Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2013


BPatG 28.06.2013 - 29 W (pat) 539/11

Markenbeschwerdeverfahren – "AZH-MultiBo/azh" - zur Kennzeichnungskraft – Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation - keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens – Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2013
Aktenzeichen:
29 W (pat) 539/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 001 687

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. Juni 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

AZH-MultiBo

3

ist am 12. Januar 2009 angemeldet und am 25. Juni 2009 unter der Nummer 30 2009 001 687 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Dienstleistungen der

4

Klasse 35: betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung, betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung von Hebammen, Erstellung von Abrechnungen für Hebammen (Büroarbeiten), Dateienverwaltung mittels Computer.

5

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 31. Juli 2009 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren Wortmarke

6

azh

7

die am 27. Juni 2007 unter der Nummer 307 05 108 eingetragen wurde für Waren und Dienstleistungen der

8

Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Desinfektions- und Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;

9

Klasse 9: Computer- Software [gespeichert]; auf Datenträgern oder anderen elektronisch lesbaren Datenspeichern aufgezeichnete Daten, Dateien oder Datenbanken; maschinenlesbare Datenträger und Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; maschinenlesbare Datenträger aller Art einschließlich CD-ROM; Optikerwaren, insbesondere Brillen, Brillengestelle, Brillengläser, Kontaktlinsen;

10

Klasse 10: chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; Hörgeräte;

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse für medizinische Heil- und Hilfsberufe, insbesondere Quittungs- und Terminblöcke; Computersoftware in schriftlicher Form; Zeitungen, Zeitschriften, Werbedruckschriften, Schreibwaren, Büroartikel (außer Möbel);

12

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

13

Klasse 35: Werbung und Marketing; betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung für medizinische Heil- und Hilfsberufe; Systematisierung und Zusammenstellung von versicherten- und/oder arztbezogenen Daten in Datenbanken für Dritte; Erstellung von Statistiken über versicherten- und arztbezogene relevante Daten, auch in elektronischer Form; Rechnungsprüfung in Bezug auf Abrechnungen der medizinischen Heil- und Hilfsberufe; Erstellen von betriebswirtschaftlichen Gutachten und Analysen im Rahmen der Auswertung von Statistiken über versicherten- und/oder arztbezogene Daten; Vermittlung von Verträgen für Dritte über Anschaffung und Veräußerung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen der medizinischen Heil- und Hilfsberufe; Dienstleistungen im Bereich Unternehmensverwaltung zur Erstellung und Abrechnung von Privatliquidationen sowie Leistungsabrechnungen auf dem Gebiet der medizinischen Heil- und Hilfsberufe;

14

Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte, Immobilienwesen; Forderungseinzug (Inkassodienstleistungen); Finanzdienstleistungen zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für Dritte; Krankenversicherung; Leasing von Datenverarbeitungsprogrammen und/oder Computerhardware einschließlich Computerperipheriegeräten;

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Klasse 37: Aufbau, Installation, Wartung und Reparatur von Computerhardware, Computernetzen, Telekommunikationsgeräten, Telekommunikationsnetzen einschließlich E-Mail-Kommunikation (Hardware);

16

Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Bereitstellung von Internetportalen für Dritte; Übermittlung von Daten, Dateien, Informationen aus Datenbanken und Programmen für die Datenverarbeitung über Computernetze; Bereitstellen von Zugangsmöglichkeiten und/oder Zugriffszeiten zu Netzwerken einschließlich Internet sowie Datenbanken; Bereitstellung des Zugriffs sowie Vermietung von Zugriffszeiten auf elektronische Datenbanken; insbesondere auf Datenbanken zur Erstellung und Abrechnung von Privatliquidationen sowie Leistungsabrechnungen auf dem Gebiet medizinischer Heil- und Hilfsberufe;

17

Klasse 39: Transportwesen, insbesondere Krankentransporte;

18

Klasse 41: Schulung auf den Gebieten der Praxisorganisation und Rezeptabrechnung; Schulung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung;

19

Klasse 42: Erstellung von Software; technische Beratung, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Netzwerknutzung; elektronische Archivierung von Daten und ärztlichen Verordnungsblättern; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere für Dateien und Datenbanken; Installation, Wartung und Aktualisierung von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere von Dateien und/oder Datenbanken; elektronische Datenspeicherung, elektronische Datenarchivierung und elektronische Datensicherung für Dritte; Vermietung von Datenverarbeitungsprogrammen und/oder Computerhardware einschließlich Computerperipheriegeräten; technische Beratung Dritter, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Netzwerknutzung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und –software; Zertifizierung von Datenverarbeitungsprogrammen, Datenverarbeitungsanlagen und –systemen sowie von Datensicherungs- und Verschlüsselungsverfahren;

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Klasse 44: medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; insbesondere physiotherapeutische Behandlungen, Durchführung von Massagen, Betrieb von Heilbädern, Krankenpflegediensten, Durchführung ergotherapeutischer und logopädischer Behandlungen sowie häuslicher Pflege

21

Widerspruch erhoben.

22

Mit Beschluss vom 6. Juli 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken festgestellt und die angegriffene Marke gelöscht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Dienstleistungen der angegriffenen Marke seien von einigen der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen oberbegrifflich erfasst und damit identisch. Die Widerspruchsmarke besitze durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Von ihr gingen keine beschreibenden Anklänge aus, die den Schutzumfang reduzieren könnten. Auch wenn die Vergleichsmarken durch den zusätzlichen Bestandteil "MultiBo" der angegriffenen Marke gut voneinander zu unterscheiden seien, wirke "azh" in der jüngeren Marke als selbständig kennzeichnender Bestandteil. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das mit der älteren Widerspruchsmarke vertraute Publikum die beiden Kennzeichen wegen der Übereinstimmung der Buchstabenkombination "AZH" in einen Zusammenhang bringe und die angegriffene Marke als Kennzeichnung einer speziellen Produktentwicklung der Widersprechenden ansehe.

23

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, mit der sie sinngemäß beantragt,

24

den Beschluss des DPMA vom 6. Juli 2011 aufzuheben.

25

Sie ist der Ansicht, dass keine Dienstleistungsidentität gegeben sei. Die angegriffene Marke beziehe sich auf Dienstleistungen für Hebammen, während die Widerspruchsmarke Geltung für ein Sammelsurium von Waren und Dienstleistungen aller möglichen Leistungserbringer im medizinischen Bereich beanspruche. Ein Bezug zu Hebammen bestehe bei den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke nicht. Vom bildlichen und klanglichen Gesamteindruck her unterschieden sich die gegenüberstehenden Marken deutlich. Sowohl der Widerspruchsmarke "azh" und als auch dem Bestandteil "AZH" der jüngeren Marke komme eine eher geringe Unterscheidungskraft zu; eine eigenständige, produktbezogene Kennzeichnungsfunktion könne ihm nicht zuerkannt werden. Die Verwechslungsgefahr werde durch den mindestens gleichwertig kennzeichnenden Zusatz "MultiBo" eliminiert.

26

Die Widersprechende beantragt,

27

die Beschwerde zurückzuweisen.

28

Sie vertritt die Auffassung, zwischen den in Rede stehenden Marken bestehe Verwechslungsgefahr aufgrund der in die angegriffene Marke identisch übernommenen Widerspruchsmarke. Da die Widerspruchsmarke keine beschreibende Bedeutung für die streitgegenständlichen Dienstleistungen habe, komme ihr schon von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Aufgrund langjähriger Benutzung für Abrechnungsdienstleistungen, betriebswirtschaftliche Dienstleistungen und EDV-Dienstleistungen für medizinische Heil- und Hilfsberufe habe sie sogar gesteigerte Kennzeichnungskraft erlangt. Für den Vergleich der Dienstleistungen sei nicht von Belang, dass sich die angegriffene Marke lediglich an einen spezifischen Verkehrskreis wende. Vielmehr bestehe Dienstleistungsidentität im Hinblick auf alle Dienstleistungen der angegriffenen Marke. Die identisch übernommene Widerspruchsmarke sei vorangestellt worden, so dass ihr die besondere Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise gegenüber Wortanfängen zukomme. Vor allem aber setze der Bindestrich in der angegriffenen Marke eine Zäsur zwischen der übereinstimmenden Buchstabenfolge "AZH" und dem Annex "MultiBo", der nicht nur aufgrund der erhöhten Kennzeichnungskraft des Bestandteils "AZH", sondern auch aufgrund seines beschreibenden Charakters im Gesamteindruck zurücktrete. "Multi" sei ein allgemein bekannter und häufig gebrauchter Sachbegriff, der als solcher beschreibend und nicht unterscheidungskräftig sei, wie mehrere in der Beschwerdeerwiderung zitierte Entscheidungen belegten (Bl. 28 f. GA, Anlage 2, Bl. 35 - 44 GA). Ferner sei der Bestandteil "Bo" eine gängige Abkürzung u. a. für "Business Opportunity" und "Branch Office" (Anlage 3, Bl. 31 – 34 GA). Die der angegriffenen Marke vorangestellte Buchstabenfolge "AZH" rufe den Eindruck hervor, dass die fraglichen Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammten.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

30

Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

31

Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken Verwechslungsgefahr im Sinne von §§  42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

32

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 – coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/PICASSO).

1.

33

Ausgehend von der Registerlage werden die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teilweise identischer und teilweise hochgradig ähnlicher Dienstleistungen verwendet.

a)

34

Dienstleistungsidentität liegt nicht nur dann vor, wenn sich die jeweils eingetragenen Dienstleistungsbegriffe der beiden Marken vollständig decken. Vielmehr ist eine Dienstleistungsidentität auch dann gegeben, wenn sich die Dienstleistungen der jüngeren Marke unter einen breiteren Oberbergriff der älteren Marke subsumieren lassen oder wenn ein im Verzeichnis der jüngeren Marke enthaltener Oberbegriff auch spezielle Dienstleistungen der älteren Marke umfasst (BGH GRUR 2009, 484, 488 Rdnr. 45 – Metrobus; 2008, 909, 910 Rdnr. 14 - Pantogast).

35

Die Widerspruchsdienstleistung "betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung für medizinische Heil- und Hilfsberufe" ist identisch mit der für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistung "betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung von Hebammen". Die zuvor genannte Widerspruchsdienstleistung lässt sich ferner unter den von der angegriffenen Marke beanspruchten Oberbegriff "betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung" subsumieren, so dass auch diesbezüglich Dienstleistungsidentität vorliegt.

b)

36

 Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (EuGH GRUR 1998, 922 Rdnr. 15 – Canon; BGH, GRUR 2007, 321 Rdnr. 20 – COHIBA; GRUR 2009, 484 Rdnr. 25 – METROBUS; GRUR 2012, 1145, 1148 Rdnr. 34 f. - Pelikan).

aa)

37

Hochgradige Ähnlichkeit liegt ferner zwischen der Dienstleistung der angegriffenen Marke "Erstellung von Abrechnungen für Hebammen (Büroarbeiten)" und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten "Dienstleistungen im Bereich Unternehmensverwaltung zur Erstellung und Abrechnung von Privatliquidationen sowie Leistungsabrechnungen auf dem Gebiet der medizinischen Heil- und Hilfsberufe" sowie "Rechnungsprüfung in Bezug auf Abrechnungen der medizinischen Heil- und Hilfsberufe" vor.

bb)

38

Die für die angegriffene Marke in Klasse 35 eingetragene Dienstleistung "Dateienverwaltung mittels Computer" ist hochgradig ähnlich zu der für die Widerspruchsmarke in Klasse 42 geschützten Dienstleistung "elektronische Datenarchivierung und elektronische Datensicherung für Dritte", weil bei der computergestützten Dateienverwaltung regelmäßig Daten auf elektronische Weise archiviert und gesichert werden.

2.

39

Ausgehend von diesen identischen bzw. hochgradig ähnlichen Dienstleistungen kommen hier Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene sowie Hebammen als Adressaten in Betracht, die bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen mit einer erhöhten Sorgfalt vorgehen.

3.

40

 Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, wie die Markenstelle zutreffend angenommen hat, von Hause aus durchschnittlich.

a)

41

"azh" ist eine Buchstabenfolge, die lexikalisch nicht nachweisbar ist (www.duden.de) und der in Bezug auf die hier im Identitäts- bzw. Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen der Klasse 35 kein konkreter Sinngehalt entnommen werden kann. Sie stellt zum einen die Abkürzung für den Namen der Widersprechenden dar (www.abkuerzungen.de). Zum anderen dient sie im Inland als Abkürzung für "Abzugshaube, Assisted Zonal Hatching, eine Labortechnik für die Verbesserung der Oozytenbefruchtung, Auslandszeitungshandel, AzadirachtinH, eine chemische Verbindung (http://de.wikipedia.org/wiki/AZH), oder Allergiezentrum – Hessen.

b)

42

Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft kann der Widerspruchsmarke entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht beigemessen werden.

43

Für die Annahme gesteigerter Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zur Dauer der Benutzung, zum Umsatz, zur geografischen Verbreitung und zum Werbeaufwand einschließlich dem Investitionsumfang zur Förderung der Marke (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder). Weder ist der für die Widerspruchsmarke getätigte Werbeaufwand konkret beziffert worden, noch sind sonstige Unterlagen über den Marktanteil vorgelegt worden. Weder die Vorlage von Werbeunterlagen aus dem Jahre 2008 (Bl. 42 – 76 VA) noch die eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Widersprechenden vom 26. Mai 2010 (Bl. 41 VA), wonach die Widersprechende zu den drei größten Anbietern von Abrechnungsdienstleistungen für Kunden aus den nichtärztlichen medizinischen Heil- und Hilfsberufen gehöre, reichen für einen entsprechenden Nachweis aus.

4.

44

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen und trotz Anwendung einer gewissen Sorgfalt hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand nicht mehr ein.

45

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2009, 487 Rdnr. 32 – Metrobus; GRUR 2006, 60 Rdnr. 17 coccodrillo). Weiterhin ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH a. a. O. Rdnr. 30 - THOMSON LIFE; BGH a. a. O. – Metrobus; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang).

46

Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden weder (schrift-)bildlich noch klanglich noch begrifflich ähnlich wahrgenommen.

a)

47

Eine klangliche Verwechslungsgefahr scheidet aus.

aa)

48

Die angegriffene Marke setzt sich aus der Buchstabenfolge "AZH", einem Bindestrich und den Wortbestandteilen "Multi" und "Bo" zusammen.

aa)

49

"AZH" ist eine Buchstabenfolge, die lexikalisch nicht nachweisbar ist (www.duden.de) und der nicht ohne Weiteres ein konkreter Sinngehalt entnommen werden kann. Sie stellt allerdings zum einen die Abkürzung für den Namen der Widersprechenden dar (www.abkuerzungen.de). Zum anderen dient diese Buchstabenkombination im Inland als Abkürzung für "Abzugshaube, Assisted Zonal Hatching, eine Labortechnik für die Verbesserung der Oozytenbefruchtung, Auslandszeitungshandel, AzadirachtinH, eine chemische Verbindung (http://de.wikipedia.org/wiki/AZH) sowie Allergiezentrum – Hessen.

bb)

50

"Multi" ist ein in allen Bereichen des Wirtschaftslebens häufig vorkommendes Präfix, welches in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben "vielfach", "Vielfach…", "mehrere …", "viel…" oder "Viel…" bedeuten kann (www.duden.de).

cc)

51

"Bo" kann als Begriff wie auch als Abkürzung vielfältige Bedeutungen haben (http://de.wikipedia.org/wiki/Bo; und www.abkuerzungen.de). "Bo" findet Verwendung als Bezeichnung geographischer Objekte, als Namen chinesischer Kaiserinnen, als Familienname, Kfz-Kennzeichen sowie beispielsweise als Abkürzung für "Business Opportunity" (engl. für Geschäftschance) und "Branch Office" (engl. für Zweigniederlassung).

dd)

52

Aufgrund der Zusammenschreibung des Präfix "Multi" und des Bestandteils "Bo" wird "Bo" vom Verkehr nicht als Abkürzung, sondern als zweite Silbe des zusammengesetzten Begriffs "MultiBo" wahrgenommen. Diese Kombination weist auch im Hinblick auf die maßgeblichen Dienstleistungen der Klasse 35 keinen Sinngehalt auf.

ee)

53

Daran ändert auch die mittels eines Bindestrichs vorangestellte Abkürzung "AZH" nichts, so dass auch der Gesamtbegriff "AZH-MultiBo" ein Fantasiewort darstellt.

54

Da somit alle Bestandteile der angegriffenen Marke gleichwertig nebeneinander stehen, kann sie nicht durch das Wortelement "AZH" geprägt werden.

55

Es stehen sich daher die Markenwörter "AZH-MultiBo" und "azh" gegenüber, die sich durch die zusätzliche Lautfolge "MultiBO" am Wortende und damit in Wortlänge, Vokalfolge, Silbenzahl und im Sprech- und Betonungsrhythmus sehr deutlich unterscheiden.

b)

56

Aufgrund der unterschiedlichen Wortlänge ist auch keine schriftbildliche Verwechslungsgefahr gegeben.

c)

57

Auch in begrifflicher Hinsicht ist eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, weil keiner der beiden Vergleichsmarken ein bestimmter Sinngehalt entnommen werden kann.

5.

58

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist ebenfalls zu verneinen.

59

Die Gefahr, dass Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, liegt nur dann vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Rdnr. 18 – Malteserkreuz I; BGH GRUR 2008, 258 Rdnr. 33 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2010, 646 Rdnr. 15 - OFFROAD).

a)

60

Die mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens greift unter dem Begriff des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der jüngeren mit der älteren Marke dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (BGH GRUR 2007, 1071 Rdnr. 40 - Kinder II).

61

Die Widersprechende hat jedoch nicht vorgetragen hat, dass sie über eine auf dem Markt präsente Markenserie mit dem Stammbestandteil "azh" verfügt (EuGH GRUR Int. 2007, 1009 Rdnr. 64 - Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]).

b)

62

Mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation wird angenommen, wenn ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 18 – Malteserkreuz I). Eine selbstständig kennzeichnende Stellung kann dadurch hervorgerufen werden, dass die ältere Marke in der jüngeren Marke eine deutlich abgesetzte Stellung einnimmt (BGH a. a. O. Rdnr. 22 – Malteserkreuz I; 33 W (pat) 104/06 – electronica INNOVA/electronica; 29 W (pat) 28/08 Coupon Für Sie/Für Sie). Dies ist der Fall, wenn das übernommene Zeichen in der jüngeren Marke vorangestellt ist (EuG GRUR Int 2009, 738 Rdnr. 30 - SPA THERAPY).

63

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar wird die Widerspruchsmarke in die angegriffene Marke vollständig übernommen und vorangestellt, aber "MultiBo" ist weder ein Unternehmenskennzeichen noch eine bekannte Marke der Beschwerdeführerin. Hinzu kommt, dass das gemeinsame Element "azh" in der jüngeren Marke zusammen mit dem Bestandteil "MultiBo" ein einheitliches Kunstwort bildet, weshalb ihm keine eigenständig kennzeichnende Stellung zukommt.

c)

64

 Allerdings liegt eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vor.

65

Eine solche wird angenommen, wenn die Vergleichskennzeichnungen zwar als unterschiedlich und als solche verschiedener Unternehmen aufgefasst werden, jedoch gleichwohl aufgrund besonderer Umstände, insbesondere wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung, geschlossen wird, dass zwischen den Unternehmen Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Von einer solchen Verwechslungsgefahr kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn die ältere Marke zugleich Unternehmenskennzeichen ist (BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 867 - Mustang).

66

Da die Widerspruchsmarke "azh" die Abkürzung und Teil des Namens der Widersprechenden darstellt, sind die vorgenannten Voraussetzungen hier zu bejahen.