Entscheidungsdatum: 18.08.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 016 980
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. August 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
I.
Das in blau ausgestaltete Wort-/Bildzeichen
ist am 13. März 2014 angemeldet und am 10. Juni 2014 unter der Nummer 30 2014 016 980 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Beratung bei Unternehmensfusionen, nämlich Hilfe bei der Geschäftsführung, Unternehmensberatung sowie Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Unternehmensfusionen; Dienstleistungen auf dem Gebiet von Unternehmenszusammenschlüssen [Unternehmensberatung]; Dienstleistungen in Bezug auf die Etablierung von Unternehmen [Unternehmensberatung]; Entwickeln von Unternehmensstrategien [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklung [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklungsdienste [Unternehmensberatung]; Geschäftsführung, Unternehmensberatung; Geschäftsplanungs- und Geschäftsstrategiedienste [Unternehmensberatung]; Geschäftsstrategie- und Geschäftsplanungsdienste [Unternehmensberatung]; Planung der Geschäftsnachfolge im Rahmen der Unternehmensberatung; Professionelle Betriebsberatungsdienste [Unternehmensberatung]; Unternehmensberatung; Unternehmensberatung für Einzelpersonen; Unternehmensberatung für Firmen; Unternehmensberatung in Bezug auf Akquisitionen; Unternehmensberatung in Bezug auf Buchführung; Unternehmensberatung in Bezug auf die Festlegung von Lohn-, Gehalts- und Einstufungsstrukturen; Unternehmensberatung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens; Unternehmensberatung in Bezug auf die Reorganisation der Finanzen; Unternehmensberatung in Bezug auf Firmenzusammenschlüsse; Unternehmensberatung in Bezug auf strategisches Marketing; Unternehmensberatung in Bezug auf Unternehmensliquidationen; Unternehmensberatung in Bezug auf Veräußerungen; Unternehmensberatungsdienste.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 11. Juli 2014 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdegegnerin aus ihrer am 29. April 2011 angemeldeten und am 18. Februar 2012 eingetragenen Unionswortmarke UM 009 930 751
Audi
Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 1-35 und 37-45, nämlich unter anderem für folgende Waren und Dienstleistungen geschützt:
Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA auf den Widerspruch aus der Marke UM 009 930 751 die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr angeordnet.
Zur Begründung hat sie angeführt, dass ausgehend von der Registerlage zwischen den Vergleichsdienstleistungen Identität vorliege. Denn die für die Widerspruchsmarke registrierten Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ schlössen die für die jüngere Marke eingetragen Dienstleistungen, welche sich im Bereich der Hilfe bei der Geschäftsführung und der Unternehmensberatung bewegten, mit ein. Der Widerspruchsmarke komme für die hier relevanten Dienstleistungen eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu; ob sie wegen ihrer Bekanntheit über einen erweiterten Schutzumfang verfüge, könne dahingestellt bleiben. Denn auch bei einem zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke angenommenen normalen Schutzumfang bestehe die Gefahr, dass die Verbraucher in der jüngeren Marke ein Angebot der Widersprechenden erblickten, so dass jedenfalls eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 HS. 2 MarkenG zu bejahen sei. Aufgrund der besonderen Großschreibung der Anfangsbuchstaben „A“ und „T“ innerhalb der jüngeren Marke sei das Markenwort „AUDITAX“ als Kombination der Elemente „AUDI“ und „TAX“ erkennbar; dadurch verfüge „Audi“ über die erforderliche Selbständigkeit als Markenbestandteil, welche auch nicht durch den weiteren Bestandteil „Tax“ verloren ginge, weil „AudiTax“ keinen Gesamtbegriff darstelle. „Audi“ behalte daher innerhalb der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung, sodass insofern zumindest assoziative Verwechslungen nicht auszuschließen seien.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke.
Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke eine gesamtbegriffliche Aussage vermittle; diese folge aus den zusammengeführten Begriffen „audit“ und „tax“, welche damit den Schwerpunkt der Dienstleistungen der Beschwerdeführerin im Bereich der Sanierungsberatung unter Zusammenarbeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern widerspiegle. Eine Verwechslungsgefahr auch im weiteren Sinne dürfte daher nicht anzunehmen sein. Es sei nicht bekannt und auch nicht vorgetragen, dass die Beschwerdegegnerin Dienstleistungen dieser Art anbiete. Im Amtsverfahren hat die Inhaberin der jüngeren Marke zudem eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestritten; eine solche möge zwar für die Waren „Automobile“, nicht aber für andere Waren oder Dienstleistungen vorliegen.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 1. Juli 2015 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin und Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Widerspruchsverfahren vor dem DPMA hat die Widersprechende geltend gemacht, dass die Widerspruchsmarke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge. Dies folge aus dem vorgelegten Gutachten zur Verkehrsgeltung der Marke „Audi“. Die jüngere Marke sei aufgrund identischer Übernahme der Widerspruchsmarke zu löschen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 HS. 2, 125b Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 Rn. 18 – PICARO/ PICASSO; BGH, Beschluss vom 02.03.2017, I ZR 30/16 – Medicon-Apotheke/ Medico Apotheke; GRUR 2016, 1301 Rn. 44 – Kinderstube; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet/Biogourmet; GRUR 2015, 1004 Rn. 18 – IPS/ISP). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
1. Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen aus der Klasse 35 sind teilweise identisch und – anders als die Markenstelle ausführt – teilweise (nur) ähnlich.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, es sei weder bekannt noch vorgetragen, dass die Beschwerdegegnerin „Dienstleistungen dieser Art“ anbiete – womit sie offensichtlich diejenigen im Bereich der Klasse 35 meint –, können nicht als Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Sinne von § 43 Abs. 1 MarkenG gewertet werden. Die Widersprechende ist grundsätzlich nicht verpflichtet vorzutragen, dass und in welchem Umfang sie ihre Widerspruchsmarke für die im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen benutzt; die Benutzung der Widerspruchsmarke muss auch nicht bekannt sein. Eine Obliegenheit der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung entsteht vielmehr erst dann, wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke in zulässiger Weise die Einrede bzw. die Einreden mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und/oder Satz 2 MarkenG erhebt. Der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen des Benutzungszwangs bestreiten zu wollen, kommt in den Ausführungen der Beschwerdeführerin hingegen nicht ausreichend eindeutig zum Ausdruck, was aber notwendig wäre (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 43 Rn. 31). Maßgeblich ist daher allein die Registerlage.
Zwischen den Vergleichsdienstleistungen ist im Übrigen nicht schon deshalb insgesamt eine Identität anzunehmen, weil die ältere Unionsmarke für alle in der Klassenüberschrift der Klasse 35 der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ angemeldet und eingetragen wurde. Die vom EUIPO früher vertretene Praxis, wonach die Benennung der Klassenüberschriften automatisch sämtliche der jeweiligen Klasse der Nizzaer Klassifikation zugeordnete Waren oder Dienstleistungen umfasste, ist mittlerweile aufgegeben worden; vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 5 UMV, wonach allgemeine Waren- und Dienstleistungsbegriffe, so auch die Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation, nur solche Waren oder Dienstleistungen einschließen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des Begriffs erfasst sind. Im Hinblick auf diese Änderung wurde den Inhabern der vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten Marken gemäß § 28 Abs. 8 UMV die Möglichkeit eröffnet, bis zum 24. September 2016 zu erklären, dass es am Anmeldetag ihre Absicht war, Schutz in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über diejenigen hinausgehen, die von der wörtlichen Bedeutung der Überschrift der betreffenden Klasse erfasst sind, sofern die so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung der Nizza-Klassifikation aufgeführt sind; bejahendenfalls konnte das Verzeichnis auf diese Begriffe ausgedehnt werden. Hiervon hat die Widersprechende offensichtlich bezüglich ihrer Unionsmarke keinen Gebrauch gemacht, so dass die Klassenüberschriften der Klasse 35 vorliegend nur solche Dienstleistungen einschließen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung der Begriffe umfasst sind (vgl. Art. 28 Abs. 8 letzter Satz UMV).
Die für die jüngere Marke registrierte Dienstleistung „Geschäftsführung“ ist wortgleich im Verzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten, so dass Identität vorliegt.
Im Übrigen ist jedoch nur eine Ähnlichkeit gegeben. Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 – Canon; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 14 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1145 Rn. 34 – Pelikan). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen ist für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden (BGH, a. a. O. Rn. 21 – BioGourmet/Biogourmet).
Die speziell aufgeführten Dienstleistungen der angegriffenen Marke aus dem Bereich der Unternehmensberatung „Beratung bei Unternehmensfusionen, nämlich Hilfe bei der Geschäftsführung, Unternehmensberatung sowie Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Unternehmensfusionen; Dienstleistungen auf dem Gebiet von Unternehmenszusammenschlüssen [Unternehmensberatung]; Dienstleistungen in Bezug auf die Etablierung von Unternehmen [Unternehmensberatung]; Entwickeln von Unternehmensstrategien [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklung [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklungsdienste [Unternehmensberatung]; Unternehmensberatung; Geschäftsplanungs- und Geschäftsstrategiedienste [Unternehmensberatung]; Geschäftsstrategie- und Geschäftsplanungsdienste [Unternehmensberatung]; Planung der Geschäftsnachfolge im Rahmen der Unternehmensberatung; Professionelle Betriebsberatungsdienste [Unternehmensberatung]; Unternehmensberatung; Unternehmensberatung für Einzelpersonen; Unternehmensberatung für Firmen; Unternehmensberatung in Bezug auf Akquisitionen; Unternehmensberatung in Bezug auf Buchführung; Unternehmensberatung in Bezug auf die Festlegung von Lohn-, Gehalts- und Einstufungsstrukturen; Unternehmensberatung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens; Unternehmensberatung in Bezug auf die Reorganisation der Finanzen; Unternehmensberatung in Bezug auf Firmenzusammenschlüsse; Unternehmensberatung in Bezug auf strategisches Marketing; Unternehmensberatung in Bezug auf Unternehmensliquidationen; Unternehmensberatung in Bezug auf Veräußerungen; Unternehmensberatungsdienste“ liegen im höheren bzw. teilweise jedenfalls im durchschnittlichen Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchsdienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“, weil es sich jeweils um unternehmensbezogene Dienste handelt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Auflage, S. 372 re. Sp., Stichwort „Unternehmensberatung“). Die vorgenannten Dienstleistungen entsprechen sich sowohl bei der Qualifikation der Erbringer (kaufmännisch und betriebswirtschaftlich, teilweise auch EDV-technisch vorgebildete bzw. erfahrene Dienstleister) als auch vom Verwendungszweck (Erhaltung, Wiederherstellung bzw. Steigerung der Unternehmenseffizienz und des Unternehmenserfolgs). Demgemäß überschneiden sich die zu erbringenden Tätigkeiten weitgehend, soweit dies die Erfassung der Unternehmenssituation und -probleme sowie die Erarbeitung von unternehmerischen Lösungsmöglichkeiten betrifft; zum Leistungsspektrum von Unternehmensberatungsdiensten zählen dem entsprechend häufig auch Angebote aus dem Bereich der Unternehmensverwaltung. Unterschiede bestehen letztlich vor allem in der Art der Ausführung der Dienstleistungen, die bei Unternehmensberatung nur in beratender Form erfolgt (vgl. schon BPatG, Beschluss vom 27.03.2007, 33 W (pat) 250/04).
2. Die Widerspruchsmarke verfügt für die Dienstleistungen der Klasse 35 von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist stets produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Es ist zwar gerichtsbekannt, dass die Widerspruchsmarke „Audi“ im Automobilbereich einen äußerst hohen Bekanntheitsgrad aufweist. Anhaltspunkte für eine erhöhte Verkehrsgeltung in Bezug auf die Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“, die hier die Ähnlichkeit bzw. Identität zu den angegriffenen Dienstleistungen begründen, liegen jedoch nicht vor und vermag auch das vorgelegte Gutachten von Infratest Burke vom September 1997 zur Bekanntheit, Verkehrsgeltung und Qualitätsvorstellungen von „Audi“ nicht zu liefern. Das Gutachten belegt lediglich die hohe Verkehrsbekanntheit des Zeichens „Audi“ als solches sowie als Herkunftszeichen im Automobilbereich, nicht aber als Marke für die hier relevanten Dienstleistungen aus der Klasse 35. Auch eine Ausstrahlungswirkung der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Waren der Klasse 12 „Fahrzeuge“ auf die Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ kann nicht angenommen werden, weil es sich dabei nicht um eng verwandte Waren und Dienstleistungen handelt (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 171).
Auszugehen ist daher von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke.
3. Die hier relevanten Vergleichsdienstleistungen richten sich an das unternehmerische Fachpublikum; es ist daher eine etwas erhöhte Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zugrunde zu legen.
4. Bei der festgestellten Ausgangslage sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen; im Bereich der ähnlichen Dienstleistungen sind die Anforderungen etwas geringer. Diesen jeweiligen Anforderungen wird die angegriffene Marke aber nicht gerecht. Denn im Hinblick auf die selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „Audi“ in der jüngeren Marke kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 MarkenG nicht ausgeschlossen werden.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2008, 909 Rn. 13 – Pantogast; GRUR 2008, 905 Rn. 12 – Pantohexal). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR Int. 2014, 459 Rn. 42 – CLORALEX; GRUR Int. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH/HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR Int. 2010, 129., Rn. 60 – [Carbonell/La Espaňola]; BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/ Zweibrüder). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGHZ 139, 340, 347 – Lions; BGH MarkenR 2008, 393 Rn. 21 – HEITEC).
a) Zwar ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken
und
Audi
nicht zu besorgen.
Die Marken in ihrer Gesamtheit unterscheiden sich klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich durch die in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltenen Wortbestandteile „Tax“ und „Management Beratung GmbH“ sowie durch deren grafische Gestaltung.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr kommt daher nur in Betracht, wenn das in der angegriffenen Marke enthaltene Wort „Audi“ eine kollisionsbegründende Stellung einnimmt, indem es eine die Gesamtmarke prägende Funktion aufweist, und demzufolge die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen.
Bei der jüngeren Marke handelt es sich um eine Wort-/Bildmarke mit den fett gedruckten und zusammengeschriebenen Wortbestandteilen „AudiTax“, wobei die Anfangsbuchstaben der Wörter “Audi“ und „Tax“ jeweils in Großbuchstaben gehalten sind und die übrigen Buchstaben sog. Kapitälchen – nämlich Großbuchstaben in der Größe von Kleinbuchstaben - darstellen. Über diesen befindet sich jeweils ein auf der Höhe der Buchstaben A und T angeordneter dünner Balken. Durch dieses Schriftbild entsteht eine Klammerwirkung, die einer schriftbildlichen Prägung der angegriffenen Marke nur durch „Audi“ entgegenwirkt.
Auch klanglich wird die jüngere Marke nicht allein durch das Wort „Audi“ geprägt. Für den phonetischen Zeichenvergleich ist maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Die klangliche Wiedergabe kann dabei auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden (Hacker in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 280). Die unter der Wortkombination „AudiTax“ deutlich kleiner und ohne Fettdruck angeordnete Wortfolge „Management Beratung GmbH“ stellt für die hier geschützten Beratungsdienstleistungen eine glatt beschreibende Angabe dar; dieser schutzunfähige Wortbestandteil wird für den Gesamteindruck der Marke vom Verkehr vernachlässigt werden. Bei dem Wort „Tax“ (= englischer Begriff für „Steuer, Abgabe“) handelt es sich – worauf die Beschwerdeführerin im Übrigen selbst hinweist – ebenfalls um eine beschreibende Angabe. Gleichwohl liegt eine Benennung nur durch den kennzeichnungskräftigen Bestandteil „Audi“ nicht nahe. Denn auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Bestandteile können zum Gesamteindruck beitragen, was hier durch die konkrete Gesamtgestaltung, insbesondere die Verbindung des Wortes „Audi“ mit dem Wort „Tax“ nahe gelegt wird. Es handelt sich bei der jüngeren Marke um ein Zeichen, bei dem der Verkehr wegen der grafischen Ausgestaltung keine Veranlassung hat, das Wort „Tax“ bei der Benennung wegzulassen.
Stehen sich daher „AudiTax“ und „Audi“ gegenüber, wird der angesprochene Verkehr diese weder klanglich noch begrifflich füreinander halten, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen ist.
b) Obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, ist vorliegend aber die Gefahr zu bejahen, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 MarkenG.
Diese Art der Verwechslungsgefahr liegt nur dann vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2010, 646 Rn. 15 – OFFROAD; GRUR 2008, 258 Rn. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect; Büscher, in: Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 14 MarkenG Rn. 488). Allein der Umstand, dass die beiden Bestandteile der zusammengesetzten jüngeren Marke „AudiTax“ den Gesamteindruck der Marke gleichermaßen bestimmen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der Marke prägt, führt aber noch nicht zur Bejahung einer selbständig kennzeichnenden Stellung (vgl. Büscher in Büscher/ Dittmer/ Schiwy a. a. O. § 14 MarkenG Rn. 420); es reicht auch nicht aus, dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen (BGH GRUR 2010, 729 Rn. 43 – MIXI). Es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 50 – Culinaria/ Villa Culinaria). Solche Umstände sind im Streitfall erkennbar.
Die Widerspruchsmarke „Audi“ ist in die jüngere Marke vollständig übernommen worden; entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird der Buchstabe „T“ in der Wortkombination „AudiTax“ nicht doppelt im Sinne von „Audit“ und „Tax“ gelesen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Beschwerdeführerin das Zeichen als Hinweis auf ihren Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Sanierungsberatung unter Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern verstanden wissen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise; jedenfalls relevante Teile hiervon haben aber wegen der konkreten Binnengroßschreibung und der eigenständigen Bedeutung von „Audi“ bzw. des ihm bekannten Unternehmenskennzeichens keine Veranlassung von der von der Inhaberin der angegriffenen Marke bevorzugten Lesart auszugehen.
Ferner spricht für eine selbständig kennzeichnende Stellung des mit dem Widerspruchskennzeichen übereinstimmenden Bestandteils in dem mehrgliedrigen angegriffenen Zeichen der Umstand, dass es sich bei der übernommenen älteren Marke um das äußerst bekannte Firmenschlagwort der Widersprechenden AUDI AG handelt (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Nr. 80 – METROBUS).
Die beiden im angegriffenen Zeichen in Binnengroßschreibung miteinander kombinierten Wortbestandteile „Audi“ und „Tax“ sind schließlich auch nicht in einer der selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „Audi“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander zu einer gesamtbegrifflichen Aussage verbunden.
Durch die Übernahme des bekannten Unternehmensschlagworts in die jüngere Marke der Beschwerdeführerin in selbstständig kennzeichnender Stellung wird der Anschein von Unternehmenszusammenhängen geweckt, der Verkehr wird mithin von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen zum Audi-Konzern ausgehen. Es liegt daher eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vor.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke konnte nach alledem keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.