wortbestanteile auszugleichen.
Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke auch bei Freihaltebedürftigkeit oder fehlender Unterscheidungskraft dieser Wortelemente als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; GRUR 2001, 1153 - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAGE).
Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Grafik des angemeldeten Zeichens erschöpft sich darin, dass das Wort „Berlin“ in Blockbuchstaben gehalten und das Wort „intim“ in Schreibschrift und kleinen Buchstaben quasi handschriftlich angefügt ist. Diese einfache und werbeübliche Grafik unterstreicht lediglich die Bedeutung der Wortelemente, indem sie herausstellt, dass die Dienstleistungen die privaten Seiten der Stadt betreffen. Damit weist die Grafik keine Charakteristik auf, die über die Wortbedeutung hinausgeht oder sonst geeignet ist, sich dem angesprochenen Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis einzuprägen.