Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.08.2012


BPatG 14.08.2012 - 29 W (pat) 540/11

Markenbeschwerdeverfahren – "NETBOX/webbox" – Kostenentscheidung – zum Grundsatz der Kostentragung und der Auferlegung zu Lasten einer Partei – geringe Aussicht auf Erfolg der Beschwerde - Spielraum zur argumentativen Verbesserung der Rechtsposition - Rücknahme der Beschwerde zwölf Tage vor mündlicher Verhandlung – kein sorgfaltswidriges Verhalten


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
14.08.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 540/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 018 067

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 14. August 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der Richterin Kortge und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Antrag der Beschwerdegegnerin, dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Marke des Beschwerdeführers Nr. 30 2009 018 067 wurde auf den Widerspruch der Beschwerdegegnerin aus der Wort-/Bildmarke Nr. 30 2008 063 098 durch Beschluss des DPMA vom 19. Juli 2011 teilweise gelöscht.

2

Im Beschwerdeverfahren hat der erkennende Senat mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nach seiner vorläufigen Beurteilung aussichtslos erscheine. Der Beschwerdeführer hat daraufhin um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme gebeten. Nach einem Wechsel des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers hat dieser mit Schreiben vom 11. November 2011 um eine weitere Fristverlängerung gebeten und für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde den Hilfsantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wiederholt. Ein weiterer Antrag auf Fristverlängerung vom 18. Januar 2012 ist mit der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen begründet worden. Auf eine Nachfrage des Senats nach dem Stand der Vergleichsverhandlungen am 30. März 2012 hat die Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass eine entsprechende Anfrage des Beschwerdeführers von ihr abgelehnt worden sei. Daraufhin hat die Vorsitzende durch Verfügung vom 4. Mai 2012 gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Juni 2012 bestimmt. Mit am 23. Mai 2012 eingegangenem Schreiben vom 16. Mai 2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin, die bis dahin keine anwaltliche Vertretung hatte, die Übernahme der Vertretung der Beschwerdegegnerin angezeigt. Mit am 15. Juni 2012 eingegangenen Schreiben vom gleichen Tag ist die Beschwerde zurückgenommen worden.

3

Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 3. August 2012 beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.

4

Die Beschwerdegegnerin habe ihren Verfahrensbevollmächtigten erst nach Anberaumung eines Verhandlungstermins durch den Senat bevollmächtigt. Der Beschwerdeführer habe die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin verursacht, indem er die Beschwerde trotz des Hinweises des Senates nicht unmittelbar nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen zurückgenommen und dadurch die Terminierung veranlasst habe, die erst zur Einschaltung des Verfahrensbevollmächtigen der Beschwerdegegnerin geführt habe. Daher sei die Kostenauferlegung gemäß § 71 MarkenG gerechtfertigt.

II.

5

Der zulässige Kostenantrag der Beschwerdegegnerin ist unbegründet.

6

Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst, soweit eine Bestimmung über die Kosten nicht getroffen wird. Dies gilt gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG auch im Fall der Rücknahme einer Beschwerde. Eine Kostenentscheidung zulasten eines Beteiligten setzt voraus, dass die Kostentragung der Billigkeit entspricht. Das Gesetz knüpft damit die Kostenerstattung nicht generell an den Ausgang des Verfahrens an, sondern sieht eine Kostenerstattung nur in den Fällen vor, in denen die Anwendung des Grundsatzes, dass die Beteiligten ihre Kosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens selbst tragen, wegen besonderer Umstände unbillig erscheint.

7

Derartige Umstände liegen nicht vor. Weder ist dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, dass er mit der Beschwerde versucht hat, sein Interesse in einer von vorn herein aussichtslosen Situation durchzusetzen, noch hat er gegen seine prozessuale Sorgfaltspflicht verstoßen.

8

Die bloße Einlegung der Beschwerde rechtfertigt eine Billigkeitsentscheidung zu Lasten des Beschwerdeführers nicht. Wie bereits aus dem Hinweis des Senates vom 19. Oktober 2011 hervorgeht, hatte die Beschwerde nach vorläufiger Prüfung zwar geringe Aussicht auf Erfolg, gleichwohl bestand für den Beschwerdeführer noch Spielraum zur argumentativen Verbesserung seiner Rechtsposition.

9

Auch ein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten ist dem Beschwerdeführer nicht vorzuwerfen. Ein Verstoß gegen die allgemeine den Beteiligten obliegende prozessuale Sorgfaltspflicht liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn aus der Sicht einer vernünftigen, rechtskundigen Partei das Verhalten eines Beteiligten nach der Verfahrenslage nicht einer sorgfältigen und auf Verfahrensförderung bedachten Prozessführung entspricht (BGH GRUR 1996, 399).

10

Die Rücknahme der Beschwerde zwölf Tage vor der auf Antrag des Beschwerdeführers angesetzten mündlichen Verhandlung stellte kein sorgfaltswidriges Verhalten dar, sondern diente im Gegenteil dazu, die Kosten des Verfahrens auch für die Beschwerdegegnerin gering zu halten, indem die Entstehung von Reisekosten und Verfahrensgebühren vermieden wurde. Dass der Beschwerdeführer die Entscheidung zur Rücknahme nicht früher getroffen und damit die Einschaltung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdegegnerin vermieden hat, ist ihm nicht vorzuwerfen. Denn das Gesetz gibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, die Beschwerde bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung auch ohne Zustimmung des Gegners zurückzunehmen. Knüpfte man die Kostentragungspflicht allein an den Umstand, dass er diese Möglichkeit erst spät im Verfahren ergreift, käme dies faktisch einer unzulässigen Beschneidung seiner prozessualen Rechte gleich. Denn dies würde ihn schlechter stellen, als wenn er die mündliche Verhandlung in einem nicht von vorn herein völlig aussichtslosen Prozess erfolglos nutzte, um seine Beschwerde weiterzuverfolgen.

11

Anderes kann bei einer bewusst erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung erklärten Rücknahme gelten, durch die dem Gegner einseitig vermeidbare Reisekosten entstehen. Diese Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.