Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.10.2015


BPatG 15.10.2015 - 29 W (pat) 539/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Nacht der Pferde" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
15.10.2015
Aktenzeichen:
29 W (pat) 539/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 059 740.2

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und den Richter am Landgericht Dr. von Hartz

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juli 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Nacht der Pferde

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ist am 12. Oktober 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Kataloge, Prospekte, Plakate und Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

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Klasse 35: Organisation und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung bei der Durchführung und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, soweit in Klasse 35 enthalten, Organisation und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für gewerbliche und Werbezwecke, nämlich Organisation von Messeteilnahmen; Präsentation von Unternehmen und deren Produkten und Dienstleistungen zu Werbezwecken sowie Verkaufsförderung für Dritte und Vermittlung von Wirtschaftskontakten, auch im Internet; Vermietung von Standflächen für Messestände und von Messeständen einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungsgegenstände, soweit in Klasse 35 enthalten; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Werbung, Vermietung von Werbeflächen, Marketing (Absatzforschung), Marktforschung und Marktanalyse; Organisation und Veranstaltung von Produktpräsentationen; Veröffentlichung und Herausgabe von Katalogen und Prospekten für Werbe- und Präsentationszwecke;

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Klasse 41: Erziehung, Ausstellung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Sonderschauen für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke, Kongressen, Symposien und Wettbewerben für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke, Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Workshops (Ausbildung) und Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke.

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Mit Beschluss vom 5. Juli 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Anmeldezeichen sei sprachüblich zusammengesetzt und bilde in seiner Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Das Zeichen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als Bezeichnung einer Veranstaltung, welche zu später Stunde stattfinde und sich thematisch und inhaltlich mit Pferden befasse, verstanden. In dieser Bedeutung werde das Zeichen in Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Sachhinweis, nämlich als Inhalts- und Themenangabe verstanden; die Dienstleistungen der Klasse 35 würden zwar üblicherweise nicht inhaltsbezogen beschrieben werden, gleichwohl sei der Verkehr daran gewöhnt, dass diese Leistungen häufig im Zusammenhang mit solchen Veranstaltungen angeboten bzw. erbracht würden.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Die Beschwerdeführerin hat ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis durch bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 28. September 2015 eingeschränkt und beansprucht mit der Anmeldung nur noch folgende Waren:

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Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate).

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Sie beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Juli 2013 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde ist nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin begründet.

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Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, weil der Eintragung des Wortzeichens „Nacht der Pferde“ für die allein noch beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt es dem Anmeldezeichen für die Waren „Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“ weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich dabei um eine freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH, GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 - Link economy). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 12 - smartbook; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 - TOOOR!).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH, GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR, 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH, WRP 2014, 449 Rn. 11 - grill meister). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH, GRUR 2004, 428 Rn. 53 -Henkel; BGH, GRUR 2014, 573 Rn. 11 - HOT; a. a. O. Rn. 12 - Link economy; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

18

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH, GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; BGH, a. a. O. Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH, a. a .O. Rn. 20 – TOOOR!; GRUR 2010, 640 Rn. 13 - hey!).

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Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

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Der Senat teilt zwar die Auffassung der Markenstelle, wonach die deutsche Wortfolge „Nacht der Pferde“ (irgend)eine nächtliche Veranstaltung, die sich mit Pferden befasst, bezeichnet (vgl. hierzu BPatG, Beschluss vom 19.12.2013, 27 W (pat) 509/13 – Rednernacht; Beschluss vom 02.08.2011, 27 W (pat) 86/10 – Die große Gala Nacht der Operette; Beschluss vom 02.03.2005, 29 W (pat) 197/02 – Lange Nacht der Bücher).

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In dieser Bedeutung beschreibt das Anmeldezeichen aber kein Merkmal der Lehr- und Unterrichtsmittel der Klasse 16, bei denen es sich beispielsweise um „Globen, gedruckte Materialien für den Lehrbetrieb, Handbücher für Anleitungszwecke, Wandkarten für Unterrichtszwecke, Unterrichtshandbücher, Schaubilder etc.“ handeln kann. Als Themen- bzw. Inhaltshinweis eignet sich „Nacht der Pferde“ insoweit nicht ernsthaft, weil sich schon die Frage stellt, welches Wissen über nächtliche Pferdeveranstaltungen überhaupt vermittelt werden könnte.

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Zweifellos kann ein Teil der verfahrensgegenständlichen Waren Pferdethemen zum Inhalt haben und sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie sich Pferde in der Nacht verhalten bzw. wie sie schlafen. Als Hinweis auf ein solches Thema „nächtliches Verhalten von Pferden“ ist die Wortfolge „Nacht der Pferde“ aber nicht nachweisbar; angesichts der konkreten Wortbildung „Nacht der…“, die üblicherweise auf eine Veranstaltung hinweist, erscheint sie insofern auch ungewöhnlich. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der hier angesprochene Verkehr – neben dem Fachverkehr die Lehrkräfte sowie das an Fort- oder Ausbildung interessierte breite Publikum - der Wortfolge einen im Vordergrund stehenden Inhaltshinweis auf das nächtliche Verhalten von Pferden beimisst.

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Schließlich ist auch ein enger sachlicher bzw. funktionaler und damit beschreibender Bezug zwischen der angemeldeten Wortfolge und den verfahrensgegenständlichen Waren nicht gegeben. Allein der Umstand, dass bei einer nächtlichen Pferdeveranstaltung gegebenenfalls auch Lehr- und Unterrichtsmittel ausliegen und erworben werden könnten, lässt eine solche Schlussfolgerung nicht zu. Anders als sonstige Druckerzeugnisse wie z. B. Messekataloge, Broschüren, Eintrittskarten, Flyer, die regelmäßig speziell anlässlich von Veranstaltungen und Messen hergestellt werden und daher einen engen sachlichen Bezug hierzu aufweisen, kann dies im vorliegenden Fall für nächtliche Veranstaltungen mit dem Thema „Pferde“ in Bezug zu Lehrmitteln nicht festgestellt werden.

24

Dem Anmeldezeichen kann daher die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

25

Aus den genannten Gründen besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.